Endometriose - Österreichische Ärztezeitung

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Endometriose - Österreichische Ärztezeitung
Endometriose
Im Durchschnitt dauert es sieben Jahre, bis
die Diagnose Endometriose gestellt wird. Da
innerhalb von ein bis zwei Jahren nach der
Operation mit Rezidivraten von 20 bis mehr
als 60 Prozent zu rechnen ist, hat die radikalchirurgische, gegebenenfalls fertilitätserhaltende Sanierung zum Zeitpunkt der Erstoperation hohe klinische Relevanz.
Von Fritz Nagele und Clemens Tempfer*
Definition
Endometriose ist charakterisiert
durch das Vorkommen von endome­
trialen Drüsen und Stroma außerhalb
des Uterus, genau genommen aber au­
ßerhalb des Cavum uteri. Es handelt
sich um eine der häufigsten gutartigen
Erkrankungen und betrifft in erster Li­
nie Frauen im reproduktiven Lebens­
abschnitt. Die Endometriose ist Ge­
genstand intensiver wissenschaftlicher
Forschung; jährlich werden dazu rund
350 Manuskripte publiziert.
Die Erkrankung wurde erstmals
1860 von Rokitansky beschrieben, gilt
aber trotz weltweit intensivster For­
schung unverändert als rätselhaft. Es
handelt sich definitionsgemäß um eine
benigne Erkrankung, die Herde ha­
36
ben aber beispielsweise die Fähigkeit,
Matrixmetalloproteinasen (MMPs) zu
produzieren, eine Voraussetzung für
das Einwachsen und die Progredienz
der Läsionen in benachbarte Gewebe
und Organe. Dieses invasive Wachs­
tum wiederum ist ein typisches Cha­
rakteristikum maligner Erkrankungen,
so dass es sich hier offenbar tatsächlich
um fließende Übergänge und damit
möglicherweise um eine semimaligne
Erkrankung handelt.
Ist die Erkrankung außerhalb des
Uterus lokalisiert (Endometriosis geni­
talis externa), ist in erster Linie das klei­
ne Becken und hier vor allem das Peri­
toneum, die Ovarien und das Septum
rectovaginale betroffen. Eine weitere
häufige Form der Endometriose ist die
sogenannte „Endometriosis genitalis
› österreichische ärztezeitung ‹ 18 ‹ 25. september 2006
DFP - Literaturstudium
interna“ oder „Adenomyosis uteri“, die
bereits vor mehr als 30 Jahren beschrie­
ben wurde. Die Endometriose kann
grundsätzlich in allen Organen außer
der Milz vorkommen; die sogenannte
extrapelvine Endometriose betrifft je­
doch vor allem Zervix, Vagina, Vulva,
den Gastrointestinaltrakt, das harnab­
leitende System, die Bauchwand, Tho­
rax und Lungen, Extremitäten, Narben
und ZNS. Der Gastrointestinaltrakt ist
die häufigste extrapelvine Lokalisation,
wobei hier vor allem Colon descendens,
Sigma und Rektum befallen sind. Das
Septum rectovaginale mit Invasion des
Rectosigmoids ist per se die häufigste
Form der extrapelvinen Endometriose.
Epidemiologie
© Contrast
› österreichische ärztezeitung ‹ 18 ‹ 25. september 2006
Die Endometriose ist eine unterund meist auch eine spät diagnostizier­
te Erkrankung. Die Prävalenz in der
weiblichen Bevölkerung ist unbekannt
und die aussagekräftigsten Daten bezie­
hen sich daher auf Kollektive, die sich
aus unterschiedlichen Gründen einer
Bauchspiegelung unterzogen haben.
Die Prävalenz der Endometriose bei
asymptomatischen Frauen, die sich ei­
ner Tubensterilisation unterziehen, liegt
bei etwa vier Prozent. Bei Frauen, die
wegen primärer Sterilität laparoskopiert
wurden, lag die Prävalenz bei neun bis
50 Prozent und bei Patientinnen mit
chronischen Unterbauchschmerzen bei
zwölf bis 32 Prozent. Die Subgruppe
mit der höchsten Prävalenz sind junge
Frauen mit therapieresistenter Dysme­
norrhoe und/oder chronischen Unter­
bauchschmerzen (50 Prozent); diese
Frauen stellen auch die Zielgruppe
für eine mögliche Früherkennung dar.
Anderen Literaturangaben zufolge soll
jede zehnte Frau im reproduktiven Le­
bensalter an Endometriose leiden. Setzt
man diese Phase zwischen dem 15. und
45. Lebensjahr an und rechnet die Zah­
len für Österreich hoch, leiden etwa
170.000 Frauen an Endometriose; in
Wien allein sind rund 33.000 Frauen
:
betroffen. 37
: Die Dysmenorrhoe ist das Kardinal­
symptom der Endometriose. Risikofak­
toren für die Endometriose sind frühe
Menarche, kurze Menstruationszyklen,
hohe Körpergröße, Genuss von Alko­
hol, Koffein, rotem Fleisch und tie­
rischen Fetten, positive Familienanam­
nese und Umweltgifte (PCB, Dioxin).
Übergewicht beziehungsweise ein ho­
her BMI werden positiv mit der Erkran­
kung assoziiert, während regelmäßige
körperliche Aktivität das Risiko senkt.
