Projektflyer - Gesundheitsforschung
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Projektflyer - Gesundheitsforschung
Hintergrund Projektziel Angehörige alkoholkranker Menschen leiden häufig unter stressbedingten Erkrankungen und werden vom Suchthilfesektor bislang nur unzureichend erreicht. Weiterhin erreicht das in Deutschland gut ausgebaute Suchthilfesystem nur eine Minderheit der Suchtkranken. Vielfach sind auch die Angehörigen durch die Abhängigkeitserkrankung beeinflusst und eingeschränkt. Das “Community Reinforcement And Family Training“ (CRAFT), ein angehörigenbasierter Interventionsansatz, wurde in US-amerikanischen Studien als wirksam evaluiert. Die hier vorgestellte Studie überprüfte erstmalig für Deutschland, ob eine adaptierte Form dieser Intervention durch Nutzung des Leidensdruckes von Angehörigen die Inanspruchnahme suchtspezifischer Hilfen von bisher behandlungsunwilligen Alkoholabhängigen (Indexpatienten = IPs) erhöht. Zusätzlich wurden direkte Auswirkungen der Teilnahme an den Schulungen auf die Lebensqualität und psychische Gesundheit der Angehörigen untersucht. Die Wirksamkeit einer CRAFT-Behandlung wurde mittels einer randomisierten Wartelisten-Kontrollgruppenstudie mit drei Follow-up-Erhebungszeitpunkten (3, 6, 12 Monate) durchgeführt. Die Wartegruppe konnte nach drei Monaten ebenfalls an der CRAFT-Schulung teilnehmen. Erwartet wurde eine höhere Inanspruchnahme bei der sofortigen Interventionsgruppe (IG) gegenüber der Wartegruppe (WG) nach drei Monaten und eine Angleichung der Inanspruchnahmeraten zum 6- und 12-Monats-Follow-up. Die Behandlung der Angehörigen bestand aus 12 wöchentlichen Einzelsitzungen nach dem CRAFT-Ansatz. Dieser zielt darauf ab, die Attraktivität von Abstinenz gegenüber Konsumverhalten zu erhöhen und die Suchtkranken zur Aufnahme einer Behandlung zu motivieren. Dabei finden u. a. Motivierungsstrategien für die teilnehmenden Angehörigen, Aufbau kommunikativer Kompetenzen, positive Verstärkung von funktionalen Verhaltensweisen und Abgrenzungsstrategien bei Konsum Anwendung. Wichtigste Ergebnisse Insgesamt nahmen N=89 Personen an der Studie teil. Nach 3 Monaten war die Inanspruchnahmerate suchtspezifischer Hilfen unter den IPs der Angehörigen aus der IG (38,5%) im Vergleich zur unbehandelten WG (13,5%) signifikant (p=0.016) höher und die geschätzte konsumierte Alkoholmenge der dieser Patienten signifikant niedriger (p=0.038). Weiterhin ergaben sich Verbesserungen der seelischen Gesundheit in unmittelbarem Zusammenhang mit der Teilnahme an der Intervention. Wie erwartet näherten sich im Zeitraum zwischen 3- und 6-Monats-Nachuntersuchung die Inanspruchnahmeraten beider Gruppen an, so dass nach 6 Monaten kein signifikanter Unterschied mehr vorlag (IG: 48,1%; WG: 40,5%; p=0.552). Gleiches galt für die geschätzten AUDIT-C-Summenwerte (p=0.388), der eine Aussage über die aktuelle Trinkmenge liefert. Zur 12-Monatskatamnese fanden sich ebenfalls keine Unterschiede zwischen den Gruppen, die Inanspruchnahme suchtspezifischer Hilfen betrug über beide Gruppen hinweg 49.4%. Anwendungsmöglichkeiten und Transferpotential Die Ergebnisse betreffen sowohl Öffentlichkeitsarbeit, Bibliotherapie, Selbsthilfe und professionelle Hilfeangebote. Die Daten zeigen, dass Angehörige den Verlauf von Suchterkrankungen mittels Coaching positiv beeinflussen und parallel ihre eigene psychosoziale Belastung reduzieren können. Öffentlichkeitsarbeit und Bibliotherapie sollten dies entsprechend hervorheben. Elemente des CRAFTAnsatzes werden derzeit im Rahmen der „Familienclubs“ der Guttempler in die Selbsthilfe integriert. CRAFT ist zum derzeitigen Zeitpunkt die einzige in Deutschland evaluierte Form der Angehörigenarbeit bei substanzbezogenen Störungen. Prinzipiell erscheint der Ansatz auch bei anderen das soziale Umfeld beeinträchtigenden Störungsbildern einsetzbar. Vorhandene Angebote für Angehörige sollten auf eine evidenzbasierte Grundlage gestellt werden (z.B. durch Vermittlung entsprechender Kernkompetenzen an die in der Angehörigenarbeit Tätigen). Die Durchführung von CRAFT kann prinzipiell im Rahmen unterschiedlicher ambulanter Settings erfolgen, wobei Einrichtungen der Suchthilfe durch eine schnelle Aufnahme bzw. Beratung der Indexpatienten wertvolle Synergieeffekte ermöglichen. Entsprechende Vergütungsmodelle sind für eine weitergehende Implementierung des Ansatzes unabdingbar. Ansprechpartner: Gefördert durch: Projektleitung: Dr. Gallus Bischof Universität zu Lübeck Zentrum für Integrative Psychiatrie (ZIP) Ratzeburger Allee 160 23538 Lübeck Tel.: 0451-5004860 Fax: 0451-5003480 E-Mail: [email protected] Psychosoziale Intervention bei Angehörigen von Personen mit chronischer Alkoholabhängigkeit Kooperationspartner: Evangelische Suchtberatungsstelle Rostock Dalwitzhofer Weg 1 18055 Rostock Guttempler in Deutschland Adenauerallee 45 20097 Hamburg AHG Klinik Lübeck Weidenweg 9-15 23562 Lübeck Internet-Adressen: www.psychiatry.uni-luebeck.de/Forschung.html Für die Förderer: Dr. Annika Putz Dr. Karin Richter Projektträger im DLR - Gesundheitsforschung Heinrich-Konen-Str. 1 53227 Bonn Tel.: +49 (0)228 3821 - 1725 Tel.: +49 (0)228 3821 - 1261 E-Mail: [email protected] www.forschung-patientenorientierung.de Förderschwerpunkt: „Versorgungsnahe Forschung Chronische Krankheiten und Patientenorientierung“