Niedrigzinsumfeld Japan
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Niedrigzinsumfeld Japan
Außenaufnahme Niedrigzinsumfeld Japan Bonsai-Zinsen seit mehr als einem Vierteljahrhundert – wie die Lebensversicherer in Japan damit umgehen und was wir von ihnen lernen können. „Meiner Meinung nach ist es essenziell, dass sich Lebensversicherer ihrer langfristigen Perspektive bewusst sind und ein geeignetes Risikomanagement implementieren, um ein solides und stabiles Lebensversicherungs geschäft zu betreiben.“ Masaru Tanabe, Manager des PR-Departments des Verbands der japanischen Lebensversicherer Quelle: Institutional Money 1/2011. Aufstehen aus der Krise — von Japan lernen 66 Munich Re Daktylos 2016 Niedrigzinsen über Jahrzehnte – davon können Japans Versicherer ein Lied singen. Nach dem Platzen der japanischen Wirtschaftsblase im Jahr 1990 haben sie sich langfristig neu aufgestellt. Der Artikel skizziert die wichtigsten Entwicklungen und zeigt komprimiert die Lehren aus den Erfahrungen im japanischen Markt. von Patrick Sallin Representative for Japan Munich Re Japan Life Branch Unter den zehn ältesten noch lebenden Menschen der Welt sind fünf Japaner*. Kein Wunder, dass Produkte der Lebensversicherung für den Erlebensfall in Japan besonders beliebt sind. Das war so vor 1990 – der Zeitspanne, in der in Japan die Wirtschaftsblase platzte –, und das ist bis heute so. Japans Lebensver sicherer müssen also einiges richtig gemacht haben, auch in den 25 Jahren nach dem Wirtschaftshöhepunkt. Der Weg in die Krise Nach 30 Jahren nahezu ununter brochenen Wachstums begann die japanische Volkswirtschaft Ende der 1980er-Jahre zu kränkeln: Zwar standen noch viele Zeichen auf Boom, allerdings schränkten steigende Arbeitslosigkeit und horrende Immobilienpreise den Privatkonsum bereits merklich ein. Parallel wuchs die Staatsverschuldung. Um die überhitzte Konjunktur abzukühlen, hob die Bank of Japan den Leitzins auf bis zu 4,25 Prozent an und beendete so den steilen Aufwärts trend im Nikkei-225. Dann ging der Blase nach und nach die Luft aus, der Nikkei-225 verlor allein Anfang der 1990er-Jahre mehr als 60 Prozent seines Werts, und es Die Mutter aller Niedrigzinsphasen Die Entwicklung der japanischen Zinsen von Oktober 1987 bis Oktober 2011. Auch im Herbst 2015 hat sich daran substanziell nichts geändert. 9 % 8 % 7 % 6 % 5 % 4 % 3 % 2 % 1 % 0 % Oct 87 Oct 90 Oct 93 Reserving interest rate Oct 96 Oct 99 Oct 02 Oct 05 Return of general account asset Quelle: Bloomberg, Life Insurance Association of Japan, Internet Research Oct 08 Oct 11 10Y Japanese Government Bond yield ging weiter bergab. Banken vergaben keine Kredite mehr, Firmeninsolven zen und damit weitere Kreditausfälle bei Banken waren die Folgen. Das Transaktionsvolumen auf dem Immobilienmarkt sank deutlich, und die Grundstückspreise fielen dramatisch – oft um mehr als 50 Prozent. Dies führte zu stark sinkenden und dauerhaft niedrigen Zinsen. Was bedeutete dies für die japanische Lebensversicherungsbranche? Über Jahre schwindende Kapital erträge einerseits und versprochene Zinserträge andererseits sorgten für negative Ergebnisse bei den meisten Lebensversicherungsgesellschaften. Verluste in der Vermögensanlage konnten nicht kompensiert werden; zugesagte Garantiezinsen waren nicht mehr zu erwirtschaften. Die Folge: Mehr als eine Handvoll Lebensversicherer waren gezwungen, Insolvenz anzumelden. Um das Vertrauen der Bevölkerung in die Lebensversicherer wieder herzustellen, griff die japanische Finanzaufsicht (FSA) schließlich ein und installierte ein Konsumentenschutzsystem für den Bankrottfall. Versicherer in finanzieller Schieflage wurden unter dieses Schutz system gestellt. Es greift entweder in Form eines Verwaltungsverfahrens gemäß Versicherungsunternehmensrecht, bei dem die FSA dem Management bestimmte Auflagen macht und deren Umsetzung durch einen bestellten Aufseher überwacht, oder in Form eines gerichtlichen Verfahrens auf Grundlage des Insolvenzrechts, das die Unternehmen unter ein Sanierungsregime stellt. Für die Versicherungsunternehmen garantiert das Schutzsystem in beiden Fällen 90 Prozent der erforderlichen Reserven. Gedeckt wird diese Garantie durch einen Sicherungsfonds der sogenannten Life Insurance Policyholders Protection Corporation of Japan, in den alle japanischen Lebensversicherer einzahlen. Der Sicherungsfonds füllt mögliche Lücken auf, die zum Zeitpunkt der Insolvenz zwischen den tatsächlichen Reserven eines Unternehmens und den geforderten 90 Prozent liegen. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens können – je nach Prüfung im Einzelfall – zudem die Garantiezinsen für die Bestandspolicen gesenkt werden. * wikipedia Munich Re Daktylos 2016 67 Außenaufnahme Niedrigzinsumfeld Japan Gerade bei biometrischen Produkten beobachten wir in Deutschland in den vergangenen Jahren einen verschärften Wettbewerb mit immer niedriger werdenden Margen, der sich auch vor dem Hintergrund der Erfahrungen in Japan aus unserer Sicht als riskant zeigt. Harald Tauber, Head of Client Management Life Ausländische Versicherer sahen die Situation der angeschlagenen Gesellschaften als Chance und übernahmen japanische Anbieter, die unter das Sanierungsregime gesetzt wurden. Heute entfallen rund 20 Prozent des marktweiten Prämieneinkommens auf ausländische Unternehmen wie etwa AIG, AXA, MassMutual und Manulife. Neuausrichtung der Produktlandschaft In der Krise zeigte sich: Das Sparen ist den Japanern nach wie vor wichtig – und sie investieren trotz aller Schwierigkeiten weiterhin in Lebensversicherungsprodukte. Erklären lässt sich dies zum Teil mit der vorherrschenden Anleger kultur. Die Mehrheit der Japaner bevorzugt risikoarme Investments mit Garantiekomponenten, die vergleichsweise wenig persönlichen Aufwand erfordern. Zudem haben viele Anleger auch mit Aktien, Immobilien und Bankprodukten negative Erfahrungen gemacht. In Summe bedeutete dies eine durchaus gute Position für die Lebens versicherer, auch wenn das Krisenszenario alle Anbieter zwang, ihre Produktgestaltung zu überdenken. Die traditionelle Kapitallebensver sicherung verschwand fast komplett vom Markt. Alternative Garantie produkte wurden eingeführt, darunter etwa fondsgebundene Lebensver 68 Munich Re Daktylos 2016 sicherungen mit Ablaufgarantien oder auch fremdwährungsdominierte Anlageprodukte (zum Beispiel in USD, AUD). Populär wurden zudem sogenannte Whole-Life-Produkte, die eine geringe Garantieverzinsung von 0,5 bis 1 Prozent mit der Chance auf einen zusätzlichen jährlichen Ertrag koppeln – etwa in Abhängigkeit von der Entwicklung eines Parameters wie einer Swap-Rate. Hinzu kamen für die alternde japanische Gesellschaft attraktive Annuity-Produkte sowie Produkte zur Absicherung biometrischer Risiken. Das Spektrum reicht von Rentenversicherungen mit lebenslangen Ablaufleistungen bis hin zu innovativen Produkten mit ver schiedenen Zusatzkomponenten aus dem Unfall- und Krankenver sicherungsbereich, darunter zum Beispiel Krankenhaustagegeld- und Krebsdiagnoseversicherungen. Bei Annuity-Produkten ist ein Mindestmaß an Kapitalgarantien nach wie vor Standard. Allerdings werden sie im Neugeschäft nicht mehr für 100 Prozent der geleisteten Beitragszahlungen ausgesprochen, sondern heute üblicherweise für noch rund 90 Prozent. über Banken, Versicherungs-Shops mit persönlicher Beratung in Supermärkten oder auch der Online-Vertrieb. Dies alles trug dazu bei, die Verwaltungs- und Personalkosten deutlich zu senken. Was können wir von Japan lernen? Eine Maßnahme allein reicht nicht, um wirtschaftlich schwierige Zeiten erfolgreich zu bestehen. Dies ist die zentrale Erkenntnis aus dem japanischen Markt. Wichtig ist eine konsequente Neuausrichtung der Produktlandschaft hin zu alternativen Garantieprodukten, wie sie inzwischen auch im deutschen Markt auf der Agenda stehen (vgl. Artikel „Alternative Garantiemodelle“ ab Seite 22). Bei der Konzeption und Umsetzung innovativer Versicherungsangebote gilt es von vornherein den nötigen Weitblick an den Tag zu legen, um wirtschaftlich dauerhaft profitable Lösungen zu verwirklichen. Mit Blick auf die Prioritäten bedeutet dies: Produktqualität muss über Produktionsvolumen gehen – und die Margen sollten stets mit hinreichend Puffer für wirtschaftlich schwierige Zeiten kalkuliert sein. Einen Vorteil haben japanische Versicherer: Sie erzielen sehr hohe Margen mit biometrischen Produkten, da die Rechnungsgrundlagen für diese auf Tafeln aus dem vorigen Jahrhundert basieren. Zudem gibt es in diesem Segment keinen wirklichen Preiswettbewerb. Die Erträge aus der Biometrie verwenden die Versicherer auch dazu, Garantieversprechen aus den Sparprodukten zu erfüllen. Neue Strukturen und optimiertes Risikomanagement Neu aufgestellt haben sich die Lebensversicherer zudem im Risikomanagement und in der finanziellen Unternehmenssteuerung. Die Dauer der Vermögensanlage wurde ver längert, Kapitalanlagen wurden vermehrt im Ausland platziert, interne Governance-Strukturen aufgebaut und konsequent Zusatz reserven gebildet. Im Vertrieb und in der Verwaltung hat sich ebenfalls vieles verändert: So wurden etwa die Außendienste deutlich geschrumpft und zugleich professionalisiert. Hinzu kommen neue Vertriebswege – zum Beispiel Patrick Sallin Representative for Japan Munich Re Japan Life Branch