Bei Mehrgebärenden kommt die En­
dometriose nur sehr selten vor. In einer
Erhebung unter 3.680 Patientinnen mit
chirurgisch verifizierter Endometriose
zeigte sich eine signifikant höhere Rate
an Autoimmunerkrankungen, Hypo­
thyreosen, Fibromyalgien, Chronic Fa­
tigue-Syndrom, Allergien und Asthma
verglichen mit der gesunden weiblichen
Normalpopulation.
Pathogenese
Es gibt eine Vielzahl von Theorien
zur Entstehung der Endometriose, aber
keine einzige hat sich bis heute als al­
leingültig durchgesetzt. Die Erkran­
kung ist komplex, heterogen, im Verlauf
unberechenbar, morphologisch vielge­
staltig und biologisch unterschiedlich
aktiv. Es ist daher anzunehmen, dass
für den Ausbruch der Erkrankung
nicht ein singuläres Ereignis, sondern
eine Reihe von pathophysiologischen
Abläufen verantwortlich ist. Die ältes­
te Theorie ist jene der sogenannten re­
trograden Menstruation, die Sampson
1927 aufgestellt hat. Demnach kommt
es während der Menstruation über die
Tuben zum retrograden Reflux von
Endometrium in den Bauchraum und
dort zur ektopen Implantation der Ge­
bärmutterschleimhautinseln. Falls das
tatsächlich so ist, würde jedes anato­
mische Abflusshindernis wie etwa ein
Verschluss des Zervikalkanals zu einem
gesteigerten Reflux und damit zu einem
höheren Risiko für die Krankheitsent­
stehung führen.
38/39
Tatsächlich konnte nachgewiesen
werden, dass die retrograde Menstru­
ation ein häufiges und physiologisches
Phänomen ist, so dass es eine Reihe
weiterer Faktoren geben muss, die letzt­
lich zur Implantation des verschleppten
Endometriums führen. Diskutiert wird
hier über ein kritisches Quantum an
peritoneal disloziertem Endometrium
(exzessive Menstruation/Hypermenor­
rhoe), eine immunolgische Dysfunk­
tion und/oder mangelhafte inflamm­
atorische Fähigkeit, das endometriale
Zellmaterial zu resorbieren (‚reduced
pelvic clearance’). Zahlreiche Studien
haben auf immunologische Aspekte
bei der Entstehung der Endometri­
ose hingewiesen: Aufgrund der einge­
schränkten zellulären Immunanwort
geht die individuelle Fähigkeit, Endo­
metrium an abnormen Lokalisationen
zu erkennen, verloren. Die reduzierte
Aktivität der natürlichen Killerzellen
führt zu einer verminderten Zytoto­
xizität gegenüber autologem Endome­
trium. Die erhöhte Konzentration von
Leukozyten und Makrophagen in der
Peritonealhöhle und im ektopen En­
dometrium führt über Zytokine und
Wachstumsfaktoren zur Neovaskulari­
sation und damit Proliferation der im­
plantierten Herde.
Eigene Untersuchungen haben ge­
zeigt, dass das eutope, originäre En­
dometrium bei Patientinnen, die an
Endometriose leiden, Aromatase expri­
miert und dass dies ausschließlich bei
erkrankten Frauen der Fall ist. Dies ist
ein Hinweis dafür, dass auch endokri­
nologische Pathomechanismen für die
peritoneale Implantation der Herde
verantwortlich sind. Neben der Im­
plantations-Theorie gibt es auch jene
der direkten Transplantation, die als
mögliche Erklärung für das Vorkom­
men der Endometriose in Narben (vor
allem Episiotomie, Sectio caesarea und
abdominal nach Laparoskopie) dient.
Die extrapelvine Endometriose wird
häufig durch Dissemination endomet­
rialer Zellen über Lymphbahnen und
Blutgefäße erklärt. Schließlich sei noch
die von Meyer 1919 propagierte The­
orie der Zölom-Metaplasie erwähnt.
Das Zölom ist entwicklungsgeschicht­
lich die sogenannte sekundäre embry­
onale Leibeshöhle, aus der sich später
Pleura-, Perikard- und Peritonealhöhle
entwickeln. Bei dieser Theorie geht
man davon aus, dass die Peritonalhöhle
beziehungsweise das Peritoneum noch
undifferenzierte Zellen enthalten, die
sich infolge einer Spontanmetaplasie in
endometriales Gewebe umwandeln. Di­
ese Theorie wird durch Beobachtungen
von Endometriose-Fällen bei Patien­
tinnen, bei denen es kein originäres eu­
topes Endometrium gibt und demnach
eine retrograde Menstruation auch
theoretisch nicht möglich ist (MayerRokitansky-Küster-Hauser-Syndrom),
unterstützt.
Die jüngste Hypothese der Arbeits­
gruppe um Donnez geht davon aus,
dass es sich bei der peritonealen, der
ovariellen-, und der rektovaginalen
Endometriose pathophysiologisch um
drei unterschiedliche Krankheitsenti­
täten handelt und bedient sich dabei
der unterschiedlichen angeführten
Theorien (Nisolle and Donnez 1997).
