Orisha- und Ifá-Divination in europäischem Kontext

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Orisha- und Ifá-Divination in europäischem Kontext
Orisha- und Ifá-Divination in europäischem Kontext
Beitrag zur Theologie der Orakel von Santería und Ifá
Thomas Altmann 05/2010
Orakelformen in Ifá und Santería
Die Divination, also die Kommunikation mit Entitäten der göttlichen Sphäre, bildet einen
zentralen Bestandteil der westafrikanischen Yoruba-Religion, welche auf Cuba als Santería
oder Regla de Ocha ihre Gestaltung gefunden hat. Ifá ist die höhere Lehre dieser Religion. Je
nach Sichtweise kann Ifá als integraler Bestandteil der Santería oder als ein separater Orden
angesehen werden. Orisha und Ifá bilden jedoch gemeinsam einen unspaltbaren religiösen
Komplex.
Das Orakel von Ifá nimmt Zugriff auf 16x16=256 sogenannte Odus, die als Orakelzeichen fungieren.1 In Ifá gibt es 16 Grundzeichen, die miteinander kombiniert werden und so
256 Doppelzeichen ergeben. Jedes dieser Doppelzeichen enthält wiederum eine Anzahl
verschiedener Aspekte (span.: Caminos), die sich in den ihnen zugeordneten Texten, nämlich
Versen (Ese) oder Legenden (Itán, Pataki) erschließen. Der Ifá-Priester oder Babalawo
bedient sich dabei der Palmnüsse (Ikin) oder der Divinationskette, der Opele (Ekuele) als
Orakelmedien (Orakelinstrumente).
Das Orisha-Orakel, das ausschließlich von den Orisha-Priestern (Olórishas, Santeros/
Santeras) angesprochen wird, verwendet dagegen als Orakelmedium 16 Kaurimuscheln
(Merindinlogun, Diloggún). Die Muscheln werden geworfen und fallen entweder mit der
Vorder- oder Rückseite nach oben. Das Orisha- oder Diloggún-Orakel kann 16+1 Grundzeichen ansprechen, die den Odu-Ifá, den Orakelzeichen von Ifá, angelehnt sind. Von diesen
16 Zeichen werden traditionell – zumindest auf Cuba – nur 12 Zeichen gelesen, die aber mit
einem zweiten Muschelwurf ergänzt und modifiziert werden. Je nach Schule können so die
12x12=144 Zeichen den entsprechenden Doppelzeichen aus den Odus 1 bis 12 in Ifá gleichgeordnet werden.
Sowohl Babalawos als auch Olórishas verwenden wiederum das Obi-Orakel, das nach
dem verwendeten Medium, der Kolanuß (obi) benannt ist. Das Obi-Orakel kann zwar auch
von Aborishas (uneingeweihten Religionsanhängern) geworfen werden; Bedingung hierfür ist
in einigen cubanischen Häusern allerdings der Erhalt der Kriegergottheiten (span.:
Guerreros), insbesondere des Orisha Eleggua. Auf Cuba wurde die Kolanuß als Orakelinstrument durch die Kokosnuß ersetzt. Während sich die Kolanuß in vier Viertel teilen läßt,
werden aus der Kokosnuß vier Scheiben herausgeschnitten und von ihrer harten Schale gelöst.
Diese werden geworfen und landen entweder mit der dunklen Haut oder der weißen,
fleischigen Seite nach oben. Auf verschiedenen Ebenen und mit unterschiedlichen Deutungsverfahren interpretierbar, kann das Obi-Orakel entweder 5, 9, 16 oder in bestimmten
Anwendungsgebieten bis zu 256 Odus ansprechen. Die Verwendung von Kokosnußschalen,
auf deren konkaver Innenfläche Kaurimuscheln aufgeleimt wurden, ist eine neuere,
1
Ein Odu ist weit mehr als nur ein „Orakelzeichen“. Den Begriff auf allen Bedeutungsebenen in ihrer ganzen
Tiefe zu erörtern, würde den Rahmen dieses Artikels sprengen. Ebenso verweise ich für eine ausführliche
Beschreibung der aufgeführten Orakeltechniken auf die einschlägige Fachliteratur, deren Hauptwerke in dem
vorliegenden Text immer wieder zitiert und im Literaturregister am Schluß detailliert aufgeführt werden.
wahrscheinlich nordamerikanische Erfindung von Carlos C. Collazo.2 Sie ist auf Cuba nicht
gebräuchlich. Eine weitere Variante der Obi-Methode ist das Vier-Kauri-System, das zwar
nicht auf Cuba, aber in Afrika von den Yoruba häufig angewandt wird und auch in Brasilien
bekannt ist.3
Die Verwendung eines sogenannten Orisha-Tarot etwa nach Zolrak und Durkon4 oder die
Weissagung mittels Domino-Spielsteinen5 sind keine orthodoxen Orakel der Yoruba- oder
Lukumí-Religion. Eine religiöse Bedeutsamkeit ist bei diesen Formen nicht gegeben.
Ifá-, Diloggún- und Obi-Orakel treffen sowohl Feststellungen über die Vergangenheit als
auch Gegenwartsanalysen und Zukunftsprognosen, wobei sie des öfteren über eine bloße
Trendbestimmung hinausgehen und ziemlich konkrete Aussagen anbieten. Bei all diesen
Orakelformen handelt es sich um deuterische Orakel (im Gegensatz zu seherischen Orakeln)6,
bei denen auf ursprünglich mündlich überlieferte Texte zurückgegriffen wird, welche den
ermittelten Orakelzeichen zugeordnet sind. Cornelius Agrippa von Nettesheim (1486-1535)
bezeichnete derartige Orakel einst als „Lose“.7
Besonders das Ifá-Orakel, das sich trotz seiner relativen Spätgeburt zur „Hohen Lehre“
und erstrangigen Divinationsform der Yoruba-Religion vorgearbeitet und als solche
durchgesetzt hat, gehört darüberhinaus der Orakelgattung der Geomantie an. Die Diagramme
der im 16. Jahrhundert aus dem Orient nach Europa überlieferten und von Agrippa von
Nettesheim auch als „Punktierkunst“ bezeichneten Geomantie stimmen unzweifelhaft mit
denen der Ifá-Grundzeichen überein8. Sowohl das Punktieren als auch das yorubische Ifá und
das madagassische Sikidi dürften in direkter Linie der islamisch-arabischen Methode des Ilm
Al-Raml oder Derb Al-Raml entlehnt sein. Letztlich läßt sich zwar über die Frage, ob Ifá oder
Derb Al-Raml früher existierte, nur spekulieren; doch scheint mir die These plausibel zu sein,
daß die Ifá-Divination erst zwischen 635 und 760 n. Chr. infolge der Ausbreitung des Islam in
Afrika aus dem Derb Al-Raml entstanden ist.9 Nach meiner Einschätzung ist es in politischer
Hinsicht höchst unwahrscheinlich, daß umgekehrt islamische Kaufleute von den Yoruba
deren orakuläres System und Weisheitslehre hätten übernehmen wollen. Denkbar wäre hingegen, daß ein ursprüngliches Yoruba-Orakel (Obi?) vor der Übernahme der geomantischen
Methode der Araber bestanden hatte, das dabei half, die arabischen Orakelzeichen bei deren
Übernahme inhaltlich umzudeuten und zu den Odu-Ifá zu prägen, die bis heute in der
Religion der Yoruba existieren.
Als weitere Divinationsformen der Yoruba wären der Vollständigkeit halber noch
Sternen- und Wasserschau, Traumdeutung und Meditation zu nennen, die aber nach William
Bascom als relativ unbedeutend anzusehen sind.10 Ferner wäre zu erwähnen, daß auch die
Besessenheitstrance, die unter anderem bei Zeremonien auftritt, in denen Trommeln, Gesang
2
Siehe Baba Osundiya: Awo Obi. Obi Divination in Theory and Practice [2001:38 ff]; sowie Baba Ifa Karade:
The Handbook of Yoruba Religious Concepts [1999:82-84]; Afolabi E. Epega, Obi Divination [2003:5].
3
Siehe William Bascom, Ifá Divination [1991:10]; Awo Fá’lokun Fatunmbi: Awo. Ifá and the Theology of
Orisha Divination [1992]; Baba Osundiya: Awo Obi. Obi Divination in Theory and Practice [2001:40]; Serge
Bramly, Macumba, die magische Religion Brasiliens [1978:77]
4
Zolrak & Durkon: The Tarot of the Orishas [1994]
5
Siehe Luis Manuel Núñez: Santeria. A Practical Guide to Afro-Caribbean Magic [1992:107-110]
6
zu dieser Unterscheidung: Bettina Tegtmeier, Orakel – 50 Techniken der Schicksalsbefragung [1990:16-18]
7
Agrippa von Nettesheim, Die magischen Werke [2008:452]
8
ibid. [510 ff]; Stephen Skinner, Terrestrial Astrology. Divination by Geomancy [1980:2-4]
9
Stephen Skinner, Terrestrial Astrology. Divination by Geomancy [1980:1; 19 ff; 25-27; 53 ff]; William
Bascom: Ifa Divination. Communication between Gods and Men in West Africa [1991:7-10]
10
William Bascom: Ifa Divination [1991:11]
und Tanz eine zentrale Rolle spielen, als eine Form der Divination zu betrachten ist.11 Das
besessene Medium verteilt nämlich als Stimme einer Gottheit Botschaften und Ratschläge.
Vergleiche mit schamanistischen Divinationsformen in und außerhalb von Afrika liegen hier
nahe.
Divination, Orakel und Wahrsagung im Kontext westlicher Zivilisation
In der christlich-westeuropäischen Zivilisation wird zwischen Divination, Orakel und
Wahrsagerei in der Regel kein Unterschied gemacht. Der Begriff Divination ist in der
deutschen Sprache ungebräuchlich, bedeutet aber im romanischen wie englischen Sprachgebrauch dasselbe wie Hellsehen, Wahrsagen, Weissagung oder Prophezeiung. Daß der
lateinische Wortstamm divin- ein göttliche Handlung, ein In-Verbindung- oder In-Gemeinschaft-Treten (Kommunikation) mit Gott oder eine göttliche Inspiration andeutet, findet auch
in diesen Sprachen selten Berücksichtigung.
Ebenso auf einen religiösen Zusammenhang deutet das Wort Orakel hin. Das lateinische
Wort oraculum (Götterspruch, Orakel) ist vom Verb orare (reden; beten) abgeleitet. Ein
Orakel bezeichnet sowohl die Auskunft, die aus einem transzendenten Bereich heraus
vermittelt wird, als auch den Ort (die Orakelstätte), den Kult, die Technik oder den Wissensfundus, denen solche Auskunft entstammt.
Eine Weissagung beschränkt sich dagegen überwiegend auf die Vorhersage von
zukünftigen Ereignissen und ist nicht auf einen transzendenten oder gar göttlichen Bezug
angewiesen. Sie kann auch der übersinnlichen, hellseherischen Inspiration einer hierzu
besonders veranlagten Einzelperson entspringen. Wahrsagerei im allgemeinen ist also nicht
unbedingt religiös motiviert.
In westlichen Zivilisationen bekannt ist das berühmte Orakel von Delphi, das in der
Antike Griechenlands Bedeutung, Ansehen und Einfluß genoss. Es wurde 394 nach Christus
als heidnischer Kult verboten. Das chinesische I Ging-Orakel ist in Europa insbesondere
aufgrund der wissenschaftlichen Erörterung durch Richard und Hellmut Wilhelm zu einiger
Prominenz und Anerkennung gelangt. Die Deutung von Tarot-Karten und die Erstellung
astrologischer Horoskope werden trotz aller Aufklärung durch die modernen Naturwissenschaften auch in Europa und Nordamerika wieder betrieben, wenn auch in geringem Ausmaß.
Der Schweizer Tiefenpsychologe Carl Gustav Jung (1875-1961) stellte 1952 seine
Theorie von der „Synchronizität als Prinzip akausaler Zusammenhänge“ vor, die er unter
anderem mit Orakelsystemen wie dem I Ging und der Astrologie illustrierte. C.G. Jung wurde
durch und über seine wissenschaftliche Forschung hinaus zu einem der Protagonisten
europäischer Spiritualität. Jung und seine Schüler errichteten hauptverantwortlich von
europäischer Seite aus einen Brückenkopf zum Verständnis und zur Akzeptanz magischer
Denksysteme wie der Alchemie oder auch außereuropäischer Religionen. In naturwissenschaftlicher Hinsicht fand C.G. Jungs Ideen von der Synchronizität, den seelischen
Archetypen und dem kollektiven Unbewußten hingegen keine bleibende Beachtung, sondern
werden heute – insbesondere von Freudianern – eher als intellektuelle Verfehlung eines im
Grunde genialen Geistes angesehen.
11
Michael Marcuzzi, Dancing with the Divine(r) [1996:4]: “<Bata drumming and Ifá divination> are both
divination systems, solidifying a non-normal mode of cognition for the purposes of receiving a non-normal mode
of communication.”
Orakel werden wie jede gewöhnliche Wahrsagerei in der westlichen Kultur als
atavistischer Aberglaube abgetan. Folglich sind auch Orisha- und Ifá-Divination für westliche
Zivilisationen ein schwer verträglicher Brocken. Wo alles Irrationale, Spirituelle, Religiöse
als das unzeitgemäße Hirngespinst verwirrter Geister belächelt wird, ist selbstverständlich
auch kein Platz für so etwas wie ein Orakel. In der Tat ist das Orakelwesen eines der diversen
Merkmale der Yoruba-Religion, die eine breitere Akzeptanz dieser Religion in der westlichen
Hemisphäre erschweren. Die moderne Naturwissenschaft weiß Jungs Theorie von der
Synchronizität als Spekulation zu entkräften und betrachtet ein Orakel als eine Art Zufallsgenerator. So bedient sie sich der statistischen Wahrscheinlichkeitsrechnung, um dessen
Ergebnisse zu erklären und gelangt zwangsläufig zu dem Schluß, daß ein Orakelwurf
keinerlei relevante Aussage zutage fördern kann.
So ist es nur folgerichtig und innerhalb der westlichen Denksysteme des Materialismus
und Positivismus vollkommen begründet, Orakelkonsultanten als Schwindler und Spitzbuben
zu betrachten, denen nur Dummköpfe auf den Leim gehen. Der ebenso spektakuläre wie
amüsante Forer-Test, der zur Entdeckung des sogenannten Barnum-Effekts führte, wie auch
die pfiffige Technik des Cold Reading, die von Trick-Künstlern angewandt wird, um bei
ihrem Gegenüber die Illusion ihrer hellseherischen Begabung zu erwecken, tun ihr Übriges,
um Orakelkonsultationen als psychologischen Betrug bloßzustellen.
Der amerikanische Psychologe Bertram Forer stellte 1948 einen vorgeblichen Persönlichkeitstest aus den Texten einfacher Zeitungshoroskope zusammen, den er dann seinen
Studenten vorlegte. Alle Befragungsteilnehmer erhielten einen identischen Text, und doch
förderte das durchschnittliche Ergebnis zutage, daß die Teilnehmer ihre in ihm dargelegte
Persönlichkeitsanalyse als zu 80 Prozent zutreffend bezeichneten. Der Grund dafür wird auf
einen Effekt zurückgeführt, der nach dem Zirkusdirektor P.T. Barnum benannt wurde. Dessen
Slogan lautete „a little something for everybody“. Die Aussagen der Horoskope waren
nämlich so allgemein gehalten, daß wirklich niemand ihren Wahrheitsgehalt vollkommen
hätte abstreiten können.
Cold Reading bezeichnet eine Wahrsagetechnik, die ursprünglich für Zauberkünstler in
der Unterhaltungsbranche entwickelt wurde. Beim cold reading (kalte Wahrsagung) ist der
Wahrsager gänzlich uninformiert über den Charakter und die persönliche Situation seines
Gegenübers, schafft es jedoch durch genaue Beobachtung, geschickte Gesprächstaktik und
Erzeugung einer bestimmten Atmosphäre zum einen, seinen Klienten von seinen hellseherischen Fähigkeiten zu überzeugen; zum anderen, Aussagen zu formulieren, die dieser als
relevant empfindet, und schließlich: Ratschläge zu erteilen, die gerne angenommen und daher
als hilfreich gewertet werden.
Mit der nötigen Böswilligkeit ließen sich sowohl der Barnum-Effekt als auch das Cold
Reading unschwer auf Teile der Orakeltexte beziehungsweise auf Beratungssituationen mit
Ifá- oder Orisha-Priestern beziehen. Da Orakel und Divination in dem spirituellen Vakuum
westlicher Kultur mit Wahrsagerei gleichgeordnet und von den alles regierenden disziplinären
Naturwissenschaften als nicht aussagefähig hingestellt werden, ist es unvermeidlich, daß unter
den herrschenden Paradigmen dieser westlichen Kultur Divination im allgemeinen und das
Orisha- und Ifá-Orakel im besonderen als sinnlose Zeit- und Geldverschwendung, als
Bewußtseinsvernebelung oder sogar als gefährliche Täuschung und Betrug hingestellt wird.
Diese Sichtweise ist – dies sei unmißverständlich gesagt – gerechtfertigt; aber tatsächlich
stellt sie nur eine der beiden gleichberechtigt geltenden Perspektiven der Wahrheit dar, wie
wir späterhin sehen werden.
Die sogenannte New-Age-Bewegung hat seit dem Ende der sechziger, verstärkt aber etwa
Ende der siebziger Jahre damit begonnen, die spirituelle Vakanz in der westlichen
Hemisphäre mit einem breiten und bunten Angebot spiritueller Ersatzlehren und –kulte
auszufüllen, und das keineswegs nur aus menschlicher Nächstenliebe. Diese werden allesamt
in irreführender Weise unter dem Oberbegriff Esoterik geführt.12 Im Zuge dieser Bewegung
haben auch Orakelformen wie der Tarot, die Astrologie oder (seltener) das I Ging zu
neuerlicher Popularität gefunden. Westliche Befürworter und Praktizierende dieser Orakelformen sprechen von einem bewußtseinserweiternden Effekt und der damit verbundenen
therapeutischen Wirksamkeit der Orakel.
