DAS KAFFEEHAUS - henschel SCHAUSPIEL Theaterverlag Berlin

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DAS KAFFEEHAUS - henschel SCHAUSPIEL Theaterverlag Berlin
Carlo Goldoni
DAS KAFFEEHAUS
(Originaltitel: „La bottega del Caffè“)
Komödie
Aus dem Italienischen von Birgid Meißel
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Komödie in 3 Akten und in Prosa, zum ersten Mal im Frühjahr 1750 in Mantua aufgeführt.
© henschel SCHAUSPIEL Theaterverlag Berlin GmbH 2005
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F1
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PERSONEN
Ridolfo
Besitzer des Kaffeehauses
Don Marzio
neapolitanischer Adliger
Eugenio
Kaufmann
Flaminio
unter dem falschen Namen Conte Leandro
Placida
Ehefrau von Flaminio, als Pilgerin verkleidet
Vittoria
Ehefrau von Eugenio
Lisaura
Tänzerin
Pandolfo
Besitzer des Spielkasinos
Trappola
Gehilfe von Ridolfo
Ein Barbiergehilfe, ein anderer Gehilfe vom Kaffeehaus, ein Kellner vom Gasthof, ein
Polizeihauptmann, Polizisten und weitere Kellner und Gehilfen.
ORT
Ein kleiner Platz in Venedig mit drei Ladengeschäften. In der Mitte der Häuserfront das
Kaffeehaus, rechts ein Barbier- und Friseurladen, links ein Laden, der als Spielkasino
benutzt wird. Über den Läden gibt es kleine, zum Spielkasino gehörende, bespielbare
Zimmer, mit Fenstern zur Straße hin. Auf der Seite des Barbierladens – getrennt durch
eine Straße – liegt das Haus der Tänzerin, und außen neben dem Spielkasino liegt der
Gasthof mit bespielbaren Türen und Fenstern.
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ERSTER AKT
1. Szene
Ridolfo, Trappola und andere Gehilfen.
Ridolfo
Ich sags euch, Jungs, führt euch gut auf; bedient die Kundschaft flink und auf der Stelle, höflich, kultiviert, denn eine
gute Bedienung macht oft das ganze Kaffeehaus.
Trappola
Lieber Signor Padrone, wenn ich die Wahrheit sagen soll, für
diese Frühaufsteherei ist mein Körper nicht gemacht.
Ridolfo
Nichts da, man muß früh aufstehen, man muß alle bedienen. Frühmorgens kommen die Reisenden, die Arbeiter, die
Gondoliere, die Schiffer, alle Leute, die sehr früh aufstehen.
Trappola
Zum Totlachen ist das, sogar die Gepäckträger kommen
Kaffee trinken.
Ridolfo
Einer machts dem andern nach. Früher war Branntwein
modern, heute ist es Kaffee.
Trappola
Die Signora da, wo ich alle Morgen den Kaffee hinbringe,
bittet mich fast immer, ihr für paar lumpige Kupferlinge
Brennholz zu kaufen, aber ihren Kaffee will sie trinken.
Ridolfo
Die Kehle ist ein Laster, das niemals schwindet, es nimmt
sogar noch zu, je mehr der Mensch in die Jahre kommt.
Trappola
Keiner im Laden zu sehn, man hätte noch ein Stündchen
schlafen können.
Ridolfo
Gleich kommen Leute, so früh ist es nicht mehr. Seht ihr
nicht? Der Barbier hat geöffnet, er macht Perücken drinnen
im Laden. Schau mal, auch das Spielkasino ist offen.
Trappola
Ach, die Spielbude da ist doch immer auf. Die haben die
Nacht durchgemacht.
Ridolfo
Gut. Das hat Messer Pandolfo bestimmt ganz schön was
eingebracht.
Trappola
Dieser Hund macht an allem seinen Schnitt, am Kartenspiel,
am Wucherzins, der steckt mit den Falschspielern unter
einer Decke. Wer in die Bude geht, dessen Geld landet in
seinem Beutel.
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Ridolfo
Trachtet niemals nach solchem Gewinn; denn unrecht Gut
gedeiht nicht.
Trappola
Der arme Signor Eugenio! Den hat er aufn Hund gebracht.
Ridolfo
Seht, wie unvernünftig! Er hat eine Ehefrau, eine liebenswürdige, fleißige junge Frau, und er läuft allen Weibern
hinterher, und dann spielt er noch wie ein Besessener.
Trappola
Das sind die kleinen Ludereien der Jugend von heute.
Ridolfo
Er spielt mit diesem Conte Leandro, da hat er sicher alles
verloren.
Trappola
Oh, der Signor Conte ist ein ganz schöner Galgenvogel!
Ridolfo
Oh, los, geht Kaffee rösten, damit wir eine frische Kanne
Kaffee brühen können.
Trappola
Soll ich den Kaffeesatz von gestern abend reinkippen?
Ridolfo
Nein, mach den Kaffee gut.
Trappola
Lieber Signor Padrone, mein Kopf ist wie ein Sieb. Wann
haben Sie das Café eröffnet?
Ridolfo
Das weißt du doch. Ungefähr vor acht Monaten.
Trappola
Dann ist es Zeit, andre Saiten aufzuziehen.
Ridolfo
Was soll das heißen?
Trappola
Wenn man einen Laden eröffnet, macht man den Kaffee
gut. Spätestens sechs Monate danach, heißes Wasser und
gepantschte Brühe. (Ab.)
