Trankription_Talkrunde Nachmittag 231111
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Trankription_Talkrunde Nachmittag 231111
Talkrunde „Gestaltung von Lebensweltübergängen“ • Angelika Burkholz, Märkisches Berufskolleg Unna • Volker Schroeder, Stadtverwaltung Wuppertal • Dr. Sideris Karakatsanis, Westdeutscher Betriebssportverband • Christina Zimmermann, Deutsche Gesellschaft für Ernährung Anke Feller Wir kommen jetzt zur Talkrunde und dazu darf ich nun die Schulleiterin des Märkischen Berufskollegs in Unna nach vorne bitten, Frau Angelika Burkholz. Volker Schroeder, er ist in einer Doppelfunktion hier. Er ist nämlich zum einen Mitarbeiter der Stadtverwaltung hier in Wuppertal und er ist auch Mitglied des Vorstands der Betriebssportgemeinschaft der Stadt Wuppertal. Dazu noch Dr. Sideris Karakatsanis vom Westdeutschen Betriebssportverband. Und Christina Zimmermann von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung. Ich möchte Ihnen gerne die Möglichkeit geben, aus Ihren Arbeitswelten heraus, vorzustellen, welche Möglichkeiten bzw. welche Projekte es zum einen im Bereich der Gesundheitsförderung zum im Speziellen im Bereich Bewegung und Ernährung gibt. Herr Karakatsanis fangen Sie einfach an. Und ich würde Sie bitten, tatsächlich in zwei Sätzen zu erzählen, welche Projekte es beim Westdeutschen Betriebssportverband gibt. Dr. Sideris Karakatsanis Der Westdeutsche Betriebssportverband ist der Dachverband für den Betriebssport in Nordrhein-Westfalen. Wir sind ein Verband mit besonderer Aufgabenstellung und beim Landessportbund Mitglied. Wir haben 1.300 Betriebe, die wir mit ca. 90.000 Mitgliedern verwalten. Wenn es jetzt um die betriebliche Gesundheitsförderung geht, müssen wir natürlich erst einmal etwas differenzieren, weil nicht alle Betriebssportvereine, gerade bei mittelständischen Betrieben, die Möglichkeit haben, diese Gesundheitsförderung voranzutreiben. Aber um die 300 Betriebssportvereine mit mehr as 500 Mitgliedern sind zu 80% in der betrieblichen Gesundheitsförderung integriert. Das sind fast 80% der Betriebssportvereine. Anke Feller In welcher Form? Dr. Sideris Karakatsanis Wir als Dachverband machen nicht den Sport, sondern das machen die Betriebe vor Ort. Wir haben hier ja gerade das Beispiel von den Stadtwerken in Köln gehört, unsere Vereine in Form von Gesundheitstagen zu unterstützen. In der letzten Zeit ist diese Entwicklung sehr stark angestiegen, wo wirklich über die betriebliche Gesundheitsförderung etwas für die Mitarbeitenden getan wird. 1 Um ein paar Projekte zu nennen: Vor kurzem war ein Projekt bzgl. Bewegung und Ernährung, das haben Sie heute Morgen auch schon erwähnt, bei der Provinzial – der Betriebssportverein der Provinzial, wo regelmäßig Aktionswochen durchgeführt werden und drei Mal in der Woche die Rolltreppen im Hause ausgeschaltet werden. Die Leute nehmen dann natürlich in dieser Woche die Treppen. Dazu wird dann Vollkost angeboten. Also Ernährung und Bewegung ist langsam im Kommen. Anderes Beispiel: Die Siemens AG und das Bundesamt für Zivildienst in Köln, die Ihre Mitarbeitenden mit Schrittzählern, wie gerade von Herrn Prof. Froböse gehört, versorgen. Zurzeit berate ich den Großbetrieb Bayer Schering. Die veranstalten regelmäßig Gesundheitstage und bieten u.a. bereits Weight-Watcher-Kurse während der Dienstzeit an. Das ist eigentlich nicht üblich für den organisierten Betriebssport, weil die Sportangebote immer nach Feierabend stattfinden. Anke Feller Frau Burkholz, wie sieht es bei Ihnen aus? Angelika Burkholz Ich möchte nur sagen, ich bin auch Wuppertalerin und freue mich, einmal wieder hier in dieser Stadt zu sein, ich habe sie mit 19 Jahren verlassen. Ich habe heute Morgen erzählt, ich bin Leiterin eines Berufskollegs. Wir haben unsere Schülerinnen und Schüler maximal drei Jahre. Und während dieser drei Jahre müssen wir sehen, dass wir unser Ernährungs- und Bewegungskonzept