Genetische Faktoren scheinen auch
eine Rolle zu spielen, da die Endome­
triose bei Verwandten ersten Grades
von erkrankten Frauen etwa siebenmal
häufiger vorkommt als bei nicht ver­
wandten Kontrollpersonen.
Klinische Symptomatik
Die Endometriose ist meist im klei­
nen Becken lokalisiert und betrifft am
häufigsten die Ovarien und das umge­
bende Peritoneum im Bereich der Ova­
riallogen, des Douglas´schen Raumes
und der Harnblase. Dementsprechend
sind die Beschwerden auch in erster
Linie organspezifisch im Unterbauch
lokalsiert beziehungsweise strahlen von
:
dort aus. › österreichische ärztezeitung ‹ 18 ‹ 25. september 2006
: Die häufigsten Symptome sind Dys­
menorrhoe, chronische Unterbauch­
schmerzen (nehmen während der Regel
meist an Intensität zu), Dyspareunie
und Infertilität.
Auf der Basis von genetischen Unter­
suchungen haben Cramer und Missmer
einen Symptomenkomplex definiert,
der dem Bild eines „EndometriosePhänotyps“ entsprechen könnte: junge,
schlanke, hochgewachsene Frauen mit
früher Menarche, kurzen Zyklen, mas­
siver Dysmenorrhoe und Subfertilität.
Typischerweise ist die Dysmenorrhoe
therapieresistent, der Schmerz strahlt
in Richtung Rektum, untere Lenden­
wirbelsäule oder Beine aus.
Ein kausaler Zusammenhang zwi­
schen Lokalisation, Größenausdeh­
nung und Invasionstiefe der Endo­
metrioseherde und der empfundenen
Schmerzintensität oder zwischen den
sogenannten typischen (schwarzen)
und atypischen (weißen) Endome­
trioseherden wird in den Studien von
führenden Autoren kontroversiell dis­
kutiert. Eine schlüssige Interpretation
der Daten ist aufgrund der unterschied­
lichen pathologisch-anatomischen An­
gaben und der Bewertung der Schmerz­
symptomatik in den einzelnen Arbeiten
nicht möglich.
Die Dyspareunie ist oft ein Hinweis
auf rektovaginale- oder sakrouterine
Beteiligung oder auf Adhäsionen im
kleinen Becken. Patientinnen mit chro­
nischen, theraphieresistenten Unter­
bauchschmerzen haben einen enormen
Leidensdruck. Es gibt gute Hinweise
dafür, dass diese Symptomatik eher
mit der sogenannten tief infiltrierenden
Endometriose als mit Endometriose­
zysten oder Adhäsionen assoziiert ist.
Vor allem scheinen die massive Dys­
pareunie und schmerzhafte Defäkation
während der Menstruation klinisches
Korrelat der tief infiltrierenden Endo­
metriose im Bereich des rektovaginalen
40
Septums und/oder der Ligg. sacouteri­
na zu sein.
Im Durchschnitt vergehen sieben
Jahre, bis bei einer symptomatischen
Patientin die korrekte Diagnose En­
dometriose gestellt wird. Ein frühes
Erkennen der Erkrankung ist aber für
das weitere Schicksal der Patientin ent­
scheidend. Daher ist es von größter Be­
deutung, den kausalen Zusammenhang
zwischen den unzähligen klinischen
Spielarten und dem individuellen
Krankheitsbild zu erfassen. Es gilt be­
sonders, das folgende pathognomo­
nische Paradoxon zu beachten: Es gibt
Frauen mit massiver Endometriose in
fortgeschrittenen Stadien, die weitge­
hend asymptomatisch sind und deren
Erkrankung als Zufallsbefund im Rah­
men der Sterilitätsabklärung diagnos­
tiziert wird. Andererseits gibt es aber
auch Patientinnen mit minimal ausge­
prägter, peritonealer Endometriose und
massiver Schmerzsymptomatik.
Relativ häufig findet man Endome­
triose-Herde im Bereich des Blasen­
peritoneums oder im Douglas-Raum.
Die dadurch verursachten Symptome
reichen von Dysurie über häufigen
Harndrang, suprapubische Schmerzen
bis zu Dyspareunie und Dyschezie. Die
Hämaturie ist ein spätes Zeichen und
ein Hinweis der kompletten Infiltrati­
on der Blasenwand. Zyklische Blutauf­
lagerungen am Stuhl sind ein relativ
häufiges Symptom; dabei findet sich
im Zug der Rekto- oder Colonoskopie
fast nie ein pathologisch-anatomisches
Substrat. Die rektovaginale Endometri­
ose, aber auch der isolierte Befall von
Rektosigmoid oder Colon descendens,
erfasst meist die äußeren Teile der
Darmwand und selbst bei jahrelangem
Verlauf bleibt die Mukosa intakt.
Die Endometriose am Ureter ist
relativ selten, häufiger wird der Harn­
leiter bei parametraner Ausdehnung
der Endometriose komprimiert. Der
Befall ist meist einseitig und abgese­
hen von zyklischen Flankenschmerzen
oder rezidivierenden Harnwegsinfekten
verlaufen solche Fälle meist lange Zeit
asymptomatisch, bevor sich eine Hy­
dronephrose entwickelt. Die Endomet­
riose der Lunge oder des Thorax äußert
sich in Form eines Pneumothorax,
Hämatothorax oder regelsynchroner
Hämoptysis. Etwa ein Drittel dieser
Patientinen weisen keine pelvine Endo­
metriose auf.
