Digitale Luftbildkamera (Leseprobe) - VDE

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Digitale Luftbildkamera (Leseprobe) - VDE
1.1 Von der analogen zur digitalen Luftbildkamera
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Analoge Luftbildtechnik und Photogrammetrie wurden also über viele Jahrzehnte entwickelt und haben derzeit einen sehr hohen Stand erreicht. Davon zeugen die großformatigen
Reihenmesskammern, Auswertestationen und Fotoscanner, die in der Literatur ausgiebig
beschrieben sind und hier als bekannt vorausgesetzt werden. Genannt seien hier nur die
leistungsfähigsten Vertreter der analogen Luftbildkameras wie RC30 von Leica und RMKTOP von Carl Zeiss. Wir befinden uns heutzutage in der Zeit der digitalen Kartenerstellung
und der Einbindung der digitalen Kartendaten in digitale Datenbanken, wo sie integriert
werden können in Datensätze von anderen Quellen und anderen Fernerkundungssensoren,
um neue Aufgaben zu lösen und neue Produkte zu generieren.
Mit dem Beginn des Satellitenzeitalters wurde dann bald versucht, auf den Film zu verzichten. Die Rückkehrproblematik erforderte doch recht hohe Aufwendungen. So wurden digitale Scanner entwickelt, die es gestatteten, die Bildsignale direkt und digital vom Satelliten
zum Boden zu übertragen. Von Einzeldetektor-Whiskbroom-Scannern (z. B. Landsat-1)
ausgehend erfolgte eine rasche Entwicklung, die über Mehrelemente-Whiskbroom-Scanner
zu den Pushbroom-Scannern und Matrixsystemen führte, die auch heute weltweit für Photogrammetrie und Fernerkundung aus dem Erdorbit eingesetzt werden. Sie erlauben Multispektral- und Stereoaufnahmen mit hoher geometrischer und radiometrischer Auflösung.
ERTS (Earth Resource Technology Satellite) war der erste zivile Erdsatellit, der 1972 für
die bildhafte Erfassung der Erdoberfläche gestartet wurde. Er wurde später in Landsat-1
umbenannt. Sein Sensorsystem MMS (Multi-spectral Scanner System) war ein Einzeldetektor-Whiskbroom-Scanner. Die ersten CCD-Zeilen wurden im Jahre 1980 auf METEORPRIRODA-5 eingesetzt. Das Sensorsystem MSU-E (Multispectral Scanning Unit-Electronic) arbeitete im Pushbroom-Modus. SPOT-1 realisierte 1986 erstmals Stereoaufnahmen
über das „Off-track Imaging“. Der Einzeilen-Pushbroom-Scanner HRV erzeugte zu diesem
Zweck zwei Bildstreifen aus zwei unterschiedlichen Orbits, in denen er jeweils auf das zu
erfassende Gebiet ausgerichtet wurde. MOMS-02 war dann das erste Sensorsystem, das die
Dreizeilen-Stereomethode verwendete (In-Track-Stereo), die von Otto Hofmann im Jahre
1979 zum Patent angemeldet wurde [Hofmann 1982]. MOMS-02 wurde 1993 auf der
Spaceshuttle-Mission STS 55 eingesetzt und im Jahre 1996 in das PRIRODA-Modul der
MIR-Station installiert. MOMS-02 benutzte für die drei Stereokanäle drei Objektive. Der
erste Weltraumeinsatz eines Dreizeilen-Stereosystems, das die drei Stereozeilen auf einer
Fokalplatte hinter einem einzigen Weitwinkelobjektiv einsetzte, erfolgte mit BIRD (BiSpectral Infrared Detection) im Jahre 2001 [Brieß 2002]. WAOSS-B (Wide-Angle Optoelectronic Stereo Scanner-BIRD) ist eine modifizierte Variante von WAOSS, einem Sensorsystem, das auf der allerdings gescheiterten russischen Mission Mars 96 die Dynamik in
der Atmosphäre und an der Oberfläche des Planeten Mars großflächig beobachten sollte
[Sandau 1989].
Die meisten der für den Satelliteneinsatz entwickelten Sensorsysteme hatten ein Pendant für
den Flugzeugeinsatz (z. B. Sandau & Eckardt [1996]), sei es zu Testzwecken oder zu wissenschaftlichen oder/und kommerziellen Anwendungen. Beispiele deutscher Sensorsysteme
sind:
•
MEOSS: die Satellitenversion wurde auch auf dem Flugzeug eingesetzt
•
MOMS-02: DPA (Digital Photogrammetry Assembly) als Flugzeugversion
•
WAOSS: WAAC (Wide-Angle Airborne Camera) als Flugzeugversion
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1 Einleitung
•
HRSC: HRSC-A und HRSC-AX als Flugzeugversionen (HRSC (High-Resolution
Stereo Scanner) war die zweite deutsche Stereokamera für die missglückte Mission
Mars 96; sie ist nun ein Teil der 2003 gestarteten ESA-Mission Mars Express)
Diese Methoden- und Sensorentwicklung ging einher mit dem schon erwähnten zunehmenden Einsatz von Luftbilddaten zur digitalen Kartenerstellung. Die Informationen mussten
und müssen über Fotoscanner digitalisiert und in die Datenbanken eingespeist werden.
Durch die genannten Weltraumsensorentwicklungen und Weiterentwicklungen auf vielen
Technologiegebieten wurde der schon lange gehegte Wunsch, die benötigten digitalen
Luftbilddaten ohne den Umweg über den Fotofilm direkt zu erzeugen, auch unter ökonomischen Gesichtspunkten realisierbar. Die Entwicklungen auf vielen technologischen Gebieten wie Optik, Mechanik und Werkstoffe, Mikroelektronik und Mikromechanik, Detektortechnologien, Computertechnologien und Signalverarbeitung, Kommunikation und Navigation bewirkten und bewirken , dass nun auch kostengünstige Lösungen für digitale Luftbildkameras angedacht werden können, die sich für den Flugzeugeinsatz eignen und für den
Luftbildmarkt attraktiv sind.