soweit installiert haben bei den Schülern, dass sie motiviert in der Lage sind, dieses für sich umzusetzen. Wir sind uns bewusst, dass das die letzte Möglichkeit der Schule ist, wo man noch einen Zugriff auf den Sportbetätigung von Schülern und Schülerinnen hat. Allerdings stellt sich dann die Frage: Wie geht es dann weiter? Wir haben uns in der Schule die Frage gestellt und folgendes Konzept überlegt und umgesetzt. Am Ende der 3-jähren Schulzeit haben wir eine Projektwoche. In dieser Projektwoche laden wir Vertreter des Kreisgesundheitsamtes, des Kreissportbundes und Ernährungsberatungen ein, so dass die Schülerinnen und Schüler ein Einblick erhalten, was denn überhaupt in Betrieben oder Hochschulen/ Universitäten angeboten wird, wenn sie aus der Schule gehen. Wichtig ist es, Ansprechpartner zu haben. Von schulischer Seite aus haben wir ein Portfolio erstellt, einmal mit einem Ernährungsplan, mit kurzen aber sehr gesunden Rezepten, die schnell nachzukochen sind und auf der anderen Seite Bewegungsübungen, die auch schon während der ganzen drei Jahre im Sportunterricht erfolgen. Das ist unser Konzept für den Übergang in den Beruf und wir sehen jeden Betrieb gerne bei uns an der Schule, aber auch den Kreissportbund, wir arbeiten mit ihm u.a. bzgl. der Erzieher/innen-Ausbildung zusammen. Anke Feller 2 Herr Schroeder, Sie sind ja heute hier in einer Doppelfunktion bei uns und ich weiß, dass bei der Stadtverwaltung Wuppertal einige Projekte angelaufen sind, auf die wir auf jeden Fall noch einmal eingehen sollten. Können Sie bitte ganz kurz einige Projekte einfach vorstellen. Volker Schroeder Zunächst wollte ich kurz sagen, warum ich den Ball gewählt habe. Ich wollte einfach zeigen, dass Beamter und Bewegung doch zusammen passen. Der Vorteil eines Betriebssportvereins ist, dass er auf Augenhöhe mit denen operiert und mit denen umgeht, die tagsüber Arbeitskolleginnen oder –kollegen sind und dann danach im Sport sich noch einmal begegnen. So sind auch die Projekte ausgerichtet. Wir haben damals angefangen mit Sitzball und Bürostuhl, da hieß es dann glaube ich im Kölner Stadtanzeiger, ‚Der Beamte auf der Erbse’! Wir hatten das Projekt ‚Stehpult’. Es gab dann den Apfelteiler, um noch einmal auf die Ernährung hinzuweisen. Alles immer verbunden mit Preisausschreiben oder auch mit Aufforderungen in Richtung Betriebsklima, sich zusammen zu finden. Wir hatten ein Projekt das nannte sich ‚Das Trinkteam!’. Da wollten wir gerne wissen, warum Einheiten in der Verwaltung genau dieses Wassergerät haben wollten, dass sollten sie uns an einer kleinen Geschichte erzählen und auch zeigen. Da kamen auch ganz tolle Ergebnisse heraus. Und so gingen diese Aktionen immer weiter. Eine Aktion hieß, ‚Ich gebe mir die Kanne’! Da haben wir uns mit 500 Nasenspülkannen sozusagen ‚in der Verwaltun’g freigespült. Aber jeder für sich zu Hause. Wir haben einige Projekte auch evaluiert, um zu zeigen, dass solche Projekte Sinn machen. Aber das Wesentliche ist, dass der Betriebssport, der im Unternehmen angesiedelt ist, die Möglichkeit hat außerhalb der gesetzlichen Rahmenbedingungen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter anzusprechen, das ist ein wesentlicher Vorteil. Anke Feller Frau Zimmermann, Sie als Vertreterin der Ernährungsstrukturen von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung. Was für Projekte bzw. welche Anregungen und Hilfestellungen können Sie entsprechend in den Bereichen Schule, aber auch in den Übergang Schule zur Berufswelt in die Betriebe hinein geben? Christine Zimmermann Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) hat in unterschiedlichen Settings, einmal das Projekt „Schule + Essen = Note 1“ im Bereich Schule und das Projekt „Job und Fit“ für die Betriebsverpflegung entwickelt und durchgeführt. Alle Projekte der DGE geben in der Hinsicht Anregungen in das jeweilige Lebensfeld. Sie haben Empfehlungen für eine