Klassifikation
Die am weitesten verbreitete Klassi­
fikation der Endometriose ist jene der
American Society for Reproductive
Medicine (ASRM) aus dem Jahr 1979,
die 1996 überarbeitet wurde. Nach
einem Punktesystem wird die Größe,
Invasionstiefe und Lokalisation der
Herde sowie das Ausmaß der bestehen­
den Adhäsionen beurteilt. Ziel dieser
Klassifikation ist es, ein einheitliches
System zur Beschreibung des opera­
tiven Befundes einzuführen. Allerdings
korreliert diese Einteilung weder mit
der klinischen Symptomatik, noch
hat sie prognostische Bedeutung hin­
sichtlich der Fertilität. Dieses Bewer­
tungssystem ermöglicht jedenfalls eine
Einteilung der Endometriose auf Basis
des intraoperativen Befundes in vier
Schweregrade (I = minimal, II = mild,
III = moderate, IV = severe).
Diagnostik
Auch wenn aufgrund der Anamne­
se, der klinischen Symptomatik, der
gynäkologischen Untersuchung, des
Ultraschallbefundes und eventueller
weiterer Befunde wie etwa Magnetreso­
nanztomographie oder Serum CA125Bestimmung der dringende Verdacht
auf Endometriose besteht, gilt doch die
explorative Laoparoskopie unverändert
als Mittel der ersten Wahl, um eine En­
dometriose zu diagnostizieren. Die La­
paroskopie ermöglicht die direkte Visu­
› österreichische ärztezeitung ‹ 18 ‹ 25. september 2006
DFP - Literaturstudium
å
ç
é
è
å Typischer Endometriose-Herd am parietalen Peritoneum. ç Schwarzer, subperitoneal konfluierender Endometriose-Herd é Resezierte Endometriose-Herde von beiden Sakrouterinligamenten und aus dem Douglas`Raum è Geplatzte Endometriosezyste linker Eierstock.
alisierung des Abdominalraumes über
den kleinstmöglichen Zugang, gestattet
die gezielte Entnahme von Probeexzisi­
onen, ermöglicht die Stadieneinteilung
nach dem rAFS-Score und gegenenfalls
ist eine einzeitige operative Sanierung
der Erkrankung möglich.
Die häufigste Lokalisation der En­
dometriose ist das kleine Becken. Die
Herde am Peritoneum können unter­
schiedlichste Form, Farbe und Größe
haben. Donnez et al. unterscheiden
typische und atypische EndometrioseHerde. Typische Läsionen sind ent­
weder „rot“, „schwarz“ oder „weiß“,
wobei die Farbe den Aktivitätsgrad der
Erkrankung widerspiegelt. Rote Herde
sind hochaktiv und können wie folgt
beschrieben werden: inflammatorische,
oft vesikuläre Läsionen, unscharf be­
grenzt, hypervaskularisiert und durch­
setzt von subperitonealen, petechialen
Blutungen. Im Bereich der Ovarien fin­
det man in solchen Fällen häufig schlei­
erartige Adhäsionen und das Organ ist
in seiner Loge fixiert. Weitere Prädilek­
tionsstellen sind das Blasenperitoneum
und das Ligamentum latum. Histolo­
gisch findet man reichlich Erythrozyten
und nur spärlich Drüsen und Stroma.
Schwarze Herde finden sich am
häufigsten und repräsentieren die sog.
klassischen Endometriose-Herde. Di­
ese oft bläulich-lividen, kleinknotigen
Herde entsprechen menstruellen Ab­
lagerungsprodukten mit Hämoside­
rineinlagerungen, sind meist scharf
abgrenzbar und kommen multipel vor
(„powder-burns“). Solche Herde sind
oft umgeben von narbig verzogenem
Peritoneum und entsprechen einem
semiaktiven Stadium, das erst nach
längerer Krankheitsdauer entstanden
ist. Nach der Entzündungsreaktion
um die ektopen Herde folgt später eine
Minderdurchblutung, wodurch die Lä­
sionen sich zu weißlich-opaken Forma­
tionen umwandeln; das originäre Peri­
toneum erscheint jetzt verdickt, durch
Narbengewebe ersetzt und durch die
Fibrose ist das umliegende gesunde Pe­
ritoneum oft sternförmig gerafft. Diese
sogenannten atypischen Herde entspre­
chen einem inaktiven Narbenstadium.
Aber die Folgeschäden am Peritoneum
können auch allein – im Sinn einer De­
fektheilung – durch Zug Schmerzen
verursachen.
Der überwiegende Teil der Autoren
fordert heute die Biopsie mit histo­
logischer Aufarbeitung insbesondere
unklarer Herde oder Läsionen, da die
alleinige visuelle Diagnose in vielen
Fällen falsch positive aber auch nega­
tive Ergebnisse liefert. Andererseits ist
bei einer „negativen“ Laparoskopie in
geübter Hand die Diagnose Endome­
triose höchst unwahrscheinlich. Ab­
gesehen von den genannten Erschei­
nungsformen kann die Endometriose
auch in Form einzelner oder trauben­
artig konfluierender, klarer Bläschen
oder peritonealer Taschen und Schlitz­
bildungen imponieren. Die sogenann­
te tiefe Endometriose entsteht durch
Invasion des Endometriums in umlie­
gendes Gewebe und hat – abgesehen
vom Ovar (Endometriom, syn. Endo­
metriose-Zyste, syn. Schokoladezyste)
meist die Form eines oder mehrerer
derber Knoten von Erbs- bis Pflaumen­
größe. Derartige Knoten finden sich
meist in den Sakrouterinligamenten,
im Septum rektovaginale, in der Blase,
im Rektosigmoid, am Ureter und in
der Appendix.