Es wurde natürlich der Ansatz verfolgt, den Film durch geeignete Matrizen oder Matrixanordnungen zu ersetzen. Aber auch der Ansatz, Detektorzeilen einzusetzen, wurde methodisch und technologisch aufgegriffen. Die ersten Ideen dazu wurden in einer Dissertation
an der University of New Brunswick aufgezeigt [Derenyi 1970]. Otto Hofmann entwickelte
und patentierte unabhängig davon das Dreizeilenkonzept [Hofmann 1982, 1986]. Dieses
Dreizeilenkonzept wurde bereits in Weltraumkameras (z. B. MOMS-02, WAOSS) und
experimentellen Flugzeugkameras (z. B. MEOSS, DPA, WAAC, HRSC) eingesetzt.
Die ersten kommerziell erhältlichen, digitalen Luftbildsysteme ADS40 von LH Systems,
jetzt Leica Geosystems, und DMC von ZI Imaging wurden dann im Jahre 2000 auf dem
ISPRS-Kongress in Amsterdam in den Markt eingeführt. Weitere folgten und folgen. Im
Kapitel 1.4 sind gegenwärtig kommerziell erhältliche Systeme aufgeführt.
Erschwingliche digitale Luftbildkameras, die gleich die benötigten Daten in digitaler Form
bieten, sind nur ein guter Grund, auf digitale Systeme umzusteigen. Es gibt weitere ökonomische Gründe, wie sie auch an der Darstellung in Abbildung 1.1-3 deutlich werden:
Die direkte digitale Verarbeitungskette vermeidet die Prozesse der Filmentwicklung und
der Filmabtastung, um die Filminformationen zu digitalisieren. Fehlerquellen werden ausgeschaltet und die mit der Filmentwicklung und der Filmabtastung verbundenen Investitions- und Personalkosten werden vermieden.
Bei entsprechender Auslegung des digitalen Luftbildsystems können die Stereoinformationen, die RGB-Daten und die IR-Daten in einem Bildflug simultan erzeugt werden. Mit
analogen Luftbildkameras muss im Bedarfsfall mit den unterschiedlichen Filmen (B&W,
Color, FCIR) mehrfach das Gebiet beflogen werden.
Die thematische Interpretation der Luftbilddaten kann stark verbessert werden, weil die für
bestimmte Anwendungsgebiete erforderlichen Filterkennwerte beim Entwurf des Sensorsystems Berücksichtigung finden können.
Die beiden letztgenannten Punkte der Aufzählung führen dazu, dass Photogrammetrie und
Fernerkundung sich immer weiter annähern können und werden. Für die fernerkundliche,
d. h. thematische Interpretation der Daten sind die topographischen Informationen (das
1.1 Von der analogen zur digitalen Luftbildkamera
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digitale Geländemodell) oft unverzichtbar; für Photogrammetrieanwendungen, z. B. in der
Kartographie, ist oft die Farbinformation unverzichtbar. Mit der Substitution von Filmentwicklung und Filmabtastung durch eine Daten-Vorverarbeitung können die Schnittstellen
für die Datenübergabe von der Befliegungsfirma an den weiterverarbeitenden oder die
Daten nutzenden Kunden sehr verschieden gelegt werden (siehe Kapitel 6). Die Zukunft
wird zeigen, bis zu welchem Verarbeitungsniveau die Befliegungsfirmen gehen wollen oder
auch können.
Filmbasiertes System
(z. B. RC30)
Film
Filmentwicklung
Dunkelkammer
Schwarz/
Weiß
DTM
Stereo
plotter
Farbe
Orthophotos
Karten
Digitalisierung
B&W
Color
verschiedene Filme
alternativ eingesetzt
FCIR
Digitales System
(z. B. ADS40)
Falschfarbe
Revision
Visualisierung
GIS
Archivsystem
Bildanalyse
Massenspeicher
Digitale
Vorverarbeitung
KlassifiKation
Digitale
Verarbeitung
B&W
n spektrale Kanäle des ADS
simultane Aufnahmen in einem Bildflug
Color
MS
Drucker
Abb. 1.1-3: Vergleich der Verarbeitungsketten für analoge und digitale Luftbildkameras
Die Anwendungen in verschiedenen Gebieten der Fernerkundung werden durch einen weiteren Sachverhalt unterstützt bzw. erst ermöglicht. Wie aus Abbildung 1.1-4 ersichtlich,
zeichnet der Film die Strahlung mit einer s-förmigen logarithmischen Kennlinie auf. Diese
so genannte D-log-E-Kurve zeigt die Relation zwischen der relativen Beleuchtung (Belichtung) und der daraus resultierenden Dichte in der Fotografie, der Density D, als Funktion
des Logarithmus der Belichtung (Exposure E). Die Bezeichnung relative Beleuchtung wird
verwendet, weil der Wert von der Belichtungseinstellung (Belichtungszeit, Apertur usw.)
und den Verarbeitungsbedingungen (chemischen Entwicklungsprozess) abhängt. Die CCDBauelemente, die als optoelektronische Wandler eingesetzt werden, haben eine lineare
Kennlinie. Dadurch eröffnet sich die Möglichkeit, in den durch die Filter selektierten
Spektralbereichen zu messen. Die in den selektierten Spektralbereichen auf die Detektorelemente auftreffenden Photonen können buchstäblich gezählt und als physikalische Messgröße ausgewertet werden.

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