DAS KAFFEEHAUS - henschel SCHAUSPIEL Theaterverlag Berlin
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DAS KAFFEEHAUS - henschel SCHAUSPIEL Theaterverlag Berlin
Carlo Goldoni DAS KAFFEEHAUS (Originaltitel: „La bottega del Caffè“) Komödie Aus dem Italienischen von Birgid Meißel 1 Komödie in 3 Akten und in Prosa, zum ersten Mal im Frühjahr 1750 in Mantua aufgeführt. © henschel SCHAUSPIEL Theaterverlag Berlin GmbH 2005 Als unverkäufliches Manuskript vervielfältigt. Alle Rechte am Text, auch einzelner Abschnitte, vorbehalten, insbesondere die der Aufführung durch Berufs- und Laienbühnen, des öffentlichen Vortrags, der Buchpublikation und Übersetzung, der Übertragung, Verfilmung oder Aufzeichnung durch Rundfunk, Fernsehen oder andere audiovisuelle Medien. Das Vervielfältigen, Ausschreiben der Rollen sowie die Weitergabe der Bücher ist untersagt. Eine Verletzung dieser Verpflichtungen verstößt gegen das Urheberrecht und zieht zivil- und strafrechtliche Folgen nach sich. Die Werknutzungsrechte können vertraglich erworben werden von: henschel SCHAUSPIEL Marienburger Straße 28 10405 Berlin Wird das Stück nicht zur Aufführung oder Sendung angenommen, so ist dieses Ansichtsexemplar unverzüglich an den Verlag zurückzusenden. F1 2 PERSONEN Ridolfo Besitzer des Kaffeehauses Don Marzio neapolitanischer Adliger Eugenio Kaufmann Flaminio unter dem falschen Namen Conte Leandro Placida Ehefrau von Flaminio, als Pilgerin verkleidet Vittoria Ehefrau von Eugenio Lisaura Tänzerin Pandolfo Besitzer des Spielkasinos Trappola Gehilfe von Ridolfo Ein Barbiergehilfe, ein anderer Gehilfe vom Kaffeehaus, ein Kellner vom Gasthof, ein Polizeihauptmann, Polizisten und weitere Kellner und Gehilfen. ORT Ein kleiner Platz in Venedig mit drei Ladengeschäften. In der Mitte der Häuserfront das Kaffeehaus, rechts ein Barbier- und Friseurladen, links ein Laden, der als Spielkasino benutzt wird. Über den Läden gibt es kleine, zum Spielkasino gehörende, bespielbare Zimmer, mit Fenstern zur Straße hin. Auf der Seite des Barbierladens – getrennt durch eine Straße – liegt das Haus der Tänzerin, und außen neben dem Spielkasino liegt der Gasthof mit bespielbaren Türen und Fenstern. 3 ERSTER AKT 1. Szene Ridolfo, Trappola und andere Gehilfen. Ridolfo Ich sags euch, Jungs, führt euch gut auf; bedient die Kundschaft flink und auf der Stelle, höflich, kultiviert, denn eine gute Bedienung macht oft das ganze Kaffeehaus. Trappola Lieber Signor Padrone, wenn ich die Wahrheit sagen soll, für diese Frühaufsteherei ist mein Körper nicht gemacht. Ridolfo Nichts da, man muß früh aufstehen, man muß alle bedienen. Frühmorgens kommen die Reisenden, die Arbeiter, die Gondoliere, die Schiffer, alle Leute, die sehr früh aufstehen. Trappola Zum Totlachen ist das, sogar die Gepäckträger kommen Kaffee trinken. Ridolfo Einer machts dem andern nach. Früher war Branntwein modern, heute ist es Kaffee. Trappola Die Signora da, wo ich alle Morgen den Kaffee hinbringe, bittet mich fast immer, ihr für paar lumpige Kupferlinge Brennholz zu kaufen, aber ihren Kaffee will sie trinken. Ridolfo Die Kehle ist ein Laster, das niemals schwindet, es nimmt sogar noch zu, je mehr der Mensch in die Jahre kommt. Trappola Keiner im Laden zu sehn, man hätte noch ein Stündchen schlafen können. Ridolfo Gleich kommen Leute, so früh ist es nicht mehr. Seht ihr nicht? Der Barbier hat geöffnet, er macht Perücken drinnen im Laden. Schau mal, auch das Spielkasino ist offen. Trappola Ach, die Spielbude da ist doch immer auf. Die haben die Nacht durchgemacht. Ridolfo Gut. Das hat Messer Pandolfo bestimmt ganz schön was eingebracht. Trappola Dieser Hund macht an allem seinen Schnitt, am Kartenspiel, am Wucherzins, der steckt mit den Falschspielern unter einer Decke. Wer in die Bude geht, dessen Geld landet in seinem Beutel. 