Orakel und Therapie
In einer gewöhnlichen Therapiesituation herrscht eine Konstellation aus zwei Personen,
einem Therapeuten und seinem Patienten (Klienten). Der Patient oder Klient hat ein Problem,
das er alleine, also ohne Hilfe von außen nicht zu lösen imstande ist. Das heißt also: Schon
der Umgang des Klienten mit seinem Problem ist problematisch, weil erfolglos oder gar
aussichtslos. Er möchte darum nicht nur sein Problem lösen, sondern die Problembewältigung
erlernen, indem er als Persönlichkeit reift und gesundet. Hierfür ist es zweckmäßig, etwas
über sich selbst zu erfahren, und genau darauf ist der Therapeut kraft seiner Ausbildung,
seines entsprechenden Fachwissens und seiner Fertigkeiten eingestellt. Nachdem der Klient
dem Therapeuten sein Problem aus eigener Sicht geschildert hat, entsteht eine zweiseitige
oder zweipolige Beziehung zwischen Klient und Therapeut, deren einziges Motiv geradewegs
das Problem des Klienten ist.
In einer Orakelsituation gibt es ebenfalls einen Klienten, der entweder ein Problem hat
oder etwas über sein eigenes Wesen und seine Position im kosmischen Gefüge erfahren
möchte. Auch hier bedingen sich die Persönlichkeit und die spezifische Problemstellung des
Klienten oft gegenseitig.
Der Orakelpriester oder Konsultant jedoch ist im Gegensatz zu einem klassischen Therapeuten Medium und Interpret eines Orakels.13 Gemäß seiner Ausbildung (und gegebenenfalls
Weihe) besitzt er die Kenntnis des Orakelschatzes, beherrscht die Technik der Orakelbefragung und hat die Fertigkeit, die ermittelten Informationen so aufzubereiten, daß sie sich dem
Klienten erschließen und ihm Handlungsanweisungen oder zumindest Optionen für sein
weiteres Vorgehen aufzeigen. Anders als in einer normalen Therapiesituation konfrontiert der
Orakelpriester den Klienten nun mit einem zweiten, parallelen Szenario, das dem Orakeltext
entstammt und mit der Situation des Klienten in eine symbolhafte Beziehung tritt. Diese
Beziehung zwischen dem Orakelszenario und der Klientensituation ließe sich als wechselseitige Projektion oder Reflektion umschreiben.
Die therapeutische und bewußtseinserweiternde Wirkung tritt ein, indem der Klient seine
Problematik am Orakel reflektiert und diesem entsprechend umdeutet:
12
Ich spreche von Ersatz, weil diese neuen oder neu entdeckten Lehren und Kulte in gewissem Umfang die in
diesem Kulturkreis heimische christliche Religion ersetzen, deren Kirche in ihren Grundsätzen überaltert, in
ihrer Moral unglaubwürdig geworden und in ihrem Kultus verdorrt oder verarmt ist; und zwar in einer Weise,
daß jeder Rettungsversuch sie nur noch tiefer hinabzureißen scheint.
13
Eine Variante der Konstellation Konsultant – Klient stellt die Eigenbefragung dar, bei der der Klient sein
eigener Konsultant ist, indem er für sich selbst sein Orakel befragt.
1.
Es wird eine Resonanz oder Interferenz zwischen beiden Szenarien hergestellt und
unbewußt ausgewertet.
2.
Der Klient wird aus seiner ausweglosen Fixierung auf seine persönliche Problemsituation herausgerissen und auf einen neuen Aussichtspunkt versetzt, von dem er
einen veränderten Blickwinkel von einem ausgelagerten Standpunkt erhält. In der
neugewonnenen Betrachtung eröffnen sich mitunter Lösungsmöglichkeiten, die
der Klient vorher nicht hätte erkennen können.
3.
Die Überwindung der zeitlichen Linearität (beziehungsweise des Zeit-Vektors),
die ein Orakel immer leistet, lenkt die Betrachtung des Klienten über die aktuelle
Zukunftsprognose hinaus zur zeitübergreifenden Welt- und Selbsterkenntnis und
hilft so, sich nicht nur in der bestehenden Problematik, sondern auch in jeder
späteren Lage seinem Wesen gemäß zu verhalten.
Philip Peek, der sich gerade mit afrikanischen Orakelformen auseinandergesetzt hat,
erinnert daran, daß das menschliche Gehirn in zwei Hemisphären unterteilt ist, von denen die
linke für die rechte Körperhälfte und für das lineare, begriffliche und logische Denken, die
ratio zuständig ist, während die rechte Hemisphäre die linke Körperhälfte regiert und zu
Intuition, Inspiration und Imagination befähigt. Peek weist darauf hin, daß der Divinationsprozeß, gestaltet vom Orakelpriester, eine alternative, nicht-rationale oder nicht-normale
Verständnisweise (mode of cognition) der vorliegenden Situation oder Problematik aufzeigt
und anbietet. Das Orakel schafft so eine Synthese zwischen rationalem und nicht-rationalem
Verständnismodus.14 Ich möchte diesen Gedanken weiterführen, indem ich den Schluß ziehe,
daß im Moment der Orakelverkündung die Problemstellung des Klienten in dessen linearer
und rationaler Betrachtung relativiert und gleichgewichtig auf die intuitive/rechte wie auf die
rationale/linke Hirnhälfte verteilt wird. Auf diese Weise findet ein heilsamer Austausch und
Ausgleich innerhalb der Gesamtpersönlichkeit des Klienten statt.
Unbedingte Voraussetzung für die Wirksamkeit jeder Orakelkonsultation ist aber stets die
unausgesprochene Übereinkunft über die Relevanz und Aussagekraft des Orakels einerseits
und die Wahrheit des ihm zugrundeliegenden Denksystems und Weltbildes andererseits.
Diese Wahrheit kann eine relative sein, darf aber auf keinen Fall in Zweifel stehen; denn sonst
würde das Orakel – nun tatsächlich – zur vollkommenen Bedeutungslosigkeit absinken.
Anerkennung unter Vorbehalt
Die Yoruba-Religion in ihren verschiedenen Formen – Ifá, Santería, Candomblé, Shango
etc. – ist bislang sowohl von der New-Age-Bewegung wie auch von der christlichen Kirche
weitgehend verschont geblieben. Somit ist auch ihr Orakelwesen ebenso einer Vermarktung
und Trivialisierung als „esoterische“ Mode wie einer Ächtung durch die christliche Kirche
bislang entkommen. Sie genießt bisweilen sogar eine gewisse Sympathie von Ethnologen wie
von karitativen oder gar christlichen Organisationen.
Das Ifa-Orakel schafft auf eine sehr konkrete, klare, hilfreiche Weise eine jederzeit erlebbare und
reproduzierbare Verbindung zwischen der unsichtbaren und der sichtbaren Welt. Dadurch erleichtert es
nicht nur das Festhalten am traditionellen Glauben, indem es ihn konkretisiert, sondern es bietet dem
Yoruba, der sich an dies Orakel hält, zugleich eine direkte, praktische Anleitung zur Bewältigung seines
Lebens. Auf diese Weise demonstriert es, wie keine andere Institution der Yoruba-Religion es vermag, die
Einheit von Religion und Lebensführung unter den traditionellen Yoruba. Es vermittelt deren unmittelbare
Berührung mit den ethischen Forderungen der traditionellen Religion. Denn die Antworten, die dies Orakel
14
Philip M. Peek, African Divination Systems. Non-Normal Modes of Cognition, in: African Divination Systems.
Ways Of Knowing (ders. Hrsg.) [1991:205]
dem Fragesteller gibt, werden von der religiösen Ethik gespeist, die die Yoruba-Kultur hervorgebracht hat.
Im ganzen ist das Ifa-Orakel also das Band, das die traditionelle Welt der Yoruba zusammenhält und ihre
Einheit garantiert. Das Ifa-Orakel verhindert das Absterben einzelner Bestandteile der traditionellen Religion
und Lebensweise infolge lebensfremder und unverständlicher Abstraktion, indem es sie alle mit seinem
Leben und mit seiner Konkretheit durchdringt.15
Schwingt vielleicht auf europäischer Seite so etwas wie ein schlechtes Gewissen für die
eigene unselige Rolle im Kolonialismus mit, wenn konzediert wird, daß afrikanische und
afroamerikanische Religionen und ihre Kulte für ihre indigene Anhängerschaft sinngebend
und segensreich sein können? Handelt es sich um eine Sehnsucht nach alternativen
Lebensformen oder gar einer Fortsetzung der Idee vom „edlen Wilden“?
Die evangelische Pastorin und Sektenbeauftragte (!) der Nordelbischen Kirche in
Hamburg, Gabriele Lademann-Priemer, hat sich besonders mit dem afrikanischen Vodú, einer
Schwesterreligion der den Yoruba benachbarten Fon auseinandergesetzt und „wirbt für mehr
Respekt. Voodoo sei eine traditionelle afrikanische Religion, die zu Unrecht mit Nadelpüppchen und Zombie-Filmen "in die Schmuddelecke des Okkultismus" gedrängt worden sei.
… Von seinem Ursprung her sei Voodoo ein Kult, der mit Trance, Kräutermedizin und
Orakeln die Gemeinschaft heilen will. Ziel sei es, das zerbrechliche Gleichgewicht im Dorf
wieder herzustellen und zu schützen.“ 16
Voodoo ist ein Heilungskult. Der Voodoo mit seinen Orakeln und Tänzen, der Trance, den Kräutermedizinen
und Mixturen dient der Heilung der Gemeinschaft und des einzelnen. Wenn im Dorf das Leben mit seinem
Beziehungsgeflecht aus dem Gleichgewicht geraten ist, muß die Ursache ermittelt werden, und entsprechende Zeremonien sind durchzuführen. Das Gleichgewicht ist immer zerbrechlich und muß geschützt
und aufrechterhalten werden.
Das ist die Aufgabe der Priester und Priesterinnen. Sowohl in Afrika als auch in Lateinamerika gibt es
beides: Priester und Priesterinnen. Ich habe jedoch den Eindruck, daß die höchsten Priester stets Männer
sind. Die Priester/Innen führen die Zeremonien durch, bringen die Opfer dar und sind die Heilkundigen….
Im Tenor ihrer Botschaft warnt Lademann-Priemer jedoch Europäer davor, sich „in
Westafrika oder Lateinamerika auf Voodoo-Praktiken einzulassen“.
Ich selber kann zwar eine psychische Gefährdung von Menschen, die innerlich
ungefestigt sind und sich so bindenden Ritualen ausliefern, nicht ganz von der Hand weisen;
keine Religion ist gut für jedermann! Der Schriftsteller Hubert Fichte, der seit 1961 bis zu
seinem Tode in Hamburg lebte und eindrucksvolle, poetische wie ethnographisch getönte
Darstellungen afroamerikanischer Religionen hinterließ17, hat zeitlebens davon Abstand
genommen, „den nächsten Schritt zu tun“ und sich initiieren zu lassen. Der Journalist und
Ethnologe Christoph Henning formulierte wörtlich, Voodoo sei „eine schwarze Religion,
nichts für Europäer“.18 Und das, obwohl sich bereits zahlreiche Europäer und Euroamerikaner
nicht nur in Religionen afrikanischer Herkunft haben einweihen lassen, sondern auch
Bedeutendes in diesen Religionen geleistet haben; Pierre Verger und Susanne Wenger sind
nur die Prominentesten unter ihnen. Ich selber bin mir hinreichendes Beispiel dafür, daß auch
ein Europäer in die Religion hineinwachsen und dabei spirituell reifen kann, ohne sich gleich
zu vergiften oder psychotisch zu werden.
15
Staewen und Schönberg, Kulturwandel und Angstentwicklung bei den Yoruba [1970:114], zitiert in: Bonin,
Die Götter Schwarzafrikas [1979:106]
16
Lademann-Priemer: Voodoo sollte als Religion aber ernst genommen werden unter der Internetadresse:
http://www.nordelbien.de/nachrichten/one.news/index.html?entry=page.newsne.200902.96; Gefährliche Rituale
(http://www.sonntagsblatt-bayern.de/news/aktuell/2009_08_09_01.htm); Voodoo als Heilungskult (2007) unter
http://www.glaube-und-irrglaube.de/index2.htm
17
Fichte veröffentlichte Xango (S. Fischer, Frankfurt/M. 1976) und Petersilie (S. Fischer, Frankfurt/M. 1980)
18
http://www.ruhr-guide.de/rg.php/left/menu/mid/artikel/id/6983/kat_id/34/parent_id/144/kp_id/0/kp_titel/Voodoo-Museum
Die Konsultation des Ifá- oder Orisha-Orakels
Für die Ifá- oder Orisha-Divination sind alle bis hierher getroffenen allgemeinen Betrachtungen über Orakel nur von peripherem Interesse, und dann höchstens im Sinne einer nachträglichen Analyse. Allein solch eine Analyse aus der Distanz des außenstehenden
Beobachters bringt keinen Menschen zu der Entscheidung, einen Babalawo oder Olórisha zu
konsultieren, um ein persönliches Problem zu bewältigen. Ifá-, Obi- und Diloggún-Orakel
sind integrale Bestandteile der Yoruba-Religion; sie haben ihre Stellung und ihren Stellenwert
ausschließlich in und durch Orisha und Ifá. Wer nicht Teil der Religionsgemeinschaft ist oder
sich wenigstens ihrer Lehre und ihrer Weltsicht verbunden fühlt, kann mit diesen
Divinationsformen wahrscheinlich nicht viel anfangen.
Die Orakel der Yoruba-Religion haben samt und sonders zum Ziele, eine Verbindung und
einen Ausgleich mit der transzendenten Existenzsphäre, dem Orun, und ihren Wesenheiten,
den Egun (Totenseelen), den Orisha (Gottheiten) und Ebora (Geistwesen) herzustellen. Dies
geschieht durch Opferhandlungen (Ebo) unterschiedlichen Umfangs. Eine Orakelkonsultation
hat also eigentlich zum Zweck, die Art und den Umfang einer Opferleistung zu bestimmen.19
Erst wenn durch das richtige Opfer das Gleichgewicht oder die Reziprozität mit den Instanzen
des Orun wiederhergestellt ist, wird sein Leben in Harmonie oder Einklang mit der Welt und
seine Person in Übereinstimmung mit seinem Wesen gebracht, und seine Wege werden
geöffnet. Dies ist die wahre Funktion des Orakels in Orisha und Ifá, selbst wenn Klienten
zunächst mit dem vordergründigen Motiv der Lösung weltlicher Einzelprobleme an den
Priester herantreten.
In diesem Vorgang wird bereits eine Vielzahl theologischer Axiome vorausgesetzt, ohne
deren Anerkennung ein Klient seine persönliche Problematik nicht bewältigen, sondern nur
komplizieren würde:
A. Es gibt eine materielle diesseitige (Ayé) und eine geistige jenseitige Welt (Orun).
B. Die jenseitige Welt wird von geistigen Wesenheiten bewohnt.
C. Die beiden Welten sind Teile eines einzigen Kosmos und miteinander verbunden.
D. Ganz bestimmte Handlungen oder Leistungen haben einen gezielten Effekt auf die
transzendente Welt.
E. Die transzendente geistige Welt wirkt umgekehrt auf das Geschehen in der körperlichen Welt ein.
F. Jeder Mensch besitzt ein transzendentes Wesen (Orí, Iporí), mit dem in Übereinstimmung zu leben segensreich ist.
G. Gleichgewicht (balance) und Ausgeglichenheit auf allen Ebenen sind zentrale
religiöse Maximen.
Positiv ausgedrückt bringt jeder, der diese Grundaussagen in seinem eigenen Weltbild
wiederfindet, gute Voraussetzungen dafür mit, von einem Orakel der Yoruba-Religion eine
für das eigene Leben relevante Botschaft zu erlangen.
Der Orisha-Priester Michael Atwood-Mason beschreibt treffend, daß ein Konsultant
keineswegs die Probleme seines Klienten löst, weil er dies nicht kann. Stattdessen dramati19
David O. Ogungbile bezeichnet das Ebo als „raison d’etre for divination activities“ (s. Eérìndínlógún in
Murphy/Sanford: şun across the Waters [2001:205]). In Ifá gibt es keine Orakelkonsultation ohne Opfer. Opfer
sind immer das unerlässliche Endresultat. (s. Wande Abimbola, Ifá. An Exposition to Ifá Literary Corpus
[1976:35], J. Omosade Awolalu, Yoruba Beliefs and Sacrificial Rites [1996:126] und Yemi Elebuibon, The
Healing Power of Sacrifice [2000:30-31])
siert er anhand des ermittelten Orakelzeichens die Problematik des Klienten, indem er ihm
eine religiöse Deutung derselben suggeriert, bietet ihm aber sofort darauf eine Lösung der
Krisis durch ein wirksames Ebo an. Divination und Opfer bilden somit eine Einheit und haben
eine reinigende, kathartische Wirkung.20 Voraussetzung hierfür ist das Vertrauen des Klienten
in das Wissen, die Fähigkeit und die Integrität des Orakelpriesters.
Wie wir an Atwood-Mason’s psychologischer Interpretation des Divinationsvorgangs
sehen, schließen Spiritualität und der analytische Ansatz der westlichen Psychologie einander
nicht aus. Ich erwähnte schon, daß der Tiefenpsychologe C.G. Jung vielfach ein erstes
Bindeglied zwischen europäischer Gedankenwelt und der Kosmologie von Ifá bildet. Die
Grenzen zwischen Orun und dem kollektiven Unbewußten verlaufen ebenso fließend wie
zwischen Orisha und Archetyp. In meiner Ansicht ist es gerade jene tiefenpsychologische
Bedeutsamkeit, welche in der Yoruba-Religion in ungebrochener Gültigkeit bewahrt worden
ist, die sie vor den sogenannten Hochreligionen auszeichnet, weil sie den Menschen wirklich
noch betrifft.
