Gute Zeiten – schlechte Zeiten

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Gute Zeiten – schlechte Zeiten
GESUNDHEITSPOLITIK
KVH-Vertreterversammlung tagte im September
Gute Zeiten – schlechte Zeiten
Von Barbara Heidenreich
Der Wandel im Gesundheitssystem, geprägt von Gesundheitssystem-Modernisierungsgesetz (GMG) und GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz (GKV-WSG),
fordert alle Beteiligten. Neue Strategien,
Organisationsformen und auch neue
Allianzen im Wettbewerb um Verträge
– dass sind die Themen, mit denen sich
die KVH und die Delegierten der Vertreterversammlung immer wieder befassen.
Da freute es den Vorsitzenden der Vertreterversammlung, Dr. Michael Späth,
besonders, an diesem Abend Günter
Ploß, den Vorsitzenden des VdAK-AEV
Hamburg, als Gast begrüßen zu können.
Anlass war der neu geschlossene Gesamtvertrag für das Jahr 2007, der partnerschaftlich und fair verhandelt wurde
und dieses Mal ohne Umweg über das
Schiedsamt unterzeichnet werden konnte.
„Wir wissen, dass es für den Vorsitzenden des VdAK keine leichte Aufgabe
war, dieses Vertragswerk auszuhandeln“,
sagte Späth, da die Interessen der Mitgliedskassen im VdAK sehr verschieden
seien. Seine Anerkennung sprach Späth
auch den Vertragsverhandlern der KVH
aus, die in langen, sehr komplizierten
Verhandlungen gute Bedingungen für die
niedergelassenen Ärzte und Psychotherapeuten in das sehr komplexe Vertragswerk geschnürt hätten. Späth sieht den
Vertragsabschluss als einen Schritt auf
einem guten Weg für eine erneuerte partnerschaftliche Zusammenarbeit mit den
Ersatzkassen.
Gelungen: Vertragsabschluss
mit dem VDAK
Wichtigstes Ergebnis laut KVH-Vize Walter Plassmann: „Die Ersatzkassen zahlen
4,87 Cent je Punkt für ambulante Operationen und belegärztliche Leistungen.“
Dieser Punktwert gelte auch für Begleitleistungen wie etwa Anästhesie oder
Nachsorge und sei nicht budgetiert. Zu-
dem könnten viele Ärzte mit Nachzahlungen rechnen. Die Höhe der Nachzahlung stehe erst nach Abschluss der
Abrechnung des Jahres 2007 im Sommer
des nächsten Jahres fest.
Die genauen Details des Gesamtvertrages
mit dem VdAK sind im KVH Telegramm 26
vom 18.9.2007 und unter www.kvhh.de
nachlesbar.
Hausarztzentrierte Versorgung, Hautkrebsscreening und weitere Sonderverträge
seien bereits unterzeichnet oder befänden sich in Verhandlungen. Das Interesse
der Krankenkassen an hausarztzentrierter
Versorgung sei eher gering, und da nicht
bei allen Kassen alle Themen und Versorgungsbereiche auf gleiches Interesse
stößen, wären auch Sonderverträge nicht
immer mit allen Kassen möglich. „Deshalb arbeiten wir hier eng mit den Berufsgruppen zusammen, um wichtige Belange und Aspekte in den Verhandlungen
berücksichtigen zu können“, erläuterte
Plassmann.
Klage: Paragraf 116 b
Durchatmen könnten KVH und niedergelassene Ärzte kaum, denn der Konflikt
um den § 116 b SGB V (ambulante Behandlung im Krankenhaus) tobe heftiger
denn je: Die KV Hamburg habe Klage gegen die Gesundheitsbehörde eingereicht.
Sie ziehe im Interesse ihrer Mitglieder vor
Gericht. Die hochspezialisierte ambulante Versorgung, die auch die Rolle der
Hansestadt als Gesundheitsmetropole
erheblich mitpräge, mache eine Genehmigung für Kliniken zur Teilnahme an
der ambulanten Versorgung überflüssig.
Darin waren sich sowohl Späth als auch
der Vorstand der KVH einig. „Wir wissen
in diesem Punkt auch die Krankenkassen an unserer Seite“, sagte Späth. Nach
wie vor könne man das Verhalten der
Behörde nicht nachvollziehen, die die
Krankenhäuser aufgefordert habe, Genehmigungen zu beantragen. In keinem
anderen Bundesland habe die zuständige
Behörde so agiert. Auch die Tatsache,
dass die Behörde derzeit zu keiner „Runden-Tisch-Lösung“ bereit sei, lasse eine
Klinikpräferenz erkennen.