5 Ridolfo Trachtet niemals nach solchem Gewinn; denn unrecht Gut gedeiht nicht. Trappola Der arme Signor Eugenio! Den hat er aufn Hund gebracht. Ridolfo Seht, wie unvernünftig! Er hat eine Ehefrau, eine liebenswürdige, fleißige junge Frau, und er läuft allen Weibern hinterher, und dann spielt er noch wie ein Besessener. Trappola Das sind die kleinen Ludereien der Jugend von heute. Ridolfo Er spielt mit diesem Conte Leandro, da hat er sicher alles verloren. Trappola Oh, der Signor Conte ist ein ganz schöner Galgenvogel! Ridolfo Oh, los, geht Kaffee rösten, damit wir eine frische Kanne Kaffee brühen können. Trappola Soll ich den Kaffeesatz von gestern abend reinkippen? Ridolfo Nein, mach den Kaffee gut. Trappola Lieber Signor Padrone, mein Kopf ist wie ein Sieb. Wann haben Sie das Café eröffnet? Ridolfo Das weißt du doch. Ungefähr vor acht Monaten. Trappola Dann ist es Zeit, andre Saiten aufzuziehen. Ridolfo Was soll das heißen? Trappola Wenn man einen Laden eröffnet, macht man den Kaffee gut. Spätestens sechs Monate danach, heißes Wasser und gepantschte Brühe. (Ab.) Ridolfo Der hat Witz! Ich hoffe, der ist für meinen Laden gut, denn wo einer den Narren macht, da laufen alle hin. 6 2. Szene Ridolfo und Messer Pandolfo, der sich vor Müdigkeit die Augen reibt, aus dem Spielkasino. Ridolfo Messer Pandolfo, möchten Sie Kaffee? Pandolfo Ja, seien Sie so gut. Ridolfo Jungs, bringt Messer Pandolfo Kaffee. Setzen Sie sich, nehmen Sie Platz. Pandolfo Nein, nein, ich muß ihn gleich austrinken und wieder an die Arbeit gehen. (Ein Gehilfe bringt Pandolfo Kaffee.) Ridolfo Wird drinnen noch gespielt? Pandolfo Man arbeitet an zwei Tischen. Ridolfo So früh schon? Pandolfo Sie spielen seit gestern. Ridolfo Was für ein Spiel? Pandolfo Ein harmloses Spiel: Pharao. Ridolfo Wie steht es? Pandolfo Für mich gut. Ridolfo Haben Sie sich auch beim Spiel vergnügt? Pandolfo Ja, auch ich habe ein bißchen die Karten abgehoben. Ridolfo Entschuldigen Sie, mein Freund, ich hab mich nicht in Ihr Gewerbe einzumischen, doch es ist nicht gut, wenn der Besitzer eines Spielkasinos selber spielt. Verliert er, lacht man ihn aus, gewinnt er, wird man ihn verdächtigen. Pandolfo Mir genügt es, daß man mich nicht auslachen kann. Im übrigen soll man mich verdächtigen, soviel man will, das ist mir gleich. 7 Ridolfo Lieber Freund, wir sind Nachbarn, ich möchte nicht, daß Ihnen ein Unglück widerfährt. Sie waren wegen Ihrer Spielerei schon einmal im Gefängnis. Pandolfo Ich bin mit wenigem zufrieden. Zwei Zecchinen habe ich gewonnen, mehr wollte ich nicht. Ridolfo Bravo! Das heißt die Wachtel rupfen, ohne daß sie schreit. Wem haben Sie das Geld abgewonnen? Pandolfo Dem Gehilfen eines Goldschmieds. Ridolfo Schlimm, sehr schlimm: So verführt man Jugendliche, ihre Herren zu bestehlen. Pandolfo Ach, lassen Sie das Moralisieren. Dummköpfe sollen zu Hause bleiben. Ich halte das Spielkasino für den, der spielen will. Ridolfo Ein Spielkasino zu halten, eracht ich für das kleinere Übel, doch Sie sind als Falschspieler verdächtig, und bei solchen Dingen stürzt man schnell in den Abgrund. Pandolfo Ich mache keine Gaunereien. Ich kann spielen und ich habe Glück, deshalb gewinne ich. Ridolfo Bravo, Sie schlagen sich so durch. Hat Signor Eugenio heute nacht gespielt? Pandolfo Er spielt noch. Er hat nicht zu abend gegessen, er hat nicht geschlafen, und er hat das ganze Geld verloren. Ridolfo (Für sich.) (Armer Junge!) Wieviel wird er verloren haben? Pandolfo Hundert Zecchinen bares Geld, und nun verliert er auf Ehrenwort. Ridolfo Mit wem spielt er? Pandolfo Mit dem Signor Conte. Ridolfo Mit dem? Pandolfo Mit dem. Ridolfo Und mit wem noch? 8 Pandolfo Die beiden allein: unter vier Augen. Ridolfo Armer Teufel! Da gehts ihm schlecht! Pandolfo Was geht mich das an? Mir reicht es, wenn sie nur die Karten tüchtig mischen. Ridolfo Ich könnt kein Spielkasino halten, und würd ich davon noch so reich. Pandolfo Nein? Aus welchem Grund? Ridolfo Ich denk, ein Ehrenmann darf nicht dulden, daß Menschen vor seinen Augen zugrunde gerichtet werden. Pandolfo Ach, mein Freund, wenn Sie so zart besaitet sind, machen Sie kein großes Geld. Ridolfo Daran liegt mir nichts. Bis jetzt stand ich selbst in Lohn und Brot, und ich tat redlich meine Pflicht. Ich hab mir ein paar Soldi zusammengespart, und mit Hilfe meines ehemaligen Padrone, dem Vater, wie Sie wissen, von Signor Eugenio, hab ich das Café hier eröffnet, und damit will ich redlich leben, ich will meinen Berufsstand nicht entehren. Pandolfo Oh! Auch in Ihrem Berufsstand gibt es ganz schöne Gauner! Ridolfo Die gibt es in allen Berufen. Aber solche Leute haben in meinem Leben nichts zu suchen. Pandolfo Auch Sie haben verschwiegene Zimmerchen. Ridolfo Das ist wahr, doch die Tür bleibt offen. Pandolfo Den Kaffee können Sie niemandem verweigern. Ridolfo Die Tassen werden dadurch nicht entehrt. Pandolfo Aha! Man drückt ein Auge zu. Ridolfo Nichts drückt man zu; in den Laden hier kommen nur ehrliche Leute. Pandolfo Ja, ja, Sie sind eben ein Anfänger. Ridolfo Was wollen Sie damit sagen? 9