gesundheitsfördernde Ernährung ausgearbeitet im Sinne von Qualitätsstandards für die jeweilige Lebenswelt. Diese stellen ganz praxisnah dar, wie in einer Schulmensa, aber auch einem Betriebsrestaurant eine gesundheitsfördernde Ernährung aussehen kann. Anke Feller 3 Wenn wir jetzt wirklich tatsächlich anfangen zu spinnen und weiter zu denken, wie es weiter gehen kann, wie wir uns entsprechend vernetzen wollen, weil wir uns als Multiplikatorinnen und Multiplikatoren verstehen, die auch ganz bewusst Netzwerke aufbauen wollen, um entsprechend etwas in Gang zu setzen. Lassen Sie uns einfach einmal den Bereich Schule und darüber hinaus in den Beruf hinein schauen. Gibt es tatsächlich schon irgendwelche Kooperationen, Herr Karakatsanis? Ein dringender Bedarf wäre auf jeden Fall da. Dr. Sideris Karakatsanis Der Bedarf den Lebensweltenübergang von Schule zu Betrieb zu gestalten ist groß. Da wären mit Sicherheit Kooperationsmöglichkeiten aufzuzeigen. Wir haben heute den ganzen Tag Sachen gehört, die für mich persönlich auch neu waren. Ich bin froh, dass manche Projekte in den Schulen schon erfolgreich gelaufen sind. Die könnte man mit Sicherheit in den Betrieb hineintragen. Aber dafür müsste natürlich in den Betrieben eine strukturelle Veränderung stattfinden und ich glaube nicht, dass der Betriebssportverband, wenn man jetzt anfängt zu spinnen, diese Aufgabe alleine stemmen könnte. Das ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, es ist eine politische Frage. Hier müssen die Weichen zur Weiterentwicklung des Themas gestellt werden. Ich finde gut, dass solche Regionalkonferenzen wie diese stattfinden, wo wir wirklich anfangen zu kommunizieren. Weil Kommunikation zwischen den Lebenswelten Beruf und Schule ein ganz wichtiger Punkt ist, der ist bis heute glaube ich noch nicht so durchgeführt wurde. Nur in einzelnen Projekten, wie wir heute gehört haben. Wir wissen auch, dass manche Betriebe, wo es wirklich funktioniert, diese unter betrieblicher Gesundheitsförderung verstehen, dass Bewegung und Ernährung zusammengehören. In diesen Betrieben, wo es offensichtlich funktioniert, heißt es: „Wir haben viel Arbeit mit den zukünftigen Berufsanfängern oder Azubis. Wenn Sie nicht schon in der Schule gelernt haben, dass eine ausreichende Bewegung und gesunde Ernährung wichtig ist, können wir dieses nur noch schwer nachholen. Ich könnte mir wirklich vorstellen, als Dachverband für den Betriebssport NordrheinWestfalens, mit der DGE ganz eng zusammen zu arbeiten, um wirklich die Sensibilisierung für Bewegung und Ernährung in den einzelnen Berufsschulen und natürlich auch in den Betrieben voranzubringen. Ich könnte mir gut vorstellen, ein gemeinsames Projekt zu initiieren unter der Überschrift ‚Arbeitsökonomie am Arbeitsplatz und Einführung des DGEStandards in den Kantinen’ und damit Bewegung und Ernährung konkret vor Ort umzusetzen. Anke Feller Welche Visionen haben Sie, Frau Zimmermann? Wie sehen Ihre Vorstellungen aus, gerade auch in Bezug darauf, was Herr Karakatsanis gerade formuliert hat? Wenn man tatsächlich solche Kooperationen spinnen würde, wie könnten die Ihrer Meinung nach aussehen? 4 Christine Zimmermann Bedarf ist auf alle Fälle da. Jeder ist in seinem Bereich aktiv. Wir müssen uns vernetzen, das ist ganz klar. Meine Vision wäre dazu ins Gespräch zu kommen. Eine Kooperation, die wir schon einmal bei der DGE versucht haben, um auch jüngere Menschen anzusprechen, die auf dem Weg ins Berufsleben sind, ist eine Kooperation mit dem Deutschen Studentenwerk, also die Studierenden an gesundheitsfördernde Ernährung heranzubringen. Auch in den Mensen ein entsprechendes Angebot zu etablieren, damit Menschen, die studiert haben, dieses Wissen in die Betriebe miteinbringen, um dort auch entsprechende gesundheitsfördernde Ernährung einzufordern. Weil oftmals wird es dann nur gemacht, wenn die Berufstätigen, die Beschäftigten es wirklich einfordern. Meine