Die beratenden Fachausschüsse für die
fachärztliche und hausärztliche Versorgung hätten ihrerseits an die Leiter der
Hamburger Krankenhäuser geschrieben
und mit Nachdruck eine Lösung ohne
Konflikte in Absprache mit den niedergelassenen Ärzten angemahnt, wie Plassmann ergänzend berichtete. Die KVH
bemühe sich nun in direkten Gesprächen
mit betroffenen Ärzten und Krankenhäusern die Probleme zu bearbeiten. Erste
Absprachen und eine gemeinsame Arbeitsgruppe gäbe es mit der AsklepiosGruppe, und auch das Marienkrankenhaus suche die Zusammenarbeit.
Unzufriedenheit: elektronische
Gesundheitskarte
Ulla Schmidt hat ihr Ziel, mit der eCard
eine bessere Kommunikation aller an der
Versorgung Beteiligten herbeizuführen,
wohl erreicht. Alle reden miteinander
und über die Auswirkungen der Einführung der elektronischen Gesundheitskarte.
Doch Tenor ist wohl ein anderer als gewünscht.
Auch in Hamburg wächst die Unzufriedenheit, wie bei den Ausführungen des
Vorstandsvorsitzenden Dieter Bollmann
deutlich zu spüren war. Die Forderung
des BMG durch Verlautbarung von Klaus
Theo Schröder, die eCard gegen alle Widerstände im zweiten Quartal 2008 einzuführen, erboste den KVH-Chef schon
sehr. Abgesehen von der technischen
Aufrüstung der Praxen und der ungeklärten Übernahme entstehender Kosten,
seien die noch laufenden Testphasen weder vollständig noch abgeschlossen. So
könne man zur Funktionalität der eCard
noch gar keine Aussagen treffen. Dies
liege nicht zuletzt daran, dass von den für
den ersten Test geplanten 10.000 Karten,
z. B. in Schleswig-Holstein lediglich 6.000
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GESUNDHEITSPOLITIK
Ihre Diagnose?
Anamnese:
Ein 62jähriger Patient mit bekannter Prostatahyperplasie wurde in einem auswärtigen
Krankenhaus wegen Harnstauungsnieren mit
Ureterschienen versorgt. Unter einer Antikoagulation mit Heparin im therapeutischen
Bereich entwickelte sich eine Blasentamponade, die einer sofortigen Ausräumung durch
unsere Urologen bedurfte. Die Bilder zeigen
die Harnblase im postoperativen Zustand.
Was sehen Sie?
Lösung: Seite 481
in der Struktur und der Leistungsbeschreibung, nicht aber bei der Bewertung. So
gäbe es keine Berücksichtigung
• des wegen der Tarifverhandlung gestiegenen Oberarztgehaltes,
• des bürokratiebedingten Produktivitätsverlustes,
• der Mehrwertsteuererhöhung,
• des notwendigen aber derzeit nicht
finanzierbaren Personalaufwandes.
Sorge bereite auch die Überlegung des
BMG, den EBM zur Grundlage für eine
Änderung der GOÄ zu machen. Man befürchte, dass die SPD ihr Ziel eine Bürgerversicherung einzuführen noch nicht
aufgegeben habe. Die KBV halte jedoch
an ihrem Entwurf fest und in einem engen Zeitplan werde im Bewertungsausschuss dazu wöchentlich beraten.
Am 1.11.2007 gibt es dazu im Rahmen
einer Sonder-VV der KVH mehr Informationen von Dr. Andreas Köhler, KBV.
Mit einigen Erläuterungen zu den Abrechnungsergebnissen schloss Bollmann
seinen Bericht des Vorstandes und wies
noch einmal daraufhin, dass Details für
alle Mitglieder im Internetauftritt unter
www.kvhh.de nachlesbar seien.
Auf und davon:
Arzneimittelausgaben
ausgegeben seien und davon bisher überhaupt nur 25 % der Kartenbesitzer diese
auch nutzten. Selbst unter diesen Umständen ließe sich bisher kein besonderer
Fortschritt gegenüber der herkömmlichen
Versichertenkarte feststellen. „Die Zeche
zahlen Ärzte und Patienten, während auf
die Industrie ein Riesengeschäft wartet“,
sagte Späth. „Sprechen Sie darüber mit
Ihren Patienten und den zuständigen
Politikern.“ Bollmann forderte außerdem
eine kostenneutrale Einführung für KVHMitglieder.