Ridolfo
Der hat Witz! Ich hoffe, der ist für meinen Laden gut, denn
wo einer den Narren macht, da laufen alle hin.
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2. Szene
Ridolfo und Messer Pandolfo, der sich vor Müdigkeit die Augen reibt, aus dem Spielkasino.
Ridolfo
Messer Pandolfo, möchten Sie Kaffee?
Pandolfo
Ja, seien Sie so gut.
Ridolfo
Jungs, bringt Messer Pandolfo Kaffee. Setzen Sie sich,
nehmen Sie Platz.
Pandolfo
Nein, nein, ich muß ihn gleich austrinken und wieder an die
Arbeit gehen.
(Ein Gehilfe bringt Pandolfo Kaffee.)
Ridolfo
Wird drinnen noch gespielt?
Pandolfo
Man arbeitet an zwei Tischen.
Ridolfo
So früh schon?
Pandolfo
Sie spielen seit gestern.
Ridolfo
Was für ein Spiel?
Pandolfo
Ein harmloses Spiel: Pharao.
Ridolfo
Wie steht es?
Pandolfo
Für mich gut.
Ridolfo
Haben Sie sich auch beim Spiel vergnügt?
Pandolfo
Ja, auch ich habe ein bißchen die Karten abgehoben.
Ridolfo
Entschuldigen Sie, mein Freund, ich hab mich nicht in
Ihr Gewerbe einzumischen, doch es ist nicht gut, wenn
der Besitzer eines Spielkasinos selber spielt. Verliert er,
lacht man ihn aus, gewinnt er, wird man ihn verdächtigen.
Pandolfo
Mir genügt es, daß man mich nicht auslachen kann. Im
übrigen soll man mich verdächtigen, soviel man will, das
ist mir gleich.
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Ridolfo
Lieber Freund, wir sind Nachbarn, ich möchte nicht, daß
Ihnen ein Unglück widerfährt. Sie waren wegen Ihrer
Spielerei schon einmal im Gefängnis.
Pandolfo
Ich bin mit wenigem zufrieden. Zwei Zecchinen habe ich
gewonnen, mehr wollte ich nicht.
Ridolfo
Bravo! Das heißt die Wachtel rupfen, ohne daß sie schreit.
Wem haben Sie das Geld abgewonnen?
Pandolfo
Dem Gehilfen eines Goldschmieds.
Ridolfo
Schlimm, sehr schlimm: So verführt man Jugendliche, ihre
Herren zu bestehlen.
Pandolfo
Ach, lassen Sie das Moralisieren. Dummköpfe sollen zu
Hause bleiben. Ich halte das Spielkasino für den, der
spielen will.
Ridolfo
Ein Spielkasino zu halten, eracht ich für das kleinere Übel,
doch Sie sind als Falschspieler verdächtig, und bei solchen
Dingen stürzt man schnell in den Abgrund.
Pandolfo
Ich mache keine Gaunereien. Ich kann spielen und ich
habe Glück, deshalb gewinne ich.
Ridolfo
Bravo, Sie schlagen sich so durch. Hat Signor Eugenio
heute nacht gespielt?
Pandolfo
Er spielt noch. Er hat nicht zu abend gegessen, er hat nicht
geschlafen, und er hat das ganze Geld verloren.
Ridolfo
(Für sich.) (Armer Junge!) Wieviel wird er verloren haben?
Pandolfo
Hundert Zecchinen bares Geld, und nun verliert er auf
Ehrenwort.
Ridolfo
Mit wem spielt er?
Pandolfo
Mit dem Signor Conte.
Ridolfo
Mit dem?
Pandolfo
Mit dem.
Ridolfo
Und mit wem noch?
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Pandolfo
Die beiden allein: unter vier Augen.
Ridolfo
Armer Teufel! Da gehts ihm schlecht!
Pandolfo
Was geht mich das an? Mir reicht es, wenn sie nur die
Karten tüchtig mischen.
Ridolfo
Ich könnt kein Spielkasino halten, und würd ich davon noch
so reich.
Pandolfo
Nein? Aus welchem Grund?
Ridolfo
Ich denk, ein Ehrenmann darf nicht dulden, daß Menschen
vor seinen Augen zugrunde gerichtet werden.
Pandolfo
Ach, mein Freund, wenn Sie so zart besaitet sind, machen
Sie kein großes Geld.
Ridolfo
Daran liegt mir nichts. Bis jetzt stand ich selbst in Lohn
und Brot, und ich tat redlich meine Pflicht. Ich hab mir
ein paar Soldi zusammengespart, und mit Hilfe meines
ehemaligen Padrone, dem Vater, wie Sie wissen, von Signor
Eugenio, hab ich das Café hier eröffnet, und damit will ich
redlich leben, ich will meinen Berufsstand nicht entehren.
Pandolfo
Oh! Auch in Ihrem Berufsstand gibt es ganz schöne Gauner!
Ridolfo
Die gibt es in allen Berufen. Aber solche Leute haben in
meinem Leben nichts zu suchen.
Pandolfo
Auch Sie haben verschwiegene Zimmerchen.
Ridolfo
Das ist wahr, doch die Tür bleibt offen.
Pandolfo
Den Kaffee können Sie niemandem verweigern.
Ridolfo
Die Tassen werden dadurch nicht entehrt.
Pandolfo
Aha! Man drückt ein Auge zu.
Ridolfo
Nichts drückt man zu; in den Laden hier kommen nur
ehrliche Leute.
Pandolfo
Ja, ja, Sie sind eben ein Anfänger.
Ridolfo
Was wollen Sie damit sagen?
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