Ob man nun die Begriffe aus Psychologie und Religion einfach gleichsetzen darf, sei dem
Gutdünken jedes Einzelnen überlassen. Jung ist seinerseits schon so weit gegangen, eine
eigendynamische Qualität des Unbewußten als Geist zu definieren; dieser Geist enthalte ein
spontanes psychisches Prinzip von Aktivität und Bewegung; er habe die Eigenschaft, Bilder
frei und jenseits unserer sinnlichen Wahrnehmung zu erschaffen und gehe mit diesen Bildern
autonom und souverän um.21
Ich selber würde zu einer eher mystischen Sichtweise tendieren, indem ich postuliere: Es
gibt eine geistige Existenzsphäre neben der sichtbaren materiellen Wirklichkeit, die mit dieser
zum einen auf analoge Weise korrespondiert, zum anderen einen kompensatorischen Gegenpol zu ihr bildet. Der Geist22 jedes einzelnen Wesens enthält ein genaues Hologramm der
gesamten geistigen Existenzsphäre, in einer Weise, daß wer ungehinderten Zugang zu seinem
Geiste hat, die ganze (geistige) Welt versteht.23 Unser Geist ist das Organ zur Wahrnehmung
der geistigen Welt und zur Kommunikation mit ihr. Die Wahrnehmung des Geistes durch den
Geist (des Menschen) ist gleichzeitig ein Akt der Erkenntnis und ein Akt des Erschaffens.24
Durch die Wahrnehmung wird der Geist wahrhaftig, und durch die kollektive Beachtung,
Erörterung und Manipulation des Geistes wird dieser wirklich.25
Es bleibt der spirituellen Verfassung jedes Einzelnen überlassen, ob er der Geisteswelt
und seinen Bewohnern numinose (göttliche) Eigenschaften beimißt.26 C.G. Jung hat seine
Archetypen beschrieben als „patterns of behaviour“, die „eine spezifische Ladung“ [Energie]
20
M.A. Mason: Living Santería [2002:24-25]
C.G. Jung: Zur Phänomenologie des Geistes im Märchen (Grundwerk Band 2 [1989:211]; Marie-Louise von
Franz 1980: Wissen aus der Tiefe [1992:28]
22
Hiermit meine ich durchaus die Trinität von mens – intellectus – spiritus.
23
Zu diesem Thema siehe: George Leonard, Der Rhythmus des Kosmos [1987] (engl. The Silent Pulse [1978])
24
Im Odu-Ifá Ofun-Irete wird Orí (hier: der menschliche Geist) als Schöpfer von Ifá und Orisha dargestellt.
25
Da der menschliche Geist ohnehin ein Hologramm der geistigen Welt bildet, schlage ich vor, einmal keinen
Unterschied zwischen den beiden Bedeutungsebenen mehr zu machen, sondern getrost das Eine mit dem
Anderen gleichzusetzen.
26
Die Merkmale des Numinosen hat Rudolf Otto umrissen als: I. Das Kreaturgefühl als in Abhängigkeit von
etwas Erhabenen außerhalb meiner selbst; II. Die heilige (religiöse) Scheu vor dem Unheimlichen, dem
Übermächtigen, dem Energischen, dem ganz Anderen; III. Das Ungeheure, Unermessliche; IV. Das
Faszinierende, Anziehende, Ersehnte, jedoch: V. Mehr als die Liebe und das Idyll vertrauter Teilhabe am
Göttlichen. (Rudolf Otto 1917: Das Heilige [1997:8-55])
21
besitzen, also „numinose Wirkungen entwickeln“.27 Damit hat Jung seine Archetypen beinahe
schon selber deifiziert. Vor einer allzu leichtfertigen Gleichsetzung der Orishas mit den
Jung’schen Archetypen oder den Instanzen eines beliebigen anderen Systems (etwa der
hellenischen oder der germanischen Götterwelt) möchte ich jedoch warnen.
Das Konzept der Zeit in der Divination
Orunmila beklagte sich einmal darüber, daß er mit niemandem seine Gedanken teilen könnte. Da bot sich
Ogún an: „Orunmila, wir sind doch Freunde! Teile doch mir deine Gedanken mit!“ Orunmila entgegnete: „Na
schön, Ogún; aber kennst du auch Anfang und Ende aller Dinge auf Erden?“ „Ist es das, was dich beschäftigt?“ fragte Ogún. Orunmila bejahte. Ogún versicherte Orunmila, daß er aller Dinge Anfang und Ende
kenne. „Bist du sicher?“ fragte Orunmila. „Das bin ich wohl“, sagte Ogún.
Da beschloß Orunmila, Ogún auf die Probe zu stellen. Er fragte ihn, wohin er gerade ginge. Ogún antwortete, er sei gerade auf dem Weg zum Markt, um sich eine Làbà (Ogúns traditionelle Kleidung) zu kaufen.
Orunmila sagte: „Ogún, bevor du zum Markt gehst, schau einmal in meinen Schrein und bediene dich von
meinen Kolanüssen!“
Ogún betrat Orunmilas Schrein, um sich ein paar Kolanüsse zu holen; aber das Erste, was er sah, waren
nagelneue Eisenwerkzeuge und eine Làbà, die er eigentlich gerade auf dem Markt kaufen wollte. Er war so
überrascht, daß er aus dem Schrein zurücksprang.
„Warum bist du so schnell wieder zurück?“ fragte Orunmila. Ogún sagte, er hätte sich über die Werkzeuge
und die Làbà gewundert und sich gefragt, warum Orunmila ihm nicht gleich davon erzählt hätte. Orunmila
sagte: „Oh, die Sachen gefallen dir? Wenn du willst, kannst du sie haben. Aber zuerst laß uns eine Partie
Ayò spielen!“
Ogún willigte ein, dachte aber die ganze Zeit an nichts anderes als die Làbà und die Werkzeuge in Orunmilas Schrein. Weil er so begierig auf diese Dinge war, ließ er Orunmila geschickt gewinnen. Der wußte
natürlich ganz genau um Ogúns Begehren, tat aber so, als ob er keine Ahnung davon hätte und fragte
Ogún, warum er sich denn keine Mühe gäbe. Da gab Ogún zu, daß er mehr an die Làbà gedacht hatte als
an das Spiel. Orunmila ließ ihn endlich in den Schrein gehen und die Làbà holen und so viele von den
Werkzeugen, wie Ogún haben wollte.
Ogún tat nichts lieber als das; doch als er nun zum zweitenmal den Schrein betrat, waren da keine neuen
Werkzeuge mehr, und auch keine neue Làbà. Alles was er sah, waren rostiger Schrott und eine zerlumpte
alte Làbà. Er hastete wieder zurück, atemlos.
„Was ist?“ fragte Orunmila.
Ogún berichtete Orunmila von den rostigen Eisenteilen und der lumpigen Làbà, die genau dort lagen, wo er
vorher, als er beim ersten Mal den Schrein betreten hatte, die neuen Sachen gesehen hätte. Da erinnerte
Orunmila Ogún an ihr Gespräch, das sie vor dem Ayò-Spiel geführt hatten, als Ogún behauptete, er würde
Anfang und Ende aller Dinge auf Erden kennen. Dann erklärte er ihm, daß die neuen Sachen den Anfang
des Lebens darstellten und die alten, rostigen und lumpigen das Ende aller Dinge. Orunmila machte ihm
klar, daß alle neuen Dinge sich verändern und mit den Jahren altern, bis sie nicht mehr zu gebrauchen sind.
„Ach so“, sagte Ogún. „Jetzt verstehe ich.“ Und er rühmte Orunmilas Weisheit. Er nannte ihn den Allerweisesten. „Nein“, entgegnete Orunmila. „Ich bin nicht der Weiseste.“ Er holte seine Ikin (Palmnüsse) und
die Opele (Ekuele) hervor, zeigte sie Ogún und sprach:
„Ogún, diese Nüsse und diese Kette sind die Instrumente, die aller Dinge Anfang und Ende kennen. Es sind
die heiligen Instrumente von Ifá. Diese heiligen Instrumente sind es, die die verschlüsselten Botschaften von
Olodumare (Gott) entziffern können. Und zu diesem Zweck sollen sie benutzt werden.“
Ogún verstand und ging.
Kaum war Ogún fort, kam Obatala bei Orunmila vorbei. Wieder klagte Orunmila sein Leid, und auch Obatala
bot sich ihm als Gesprächspartner an, seinerseits beteuernd, Anfang und Ende aller Dinge auf Erden zu
kennen. Obatala war auf dem Weg zum Markt gewesen, um Perlen und Blei zu kaufen; doch Orunmila bot
ihm an, in den Schrein zu schauen und sich ein paar weiße Kolanüsse herauszuholen.
Als Obatala den Schrein Orunmilas betrat, saß dort eine wunderschöne junge Frau. Wie verzaubert, vergaß
Obatala die Kolanüsse, wegen derer er hereingekommen war. Er ging zu Orunmila zurück und fragte ihn,
warum er ihm nicht gesagt hätte, daß seine Frau darin säße.
„Oh, das hatte ich ganz vergessen“, sagte Orunmila scheinheilig. „Und übrigens ist sie nicht meine Frau.“
27
Jung: Synchronizität als ein Prinzip akausaler Zusammenhänge, in Synchronizität, Akausalität und
Okkultismus [2001:25]
„Wirklich nicht?“ fragte Obatala.
„Interessierst du dich für sie?“ fragte Orunmila. Obatala bejahte. Orunmila sagte, darüber könnte man reden,
doch zuerst wollte er sich mit Obatala bei einer Partie Ayò entspannen. Obatala willigte ein, war aber in
Gedanken bei dem Mädchen in Orunmilas Schrein. Wie Ogún ließ er Orunmila gewinnen. Als das Spiel
vorbei war, fragte Obatala, was Orunmila als Brautpreis haben wollte.
Orunmila sagte, er könnte das Mädchen auch ohne Brautpreis bekommen, was Obatala sehr erfreute. Er
machte sich zu Orunmilas Schrein auf, um es bewundern. Aber was Obatala sah, war nun kein Mädchen
mehr, sondern eine runzlige alte Frau. Verstört kam er zu Orunmila zurück und wollte er eine Erklärung.
Orunmila erinnerte Obatala an das Gespräch, das sie vor dem Ayò-Spiel geführt hatten, als Obatala
behauptete, er würde Anfang und Ende aller Dinge auf Erden kennen. Darum wollte er Obatala mit dem
jungen Mädchen den Anfang und mit der runzligen alten Frau das Ende aller Dinge lehren.
Als Obatala Orunmila für dessen Weisheit pries, wies dieser abermals auf Ikin und Opele und erklärte, daß
nicht er, Orunmila, der Weiseste sei, sondern vielmehr diese heiligen Instrumente die ganze Weisheit
besäßen. Und diese sollten in schwierigen Fragen zurate gezogen werden.
Denselben Test machte Orunmila mit allen anderen Irúnmolè (Gottheiten). Sie wußten ebenso wenig wie
Ogún und Obatala, was Orunmila mit „Anfang und Ende aller Dinge“ meinte, bis er es ihnen demonstrierte
und ihnen Ikin und Opele vorstellte. Orunmila sagte jedem, daß, wenn er dermaleinst in den Himmel
zurückkehren würde, Ifá, die verschlüsselte Botschaft Olodumares, sich durch Orunmila vermittels Ikin und
Opele unter den Menschen manifestieren würde.
Nach Orunmila sind Ikin und Opele die heiligen Divinations-Instrumente, die bei allen Fragen, Sorgen und
Nöten auf Erden zurate zu ziehen sind.28
Dies ist eine typische Legende (itan, pataki), die als Orakeltext einem bestimmten
Orakelzeichen (Odu) zugeordnet ist. Sie erzählt davon, daß Orunmila, der Orisha der Weisheit
und Patron des Ifá-Orakels und aller Babalawos (Ifá-Priester) sich über das Vergehen aller
Dinge bekümmert. Die Geschichte gibt aber auch Auskunft über den Zeitbegriff der Yoruba,
die Disposition des Orakelpriesters (hier versinnbildlicht durch Orunmila selbst), die Natur
von Ifá und die hervorragende Eigenschaft der Orakelmedien, die Dinge von ihrem Anfang
bis zu ihrem Ende, sozusagen in ihrem wahren Wesen, zu erkennen.
Die Yoruba verwenden drei unterschiedliche Zeitkonzepte; ein zyklisches, ein lineares
und ein flächiges oder räumliches. Diese drei Zeitkonzepte ergänzen sich gegenseitig und
gehen ineinander über. Das zyklische Konzept beschreibt Lebenskreisläufe wie etwa landwirtschaftliche Perioden, die sich nach Aussaat und Ernte bestimmen, Mondzyklen, sowie den
Zyklus des menschlichen Lebens. Das lineare Konzept meint die Chronologie von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft und ist dem westlich-europäischen Zeitbegriff am
ähnlichsten. Die Ordnung und Messung der linearen Zeit in gleichmäßigen, abstrakten
Einheiten, ohne die eine zeitliche Organisation in westlich-europäischer Zivilisationen
undenkbar wäre, gewinnt in afrikanischen Kulturen allerdings nur allmählich Verbreitung.29
Die Zeit wird erfahrbar zunächst nur durch die Ereignisse, die in einem bestimmten
Zeitabschnitt erlebt werden. Die Zeiteinheiten, die vom Erleben dieser Ereignisse geprägt
werden, sind dementsprechend von variabler Ausdehnung.30
28
Geschichte aus dem Odu-Ifá Ejiogbe, zitiert aus Chief FAMA, Fundamentals of the Yorùbá Religion
[1995:141-146]; dieselbe Geschichte findet sich bei Fásínà Fálàdé, Ifa, the Key to Its Understanding [2002:5457], wobei dort nur die Opele erwähnt wird (nicht die Ikin) und die Figur Obatala durch Shangó ersetzt wird.
29
s. Heinz Kimmerele, Zeitbegriff und Entwicklungsbewußtsein in Afrika und in der westlichen Welt in Beyer:
Hegel und die Geschichte der Philosophie, Erster Teil (Hegel-Jahrbuch 1997) [1998:191-192]
30
Bezeichnenderweise ist das Yoruba-Wort für Zeit dasselbe wie für die in der Musik geschlagenen Glocke
(agogo), die mit einer ostinaten (also sich zyklisch wiederholenden) rhythmischen Figur die time oder time line
markiert: Sie liefert einen kaum variierter Kontrapunkt für das freiere rhythmische Geschehen des restlichen
Ensembles. Die rhythmischen Notenwerte entsprechen dabei keineswegs den gleichmäßigen Pulsationen des
Metrums. Die ständige Wiederholung einer rhythmischen Figur erzeugt auf Dauer ein räumliches, ja statisches
Zeitempfinden. Der räumliche Zeitbegriff wird wiederum mit der Vokabel àkókò erfaßt, die einen Zeitraum oder
einen Zeitabschnitt bezeichnet. Der Schlagzeuger Billy Brooks schrieb einmal: „Wiederholung macht eine Sache
wahr.“ (LP-Hüllentext zu El Babaku 1971 Live at the Berlin Jazz Galerie, MPS)
Der Divination liegt im wesentlichen das sterische (räumliche) oder flächige Zeitkonzept
zugrunde, das die C.G. Jung-Schülerin Marie Louise von Franz als „Feld-Denken“ bezeichnet, dem Verständnis der Synchronizität zugrundegelegt und etwa der chinesischen Denkweise zugeordnet hat.31 Auch bei den Yoruba ist ein solches Feld-Denken bekannt. John
Ayoade nannte es structural time.32 Dieses Zeitkonzept ist die Voraussetzung für ein
synchronistisches Verständnis und damit auch für eine Orakelkultur. Auch Jung sagt
ausdrücklich, daß „alle divinatorischen, das heißt intuitiven Techniken, auf das Prinzip des
akausalen oder Synchronizitätszusammenhanges gegründet“ sind.33
Das räumliche Zeitkonzept ist aber nur dann unbedenklich und auch nur dann effektiv,
wenn es dem linearen Konzept gegenübergestellt und mit ihm kombiniert wird; denn eine
ausgewogene Persönlichkeitsstruktur verlangt einen gesunden Austausch zwischen beiden
Hirnhemisphären. Die meisten Klienten würden nicht einmal zu einer Konsultation erscheinen, wenn sie keine konkreten Sorgen hätten, welche sich naturgemäß immer auf eine
linear gedachte Zukunft beziehen. Außerdem gehört es durchaus zum Instrumentarium eines
verantwortungsbewußten Orakelpriesters, Handlungsanweisungen oder –empfehlungen zu
erteilen, die diesseitige Probleme, deren Ursprung sich auch kausal (also linear) ermitteln läßt,
zunächst mit linearen, diesseitigen Mitteln zu lösen. Das heißt mit anderen Worten: Klienten,
die über akute Schmerzen im rechten Unterbauch klagen, werden schleunigst zum Arzt
geschickt, um sich den Blinddarm-Appendix herausoperieren zu lassen, bevor (eventuell
ergänzend) geistige oder magische Behandlungen vorgenommen werden.
An dieser Stelle möchte ich eine persönliche Erfahrung schildern:
Die erste Orakelkonsultation, an der ich als Klient teilnahm, ereignete sich im Hamburger Museum für
Völkerkunde. Dort fand im Sommer 1992 eine Ausstellung mit dem Titel „Afrika in Amerika“ statt, zu der
auch ein brasilianischer Babalorixa eingeladen worden war, der Besuchern für eine Konsultation mittels der
Búzios (Kaurimuscheln, Diloggún) zur Verfügung stand. Ich beschloß, diese Gelegenheit wahrzunehmen,
weil ich mir Aufschluß darüber erhoffte, welchem Orisha ich gehörte.34
Der Orisha-Priester war ein sehr alter Mann, der an einem kleinen Tisch saß und fortwährend mit seinen
Kauris spielte. Von dem Treiben, das sich um ihn herum abspielte, schien er überhaupt keine Notiz zu
nehmen. Als ich an die Reihe kam und mich zu ihm an seinen Tisch setzte, passierte etwas Merkwürdiges:
Mir war, als würde ich in einen unsichtbaren Schutzraum eintauchen, in dem es nur den Priester, mich und
die Búzios als Sprachorgan der Orishas gab, und der mich von allem, was um uns herum geschah,
abschirmte. Die Schulklasse, die um den Tisch herumtobte, nahm ich buchstäblich nicht mehr wahr. Ich
mußte mir Mühe geben, etwas von meiner Aufmerksamkeit für die Übersetzerin zu erübrigen. Was war
geschehen?