In zahlreichen Studien wurde ge­
zeigt, dass die Erfahrung des Opera­
› österreichische ärztezeitung ‹ 18 ‹ 25. september 2006
teurs der entscheidende Faktor zur
exakten, treffsicheren Diagnose im
Sinn einer hohen Übereinstimmung
zwischen makroskopischem Befund
und pathohistologischer Diagnose aus
der Biopsie.
Operative Therapie
Die operative Therapie der Endo­
metriose hat sich als effektive Maß­
nahme zur Reduktion endometriose­
assoziierter Schmerzen erwiesen. Auch
die Schwangerschaftsraten von Frauen
mit primärer und sekundärer Sterilität
können nach chirurgischer Therapie
der Endometriose signifikant gestei­
gert werden.
Eine systematische Literatur­übersicht
und Metaanalyse der Cochrane Colla­
boration zeigt allerdings, dass lediglich
zwei prospektiv-randomisierten Stu­
dien (RCTs) zur Frage Fertilität nach
operativer Therapie von Frauen mit
Endometriose vorliegen. Obwohl eine
der beiden Studien ein negatives Er­
gebnis gebracht hat, zeigt die Metaa­
nalyse beider Studien, dass sowohl die
Schwangerschaftsrate als auch die Le­
bendgeburtrate in einem geringen, aber
statistisch signifikanten Ausmaß anstei­
gen (Odds Ratio [OR] 1.64; 95 Prozent
Konfidenzintervall [KI] 1.05-3.57). Ob
dieser fertilitätsfördernde Effekt auch
über die untersuchte Dauer von zehn
Monaten hinaus anhält, ist unklar.
Der Nachweis der Effektivität der
chirurgischen Endometriosetherapie
zur Schmerzreduktion beruht eben­
falls auf einer schmalen Datengrund­
lage, wie eine weitere systematische
Litera­turübersicht der Cochrane Col­
laboration zeigt. Nur zwei RCTs lassen
:
verläss­liche Aussagen zu dieser
41
: Frage zu. Im Vergleich zu einer dia­
gnostischen Laparoskopie ist bei Frau­
en mit minimaler und mittelgradig
ausgeprägter Endometriose eine abla­
tive Therapie der Endometrioseherde
als Mittel zur Schmerzreduktion signi­
fikant effektiver (OR 4.97, 95 Prozent
KI 1.85,13.39). Heute gilt daher die
operative Therapie der Endometriose
als Methode der ersten Wahl zur Be­
handlung von Frauen mit endometri­
oseassoziierten Unterbauchschmerzen
und/oder Sterilität.
Laparoskopische Therapie der Endometriose
Der operative Zugang erster Wahl
zur chirurgischen Therapie der Endo­
metriose ist die Laparoskopie. Endo­
metrioseherde können exzidiert oder
durch Elektrokoagulation, Laser oder
Hitze destruiert werden. Ob eine die­
ser Methoden therapeutisch effektiver
ist als die anderen, ist nicht bekannt.
In einer nichtrandomisierten Studie
an 91 Frauen konnte hinsichtlich der
Schwangerschaftsrate kein Unterschied
zwischen Exzision und Elektroko­
agulation festgestellt werden. Auch
eine kleinere Studie mit 24 Teilneh­
merinnen konnte keinen Unterschied
in der Effektivität beider chirurgischen
Methoden als Schmerztherapie feststel­
len. Obwohl sich aus den vorliegenden
Studien keine klare Empfehlung ab­
leiten lässt, erhöht unserer Erfahrung
zufolge die Exzision aller sichtbaren
Herde die Radikalität des Eingriffes.
Alle erfahrene Operateure verwenden
daher trotz des höheren präparato­
rischen Aufwandes und der längeren
Operationsdauer meist die Exzision als
Methode der Wahl.
Chirurgische Sanierung von Endometriomen
Die ovarielle Endometriosezyste
wird als Endometriom oder aufgrund
des altblutigen bräunlichen Inhalts als
Schokoladezyste bezeichnet. Die me­
dikamentöse Therapie von Endometri­
42/43
omen ist nicht effektiv, die Aspiration
ist mit einer hohen Rezidivrate von 88
Prozent nach sechs Monaten assoziiert.