Vision wäre, über diesen Weg frühzeitig in den Schulen anzufangen bzw. schon Kindern zu fördern und eine gesundheitsfördernde Ernährung zu vermitteln. Dieses sollte über den ganzen beruflichen Ausbildungsweg, über das Studium bis hin in den Betrieb u.a. mit Schulungen weiter geführt werden. Anke Feller Man müsste tatsächlich schon viel früher anfangen und im schulischen Bereich, auch im Schulcurriculum tatsächlich auch Bewegung und Ernährung im Bereich Gesundheitserziehung implementieren. Angelika Burckholz Richtig. Wir haben schon im Schulprogramm vor 11 Jahren, die Leitlinie gesunde Ernährung, Sport und Bewegung formuliert. Danach haben wir uns immer gerichtet. Durch das Projekt GigS ist dies natürlich viel, viel intensiver geworden. Und GigS hat sich auch verbreitet auf alle Schülerinnen und Schüler. In jedem Klassenraum ist zum Beispiel ein Wasserspender. Die Schüler haben ein Frühstücksbuffet, nicht nur die GigS -klassen, das läuft bei uns sehr gut. Auch in den Projektwochen kochen die Schüler mit einer Fachlehrkraft für Hauswirtschaft und Ernährung. Wichtig finde ich, dass wir als Schule einen guten Bezug zu den Betrieben haben. Wir als Berufskollegs arbeiten mit den Betrieben z.T. eng zusammen. Ebenso wichtig ist eine Akzeptanz des Sportunterrichts. Wir haben das Fach Sport umbenannt in Sport- und Gesundheitserziehung. Das muss konsequent weiter durchgeführt werden. Das Projekt GigS hat geholfen, die Akzeptanz zu verbessern. Wir probieren zurzeit aus, für die Betriebe montagabends einen Sportabend mit einer Sportlehrkraft für die Meister in den Betrieben mit ihren Betriebsangehörigen zu installieren. Glücklicherweise können wir das von der Schule aus leisten. Wenn die Akzeptanz da ist und ein Betrieb auch einmal eine Schülerin zu einem Turnier schickt oder zu unserem jährlichen Sponsorenlauf, dann ist das so der erste Schritt. So könnte es dann weitergehen, denke ich. Anke Feller Wenn wir eine Kooperation überlegen, dann hätte natürlich, das ist ganz naturgemäß, jeder gerne die Federführung in der Hand. Das ist natürlich nicht machbar, da muss dann einer auserkoren werden, der eine Federführung übernimmt. Herr Schroeder, haben Sie eine Idee, wie so etwas aussehen könnte? 5 Volker Schroeder Wir sind das kleinere Rad am Wagen, weil wir alle ehrenamtlich arbeiten. Die Möglichkeiten sind insofern etwas eingeschränkt. Ich möchte das mit der Akzeptanz einmal aufgreifen. Ich glaube wir sind immer noch davon entfernt, dass wir gesamtgesellschaftlich Bewegung und Ernährung als ein Gut anerkennen, worüber man nicht mehr diskutieren muss. Ich habe vor einigen Jahren das Bundesgesundheitsministerium angeschrieben und gefragt, ich möchte gerne in den 10 Mal 5 Minuten, die ein Raucher Pause machen darf, 10 Mal 5 Minuten Bewegung machen. Dann haben die mir zurück geschrieben und gesagt, das müssen Sie mit Ihrem Arbeitgeber besprechen. Wenn dass das ist, worüber wir diskutieren, dann sind wir noch weit davon entfernt zu sagen, welche Partner wählen wir und wo ist die Koordinierungsstelle, die das zusammenfügt? Ich kann mir jede Kooperation vorstellen, was im ehrenamtlichen Bereich möglich ist. Ich würde als ganz Großes nehmen, ein bisschen die chinesischen Verhältnisse zu übernehmen. Wir müssen zwar nicht alle vor die Türen treten, um uns zu bewegen, aber wenn es zugelassen wäre, dass wir nicht mehr darüber diskutieren müssen, dass man sich bewegen darf, dann wären wir meiner Meinung nach zukünftig einen Schritt. Anke Feller Es gibt noch sehr, sehr viel zu tun und ich glaube, das haben wir heute Morgen auch schon herausgearbeitet, es liegt auch an uns selber, was passiert und was sich verändert. Wir müssen entsprechende Initiativen ergreifen. Deswegen sind heute hier auch umfassende Möglichkeiten, Netzwerke zu spinnen, aufzubauen und Kooperationspartner zu suchen. Ich bedanke mich bei Ihnen allen ganz herzlich für das Gespräch. 6