Heute ist mir klar, daß sich von jenem Moment an, als ich in die divinatorische Welt eintauchte, indem ich
mich zu dem Priester an den Tisch setzte, mein Zeitempfinden verändert hatte. Es gab nur noch pure
Gegenwärtigkeit, so voller Ruhe, als hätte sie ewig währen wollen. Der Schutzraum um uns war vielmehr
eine Schutzzeit, eine andere oder veränderte Zeit, die einem anderen Raum glich; denn sie war statisch wie
ein Raum. In dieser parallelen Raum-Zeit-Kapsel war ich von allem, was eben noch meine Umwelt gewesen
35
war, getrennt.
Wie viele Menschen, die sich der Religion verbunden fühlen, aber noch keine verbindliche Annäherung
gewagt haben, war ich – gerade als Trommler – davon überzeugt, der Feuergottheit Changó (Shango,
31
Von Franz: Wissen aus der Tiefe. Über Orakel und Synchronizität [1992:12]
John A.A. Ayoade, Time in Yoruba Thought in R.A. Wright: African Philosophy [1979:77]: “… very often
time is told by a non-causal association of two events, whether or not they are isochronous. Thus, if a woman is
asked when she got married, she replies by associating that event with more popular events like the enthronement of a king or the flooding of a river.”
33
Jung: Synchronizität als ein Prinzip akausaler Zusammenhänge, in Synchronizität, Akausalität und
Okkultismus [2001:41]
34
Nach cubanischer Tradition ist nur Ifá in der Lage, den Kopf-Orisha eines Menschen zu bestimmen. Das
wußte ich damals noch nicht.
35
Auch Fá’lokun Fatunmbi bestätigt: „It is the belief of Ifá that time is altered during divination.” (Ìwa-pèlé –
Ifá Quest. The Search for the Source of Santería and Lucumí [1991:52])
32
Xango) zu gehören, und wie die meisten von ihnen erfuhr ich nun, daß dies keineswegs der Fall war.
Als die Sitzung vorüber war, erhob ich mich und wollte weitergehen und mir über die Worte des Babalorixa
Gedanken machen. Plötzlich schellte mit ohrenbetäubendem Lärm eine Glocke: Feueralarm! Alle mußten
das Gebäude unverzüglich verlassen. Dann nach fünf Minuten die Entwarnung: Es war nur ein Fehlalarm
aufgrund eines elektrischen Kurzschlusses gewesen ...
Die Signifikanz dieser synchronistischen Begebenheit lag für mich auf der Hand: Changó, der Orisha des
Feuers, hatte Alarm geschlagen.36 Wollte er protestieren oder sich von mir verabschieden? Oder war es die
Posse von Eshú (Exu), dem Besitzer der Búzios, uns mit dem Fehlalarm zu foppen? Auf jeden Fall war es
auf eben diesen Zustand von Zeit zurückzuführen, daß solche Synchronismen überhaupt auftreten konnten.
Im europäischen Kulturkreis ist die Idee von Zeit als einer räumlichen Dimension nicht
fremd. Hermann Minkowski entwickelte sie 190737 und schuf mit dem Begriff der Raumzeit
eine der Grundlagen für das Konzept einer flexiblen Zeit, wie Albert Einstein sie im Zuge der
Relativitätstheorie formulierte.
Auch der Naturwissenschaftler, Philosoph und Gurdjeff-Schüler P.D. Ouspensky war
davon überzeugt, daß die Zeit nur eine weitere, nämlich vierte Dimension des Raumes
darstellte, die jedoch der gemeine Mensch nicht als solche wahrzunehmen vermag, weil ihm
hierfür Sinnesorgan und Vorstellungsvermögen fehlen.38 So schlug Ouspensky etwa vor, daß
der dreidimensionale Raum nur ein Querschnitt eines vierdimensionalen „Raumes“ wäre,
ähnlich wie die zweidimensionale Fläche den Querschnitt des dreidimensionalen Raums, die
Linie den Querschnitt der Fäche und der Punkt den Querschnitt einer Linie bildet.
Derlei analogistische Hypothesen, die sich vor der modernen Naturwissenschaft mangels
Beweisbarkeit einer handfesten Skepsis ausliefern, finden in unerforschten Grenzbereichen
der Natur immer noch ein ebenso willkommenes Anwendungsfeld wie in den Anfängen
menschlicher Kultur, als Naturbeobachtung und Analogieschluß die einzigen Werkzeuge
waren, die der Wissenschaft zur Verfügung standen.
C.G. Jung und die Synchronizität
Auch die Synchronizität stellt letztlich eine Form des Analogismus dar oder legt ihn
wenigstens paradigmatisch zugrunde. C.G. Jung bedient sich dabei zwar Begriffen wie
„sinngemäße Koinzidenz“ und „Gleichsinnigkeit von Parallelereignissen“, um akausale
Verknüpfungen von mehreren Ereignissen zu beschreiben, die in auffälliger Weise innerhalb
ein und desselben Zeit-Raumes auftreten und als sinngleich empfunden werden; doch obwohl
sich Jung ausdrücklich gegen Archaismus verwehrt, findet sich seine Denkweise in bester
Übereinstimmung mit archaischen Traditionen der Naturwissenschaft, und ich könnte mir
kein treffenderes Synonym des Wortes „Analogie“ vorstellen als „Gleichsinnigkeit“.
Jung unternimmt große Anstrengungen, sein Synchronizitätsprinzip von jeglichem
verkappten Kausalismus abzugrenzen. Er macht auch deutlich, daß Synchronizität sich nicht
unbedingt auf synchron stattfindende Ereignisse bezieht, wie bei der Vorausschau zukünftiger
Ereignisse deutlich wird.39 Vielmehr betont er in Definitionen seines Synchronizitätsbegriffs
stets den psychischen Bezug, wenn er etwa erklärt, Synchronizität bedeute zunächst „die
Gleichzeitigkeit eines gewissen psychischen Zustandes mit einem oder mehreren äußeren
36
Changó ist in neuerer Zeit auch der Orisha der Elektrizität.
Minkowski: Raum und Zeit, 1909
38
Ouspensky: Tertium Organum, 1912 /1922
39
Jung: Synchronizität als ein Prinzip akausaler Zusammenhänge, in Synchronizität, Akausalität und
Okkultismus [2001:33]: „<Zukünftige Ereignisse> sind nämlich evidenterweise nicht synchron, wohl aber
synchronistisch, indem sie als psychische Bilder gegenwärtig erlebt werden.“
37
Ereignissen, welche als sinngemäße Parallelen zu dem momentanen subjektiven Zustand
erscheinen und – gegebenenfalls – auch vice-versa“;40 oder „synchronistische Ereignisse
beruhen auf der Gleichzeitigkeit zweier verschiedener psychischer Zustände“, einem
normalen, wahrscheinlichen, also kausal zureichend erklärbaren und einem anderen, aus dem
ersten nicht kausal ableitbaren, nämlich das kritische Erlebnis. „Ein unerwarteter Inhalt, der
sich unmittelbar oder mittelbar auf ein objektives Ereignis bezieht, koinzidiert mit dem
gewöhnlichen psychischen Zustand: Dieses Vorkommen nenne ich Synchronizität.“41
An anderer Stelle vertritt Jung eine Art psychischer Relativitätstheorie, indem er die
Synchronizität als „eine psychisch bedingte Relativität von Zeit und Raum“ darstellt. Er
bezieht sich auf Rhine’s ESP-Experimente, wenn er sagt: „… es scheint, als ob Raum und
Zeit in einem Zusammenhang mit psychischen Bedingungen stünden oder als ob sie an und
für sich gar nicht existierten und nur durch das Bewußtsein 'gesetzt' wären.“ Und er schlägt
von sich aus die Brücke zu den Anfängen menschlicher Naturbetrachtung: „Raum und Zeit
sind in der ursprünglichen Anschauung (das heißt bei den Primitiven) eine höchst zweifelhafte Sache. Sie sind erst im Laufe der geistigen Entwicklung zu 'festen' Begriffen geworden,
und zwar durch die Einführung der Messung. An sich bestehen Raum und Zeit aus nichts.“42
Jung spricht in dem letzten Zitat von „den Primitiven“, denen die „geistige Entwicklung“
noch bevorsteht. Es scheint mir an dieser Stelle notwendig, seine Thesen einmal kritisch zu
betrachten und zu modifizieren: Ganz offensichtlich fürchtete sich Jung davor, als rückschrittlich oder okkultistisch abgestempelt zu werden.43 Er postuliert die Existenz eines objektiven
oder „transzendentalen Sinns“ (also letztlich des teleologischen Prinzips), während er den
Gedanken einer „magischen Kausalität“ als Ursache des Synchronizitätsphänomens als
regressiv und einem primitiven Weltbild zugehörig ablehnt.44 An anderer Stelle zitiert Jung
Albertus Magnus und Goethe, um den „magnetischen“ Einfluß der Seele, der Emotionen und
Affekte auf das äußere Geschehen zu illustrieren, welches von Jung am Schluß als synchronistisch aufgefaßt wird, jedoch ursprünglich nichts anderes als einen magischen Akt
beschrieb.45 Und Swedenborg unterstellt er, als dieser einen Stadtbrand vorhersah, „daß bei
ihm eine Herabsetzung der Bewußtseinsschwelle bestand, welche das 'absolute Wissen'
zugänglich machte“.46 Diese Vorstellung erinnert mich an Kurt Arams Idee von der
„Natursichtigkeit“ (natürliche Hellsichtigkeit) des prähistorischen Menschen, dessen
Wachheit „sich weit eher mit unserem Träumen als mit unserem Wachen vergleichen ließe,
ohne indessen zusammenzufallen mit dem Schlafe“47: Eine Art meditativer Trance also, die
40
Ibid. [30]
Ibid. [33]
42
Jung: Synchronizität als ein Prinzip akausaler Zusammenhänge, in Synchronizität, Akausalität und
Okkultismus [2001:24]
43
Es war Sigmund Freud, der Jung davor warnte, „von der schwarzen Welle okkultistischen Schmutzes
überrollt“ zu werden. (F. David Peat: Synchronizität. Die verborgene Ordnung [1992:19])
44
Jung: Synchronizität als ein Prinzip akausaler Zusammenhänge, in Synchronizität, Akausalität und
Okkultismus [2001:64]
45
Ibid. [36-37]
46
Ibid. [62-63]; vgl. auch George Leonard, Der Rhythmus des Kosmos [1987:176]: „Potentiell wissen wir alles.“
47
Ludwig Klages, zitiert von Kurt Aram, Magie und Zauberei in der Alten Welt [1998:26]; Aram vergleicht den
„Natursomnambulismus“ des Urmenschen mit dem Tierinstinkt und erblickt dessen Reste in der Intuition des
heutigen Menschen. Das Weltbild des Natursichtigen nennt er das magische.
41
Fá’Lokun Fatunmbi auch afrikanischen Babalawos nachsagt.48 Sie nennt sich: „Erinnerung an
die Zeit, als Orunmila noch auf Erden wandelte“.49
Ich denke, es wäre an der Zeit, einen Schritt weiter zu wagen und zuzugestehen, daß die
sogenannten „Primitiven“ kraft ihrer Intuition Erkenntnisse vorweggenommen haben, die die
disziplinären Naturwissenschaften der heutigen Zeit erst schrittweise nachvollziehen und nur
teilweise belegen können. Es tut Jungs Synchronizitätstheorie keinen sonderlichen Abbruch,
wenn wir in Betracht ziehen, daß zwischen den synchronistischen Ereignissen eine „magische
Kausalität“ walten könnte, und daß die Synchronizität an sich Ausdruck einer sublimen
Kausalbeziehung ist, wie sie in ungefährer Form bislang nur von der Chaosforschung erklärt
wurde. Diese sagt nämlich aus, daß es keinen Zufall gibt, sondern daß Ereignisse, die uns
zufällig erscheinen, in Wirklichkeit determiniert sind und auf Ursachen beruhen, die sich nur
aufgrund der Komplexität und Eigendynamik des chaotischen Systems, welches sowohl die
Ereignisse als auch ihre Ursachen hervorgebracht hat, nicht eindeutig herleiten lassen. Hinzu
kommt einerseits, daß nicht einmal die moderne Naturwissenschaft alle Gesetzmäßigkeiten
kennt, die einen bestimmten Ereignisverlauf hervorrufen, und andererseits, daß sich gleichzeitig stattfindende Ereignisprozesse auf komplexe (sprich: unübersichtliche) Weise gegenseitig beeinflussen.
Auch die Parameter, die ein Orakelergebnis gestalten und beeinflussen, sind so vielfältig
und komplex, daß man dieses Ergebnis in abgekürzter Form Zufall nennen könnte. Alternativ
ließe sich dieser Sachverhalt aber auch so ausdrücken, daß unsichtbare und unbekannte
Impulse das Orakelergebnis klar determiniert haben; hierauf trifft – gewissermaßen als
gedanklicher shortcut – die metaphorische Umschreibung zu, es handle sich um Gottes Werk,
Gottes Wille oder Gottes Wort. Darin besteht die religiöse Auffassung des Orakels.50 „Zufall
ist vielleicht das Pseudonym Gottes, wenn er nicht selbst unterschreiben will“, sagte der
französische Schriftsteller Anatole France.
Theoretische und theologische Grundlagen des Ifá- und Orisha-Orakels
In diesem Abschnitt werde ich streckenweise das sichere Terrain des wissenschaftlich
Belegbaren verlassen. Theorie und Theologie sind für den durchschnittlichen Orakelpriester
der Ifá- oder Orisha-Tradition kein Gegenstand der Reflexion. Ohnehin haben sich bislang
eher die Ethnologen als die Theologen mit der Yoruba-Religion befaßt. Da aber diese
Religion dem Status einer Stammesreligion längst entwachsen ist, hat sie mittlerweile eine
angemessene Theologie verdient. Aus der Methodologie des Divinationsrituals hoffe ich
einige Hinweise auf die zugrundeliegenden theologischen Vorstellungen und Prinzipien
ableiten zu können; wo dies unmöglich ist, werde ich auf meine priesterliche Intuition und auf
eine gewisse Evidenz der innewohnenden Prinzipien zurückgreifen, die sich im Laufe
jahrelanger gedanklicher Beschäftigung mit der Religion und benachbarten Systemen
herausgestellt hat. Und damit bewege ich mich oft auf unerforschtem Gebiet.
48
Awo Fálokun Fatunmbi, Ìwa-pèlé – Ifá Quest. The Search for the Source of Santería and Lucumí [1991:53];
Awo Training Part 1 [http://www.scribd.com/doc/7135229/Awo-Training-PART-1]
49
Awo Fálokun Fatunmbi, Ìwa-pèlé – Ifá Quest. The Search for the Source of Santería and Lucumí [1991:105]
50
S. Marie Louise von Franz, Wissen aus der Tiefe [1992:50]. Von Franz berichtet weiter, daß im englischen
Recht vor Gericht ein Zufall, der von den Versicherungsgesellschaften nicht vorhergesehen wurde, ein act of
God genannt wird. [65]
Nun ist das, was der Mensch Gott nennt, zwar für mehr als nur die unerklärlichen Dinge verantwortlich; aber wir
neigen offenbar zu der irrigen Annahme, Gott durch eine (vorläufige) wissenschaftliche oder vermeintlich
logisch-rationale Erklärung ein Phänomen entreißen zu können, weil wir – törichterweise – dessen Geheimnis
lüften und damit sein Mysterium entkräften.
So habe ich zum Beispiel als Musiker in Momenten künstlerischen Schaffens, aber auch
in Lebenssituationen, die jedermann zugänglich sind, manchmal die Erfahrung einer absoluten und vollkommenen Präsenz gemacht. Es sind dies stets Momente der Gnade, der AllHarmonie und Wachheit, ja bisweilen der Erleuchtung. Ich weiß mit Sicherheit, daß ich nicht
der einzige Mensch bin, der solche Erlebnisse hat. Und wenn ich hier von bloßen Momenten
spreche, dann meine ich ebenso ganze Zeiträume (Zeitfelder); denn in diesen Zeiträumen setzt
die Wahrnehmung der Zeit aus; sie verschwindet gewissermaßen in einem Punkt. Im Zustand
höchster Präsenz und Aufmerksamkeit werden wir der Tatsache gewahr, daß Zeit nicht
existiert. „Die Zeit verstehen“ bedeutet, ihre Nicht-Existenz zu spüren. Es ist eine allgemeinmenschliche Fehlleistung der inneren Sinne, einen linearen Zeitvektor zu empfinden; eine
Fehlleistung, die wir – also die meisten Menschen im unserem Kulturkreis – aus rein
lebenspraktischen, organisatorischen Gründen an der Bewegung des Uhrzeigers festmachen,
und am Zifferblatt messen und dann für zutreffend halten. So können wir Arbeitsdauer
kalkulieren, Verabredungen treffen und uns vor der Zukunft sorgen. Arno Plack hat die Uhr
als Instrument der gesellschaftlichen (Trieb-)Unterdrückung par excellence dargestellt.51
Eben dieses lineare Zeitempfinden von Vergangenheit und Zukunft, durch den Zeit-Punkt
der Gegenwart voneinander getrennt, ist es, das den Menschen umtreibt und ihn bisweilen ein
Orakel aufsuchen läßt. In der Orakelsituation selbst trifft dann dieses lineare Zeitkonzept auf
das „Felddenken“, eine räumliche Zeitempfindung, die im Idealfalle „den Anfang und das
Ende aller Dinge kennt“, wie es die oben zitierte Legende aus dem Odu Ejiogbe beschreibt.
In Ifá ist es Orunmila, der mythische Prophet, der über die Fähigkeit verfügt, das wahre
Wesen alles Existierenden zu schauen; das Wesen, welches Anfang und Ende seiner irdischen
Erscheinung umschließt. Doch auch Eshú (alias Eleggua) nimmt es mit der Chrono-Logie
nicht so genau: „Er wirft heute einen Stein, der gestern trifft“, heißt es in einem Oriki, einer
poetischen Preisung dieses Orisha.52 Eleggua ist auf Cuba diejenige Gottheit, die von
Olórishas in der überwiegenden Zahl der Fälle konsultiert wird: In nahezu allen Fällen sind es
Diloggún (Kaurimuscheln) von Eleggua, die der Orisha-Priester bei Konsultationen als
Orakelmedium verwendet.53 In Brasilien gilt Exú (Eshú, Eleggua) sogar als Eigentümer der
Búzios, wie die Diloggún dort heißen.54 Orunmila ist zwar der Orisha der Weisheit und des
Wissens; Eleggua aber ist der Mittler, der Kommunikator und Kurier zwischen Menschen und
Götterwelt, und deshalb wird er von Orisha-Priestern auf Cuba – die nicht mit Orunmila
arbeiten dürfen, wie es die Ifá-Priester tun – bevorzugt zu Orakelauskünften angesprochen.