Therapie der Wahl ist daher die
chirurgische Exzision der Zyste. Die
Zystektomie des Endometrioms ist
mit einer signifikant geringeren Rezi­
divrate behaftet als die Fenestrierung
mit Koagulation des Zystengrundes. In
RCTs wird der Unterschied der Rezi­
divraten zwischen beiden Techniken
mit 57 Prozent versus 16 Prozent nach
zwei Jahren angegeben; die Schwan­
gerschaftsrate nach Zystektomie ist si­
gnifikant höher (60 Prozent versus 23
Prozent). Auch ist die Notwendigkeit
einer Re-Operationen signifikant sel­
tener gegeben (sechs Prozent versus 23
Prozent). Nach 24 Monaten zeigte sich
die Zystektomie in allen untersuchten
Parametern als die deutlich überlegene
chirurgische Methode (Dysmenorrhoe:
15,8 Prozent versus 52,9 Prozent; tie­
fe Dyspareunie: 20 Prozent versus 75
Prozent; Schmerzrezidive: zehn Prozent
versus 52,9 Prozent; rezidivfreies Inter­
vall: 19 Monate versus 9,5 Monate;
kumulative Schwangerschaftsrate: 66,7
Prozent versus 23,5 Prozent).
Eine laparoscopic uterine nerve ab­
lation (LUNA), also die Durchtren­
nung des Lee-Frankenhauser-Plexus
im uterusnahen Teil der Ligg. sacrou­
terina, reduziert bei Frauen mit chro­
nischen Unterbauchschmerzen ohne
Endometriose, nicht aber bei Frauen
mit Endometriose die Schmerzen be­
ziehungsweise Schmerzrezidive nach
zwölf Monaten in einem signifikanten
Ausmaß. Dies konnte in einer prospek­
tiv-randomisierten Studie an 123 Frau­
en nachgewiesen werden.
Chirurgische Therapie der tiefen rectovaginalen Endometriose
Die tiefe rektovaginale Endometri­
ose ist definiert durch die Präsenz eines
tumorartigen Endometrioseherdes mit
Infiltration der Tunica muscularis der
Vagina und/oder des Rektums. Bei
etwa zwei Drittel dieser Patientinnen
ist eine rektalchirurgische Intervention
notwendig. Vor allem in Spitälern, in
denen nicht permanent ein auf Rek­
tumchirurgie spezialisierter Chirurg
anwesend ist, kommt der präoperativen
Diagnostik daher eine große Bedeu­
tung zu. Bei bestehendem klinischen
Verdacht sind die Magnetresonanzto­
mographie und die Rektalsonographie
mit einer Sensitivität von 97 Prozent
und einer Spezifität von 96 Prozent
Methoden der Wahl. Die digitale rek­
tovaginale Palpation und die Rektosko­
pie haben dagegen eine deutlich gerin­
gere Aussagekraft.
In Abhängigkeit von der Ausdeh­
nung der Läsion erfolgt eine Teilre­
sektion des Fornix vaginae und eine
rektumerhaltende Exzision oder Rek­
tumteilresektion mit End-zu-EndAnastomose. Ziel der Operation ist
eine Resektion des gesamten Herdes
mit freien Resektionsrändern. In einer
Serie von 400 Patientinnen mit tiefer
rektovaginaler Endometriose konnte in
105 Fällen (26 Prozent) eine Mitbetei­
ligung der Rectumwand gefunden wer­
den, wobei in 39 Fällen (zehn Prozent)
eine Rektumteilresektion oder Sigma­
rektumresektion erforderlich war. In
einem Fall war eine Entlastungscolos­
tomie nötig.
Medikamentöse Therapie
der Endometriose
Die Östrogen-antagonistische The­
rapie mit Gestagenen ist die etablierte
Säule in der medikamentösen Schmerz­
therapie der Endometriose. Gestagene
wirken zentral antigonadotrop, verhin­
dern die retrograde Menstruation und
wirken lokal atrophisierend auf das En­
dometrium und bestehende Endomet­
rioseherde. Medroxyprogesteronazetat,
Levonorgestrel und Etonorgestrel sind
effektive Schmerztherapeutika bei Pati­
:
entinnen mit Endometriose.
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: Gestagene werden auch zur Reduk­
tion von Rezidiven nach einer Operati­
on eingesetzt. In einschlägigen Studien
wird die Häufigkeit von symptoma­
tischen Rezidiven und objektiven, das
heißt laparoskopisch gesicherten Rezi­
diven innerhalb von ein bis zwei Jah­
ren nach der Operation mit 20 bis 60
Prozent angegeben. Maßnahmen zur
Reduktion der Rezidivrate haben daher
eine hohe klinische Relevanz. Als ad­
juvante medikamentöse Therapeutika
kommen orale Kontrazeptiva, Gona­
dotropin-Releasing-Hormon (GnRH)Agonisten, Danazol, Aromatasehem­
mer, Levonorgestrel und Etonorgestrel
in Betracht.
GnRH-Analoga
GnRH-Analoga reduzieren bei 85
Prozent der Patientinnen Endomet­
riose-assoziierte Schmerzen. Etwa 80
Prozent klagen bei der Anwendung über
vasomotorische Symptome, 30 Prozent
über vaginale Trockenheit und Vagini­
tis, 30 Prozent über Kopfschmerzen.
Weiters ist eine signifikante Abnahme
der Knochendichte zu erwarten. Die
Kombination von GnRH-Analoga mit
einer Östrogen-Gestagen-Kombination
oder Tibolon im Sinn einer add-backTherapie erhöht die Lebensqualität der
Patientinnen signifikant und verhin­
dert eine Abnahme der Knochendichte,
ohne den Therapieerfolg zu beeinträch­
tigen; daher ist diese Vorgangsweise
grundsätzlich empfehlenswert. Das Ab­
warten bis zum Eintritt von klimakte­
rischen Symptomen mit dem Angebot
einer sekundären add-back-Therapie
senkt erfahrungsgemäß die Compli­
ance der Patientinnen deutlich. Klare
Studienaussagen zu dieser Fragestellung
existieren allerdings nicht.
