Der Islam geht davon aus, dass von der Frau die eigentliche
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Der Islam geht davon aus, dass von der Frau die eigentliche
DIE FR AUEN UND DIE MÄNNER. Z WEI WE LTE N Der Islam geht davon aus, dass von der Frau die eigentliche Bedrohung für die Gesellschaft ausgeht. Die Frau verführt mit ihrem Körper den (schwachen) Mann, und also gilt es, die Gefahr möglichst auf kleinster Flamme zu halten. Die Frauen müssen sich verhüllen, sodass nur das Gesicht und die Hände zu sehen sind. Das wisst ihr wahrscheinlich schon. Doch die Sache geht noch viel weiter. Im Restaurant ist es mir als Mann untersagt, an einen Tisch zu sitzen, an dem schon eine Frau sitzt, es sei denn, sie gehöre zu meiner eigenen Familie. Auch darf ich nie einer Frau die Hand geben, denn JEDER Körperkontakt ist verboten. Auch sollte ich keine Frau ansprechen. Selbst an der Uni (Frauenanteil über 50 Prozent!) ist es den Studenten untersagt, in der Kantine mit Spezien des anderen Ge-schlechts zu sitzen oder zu sprechen. Doch ist das nicht weiter verwunderlich, zumal alle Schulen und Universitäten strikt geschlechtsgetrennt funktionieren. Natürlich ist es für die Iraner schwierig, ihre Traumfrau ausfindig zu machen, wenn doch das Kennenlernen an sich schon fast unmöglich ist. Da arrangieren eben noch immer die Eltern die Hochzeiten, vor allem die Frauen sprechen sich mit den Nachbarinnen und Bekannten ab, und es ist nach wie vor die Regel, dass die Heirat organisiert wird, ohne dass sich die beiden bald Vermählten überhaupt kennen. Oder sie werden einander vorgestellt und müssen sich dann entscheiden, ob sie das wollen oder nicht. Das tönt nun wirklich hinterwäldlerisch. Es scheint sich, wenn auch sehr langsam, in den Städten allmählich moderneres Leben durchzusetzen. Seit der neue Präsident an der Macht ist, hat es einige Reformen gegeben, die in Richtung Öffnung gehen. Ein neuer Wind ist spürbar, vor allem in Form von nunmehr erlaubten geschminkten Gesichtern bei den Damen (was vorher verboten war), lackierten Fingernägeln, sichtbaren Haaren oder wenigstens Stirnfransen, und ab und zu zeigt eine Frau auch einen Zentimeter Haut am Fussgelenk. Das sogenannte „Komittee“, jene Leute also, die auf der Strasse die Kleider und Verhaltensweisen kontrollieren, ist lockerer geworden. Ausländische Fernsehsender sind aber weiterhin verboten, denn dort sind die Frauen für iranische Vo rschriften ja gar knapp bekleidet. Auch der Besitz von Videos aus Nicht-Iran ist verboten. Das heisst aber nicht, dass es keine ausländischen Videos gibt. Kaum betritt man die Wohnungen von Mittelstandsfamilien (was wir bereits viele Male tun konnten), eröffnet sich eine Welt des Verbotenen, da stehen Dutzende von Videos herum, in einer von aussen unsichtbaren Ecke prangt die Satellitenschüssel, in den Zimmern der pubertierenden Jungschar hängen die Bildchen von Leonardo di Caprio (bei den Mädels) und kopftuchloser Madonna (bei den Jungs). Die Gastgeberfrauen legen dann oft die Kopftücher und Tschadors (die schwarzen Umhänge von Kopf bis Fuss) weg, und siehe da, plötzlich sind die gewagtesten Strümpfe zu sehen, freche Frisuren und Dolce-undGabbana-Jeans. Unsere eigenen Kleider haben sich im Ve rgleich zu den ersten Tagen ebenfalls wesentlich gelockert. Uns als Westlern steht eine gewisse Narrenfreiheit im Verhalten und in der Bekleidung zu. Wenn ich auf dem Velo sitze, kann ich mir sogar die kurze Radlerhose leisten. Aber wirklich nur, wenn ich AUF dem Velo sitze. Bereits das Betreten eines Spuntens, um schnell einen Tee zu trinken, ist mit Shorts nicht zu empfehlen, denn in Iran läuft wirklich niemand, nicht einmal die kleinen Kinder, mit kurzen Hosen herum, und die abschätzigsten Blicke sind mir sicher. Sogar wenn ich neben dem Velo stehe, derweil Steffi schnell was einkaufen geht, machen sich Shorts äusserst schlecht. S t e ffi ihrerseits kennt den Rock nur noch vom Hörensagen. Diverse weibliche Personen haben wir immer wieder um ihre Ansichten über Steffis Klamotten befragt, und tatsächlich reicht es, wenn sie über die Hose eine lange Bluse trägt. Während dem Radeln ist auch das Kopftuch nicht nötig, es reicht, wenn sie 'einfach irgendwas' auf dem Kopf trägt, und sei es nur ein voluminöses Stirnband. Der Hals ist dann sichtbar, was eigentlich nicht erlaubt ist, doch kam es nie zu Problemen damit. So lässt sich auch für Steffi einigermassen angenehm radeln, vor allem jetzt im Frühling, wo die Hitze noch nicht so unerträglich ist. Insgesamt ist Steffi so begeistert von Iran wie ich auch, und abgesehen von Kleidereinschränkungen und einigen Verhaltensregeln, die uns fremd erscheinen, ist das Land für Frauen erstaunlich unproblematisch. Absolut genial ist die Tatsache, dass das Land (noch) unverbraucht ist. Die Leute sind extrem interessiert und suchen laufend das Gespräch. Da vieles aus dem Ausland verboten ist, sind wir eine Art Fenster zur Aussenwelt, und diese Fenster werden oft ausgepresst wie Zitronen. Das ist harmlos und sympathisch, geht aber ab und zu auch auf den Keks, vor allem, wenn man zum 50. Mal an einem einzigen Tag das gleiche gefragt wird. Wo man herkommt, wie man Iran findet und wie man heisst.