Ein Mythos geht sogar so weit zu behaupten, Orunmila hätte die Kunst der Divination
eigentlich von Eshú (Eleggua) erlernt:
In der Anfangszeit der Welt, als das Menschengeschlecht noch klein an der Zahl war, mußten sich die
Orishas mit wenigen Opfern zufrieden geben, litten oft Hunger und mußten für sich selber sorgen.
Orunmila (Ifa) verlegte sich auf Fischerei, blieb aber erfolglos und ersuchte vor Hunger Eshú (auch Elegba
genannt) um Rat. Eshú bot Orunmila an, daß er ihm, wenn dieser von den beiden Palmen, die der König
(chief man) Orungan besaß, sechzehn Palmnüsse bekommen würde, zeigen würde, wie man die Zukunft
vorhersagen könne. Dann könne Orunmila sein Wissen über die Zukunftsvorhersage zum Wohle der
Menschheit verwenden und damit als Entgelt eine Menge Zuwendungen erhalten. Eshú erhob aber zur
Bedingung, daß die erste Auslese (first choice) aller Opfergaben ihm gehören sollten. Orunmila willigte ein,
ging zu Orungan, um ihn um die Nüsse zu bitten, und erzählte ihm, wofür er sie brauchte. Orungan war
51
Arno Plack, Die Gesellschaft und das Böse [1979:99-104]
nach K. Stephan, zitiert in: W.F. Bonin, Die Götter Schwarzafrikas [1979:93]. Und Adrián de Souza
Hernández schreibt: „Con Orúnmila y Echu se trasciende el espacio y el tiempo.“ (Echu-Elegguá [1998:132])
53
Das hängt vor allem damit zusammen, dass Eleggua der einzige Orisha ist, der nicht das Blut eines vierfüßigen
Tieres braucht, bevor er durch seine Diloggún spricht. Jeder andere Orisha bleibt ohne dieses Opferblut stumm.
Im Falle des Itá der Ocha-Initiation, in dem alle Orishas sprechen, haben diese bei der Matanza zwei Tage
vorher Opferblut empfangen.
54
s. Serge Bramly, Macumba [1978:75]
52
erfreut von dieser Aussicht, nahm seine Frau mit und machte sich eilig daran, die Nüsse zu bekommen.
Weil aber die Bäume zu hoch waren, scheuchten sie die Affen hinauf, die das Fruchtfleisch aßen und die
„Nüsse“, also die hartbeschalten Fruchtkerne, herabwarfen. Orungans Frau, Orishabi mit Namen, wickelte
sie in ihr Gewand, so wie man Kinder trägt, und überbrachte sie Orunmila. Elegba (Eshú) lehrte nun
Orunmila <die Zukunftsvoraussage>, der seinerseits Orungan unterwies und ihn so zum ersten Babalawo
55
machte. …
Auch wenn nicht jeder dieses Pataki kennt und es gern erzählt, bleibt doch zumindest
unstrittig, daß Eshú und Orunmila Hand in Hand zusammenarbeiten.56 Die Präsenz und die
Mitwirkung Eshús bei der Ifá-Divination werden symbolisiert durch sein Antlitz, das an der
Kopfseite der Ifá-Tafel (opón Ifá, tablero de Ifá) abgebildet ist. Eshú überwacht und kontrolliert die Opferleistung. Er transportiert das Aché (die Energie) des Opfers von der Erde
(Ayé) in den Himmel (Orun).57 Sodann ermöglicht er auch den rückläufigen Energiefluß und
entscheidet über das Eingreifen oder Stillhalten der Ajogún, seiner gefährlichen „Krieger“, die
jeder für sich je einen Typus von Osogbo (Ibi), des Übels, personifizieren.58 Es ist Eshú, der
der Prophezeiung von Ifá entweder zur Erfüllung verhilft oder aber die Arbeit Orunmilas (und
in Verlängerung die des Babalawos) zunichte macht. Ausschlaggebend hierfür ist unter
anderem die korrekte rituelle Ausführung der Divination und die gewissenhafte Verpflegung
Elegguas.59 Adrián de Souza Hernández bezeichnet Eshú als den punto de escucha Orunmilas.60 Für Peek versinnbildlicht die Präsenz von Eshú dagegen ein Element kosmischer
Unberechenbarkeit im Orakelsystem von Ifá.61
Orunmila ist „Zeuge der Bestimmung“ (eleri ipín), der bei der Schöpfung der Welt und
der Schöpfung des Menschen anwesend ist.62 Der Mensch wählt seine Bestimmung vor seiner
Geburt, vergißt sie aber in dem Augenblick, in dem er das Licht der Welt erblickt. Fortan ist
er auf der Suche, um ihrer wieder inne zu werden und ihr gemäß zu leben. Vor allem das IfáOrakel, aber auch das Orisha-Orakel mit den Diloggún, leistet dabei wertvolle Hilfestellung,
indem es Ereignisse im Leben des Menschen entsprechend deutet und die geeigneten Opfer
verordnet. Orakel und Opfer stellen vereint das Gleichgewicht zwischen dem Klienten und
der (stofflichen wie geistigen) Welt her und ebnen auf diese Weise den Weg zur Erreichung
seiner wesensmäßigen Bestimmung. Da jede Menschenseele ein Doppel im Orun („Himmel“)
hat, ließe sich dies auch so formulieren, daß das ultimative Ziel der Ifá-Divination darin
besteht, die irdische Persönlichkeit des Menschen (Orí) mit seinem transzendenten Wesen
(Iponrí) zur Deckung zu bringen.63 Philip Neimark stellt den Sachverhalt so dar, daß das
Orakel die Funktion hat, aufzuzeigen, in welchem Maße sich eine Person zum gegenwärtigen
55
Meine Übersetzung aus: Stephen S. Farrow, Faith, Fancies and Fetish [1996:37]. Siehe auch: A.B. Ellis,
Yoruba Speaking Peoples of the Slave Coast of West Africa [2007:48]; J. Olumide Lucas, The Religion of the
Yorubas [1996:73]; Lydia Cabrera, El Monte [2000:87]
56
das Odu-Ifá Ogbe-Di sagt aus, daß Eshú sich bereit erklärt, allen Orishas, besonders aber Orunmila für immer
zu Diensten zu stehen – vorausgesetzt, daß er regelmäßig verpflegt wird.
57
Adrián de Souza Hernández, Echu-Elegguá [1998:132]
58
Roberto Nodal & Miguel “Willie” Ramos, Let the Power Flow: Ebó as a Healing Mechanism in Lukumí
Orisha Worship in: Bellegarde-Smith, Fragments of Bone [2005:170, 180]
59
ibid. [132, 145-146]
60
ibid. [141]
61
Philip M. Peek, African Divination Systems [1991:195]
62
Nach Fálokun Fatunmbi und Luisah Teish ist die Schöpfung kein chronologisch zurückliegendes Ereignis;
vielmehr befindet sich die gesamte Welt in einem fortgesetzten Schöpfungsprozeß, der in jedem Augenblick aus
dem Orun, der geistigen Welt oder Transzendenz heraus erfolgt (Fatunmbi: Iwa-pele [1991:87], Teish:
Jambalaya [1990:89]). Diese Auffassung wird aber nicht von allen Quellen bestätigt.
63
s. FáLokun Fatunmbi, Iwa-pèlé [1991:86], Awo [1992:97]; Baba Osundiya, Awo Obi [2001:18]; Ifa Karade,
The Handbook of Yoruba Religious Concepts [1999:10, 13]; Miguel De La Torre: Santería. The Beliefs and
Rituals of a Growing Religion in America [2004:139]
Zeitpunkt im Einklang mit den Naturkräften befindet, die im Makrokosmos des Universums
wie auch im Mikrokosmos seines Körpers miteinander konzertieren. Diese Naturkräfte sind
die Orisha.64
Es mag Menschen geben, die nur aus dem vordergründigen Motiv den Priester aufsuchen,
ihre momentane Mißlage kurieren zu wollen; am liebsten würden sie überhaupt auf die
Divination verzichten und sich einfach nur ein Zaubermittelchen abholen. Andere stehen
vielleicht vor einer wichtigen Lebensentscheidung und wollen hierfür den Rat des Orakels
einholen. Wenn man dann noch weiß (beziehungsweise daran glaubt), daß es sich häufig um
Kräfte der Wesenheiten aus der jenseitigen, nicht-stofflichen Welt handelt, die die diesseitigen Geschicke beeinflussen, dann bleibt das Orakel die einzige Instanz, die überhaupt
Auskunft darüber geben kann; denn man kann nicht immer ahnen, ob das Verhältnis mit dem
Orun ausgeglichen ist. Egun (die Toten), Orishas (die Gottheiten) oder die sogenannten
„Hexen“ (Ajé, Eléye, Iyámi) reagieren manchmal empfindlich auf unachtsame, unnötige oder
unmäßige Übergriffe des Menschen. Das Orakel fungiert als Indikator für die gegenwärtige
energetische Lage oder das Kräfteverhältnis in der Welt und deren mögliche Auswirkungen
auf den Klienten.
Auch Priester sind oft vielzusehr von ihrem Alltagsgeschäft eingenommen, um sich einer
höheren Dimension des Orakels bewußt zu sein. Das ist in Ordnung; möge jeder seinem
Ausblick gemäß seinen Platz in der Religion einnehmen; Platz ist da für alle. Jeder bekommt
das heraus, was er einbringt, und ein jeder prägt die Religion auf seine Weise. Diese Religion
läßt das zu; sie ist genau so eingerichtet. Dennoch ist nicht zu leugnen, daß das Ifá- und
Orisha-Orakel die theologische Dimension besitzt, den Menschen langfristig seiner Bestimmung näher zu bringen mit seinem Wesen zu vereinen, ganz gleich ob man diese Dimension
wahrnimmt oder nicht. In ganz besonderem Maße erfüllt natürlich das Itá, das Lebensorakel,
diese Funktion.
Die eigene Bestimmung, das eigene Wesen oder der spezielle Orisha, der den eigenen
Kopf regiert, sind weder Ermutigung zu, noch Entschuldigung für soziales Fehlverhalten, wie
Bequemlichkeit, Unaufrichtigkeit, Maßlosigkeit oder Unbeherrschtheit. Dies sind einfach nur
Charakterschwächen, die ein schlechtes Geschick innerhalb der vorgegebenen Bahn oder des
Verlaufsrahmens provozieren und den Menschen mehr oder weniger von seinem Wesen und
seiner Bestimmung ablenken oder gar entfernen. Geschick oder Schicksal sind nicht mit
Bestimmung zu verwechseln. Das Schicksal ist wandelbar, die Bestimmung nicht. Das
Schicksal gestaltet sich innerhalb eines breiteren Verlaufsrahmens der Bestimmung und wird
durch ein kontroverses Verhalten des Menschen negativ beeinflußt.
Entsprechend ist das Schicksal oder Geschick auch durch Opferhandlungen (Ebó) zu
beeinflussen oder zu korrigieren. Art und Ausmaß der Opferhandlungen werden vom Orakel
bestimmt. Ein Ebó ist zielgerichtet und wird vom Priester mit den vom Klienten bereitgestellten Materialien rituell korrekt ausgeführt, bevorzugt in Anwesenheit des Klienten.
Tabus und Verhaltensvorschriften (die letztlich immer als Empfehlungen aufzufassen sind)
begleiten das Orakelergebnis. Diese gelten in der Regel etwa für die Dauer eines Mondmonats. Eine Umkehr oder Korrektur des eigenen Verhaltens, das absehbar immer wieder
Probleme erzeugt, gehört dazu; es stellt für den Klienten oftmals das schwerste Opfer im
eigentlichen Sinne dar.65
***
64
Afolabi Epega & Philip John Neimark, The Sacred Ifa Oracle [1995:viii-ix]
Auf alle theologischen Aspekte des Opfers im allgemeinen wie im besonderen einzugehen, würde an dieser
Stelle zu weit führen.
65
In meiner Vorstellung läßt sich die räumliche Dimension, die unserem verkümmerten
Zeitverständnis entspricht, am besten als Tiefe im Sinne von Wesenstiefe oder Profundität
beschreiben. Die Zeit ruht, ja verschwindet gänzlich in der Immanenz der Dinge. Die Zeit, in
ihrer Nicht-Existenz, ist am Ende nichts anderes als der Geist; der Geist, den wir, jeder für
sich, in der Immanenz erspüren können, und der sich, sobald er von mehreren Lebewesen
gemeinsam wahrgenommen wird, zur einer Geisteswelt vereinigt, über die man Aussagen
treffen und kommunizieren kann. Wir gelangen also durch Überwindung der Zeit über die
Immanenz zur Transzendenz. Der individuelle Geist, den jeder von uns besitzt, ist sowohl
konstitutiver Bestandteil des kollektiven Geistes (der geistigen Welt), als auch das Organ, mit
dem wir uns selbst transzendieren und die geistige Welt wahrnehmen können.66
Es gibt einen Hinweis darauf, daß dieser Zeitbegriff direkt auf die Ifá-Kosmologie
anwendbar ist. Im Wortlaut von Ifá heißt es immer wieder, etwas sei in einem Odu geboren
oder entstanden. Dabei kann es sich weder um eine Orts- noch um eine Zeitangabe handeln.
Das Odu erscheint in dieser Eigenart als raumzeitlicher Topos, der sich nur noch in Geist
auflösen kann, Produktionsquelle unserer weltlichen Realität.
Das Zeitkonzept, das Orunmila zueigen ist und ihn zu seiner Hellsichtigkeit und
Allwissenheit befähigt, ist ein räumliches: Orunmila kennt den Anfang und das Ende aller
Dinge. Ein Oriki preist Orunmila als den „Meister des Heute, des Morgen und des Übermorgen“.67 Die Zeit in unserer Wahrnehmung existiert für ihn nicht. Zwar macht er (in der
Legende in Ejiogbe) seine Hilfsmittel Opele und Ikin für all seine Weisheit verantwortlich;
doch stellt dieses erzählerische Detail wohl eher eine Metapher dar, durch die Orunmila in
dieser Geschichte einen menschlichen Babalawo symbolisieren soll.
Nach anderen Ifá-Legenden ist Orunmila über die Respektlosigkeit eines seiner Söhne68
beziehungsweise über die Ablehnung seiner Mitmenschen auf der Erde verärgert und zieht
sich in den Himmel zurück. Seinen Söhnen (Jüngern, Anhängern) läßt er stellvertretend
sechzehn Palmnüsse (Ikin) zurück, die an seiner statt befragt werden können und sein Wort
(Ifá) verkünden.69 Die Ikin sind nicht nur Divinations-Instrument in Ifá, sondern vertreten,
symbolisieren oder repräsentieren Orunmila oder verkörpern ihn sogar in transformierter
Gestalt.70 Yemí Elébuibon erwähnt aber auch den Namen der ursprünglichen Ikín Orunmilas:
Òkè Ìpòrí.71 Òkè bedeutet soviel wie „hoch, erhaben“, „Höhe, Erhebung“ oder „Hügel, Berg“.
Ìpórí ist die himmlische Dimension des Orí, des „Kopfes“, der Seele, des Bewußtseins, der
Bestimmung oder Persönlichkeit. Ìpórí ist das Ich-Doppel im Orun. Das deutet darauf hin,
daß die Urform der Ikin, die der Orisha Orunmila benutzte, vielmehr die „Erhabenheit seines
geistigen Ich“ war.72 Ayo Salami bestätigt, daß Orunmila während seines Aufenthaltes auf der
Erde lediglich die Ikin-Palme (Elaeis idolatrica) zum heiligen Baum von Ifá berief und die
66
Ich überlasse es dem Leser, ob er geneigt ist, diese geistige oder transzendente Welt, die kollektiv gesetzt wird,
als „kollektives Unbewußtes“ umzuformulieren oder als Himmelreich, Jenseits, Paralleluniversum oder völligen
Unsinn zu bezeichnen.
67
Wande Abimbola, Ifá. An Exposition of Ifá Literary Corpus [1976:10]
68
gemäß dem Odu-Ifá Ìworì Méjì. Fálókun Fátunmbi nennt Ejiogbe als Ursprung (Ìbà’se Òrìsà [1994:72-73])
69
Wande Abimbola, Ifá. An Exposition of Ifá Literary Corpus [1976:5-6]; Fá’lókun Fátunmbi, Ìbà’se Òrìsà
[1994:72-74]; Fásínà Fálàdé, Ifa, the Key to Its Understanding [2002:47-52]
70
Yemí Elébuibon spricht von Transformation (The Healing Power of Sacrifice [2000:22]); Epega & Neimark
sprechen von Verkörperung (The Sacred Ifa Oracle [1995:xii]); William Bascom spricht von Symbolisierung
(Ifa Divination [1991:26]).
71
Elébuibon: The Healing Power of Sacrifice [2000:22]
72
William Bascom übersetzt den Begriff wahlweise als “Ahnen-Schutzseele” oder “Orakelinstrumentarium” –
bezogen auf die Merindilogun seines Informanten Salako. (Sixteen Cowries [1993:17])
Ikin auf ihre Funktionstüchtigkeit prüfte, die Palmnüsse aber erst nach seiner endgültigen
Rückkehr in den Orun als Orakelmedium benutzt wurden.73
Die Opele (Ekuele) wurde erst lange nach den Ikin eingeführt.74 Das ist einleuchtend,
wenn man vergleicht, wie leicht Palmnüsse zu beschaffen oder eine Opele zu fertigen ist. Eine
Opele ist ja in geringem Maße schon ein technisches Gerät. Die Opele (Ekuele) wurde nach
dem auf Cuba überlieferten Ifá im Odu Ogbe-Tura geboren, dem Odu, das unliebsame
Neuerer inkarniert, deren Innovationen erst mit der Zeit an Boden gewinnen, dann aber als
Fortschritt nicht mehr wegzudenken sind, was wiederum deren Urhebern zu spätem Ruhm
gereicht. Die Opele ist ein zuverlässiges Orakelinstrument für alltägliche Konsultationen; aber
für wichtige Befragungen, die die Anwesenheit von Orunmila erfordern, sind die Ikin unerläßlich. Das gilt unter anderem für das Itá bei der Verleihung der (einen) „Hand von
Orunmila“ (span.: mano de Orula, luk.: Awofaka oder Ikofá, yor.: Owóo 'fá 'kan / Kófá) oder
natürlich beim Itefá, der Einweihung zum Babalawo.75 Eine solche Zeremonie mit der Opele
bestreiten zu wollen, wäre unstatthaft.