Eine add-back-Therapie in Form
einer Gestagen- oder Östrogen-/Ges­
tagentherapie
(Medroxyprogestero­
nazetat 2,5mg/d; Norethisteronazetat
5mg/d; konjugierte equine Östrogene
0,625mg/d; Östradiol 25µg/d) oder Ti­
44
bolontherapie und eine Kalziumsubsti­
tution mit 1.000 mg/d reduzieren die
Nebenwirkungen der GnRH-Analoga
bei etwa 75 Prozent der Patientinnen.
Hohe Östrogendosen sind signifikant
weniger effektiv als niedrige Östrogen­
dosen. Die Abnahme der Knochen­
dichte wird durch eine add-back-The­
rapie signifikant reduziert, nicht aber
komplett ausgeglichen. Die Dauer der
GnRH-Analoga-Therapie liegt zwi­
schen sechs und zwölf Monaten. Nach
sechs Monaten ist eine Kontrolle der
Knochendichte empfehlenswert. Eine
Effektivität der Therapie bis zu 30 Mo­
naten ist in der Literatur beschrieben.
nicht als Mittel der ersten Wahl durch­
gesetzt. Allerdings scheint eine postope­
rative sequenzielle Therapie mit einem
GnRH-Analogon (Triptorelin 3,75mg)
für sechs Monate gefolgt von nied­
rig dosiertem Danazol (100mg/d) für
weitere sechs Monate einer alleinigen
adjuvanten GnRH-Analoga-Therapie
überlegen zu sein. Morgante et al. fan­
den im randomisierten Vergleich dieser
beiden Therapiemodalitäten bei 24 Pa­
tientinnen eine signifikante Reduktion
der Schmerzrezidive bei Frauen, die mit
der sequenziellen Kombination GnRHAnalogon + Danzol behandelt wurden
(44 Prozent versus 67 Prozent).
Eine adjuvante medikamentöse
Behandlung unmittelbar nach chi­
rurgischer Therapie der Endometriose
senkt die Rezidivrate und verlängert das
rezidivfreie Intervall. Eine systemati­
sche Literaturübersicht und Metaanaly­
se von elf Studien beschreibt eine signi­
fikante Verminderung der Rezidivrate
bei adjuvanter hormoneller Suppressi­
on. In der größten prospektiv-rando­
misierten Studie zu diesem Thema an
269 Frauen mit Endometriose (revised
American Fertility Society [rAFS] Score
II-IV) konnte gezeigt werden, dass eine
sechsmonatige adjuvante Therapie mit
Goserelin 3,6mg (Zoladex®) die Rate
an Schmerzrezidiven reduziert (23 Pro­
zent versus 36 Prozent) und das rezi­
divfreie Intervall signifikant verlängert.
Diese Studie legt nahe, dass die Dauer
der adjuvanten Therapie mindestens
sechs Monate betragen sollte. Kürzere,
dreimonatige Therapieschemata mit
adjuvanten GnRH-Analoga haben hin­
gegen keinen nachweisbaren Einfluss.
Orale Kontrazeptiva
Danazol
Danazol ist durch seine androgenen
und antiöstrogenen Eigeschaften als
Schmerztherapeutikum bei Patien­
tinnen mit Endometriose wirksam.
Aufgrund seiner Nebenwirkungen
(Akne, Hirsutismus, Libidoverlust, Me­
trorrhagie) hat sich Danazol allerdings
Die kontinuierliche Gabe von nie­
drigdosierten monophasischen Kombi­
nationspräparaten aus Ethinylöstradiol
und einem Gestagen für sechs bis zwölf
Monate reduziert die Schmerzen bei 60
bis 95 Prozent der Betroffenen. Eine
zyklische Verabeichung oraler Kontra­
zeptiva im 21-Tagesrhythmus ist nicht
empfehlenswert und signifikant we­
niger effektiv als eine kontinuierliche
Gestagentherapie, beispielsweise mit
150mg Medroxyprogesteronazetat alle
drei Monate.
Levonorgestrel-Intrauterinpessar
Vercellini et al. konnten in einer
RCT an 40 Patientinnen zeigen, dass
die adjuvante postoperative Therapie
mit Levonorgestrel in Form eines Intra­
uterinpessars die Rate an neuerlichen
Episoden von Dysmenorrhoe und
Dyspareunie signifikant senken kann;
weiters wurde die Patientinnenzufrie­
denheit deutlich steigert. Innerhalb
eines Jahres kam es bei neun von 20
Frauen ohne weitere Therapie zu mit­
telgradiger oder schwerer Dysmenor­
rhoe, während dies nur bei zwei von 20
Frauen mit Spirale der Fall war. In einer
weiteren Studie konnte gezeigt werden,
dass auch die Rate an Meno-Metror­
rhagien bei Frauen mit Endometriose
durch Insertion einer Levonorgestrel-
› österreichische ärztezeitung ‹ 18 ‹ 25. september 2006
DFP - Literaturstudium
Spirale gesenkt werden kann. Eine an­
dere Arbeitsgruppe konnte bestätigen,
dass die Dyspareunie von Frauen mit
rektovaginaler Endometriose gut auf
die Behandlung mittels Levonorgestrel­
spirale anspricht.