Im Zeitplan: EBM 2008
Auch wenn die Krankenkassen eine sehr
eigene Vorstellungen von einer ärztlichen
Gebührenordnung EBM hätten, gäbe es
eine Annäherung, wie der KV-Vorstandsvorsitzende berichtete. Einigkeit bestünde
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Als bessere Lösung sieht die KVH nach
wie vor auf ihre mit den Krankenkassen
geschlossene Zielvereinbarung für den
Arzneimittelbereich. Sie und die Kassen
hatten damit einen anderen Weg als die
meisten KVen eingeschlagen. Nicht immer war es einfach, diesen Weg auf der
Bundesebene zu rechtfertigen, vor allem
nicht für die Krankenkassen. Doch das
stets verantwortungsbewusste und wirtschaftliche Verordnen der KV-Mitglieder
bewies, das es funktionierte.
In diesem Jahr sind die Ausgaben für Arzneimittel jedoch sehr deutlich gestiegen,
wobei Hamburg immer über dem Bundesdurchschnitt gelegen hat. Dies bereite
der KVH Sorge, wie Vize Plassmann den
Mitgliedern der Vertreterversammlung berichtete. Plassmann appellierte mit großem
Nachdruck an die Ärzte, ihr Verordnungsverhalten genau anzuschauen und
auch mit den Kolleginnen und Kollegen
in den Kreisen darüber zu sprechen. Die
KVen wissen zum jetzigen Zeitpunkt
mangels entsprechender Detailinformationen nicht, worin der hohe Anstieg der
Kosten begründet sei. Plassmann bat die
Ärzte um Unterstützung bei der Ergründung der Ursachen. Denn eine eventuelle Kündigung des „Hamburger Weges“
könne dazu führen, dass die KVH wieder
mit einem „Globalregress“, also einer
Zahlung aus dem Honorarbudget an die
Kassen, konfrontiert würde. Besorgt war
er aber auch aus einem weiteren Grund:
die Rabattverträge der Krankenkassen.
„Die Rabattverträge sind nicht offengelegt. Kein Mensch weiß, wo sie etwas bewirken und wo nicht“, erklärte er. Damit
verlöre der Arzt die Steuerungshoheit.
Plassmann schloss sich dem Vorsitzenden der DAK, Herbert Rebscher, an, der
gesagt hatte, die Richtgrößen seien angesichts der Rabattverträge „tot“. Er kündigte an, dies in die Verhandlungen zu den
Arznei- und Heilmittelausgaben in 2008
einfließen zu lassen. Auch viele Delegierte waren über die Ausgabensituation
beunruhigt, und in der anschließenden
Diskussion gab es Ideen und Vorschläge
zu besonders teuren oder problematischen Verordnungsfeldern. Dr. Wolfang
Wesiack, der stellvertretende Vorsitzende
der Vertreterversammlung, vermutete
die Spezialversorgung als Quelle, Klaus
Schäfer vermutete, dass Rabattverträge
in Kombination mit den DDDs zu diesen
Ungereimtheiten führten.
Einen Blick auf die Schlaganfallversorgung empfahl Dr. Hanno Scherf und Dr.
Georg Kotter verwies auf die große Vielzahl von Medikamenten, die die Krankenhäuser den Patienten mit auf den
Weg gäben. Michael Klemperer erinnerte
an die „neuen“ Indikationen, über die
die Industrie massenhaft Medikamente
in den Markt schütte, was Volker Lambert mit dem Hinweis auf die Bewerbung
von Medikamenten ergänzte, in deren
Folge Medikamente „modern“ würden
und zudem noch teuer wären. Auch der
Ausbau der geriatrischen Versorgung an
den Krankenhäusern habe Folgen für die
ambulante Versorgung. Denn, wie Dr.
Stephan Hofmeister feststellte, führe dies
auch bei Rückkehr des Patienten in die
ambulante Versorgung zu Forderungen
und Ansprüche der Patienten. „Wenn
ich denen nicht in weiten Teilen folge,
wechselt der Patient den Arzt“, ergänzte
er. Doch trotz aller guten Ideen, eines ist
wohl sicher: Soll die Zielvereinbarung in
dieser Form Bestand haben, so müssen
alle an einem Strang ziehen und sich
selbst sehr genau auf die (Verordnungs-)
Finger schauen. Dieses Fazit lässt sich
wohl aus den abschließenden Worten des
stellvertretenden KVH-Vorstandes ziehen.

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