Die Folgerung aus diesen Betrachtungen lautet, daß unter den theologischen Prämissen,
die in Ifá gesetzt werden, Orunmila als archetypische Gottheit der Weisheit, des Wissens und
der Divination ein naturbegabter Seher ist (oder war, je nach Zeitverständnis), während
dessen (heutige) irdische Vertreter, die Ifá-Priester oder Babalawos, eigentlich zu Deutern
seiner Texte geworden sind. Der Rest seherischen Vermögens, den sie besitzen, ihr Aché76,
kommt ihnen zwar (als Intuition) bei der individuellen Auswahl, Auslegung und Präsentation
der vorhandenen Texte hilfreich zugute; doch benötigen sie keine Hellsichtigkeit mehr, um an
ihre Informationen zu gelangen. Der Babalawo ist darauf angewiesen, eine gewaltige Menge
von Texten zu lernen, bevor er mit denselben nach seiner eigenen Eingebung praktisch
arbeitet. Es liegt dem Ifá-System also weitgehend eine Verlagerung von seherischer zu
deuterischer Divinationstechnik zugrunde.77
Was Orunmila für die Ifá-Divinationspraxis des Babalawos bedeutet, das stellt für die
Orisha-Divination des Olórisha Eleggua (Eshú) dar.78 Die enge Verbindung zwischen den
beiden Gottheiten Orunmila und Eshú wurde bereits erörtert. Eshú steht über der Linearität
der Zeit, und darüberhinaus ist er in jeder Hinsicht der nicht-lineare, nicht-logische und nichtchronologische Orisha des gesamten Yoruba-Pantheons. Er bildet damit einen Gegenpol zu
73
Ayo Salami, Yoruba Theology and Tradition – The Worship [2008:236-240]
Ayo Salami, Yoruba Theology and Tradition – The Worship [2008:258]
75
Das Wort Itefá (Tefa) bezieht sich ursprünglich vielleicht auf das Itá bei der Ifá-Initiation. Im Umgang meint
man damit aber zumeist die gesamte Einweihungszeremonie in Ifá, also zum Babalawo.
76
Aché bedeutet ungefähr: Kraft, Energie, Wirksamkeit, Macht, Ermächtigung, Fähigkeit. Eine erschöpfende
Definition kann hier nicht geliefert werden.
77
Diese Entwicklung erinnert stark an das Gedankengut des großen magischen Schriftstellers Kurt Aram,
dargestellt in seinem Buch „Magie und Zauberei in der Alten Welt“. Aram stützt sich auf die Evolutionstheorie
von Edgar Daqué. Daqué vertrat die Vorstellung, die Gattung Mensch hätte es seit Anbeginn der Arten gegeben;
er hätte über die Erdzeitalter eine der Embryonalentwicklung parallele Evolution vom Einzeller über Fisch,
Lurch und Reptil bis zum heutigen Stadium vollzogen. Während eines Urstadiums hätte der „Mensch“ über ein
Stirnauge („drittes Auge“) verfügt und sei von Natur hellsichtig gewesen.
Auf der anderen Seite erwähnt auch Fá’lokun Fatunmbi in seinem Buch Ìbà’se Òrìsà das Dritte Auge, das er mit
dem spirituellen Kraftzentrum an der Stirn (Iwájù-Orí) in Ifá vergleicht [1994:46]. Diese Stelle gilt auch in der
cubanischen Lukumí-Tradition als einer der Kardinalpunkte des menschlichen Körpers, an denen Energie einund austreten kann. Er wird dort Kacherí Beború genannt.
78
Auf den Unterschied bzw. die Übereinstimmung zwischen Eshú und Eleggua kann hier nicht ausführlich
eingegangen werden.
74
Orunmila, aber auch zu dem Orisha Obatala.79 Und während Orunmila als Zeuge der Bestimmung bei der Schöpfung anwesend ist, herrscht Eshú als primordiale Gottheit (Irunmole) über
die amorphe Finsternis der Potentialität, die sich im Ursprung der Zeit über das gesamte
Universum erstreckte und die Basis und prima materia für die Weltschöpfung durch
Olodumare lieferte.80 Eshú steht also dem Ursprung der Schöpfung näher als Orunmila, selbst
in dessen primordialem Konzept Ela.
So wie Eshú Anfang, Weg und Ende aller Dinge verkörpert, regiert er auch Wahrnehmung, Kommunikation und Verstehen. Damit sitzt Eshú an allen Schaltstellen des
Divinationsprozesses. Außerdem steht er an Wegkreuzungen und Gabelungen, steuert
Begegnungen und Entscheidungen. Eshú ist verantwortlich für das Ereignis, das den
Menschen eine Ifá-Konsultation erwägen läßt und führt ihn geradewegs zu dem Orakelpriester seiner „Wahl“. Der Ratsuchende fällt die Entscheidung, dem Orakel zu vertrauen
(oder nicht) und das Opfer (Ebó) zu entrichten (oder nicht). Die gesamte Handlung des
Divinationsprozesses liegt in allen Fällen in der Hand von Eshú, ebenso wie sein Gelingen.
Das Gelingen der Divination für Priester und Klient hängt, wie auch der Empfang und die
Annahme des Opfers, einerseits von der gewissenhaften Ausführung des Rituals und
andererseits von der regelmäßigen Versorgung Elegguas und dem Anteil des Opfers ab, den
Eshú erhält. Eshú verkörpert stets jenen letzten Rest von Unsicherheit und Unberechenbarkeit,
der gerade in vermeintlich sicheren Sachlagen und reiflich geplanten Aktionen unvorhersehbare Ereignisse eintreten läßt, welche eine totale, oft dramatische Wendung des Schicksals
bewirken können.
Eshú ist der Orisha des Zufalls, der verborgenen Ursachen und Möglichkeiten, und damit
personifiziert er Synchronizität, wie Robert Pelton treffend feststellt.81 Wenn Eshú aber der
Orisha der Synchronizität ist, dann befindet er sich im Herzen des Orakels; dann versinnbildlicht er Divination in ihrem innersten Kern, verkörpert ihr Prinzip.
In den Orakelsystemen der Yoruba-Religion (Orisha-Ifá) findet sich Synchronizität im
Eintreten einer bestimmten Situation oder bestimmter Ereignisse und dem Orakelergebnis, das
diese Ereignislage reflektiert und symbolisiert. Entweder handelt es sich um eine verborgene
gemeinsame Ursache, die eine spezifische Serie oder Kombination von Ereignissen zutage
fördert, zu denen auch die betreffende „gleichsinnige“ Orakelkonstellation gehört, oder
Ereignisse derselben Klasse von Möglichkeiten, die erst im Augenblick ihres Entstehens eine
magnetische Wirkung aufeinander ausüben und sich gegenseitig hervorrufen, korrespondieren
auch mit einem dazugehörigen Orakelergebnis. Die Deutung der Orakelaussage prägt die
Psyche des Orakelnehmers dahingehend, daß er vergangene, zukünftige und als gegenwärtig
empfundene Ereignisse und Umstände als gleichsinnig erfährt – um einmal die etwas mechanistisch anmutende Terminologie C.G. Jungs zu verwenden.
Doch die scheinbare Mechanik zwischen Orakel und Psyche enthält einen spürbaren
irrationalen Bruch. Denn selbst wenn man Synchronizität als eine zu beobachtende Gesetzmäßigkeit grundsätzlich akzeptiert, bleibt immer noch die Frage, woher das Schicksal, Eshú,
Gott, der Zufall oder die Synchronizität „wissen“ soll, welches Orakelzeichen dem äußeren
Geschehen als gleichsinnige Entsprechung zuzuordnen sei? Und: Was schert es das Schicksal
oder die Götter, welche Aussage und welche Interpretation der Mensch dem betreffenden
Orakelzeichen unterschiebt? Und schließlich: Woher weiß das Schicksal, das sowohl das
79
Obatala ist „Herr der weißen Kleidung“, der Orisha des Friedens, der Milde und Gnade, der Intellektualität
und der Kreativität. Eine weitergehende Charakterisierung kann an dieser Stelle nicht versucht werden.
80
S. Adrián de Souza Hernández, Echu-Elegguá. Equilibrio dinámico de la existencia [1998:19 ff]. De Souza
hat offenbar Osamaro Ibie (Ifism. The Complete Work of Orunmila, Vol. 2) zitiert.
81
Robert D. Pelton, The Trickster in West Africa [1980:163]
äußere Geschehen als auch die ihm entsprechende Orakelkonstellation erzeugt, auf wessen
subjektive Realität sich diese Erscheinungen jeweils beziehen?
Die Antworten auf diese Fragen entziehen sich sämtlichen naturwissenschaftlichen,
psychologischen oder parapsychologischen Kategorien. Wieder einmal werden wir der
Tatsache gewahr, daß kein Orakel und weder Ifá- noch Orisha-Divination ohne eine
grundsätzliche religiöse Hinwendung zu ihrem tiefer liegenden System überhaupt als
glaubhaft, bedeutsam oder gar notwendig empfunden werden können; denn diese Fragen
können nur mehr theologisch beantwortet werden. Das heißt, ohne das vorab getroffene
Einverständnis, ganz bestimmte theologische Axiome, Annahmen oder dogmatische
Prämissen als wahr zu setzen, bleibt auch das Orakel unfähig, Aussagen zu treffen, von deren
Relevanz ein Klient überzeugt ist. Ohne religiösen Bezug und ohne Anerkennung des
theologischen Unterbaus sinkt das Orakel zum Amusement und zur Bedeutungslosigkeit eines
Würfelspiels herab.
Wir begegnen hier der Notwendigkeit eines unerschütterlichen Glaubens als Voraussetzung für die Sinnhaftigkeit eines religiös fundierten Orakels. Nun war und ist es immer
unmoralisch und auch sinnlos, von einem Menschen Glauben zu fordern oder ihn zu einer
bestimmten Religion zu zwingen (wie es von den sogenannten großen Weltreligionen noch
immer praktiziert wird). Es ist schließlich nicht damit getan, in einem Lippenbekenntnis
„Überliefertes vertrauensvoll für wahr zu halten“. Vielmehr muß ein Glaube, der einem
Orakel Sinn verleihen kann, einer inneren Gewißheit gleichkommen, daß die Dinge der Welt
so sind, wie sie sind, auch – und gerade – wenn diese intuitive Überzeugung naturwissenschaftlich (noch) nicht erklärbar, beweisbar oder begründbar ist. Ich habe diese Form des
Glaubens immer „das Wissen der rechten Gehirnhälfte“ genannt. Es ist die einzige Form des
Glaubens, die ich persönlich akzeptiere.
Dieser Glaube ist also entweder vorhanden oder nicht; jedenfalls ist es unmöglich, ihn
künstlich zu erzeugen oder zu verlangen. Aber er muß nicht ausschließlich sein. Er muß nicht
die Vernunft aushebeln, und er muß auch nicht andere Glaubensformen oder –systeme
geringer schätzen. Andere Realitätsebenen und Denkweisen mögen vollkommen gleichberechtigt sein. Aber trotzdem muß ein Glaube sowohl eine vorbehaltlose Überzeugung
innerhalb des jeweiligen religiösen Denksystems darstellen, wie auch als inhaltlich relevant
für das eigene Leben und die subjektive Realität empfunden werden. Ich weiß, daß Vernunft
und Glaube vereinbar sind, obwohl es da noch ganz auf die jeweilige Form der Vernunft und
die Art des Glaubens ankommt. Ein verzweifeltes Klammern an ein vorgegebenes Dogma
halte ich jedenfalls für nicht wünschenswert und letztlich für gefährlich, auch wenn ich weiß,
daß ich solch allzu-menschliche Unbeherrschtheit niemals würde verhindern können.
Aus diesen gerade dargelegten Gründen bin ich der Ansicht, daß Orakel und die
Divinationsformen der Orisha- und Ifá-Tradition auch in veränderter kultureller Umgebung
Sinn haben können – sofern die Person, die sie in Anspruch nimmt, deren Relevanz im
Kontext einer auf ihr Leben bezogenen Religion mit innerer Überzeugung anerkennt, ohne
dabei gleich jede irdische Wirklichkeit auszuschalten und in irrationalen Wahnvorstellungen
zu versinken, die sie schlimmstenfalls nicht wieder los wird.
Um Aufschluß darüber zu erhalten, wie die Theologie der Orisha- und Ifá-Divination die
synchronistische Beziehung zwischen äußerem Geschehen und Orakelkonstellation erklärt,
gilt unser Interesse zunächst der überlieferten Geschichte und der Mythologie, und sodann der
Methodologie der Divination in der Praxis. Die Frage lautet: Wie kam es zu der praktischen
Methode des Divinationsrituals, und welche spirituelle Bedeutung hat sie in ihren einzelnen
Elementen?
Historisch gesehen besteht nach Stephen Skinner die Evidenz, daß das Divinationssystem
von Ifá zwischen 635 und 760 nach Christi Geburt über arabisch-islamische Handelswege
nach Afrika gelangt ist. Allerdings tragen die 16 Symbole der Al-Raml-Orakelzeichen,
obschon sie fast genauso aussehen wie die Ifá-Diagramme, andere Namen und enthalten auch
von Ifá verschiedene Botschaften. Dieser vage geschichtliche Hinweis gibt weder Auskunft
über das Divinationsverfahren, noch über das Zustandekommen der Ifá-Verse. Stephen
Farrow gibt die Information aus dem Bericht History of the Gods eines gewissen Oyesile
Keribo von 1906 wieder, nach dem Orunmila (dort Ifa genannt) als Sohn armer Eltern in Itase
nahe dem Land von Ife geboren wurde, eine Abneigung gegen körperliche Arbeit hatte und
bei einem weisen Manne Unterricht in der Kunst der Divination erhielt …; später wurde er als
elternlos betrachtet und nach seinem Tode deifiziert.82 Orunmila wird verbreitet als Prophet,
als eine historische Person angesehen. Ifa Karade sagt aus, laut Ifa könne die eigene Bestimmung erfüllt werden „mittels der divinatorischen Prozesse, die uns von unseren Vorfahren
überlassen wurden“.83 Der konkrete Ursprung des Ifá-Systems verliert sich also im Dunkel
der in Afrika nahezu fehlenden Geschichtsschreibung. Für diesen unbekannte Ursprung ließe
sich abgekürzt sagen, er liege bei Gott (Olodumare). Tatsächlich gilt Ifá als die Gesamtheit
des Wissens von Olodumare, also das „Wort Gottes“, wie es von Orunmila gelehrt wird.84
Dennoch ist Ifá mit seiner Entstehungszeit um 700 nach Chr. noch relativ jung. Wande
Abimbola erwägt die Möglichkeit, daß das Merindinlogun (Diloggún)-System älter als Ifá ist,
doch bleibt seine These spekulativ.85 Wahrscheinlicher ist vielmehr, daß das Obi-Abata
(Kolanuß)-System das älteste noch existierende Orakelsystem der Yoruba ist.86 Beschaffung
und Präparation der Kolanuß, Technik der Obi-Divination und das für sie erforderliche
Orakelwissen sind nämlich, verglichen mit allen übrigen Orakelformen der Yoruba, am
einfachsten.
In theologischer Hinsicht bleibt an dieser Stelle nur festzuhalten, daß der historische
Ursprung der Divinationsformen der Yoruba sich in solch diffuser Anonymität und so
unabsehbar ferner, undokumentierter Vergangenheit verliert, daß ihnen göttliche Herkunft
nachgesagt wird. Man könnte so weit gehen zu sagen, daß alles, was ohne erkennbare
Abstammung existiert, als numinos bezeichnet werden darf. Numinosität beinhaltet immer
Kraft, und diese Kraft ist umso stärker, je älter und je geistiger (also weniger stofflich faßbar)
das numinose Subjekt ist.
Die Weitergabe des Ifá-Wissens durch Orunmila an seine Schüler ist mythologisch
überliefert. Nach der bereits zitierten Legende war Orungan der erste Schüler Orunmilas und
damit der erste Babalawo. Andere Überlieferungen nennen Akoda und Aseda als die ersten
Nachfolger Orunmilas, wieder andere seine sieben Söhne, oder aber die 16 himmlischen
Propheten, die die 16 Hauptzeichen von Ifá verkörpern.87 Die Ifá-Divination wird also von
religiösen Spezialisten (den Babalawos) weitergetragen, die in gerader Linie auf Orunmila
selbst zurückgehen. Die in Ifá tradierte Lehre mag heute jedermann zugänglich sein; doch ist
82
Stephen S. Farrow, Faith, Fancies and Fetish [1996:86]
Ifa Karade, Handbook of Yoruba Religious Concepts [1999:7-10]
84
Fásínà Fáladé, Ijo Orunmila [1998]: “Ifa is the word of Olodumare given to the Imale Orunmila as manifested
in the world. Orunmila is considered the deity of wisdom and knowledge, responsible for sharing the guides and
mores of our ancient elders and allowing one to make the proper choices as we sojourn this world.”
85
Abimbola, The Bag of Wisdom in Murphy/Sanford: Òsun across the Waters [2001:150]
86
Afolabi A. Epega, Obi Divination [2003:1]: “Obi divination is the original and most valuable form of ifa
divination systems performed by the ancient Yoruba.” Und: „Obi is one of the systems used for Ifa divination
from the earliest of time.“[44] Denkbar wäre, daß im Yorubalande zuerst einfache Odu mit der Kolanuß ermittelt
wurden, die inhaltlich auf das später importierte islamische System übertragen und ungefähr gleichzeitig
gedoppelt wurden. (Daß Epega (ebenso wie Abimbola) das Obi-Orakel der Ifá-Divination zuordnet, ist in diesem
Zusammenhang nicht relevant, weil dies nur von der Definition und dem Verständnis des Begriffes Ifá abhängt.)
87
Ifa Karade, Handbook of Yoruba Religious Concepts [1999:11];
Fela Sowande, Ifa [www.geocities.com/Athens/Aegean/9765/fela.html]
83
es die religiöse Zeremonie der Initiation, die den Ifá-Kundigen zum Orakelpriester, zum
Babalawo macht. Nur der Babalawo ist befugt, mit Orunmila zu arbeiten, also in seinem
Namen Ifá zu befragen.88 Zusammen mit seinen religiösen accoutrements und der Repräsentanz Orunmilas, den Ikin, wird er geweiht und lernt nun auch das rituelle Handwerk,
das ihn zur Ausübung seines Amtes befähigt.89 Die korrekte rituelle Durchführung von
Divination und Ebó ist von entscheidender Bedeutung für das Gelingen einer Konsultation
oder eines Itá. Wenn Eshú mit dem Ritual unzufrieden ist, verdirbt er die gesamte Aktion.90
Die Diloggún (Merindilogun), also die 16 Kaurimuscheln91 als Sprachorgan der Orishas,
werden auf Cuba zusammen mit den Repräsentanzen der Gottheiten bei der Ocha-Einweihung
verliehen. Der Olórisha stellt den einzigen Priesterrang, der mit den Diloggún arbeiten darf:
Der uneingeweihte Orisha-Anhänger (Aborisha) kann die Orishas befragen, die er erhalten
hat, aber nur mit Obi (Kolanuß in Afrika oder Kokosnuß nach cubanischer Tradition); der
Babalawo arbeitet nur noch mit Ifá, also mit Opele (Ekuele) und Ikin, wobei er aber in ganz
bestimmten Situationen immer wieder auf Obi zurückgreift. Die Diloggún sind ausschließliches Divinationsinstrument des Orisha-Priesters. Auch in Afrika ist die Orisha-Initiation die
Voraussetzung für die Divination mithilfe der Merindinlogun. Bascoms Informant Salako
lernte die 16-Kauri-Divination von seinem Paten, dem Babalorisha, der ihn als Priester
Obatalas initiiert hatte.92 Auch Fá’lokun Fatunmbi betrachtet die Einweihung in die OrishaPriesterschaft als Grundlage für Awo Merindinlogun und schreibt: „Nachdem man eingeweiht
worden ist, kann man sich entscheiden, die Divination zu erlernen. Der übliche Prozeß des
Studiums besteht in einer Schulungsphase mit einem erfahrenen Orakelpriester, der seinem
Lehrling einen Satz Kaurimuscheln schenkt, die für ihren Gebrauch als Orakelinstrument
gereinigt und gesegnet wurden.“93 Sowohl George Olúsolá Ajíbádé als auch David Ogungbile
ziehen in Betracht, daß die biologischen Eltern des Merindinlogun-Schülers ihren Nachkommen in der Divinationskunst unterweisen.94 Ogungbile erwähnt als einziger die Möglichkeit, daß „eine interessierte Person, die kein Olórisha ist, sich über einen vereinbarten Zeitraum einer Schulung bei einem Merindinlogun-Diviner unterziehen kann“. Dasselbe tut auch
ein Olórisha, der seine Kenntnisse und Fertigkeiten weiter vertiefen will.
88
Im Gegensatz zu Cuba gibt es in Afrika auch Frauen, die in Ifá eingeweiht werden. Sie heißen Iyánifá. Doch
auch in Afrika besitzt die Iyanifá keine Igba’du und arbeitet mit der Opele, während die Ikin den Männern
vorbehalten bleiben.
89
Rituelle Details unterliegen der priesterlichen Geheimhaltung. Als Grund hierfür ließe sich anführen, daß
magische Handlungsanweisungen nicht in falsche Hände geraten sollen. Tatsächlich aber kann aber eine Person,
die nicht die notwendigen Weihen erhalten hat, mit diesen Ritualbeschreibungen gar nichts anfangen, weil ihr
das in der Initiation übertragene Aché fehlt, diesen Ritualen Wirksamkeit zu verleihen, falls sie sich an ihnen
versuchen sollte. Ohne die Basis der Weihe fehlt aber auch die Kraft (Aché) zur Kontrolle der evozierten
Energien, und darin besteht die einzig mögliche Gefahr. Uneingeweihte lernen vor allem deshalb keine
geheimen Riten, weil sie sie nicht brauchen.
90
Auf Einhaltung der rituellen Vorschriften und Konventionen ist zu achten, obwohl es teilweise beträchtliche
Abweichungen zwischen den Codices der einzelnen „Häuser“ (Schulen, Traditionslinien) gibt. Der Umstand der
Diversität und Dezentralität, der in dieser Religion immer wieder anzutreffen ist, macht die Kultgestaltung
keineswegs beliebig. Es gilt der Grundsatz, daß jeder der Linie seines eigenen Hauses folgt. Bewußte
Variationen in der Gestaltung werden in Hinsicht auf den individuellen Fall dabei durchaus vorgenommen; dies
oft schöpferisch und ideenreich, doch stets gezielt.
91
Eigentlich 18 Kauris pro Orisha, bzw. 21 für Eleggua, von denen jedoch immer nur je 16 geworfen werden.
92
William Bascom, Sixteen Cowries [1993:11]
93
Fá’lokun Fatunmbi, Awo [1992:98-100]
94
George Olúsolá Ajíbádé, Sàngó’s Eérìndínlógún Divinatory System, in: Tishken/Fálolá/Akínyemí, Sàngó in
Africa and the African Diaspora [2009:65-66]; David O. Ogungbile, Eérìndínlógún. The Seeing Eyes of Sacred
Shells and Stones in: Murphy/Sanford, Òsun across the Waters [2001:196].
Wir sehen, wie sich die Unterweisung des Orakelpriesters in Verbindung mit einer
Einweihungslinie im Sinne einer religiösen Genealogie durch die Generationen fortsetzt.
Diese Genealogie läßt sich in fast allen Fällen zurückführen auf einen Entstehungspunkt, der
entweder Orúnmila oder Eleggua oder einer der übrigen Orishas ist, die sich durch Ifá
beziehungsweise mittels ihrer Diloggún dem Menschen verständlich machen. Auf die Frage,
wie ein synchronistischer Zusammenhang hergestellt werden kann zwischen der energetischen Konstellation der Welt, der Konstellation des Orakelergebnisses und der als Verursacher beider Realitäten einstehenden Gottheit, bietet diese in die Gegenwart hineinreichende heilige Abstammungslinie eine erste, teilweise Antwort.
Weiterhin muß festgehalten werden, daß sowohl Ikin und Ekuele als auch die Diloggún
während der Initiation des Priesters, also bevor dieser sie gebraucht, rituell geweiht werden.
Jede Weihung (Konsekration) in der Yoruba-Religion besteht in der Regel aus zwei rituellen
Elementen oder Verfahrensschritten: einer Waschung und einer Energetisierung oder
Vitalisierung, die das zu weihende Objekt heiligt. Ersteres, die Waschung, erfolgt in einem
kalten Pflanzenaufguß; hier werden dem Objekt unreine, negative Energien entzogen. Die
Vitalisierung, die eigentliche energetische Aufladung, wird mit frischem Tierblut vollzogen.
Als ein dritter, essentieller Faktor der Weihe ist der gezielte, kunstvolle Ritus des Menschen
und Weihepriesters zu erachten; und zwar als Arbeitseinsatz wie als magischer Akt, der
überlieferten Regeln folgt. Denn ein Akt, der aus einer Handvoll Muscheln ein Sprachorgan
der Gottheiten herstellt, ist nicht weniger als magisch zu nennen. Olúsolá Ajíbádé beschreibt
den Vorgang wie folgt:
Wenn ein Lehrling als fähiger Orakeldeuter eingeschätzt wird, erhält er oder sie die Kauris. Das ist das
zweite Stadium. Es wird ìfìnimawo (Einweihung in den Kult) genannt. Es findet im Divinationsraum des
Meisters statt. An diesem Tage werden die Kauris religiös gewaschen. Dies suggeriert die Reinheit und
Heiligkeit der Kauris, denn sie sind nun nicht mehr gewöhnliche <Muscheln>, sondern sie sind ritualisiert.
Dieser Prozeß gibt den Kauris die Kraft, über das Physische hinauszublicken; sie können sich bis in
spirituelle und psychologischen Schauplätze hinein Geltung verschaffen, um Probleme des Klienten zu
lösen. Dieser Initiationsritus ist hochbedeutsam für unser Verständnis der Kosmologie und der Weltsicht
der Yoruba, besonders in Bezug auf ihre Gottheiten.
Das einzige Divinationsmedium, das nicht geweiht zu werden braucht, ist Obi, die Kolabeziehungsweise die Kokosnuß. Da einerseits der Kola-Baum bei den afrikanischen Yoruba
als heilig95 und andererseits die Kokosnuß Obi auf Cuba gar als ein Orisha gilt96, ließe sich
konstruieren, daß Obi ein unabhängiger Agent ist, der die Kommunikation zwischen Mensch
und Orisha vermittelt und nicht – wie Diloggún, Ikin und Ekuele – das ausschließliche Organ
des jeweiligen Orishas, beziehungsweise von Ifá. Als pflanzliches Naturprodukt, das zudem
noch besänftigende Kühle, Klarheit und Reinheit transportiert, bedarf Obi außerdem keiner
Reinigung mittels Pflanzenaufguß. Die Verbindung von Obi mit der zu befragenden Entität
(Orisha oder Egun) wird verbal und gestisch erst innerhalb der Befragungszeremonie
eingerichtet.
Außer im Falle von Obi, der kraft seiner eigenen Natur heilig ist97, wird bei allen
Divinationsmedien die Verbindung zur Gottheit mittels ritueller Präparation des zunächst
profanen Instrumentariums geknüpft. Die Weiherituale, die auf magische Weise die Qualität
der betreffenden Gegenstände wandeln, indem sie sie zu numinosen Sprachorganen machen,
werden wiederum von initiierten Priestern durchgeführt, die in unmittelbarer persönlicher
Verbindung mit der Gottheit und in religiöser Abstammungslinie von deren ersten Propheten
95
Afolabi Epega, Obi Divination [2003:2]
Òcha’ni Lele, Obí. Oracle of Cuban Santería [2001:37-38]. Ikin und Ekuele sind zwar auch Gottheiten,
erhalten ihr Aché aber nur in Verbindung mit Orunmila oder innerhalb des Ifá-Komplexes.
97
In der cubanischen Mythologie erscheint Obi als männlich.
96
stehen. Es ist vor allem das von Menschen fachkundig ausgeführte Ritual in seiner magischen
Potenz, das die entscheidende Rolle in jenem Kopplungsprozeß spielt, der das Orakelmedium
an die schicksalsverursachende Gottheit anschließt. Dieses nimmt seinen Anfang in der
Initiation des Priesters und setzt sich bis in die Gestaltung der Orakelbefragung und der
Opferzeremonie fort.
Wer einem korrekt ausgeführten religiösen Ritual im Grunde keine magische Potenz
zutraut, dem wird es auch schwer fallen, das Orakel als glaubhaft und aussagekräftig zu
verstehen, und damit hätte dieses jeglichen Zweck verfehlt. Andererseits dürfte klar sein, daß
eine vorangegangene priesterliche Initiation und die mit ihr verbundene Übertragung der
Kraft und des Wissens, des Aché, unbedingte Voraussetzung für die Effizienz der zu verrichtenden Rituale ist.
Die letzte Verbindungsleitung, die zu legen ist, ist die vom Orakelmedium zur Person des
Orakelnehmers, also des Konsultanten oder seines Klienten; genauer gesagt zu seiner Aura,
seiner ihn umgebenden persönlichen Energie. Darum gibt es in jedem Divinationsritual dieser
Religion den Moment des physischen Kontaktes der Orakelmedien oder –instrumente mit
dem Körper der ratsuchenden Person, gleich ob diese nun das Ifá-Tablero berührt, die Füße
auf die Matte des Orisha-Priesters stellt, die Ekuele oder die Ibo in seine Hände nimmt, oder
ob er mit Obi oder Diloggún an den Kardinalpunkten seines Körpers gemustert wird. (Diese
Kardinalpunkte gelten als die Ein- und Austrittstellen der Energie.)
Die Berührung oder physische Nähe informiert das Orakelmedium mit der Energie der
konsultierenden Person (gegebenenfalls umgekehrt). Damit ist die Verbindung von der
ratsuchenden Person zum Orakelmedium und gleichermaßen zur schicksalsverursachenden
und ratgebenden Gottheit oder Entität hergestellt. Orakelmedium und Klient sind so mit dem
Geschehen und der bestimmenden Energiekonstellation der Welt synchronistisch parallelgeschaltet. Die Begründung hierfür kann aber vorerst nur auf theologischer Ebene erfolgen.
Wer nicht an eine Aura und einen energetischen Austausch, eine energetische Beeinflussung oder Information glaubt, der wird im Divinationsritus nichts als Hokuspokus erkennen.
Andererseits wird auf theologischer Grundlage deutlich, daß ein Priester für seinen Klienten
nur in dessen körperlicher Anwesenheit das Orakel befragen kann. Fernkonsultationen, etwa
per Telefon oder E-Mail, waren in dieser Religion niemals vorgesehen und sind auch heute
noch etwa so unbedeutsam wie ein Würfelspiel in der Nachbarskneipe. Und noch zwei
weitere Gründe sprechen gegen solch vermeintliche Modernisierungsmaßnahmen: Erstens ist
der Gebrauch der Ibo, jener Instrumente, die über eine positive oder negative Orientierung des
Orakelzeichens entscheiden, unmöglich; zweitens wird dem Orakelpriester die Möglichkeit
genommen, die Darstellung der Orakelaussage intuitiv an die Person seines Klienten anzupassen. Die Performance des Priesters ist traditionell abhängig von seinem Gegenüber –
soweit es dieses Gegenüber gibt: Festgeschriebene Texte allein sind zu starr, um die lang
erprobte Aussagefähigkeit der Ifá- und Orisha-Orakel weiterhin zu gewährleisten.98
98
K. Noel Amherd vergleicht in seinem Artikel Ifa Texts: Diversity and Discourse die flexible Gestaltung der
Orakelverkündung mit der Improvisation eines Jazzmusikers, der zwar den formalen Strukturen des zugrundeliegenden Musikstücks folgt, aber immer kontextuelle Einflüsse in seinen Vortrag einbezieht. Dieser Umstand
käme in einer schriftlichen Transkription dieser Momentaufnahme nicht zum Ausdruck. (in Falolo/Genova:
Orisa. Yoruba Gods and Spiritual Identity in Africa and the Diaspora [2005:25]) Die in ihrem jeweiligen Wortlaut schriftlich fixierten Texte der Odu-Ifá entsprechen lediglich Transkriptionen von mündlich vorgetragenen
Ifá-Texten – in ganz speziellen Situationen, zu ihrem jeweiligen Zeitpunkt.
Stadien der Manifestation
Abschließend möchte ich noch auf die Manifestationsstadien der Odu oder Orakelzeichen
im Verlaufe des Divinationsprozesses eingehen:
Die Orakelinstrumente sind als numinose Sprachorgane zu betrachten, wobei die Ikin
darüberhinaus als Repräsentation Orunmilas gelten und Obi für sich genommen ein Orisha ist.
In der rituellen Ermittlung der Orakelzeichen offenbart sich das Wort eines oder mehrerer
Orisha, der Egun, Iyámi oder von Ifá. Dieses Stadium möchte ich als Orakeloffenbarung
bezeichnen. Ich möchte nochmals bemerken, daß im Falle der Diloggún, der Ekuele und Ikin
eine direkte Verbindung zu den Orisha, zu Ifá oder ganz allgemein zu einer numinosen
Instanz geknüpft wird.
Im Falle der Orisha-Divination mittels der Diloggún erfolgt nach der Offenbarung des
oder der Orakelzeichen (Odu), spätestens aber nach Feststellung der Orientierung (iré oder
osogbo) unmittelbar die Verkündung des Orakels. Die Orakelverkündung, die Verbalisierung
und Interpretation durch den Priester ist der entscheidende Akt der Divination, denn in ihr
wird die Manifestation des Zeichens deklariert. Das gesprochene Wort des Menschen, ganz
besonders aber das Wort des eingeweihten Priesters, besitzt schöpferische Kraft, hat Aché.
Die Verkündung des Orakels und dessen endgültige Manifestation befinden sich im selben
Zeit-Raum. Das Odu-Ifá Oshetura lehrt, daß das gesprochene Wort aus dem Munde des Awo
(Orakelpriesters) sich stets als Wahrheit manifestiert. Der Priester ist also für sein Wort und
seine Sprache verantwortlich.
In Ifá liegt zwischen der Offenbarung und der Verkündung noch ein weiterer Schritt, der
das jeweilige Odu in seiner unmittelbaren Präsenz in der Welt fixiert. Das Markieren
(Zeichnen) des Odu-Diagramms, insbesondere auf dem Opón-Ifá (dem Ifá-Tablero), welches
das Universum symbolisiert, erweckt die Präsenz des Odu in der Wirklichkeit. Als symbolhaftes Bild (Mandala), trägt das Odu-Diagramm die Bedeutung einer Invokation, einer
Anrufung. In der Zeichnung des Odu ist dieses gegenwärtig, tritt seine Energie in Kraft. Nur
Ifá-Priester dürfen Odu-Ifá zum Zwecke der Invokation markieren.
Zusammenfassung und Schlußwort
Eine gesunde Skepsis gegenüber importierten, fremden und mit dem bestehenden
kulturellen Kontext schwer vereinbaren Kulten, die obendrein noch mit einer rationalen
Auseinandersetzung nicht greifbar sind, ist mehr als verständlich, ja sogar notwendig. Auf der
anderen Seite sind ein Olórisha und ein Babalawo, die in Europa ihrem priesterlichen Berufe
nachgehen, gegenüber ihrer Religion, gegenüber ihren Abures und ihren Klienten, gegenüber
der Gesellschaft und gegenüber sich selbst verantwortlich, und alle fünf wollen miteinander
harmonisiert werden. Die Religion muß sicherlich an ihr neues Umfeld angepaßt, dabei aber
ebenso in ihren wesentlichen Grundzügen bewahrt werden – so weit es eben geht. Wer
hierzulande rücksichtslos die kultischen Gepflogenheiten durchsetzen will, die er so aus
Ländern wie Nigeria, Cuba oder Brasilien übernommen hat, der braucht sich nicht darüber zu
wundern, daß er die essentiellen Ziele der Religion im gleichen Maße verfehlt, wie derjenige,
der sie sich bis zur Unkenntlichkeit zurechtstutzt.
In diesem Sinne befinden wir uns auf einer ständigen Gratwanderung: Wir wollen
unseren Klienten einen hilfreichen Rat erteilen, und dies aus der priesterlichen Position
heraus, nicht aus der eines westlichen Therapeuten (obwohl psychotherapeutische Kenntnisse
von Nutzen sind). Wenn wir uns anmaßen würden, Psychotherapie zu praktizieren anstatt Odu
sprechen zu lassen, würden wir unsere Kompetenz überschreiten, und der Klient könnte sich
gleich an einen Therapeuten wenden (und würde wahrscheinlich besser damit fahren). Alles
was wir tun könnten, wäre, dem Klienten gegebenenfalls eine solche Therapie zu empfehlen.
Unsere Aufgabe ist es, dem Klienten dessen Lage aus religiöser Sicht zu darzulegen und zu
interpretieren, indem wir transzendente Aspekte aufzeigen, sowie ihm das richtige Ebo zu
verschreiben. Dieses Ebo muß im Einklang mit dem Orakel stehen, Wirkung in der
transzendenten Welt zeigen und auf die irdische Welt zurückwirken; es sollte gleichzeitig
einen therapeutischen Effekt auf den Klienten ausüben, ihn jedoch nicht vergewaltigen.
Opferleistungen, die entweder zu teuer sind oder in Beschaffung und Ausführung den
zumutbaren Schwierigkeitsgrad so weit übersteigen, daß sie eigentlich nicht mehr praktikabel
sind, haben den entgegengesetzten Effekt.
Sodann tut man als Priester weder dem Klienten noch der Religion, noch sich selber
einen Gefallen, wenn man mit der rituellen Erfüllung der religiösen Auflagen im sozialen
Umfeld Unmut erregt. Tieropfer sollten, wenn überhaupt, in legalem Rahmen und in
geeigneter Umgebung stattfinden; ferner sollte der hiermit betraute Priester nicht nur das
rituelle, sondern auch das handwerkliche Geschick dazu besitzen. Ebos sollten nicht dort
deponiert werden, wo sie eine Gefahr für die Umwelthygiene darstellen. Toques de Santo
sollten besser an einem Ort stattfinden, an dem Anwohner sich weder gestört fühlen noch gar
die Zeremonien polizeilich unterbinden dürfen.
Wir dürfen nicht vergessen, daß die Harmonisierung des Menschen (also des Klienten,
unserer Mitmenschen und uns selber) mit der Welt, und zwar der transzendenten wie der
irdischen, ein zentraler Grundsatz unserer Religion ist. Die (Wieder-)Herstellung des
Gleichgewichts in Mikro- und Makrokosmos und der Ausgleich zwischen beiden gehört
hierzu. Nur im Zustand der Ausgeglichenheit und Ausgewogenheit, der Balance, ist eine
spirituelle Fortentwicklung in Richtung auf Ìwà pèlé99, einen friedvollen Charakter, und auf
die Erfüllung der eigenen Lebensbestimmung, der Verwirklichung des eigenen Wesens,
ungehindert möglich.
Ein Mindestmaß an kultureller und religiöser Toleranz, die ja in den westeuropäischen
Ländern verfassungsmäßig gewährleistet wird, dürfen wir allerdings verlangen; wenigstens
solange die geltenden Gesetze und das sittliche Empfinden unserer Mitmenschen nicht
verletzt werden.
Als der damals dreiunddreißigjährige amerikanische Geschäftsmann Philip John Neimark
nach einer negativen Prophezeiung des Ifá-Orakels wie vorhergesagt seinem persönlichen
Ruin gegenüberstand und verzweifelt den berühmten amerikanischen Anthropologen William
Bascom nach einer rationalen Erklärung fragte, antwortete ihm dieser nur: „Mr. Neimark, all
I can tell you is, it works.“100 Philip Neimark ließ sich darauf gemäß der Orakelempfehlung in
Ifá einweihen und ist heute praktizierender Babalawo, der, um es vorsichtig auszudrücken, in
einigen Aspekten seine eigenen Wege beschreitet.
William Bascom (1912-1981), Autor vieler bahnbrechender Standardwerke, unter
anderem Ifa Divination oder Sixteen Cowries, fällte sein Urteil, das Ifá-Orakel würde
„funktionieren“, obwohl er einerseits nicht frei von Skepsis war und zum anderen die
irrtümliche westliche Vorstellung korrigierte, daß die Yoruba „sich auf unkontrollierbare
Schicksalsbestimmungen zurückzögen oder sich damit begnügten, sich auf Divination und
andere religiöse Praktiken zu verlassen, um all ihre Probleme zu lösen“. Er zitiert YorubaSprichworte wie: „Tapferkeit allein ist so gut wie Magie“ oder „Der König läßt dich rufen,
und du befragst Ifá; Ifá spricht von Segen, aber der König redet von Übel –was nun?“ - „Ein
Amulett für Unsichtbarkeit ist nicht besser als ein großer Wald, in dem man sich verstecken
99
Ìwà (yor.): Verhalten, Charakter; Existenz; pèlé (yor.): mild, sanft, freundlich
Philip John Neimark, The Way of the Orisa [1993:4]
100
kann.“ - „Ein Opfer ist nicht besser als viele hilfreiche Menschen.“ – „Eine Gottheit, die mich
auf eine Plattform emporhebt, ist nicht besser als ein Pferd, auf dem ich davonreiten kann.“101
Und zur Wirksamkeit des Opfers merkt Bascom augenzwinkernd an: „… selbst wenn auf ein
Opfer ein Unheil folgt, gibt es immer noch den begründeten Zweifel, daß die Folgen noch
schlimmer ausgefallen wären, wenn das Opfer nicht entrichtet worden wäre“.102
Ich selber habe sowohl Orakelbefragungen als auch Opferleistungen in der YorubaReligion cubanischer Prägung (Lukumí) stets als zutreffend, wichtig und wirksam empfunden. Teilweise vermag ich wohl die Arbeitsweise der ausführenden Priester wie auch die
Wirkungsweise des Orakels auf mich, meine Realität und meine Psyche zu durchschauen, und
sicherlich würde es mir auch gelingen, etwas von dem Teil rational zu ergründen, den ich bis
jetzt noch nicht verstehe; aber darauf kommt es überhaupt nicht an: Niemand will der
menschlichen Vernunft ihr Territorium streitig machen. Auf der rationalen Ebene finden
Kausalismus und Logik ihren Wirkungsbereich; das ist gut so, und das soll auch so bleiben.
Aber die Ratio allein ist nicht die ganze Wahrheit. Bei veränderter Betrachtung offenbart sich
eine zweite Verständnisebene hinter der deutlich konturierten und erklärbaren Projektion der
augenscheinlichen Wirklichkeit, und diese ist analogistisch und synchronistisch. Das Organ
zu ihrer Wahrnehmung ist nicht so eindeutig zu lokalisieren wie ein Augenpaar; es befindet
sich aber an genau der Stelle, an der jede Wissenschaft einst ihren Anfang nahm, und an der
die Spiritualität und die Religiosität des Menschen noch immer beheimatet ist. Diese zweite
Realitätsebene bietet sich offen unserer Betrachtung an, wohlgemerkt ohne den Augenschein
und die klare Ratio über Bord zu werfen, sondern vielmehr als gleichberechtigte Alternative
und als Ergänzung zu ihnen. Synchronistische und analogistische Betrachtungsweise erlaubt
uns ein breiteres und tieferes Verständnis der Realität. Die Divination stößt uns kopfüber in
jene zusätzliche Verständnisebene und zwingt uns dazu, uns auf sie einzulassen.
Abermals mache ich auf den therapeutischen Aspekt der Divination aufmerksam und
zitiere in diesem Zusammenhang den Autor Israel Regardie des Hermetic Order of the Golden
Dawn. In Übereinstimmung mit allem, was bisher über Divination im allgemeinen und die
Orisha- und Ifá-Divination im besonderen gesagt wurde, schrieb er:
Die Divination zielt letztlich nicht darauf, das Schicksal vorherzusagen – nicht einmal in Form eines
intuitiven Erkennens der spirituellen Ursachen im Hintergrund der konkreten Ereignisse, obgleich letzteres
nicht von geringer Bedeutung ist. Im Gegenteil, die Divination hat, wenn sie auf die rechte Weise praktiziert
wird, zum Ziel, die innerpsychische Fähigkeit der Intuition zu entwickeln. … Wenn diese Praxis über eine
genügend lange Zeit gepflegt wird, schlägt sie langsam, aber höchst wirksam, eine Art Brücke zwischen
dem Bewusstsein des Menschen und jenem tieferen, verborgenen Teil seiner Psyche, dessen er sich
gewöhnlich nicht bewusst ist – dem Unbewussten oder dem höheren Selbst. …
Ziel der Divination ist es ganz einfach, einen psychischen Mechanismus zu schaffen, mit dessen Hilfe
diese Quelle der Inspiration und des Lebens dem gewöhnlichen Bewusstsein oder dem Ich zugänglich
gemacht werden kann. Daß dieser Mechanismus zunächst darauf gerichtet ist, Antworten auf scheinbar
103
triviale Fragen zu liefern, spricht nicht gegen die Technik selbst.
Was nützt die analytische Ratio dort, wo es um leibliche Erkenntnis, um den Gewinn und
die Erhaltung spiritueller Kraft und um die Selbstgeburt des eigenen Wesens geht? Und wenn
der Motor, der uns dorthin bringen kann, zerlegt ist: Wer setzt ihn wieder zusammen?
In der westlichen Kultur herrschen gewisse Paradigmen, unter denen kultische
Handlungen, die als magisch einzustufen sind, und zu denen die Divination im weiteren Sinne
auch gehört, automatisch disqualifiziert werden. Diese Paradigmen könnte man etwa
folgendermaßen zusammenfassen:
101
Bascom, Ifa Divination [1991:119]
Bascom, Ifa Divination [1991:70]
103
Israel Regardie, Die Elemente der Magie [1991:13]
102
A. Alles was es gibt muß letzten Endes naturwissenschaftlich erklärbar sein.
B. Alles Wissen muß potentiell jedermann zugänglich sein.
C. Alles was man tut muß gegebenenfalls mit einem vernünftigen Grund zu rechtfertigen
sein.
D. Vernünftig ist alles, was direkt oder indirekt zu einer Vorteilssituation oder einem
praktischen Wertezuwachs führt.
Die Orisha-Ifá-Religion ist eine der letzten lebenden magischen Traditionen. Sie ist auf
ein typisch analogistisches Weltbild gegründet. Sie ist ebenso voll von nachgewiesenen
Begebenheiten wie von theologischen Annahmen, die wissenschaftlich nicht erklärbar sind.
Sie ist reich an Riten, die man verrichtet, obwohl sie mit ertragsgerichteter Vernunft nicht zu
rechtfertigen wären. Und sie verfügt wie alle magischen Traditionen über einen wahren
Geheimhaltungskult, auch wenn dieser zum Teil aus anderen Motiven entstanden ist als etwa
in europäischen Disziplinen. Auch der Orakelpriester verfügt über Wissen, das keineswegs
jedermann zugänglich ist. Die gesamte Ritualistik ist zwar innerhalb des theologischen
Systems der Religion schlüssig; aber ein greifbarer, vernünftiger Sinn erschließt sich dem
Außenstehenden nicht so leicht. Und was die heutige Naturwissenschaft betrifft, so hat diese
sich langsam und stetig zu einem kulturellen Antipoden einer jeden Form von Religion
entwickelt.
In einer materialistisch orientierten Gesellschaft, die in ihrer Steigerungsform des
Positivismus so weit geht, die Existenz des Geistes oder einer geistigen Dimension zu
leugnen, muß eine bezahlte Arbeitsleistung, deren Ertrag zunächst nicht materiell meßbar ist
und deren Produktivität somit in argem Zweifel steht, wie Betrug, wie eine Taschenspielerei
vorkommen. Immerhin, eine gelungene Taschenspielerei ist auch eine Attraktion, ein
Gauklerstück, für das man auf dem Jahrmarkt schon einmal einen Groschen springen läßt.
Wenn aber der nüchterne Bürger für weit mehr als einen Groschen nicht einmal eine
Weissagung erhält, die in allen Punkten den Nagel auf den Kopf trifft, ist er enttäuscht und
fühlt sich betrogen: Dabei hätte er vorher „nur“ sein komplettes Denkmuster umkehren
müssen.
Es ist in Wirklichkeit völlig belanglos, ob das gefallene Orakelzeichen Aussagen enthält,
die den Klienten nicht direkt betreffen. Es kommt gar nicht darauf an, eine Fehlbarkeit des
Orakels zu beweisen. Jedes Zeichen enthält Botschaften, die für eine andere Person weit mehr
Relevanz hätten als für die gerade anwesende. Der Klient sucht das Orakel in der Übereinkunft und der Überzeugung auf, eine signifikante Information über sich selber in seiner
gegenwärtigen Situation zu erhalten. Er wird – oftmals unbewußt – die Aussagen unberücksichtigt lassen, die zu seiner spezifischen Problematik keinen Bezug haben; doch wenn er
klug ist, prüft er gerade diese scheinbar unzutreffenden Orakelaussagen auf ihre verborgene
Wahrheit und findet oft geradezu erschütternde Enthüllungen über sein Leben vor.104 Es liegt
aber auch an der geschickten Gesprächsführung des Priesters, die Orakelbotschaft so zu
formulieren, daß sein Klient eine individuell auf ihn zugeschnittene Divination empfängt.
In diesem Punkte regt sich in unserer Zivilisation noch einmal ein Betrugsverdacht. Jede
kluge Gesprächsführung, mit der der Orakelpriester sich der individuellen Problematik seines
Klienten zu nähern versucht, kann ihm von jemandem, der eine Divination als bloße Demonstration hellseherischer Fähigkeiten ansieht, bezahlt und auf die Probe stellt, als Trick
ausgelegt werden. Innerhalb der materialistisch-positivistischen Denkstrukturen westlicher
104
William Bascom berichtet, der Klient würde unter allen rezitierten Texten den ihn betreffenden Vers des
gefallenen Odu selber auswählen. (Ifa Divination [1991:69]; Sixteen Cowries [1993:5])
Zivilisationen ist auch dieses Mißverständnis absolut verständlich. Ebenso verständlich wäre
es, allgemein gehaltene und schwer falsifizierbare Orakelaussagen für die Forer- oder
Barnum-Taktik zu halten. Solch grundsätzliches Mißtrauen wirft jedoch vielmehr ein
trauriges Licht auf die sozialen Umgangsformen in unserer Gesellschaft, als daß sie die Ifáoder Orisha-Divination des betrügerischen Hokuspokus überführen könnten. Die Divination
ist ein religiöser Akt. Ohne die unausgesprochene Übereinkunft zwischen Priester und Klient,
bestimmte theologische Grundaussagen anzuerkennen, die der Orakelbefragung erst ihre
Bedeutung verleihen können, läuft eine solche Konsultation unter den in westlichen Gesellschaften herrschenden Paradigmen Gefahr, völlig falsch verstanden zu werden und auf diese
Weise tatsächlich so wertlos zu werden, wie der in seinen Denkmustern gefangene westliche
Mensch immer schon geargwöhnt hatte. Ich fasse nochmals die Prämissen zusammen, unter
denen allein eine Divination durch einen Babalawo oder einen Olórisha sinnvoll wird:
A. Es gibt eine materielle diesseitige (Ayé) und eine geistige jenseitige Welt (Orun).
B. Die jenseitige Welt wird von geistigen Wesenheiten bewohnt.
C. Die beiden Welten sind Teile eines einzigen Kosmos und miteinander verbunden.
D. Ganz bestimmte Handlungen oder Leistungen haben einen gezielten Effekt auf
die jenseitige (transzendente) Welt.
E. Die transzendente geistige Welt wirkt umgekehrt auf das Geschehen in der
körperlichen Welt ein.
F. Die Körper aller Lebewesen, Pflanzen, Steine oder anderer Gegenstände besitzen
eine spezifische Energie und eine Aura und beeinflussen einander.
G. Jeder Mensch besitzt ein transzendentes Wesen (Orí, Iporí), mit dem in
Übereinstimmung zu leben segensreich ist.
H. Gleichgewicht (balance) und Ausgeglichenheit auf allen Ebenen sind zentrale
religiöse Maximen.
I. Die Divination ist ein religiöser Akt, der aus numinosen Botschaften gespeist
wird.
J. Ein korrekt ausgeführtes Ritual kann einen Gegenstand oder eine Situation auf
magische Weise qualitativ verändern.
K. Zeit ist potentiell eine überschaubare räumliche Dimension.
L. Verborgene gemeinsame Ursachen rufen eine spezifische synchronistische
Ereignishäufung hervor, zu der sinngemäß ebenfalls ein entsprechendes
Orakelresultat gehört.
M. Das Orakel trifft per se gültige Aussagen, die Chancen zur Problemlösung bieten.
Lediglich der Bezug der orakulären Information zur Person des Orakelnehmers
muß individuell erforscht werden.
Es ist unbestreitbar, daß es Priester gibt, die hauptsächlich darauf bedacht sind, ihre
magischen Fähigkeiten und ihre Macht zu exhibitionieren. Es mag Priester geben, die bewußt
Gauklertricks anwenden, um ihre Klienten zu beeindrucken. Und einige von ihnen werden
auch okkultes Gehabe als Divination tarnen und das Orakel dazu mißbrauchen, vertrauensselige Klienten hereinzulegen. Sie sind in ihrem unethischen Verhalten glücklicherweise in
der Minderzahl, und obwohl sie so der Religion hier und da einen üblen Ruf verschaffen, sind
sie keineswegs in der Lage, die Erhabenheit des Orakels zu verderben. Unter den genannten
Voraussetzungen sind die Ifá- und die Orisha-Divination in jeglicher kulturellen Umgebung
wirksam, heilsam und aufschlußreich.
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