In einer weiteren kleinen Studie an
25 Frauen mit symptomatischer Endo­
metriose und einem mittleren Alter von
30 Jahren konnte eine britische Arbeits­
gruppe zeigen, dass eine sechsmonatige
Therapie mit der Levonorgestrelspirale
zu einer signifikanten Schmerzredukti­
on und in der Mehrzahl der Fälle auch
zu einer Reduktion des Stadiums der
Erkrankung führte. Dabei wurden die
Ergebnisse der diagnostischen Laparo­
skopie am Beginn der Studie mit einer
second look-Laparoskopie nach sechs
Monaten verglichen. Insgesamt zeigen
diese Daten, dass die LevonorgestrelSpirale für Patientinnen mit Endomet­
riose und dem Wunsch nach Langzeit­
kontrazeption eine empfehlenswerte
Therapie ist.
Endometriose und
in vitro Fertilisation (IVF)
Endometriose ist mit einer redu­
zierten Fertilität assoziiert. Bei Pati­
entinnen mit chirurgisch behandelter
Endometriose und geplanter IVF ist
eine zumindest dreimonatige adjuvante
Therapie mit GnRH-Analoga empfeh­
lenswert. Surrey et al. konnten in einer
RCT an 51 Patientinnen zeigen, dass
in der Gruppe mit adjuvanter Thera­
pie vor IVF im Gegensatz zu einer un­
mittelbar auf die Operation folgenden
IVF-Behandlung signifikant höhere
Schwangerschaftsraten (biochemische
und klinische Schwangerschaften) er­
zielt wurden (80 Prozent versus 54
Prozent). Auch Rickes et al. konnten in
einer RCT an 110 Frauen mit schwerer
Endometriose eine verbesserte Schwan­
gerschaftsrate durch eine sechsmonatige
adjuvante GnRH-Analoga-Therapie
vor IVF erreichen. Im randomisierten
Vergleich zwischen einer hochdosierten
adjuvanten Danazoltherapie (800mg/
d) über drei Monate erreichte eine
dreimonatige GnRH-Analoga-Thera­
pie ebenfalls eine signifikant höhere
Anzahl an Oozyten nach Punktion und
Embryos pro Zyklus; die Schwanger­
schaftsrate war in beiden Therapiear­
men gleich.
Eine bestehende Hydrosalpinx hat
wahrscheinlich aufgrund eines Rück­
flusses von Tubenflüssigkeit in das Ca­
vum uteri einen negativen Einflusses auf
die Implantation und die Spermienmo­
tilität und damit einen negativen Ein­
fluss auf die IVF-Erfolgsraten. In einer
Meta-Analyse von 5.569 IVF-Zyklen
mit und 1.144 IVF-Zyklen ohne Hy­
drosalpinx war die klinische Schwan­
gerschaftsrate um 50 Prozent geringer
und die Abortrate um etwa zwei Drittel
höher. Eine bestehende Hydrosalpinx
kann vor einer geplanten IVF-Behand­
lung entfernt werden, da diese Maß­
nahme zu einer signifikanten Verbes­
serung der Schwangerschaftsraten (OR
1.75; 95 Prozent; KI 1.07-2.86) und
der Lebendgeburtenrate (OR 2.13; 95
Prozent; KI 1.24-3.65) führt, wie in
einer Cochrane Meta-Analyse von drei
randomisierten Studien nachgewiesen
werden konnte.
Therapeutische Perspektiven
Der Aromatasehemmer Anastrozol
ist in vereinzelten Fallberichten bei präund postmenopausalen Frauen mit
therapieresistenter Endometriose ein­
gesetzt worden. So berichten Shippen
et al. von einer erfolgreichen Anwen­
dung von Anastrozol 1mg/d über sechs
Monate bei zwei Patientinnen oder
Takayama et al. von einer neunmona­
tigen erfolgreichen Behandlung einer
Patientin mit mehrfach rezidivierter,
therapieresistenter Endometriose. Auch
die Kombination von GnRH-Analoga
und dem Aromatasehemmer Anastro­
zol verspricht eine Verbesserung der
› österreichische ärztezeitung ‹ 18 ‹ 25. september 2006
adjuvanten Therapie durch eine signi­
fikante Reduktion der Rezidivrate (sie­
ben Prozent versus 35 Prozent über 24
Monate) sowie eine signifikante Ver­
längerung des mittleren rezidivfreien
Intervalles. Anzuführen ist jedoch,
dass Anastrozol in dieser Indikation
nicht zugelassen ist und eine chefärzt­
liche Bewilligung beantragt werden
muss. Experimentelle Therapeutika,
die eventuell in den nächsten Jahren
klinische Bedeutung erlangen werden,
sind Progesteronantagonisten wie Mi­
fepriston und Onapriston, selektive
Progesteronrezeptor-Modulatoren und
anti-inflammatorische Substanzen wie
Leukotrienrezeptor-Antagonisten oder
9
Pentoxifyllin. Literatur bei den Verfassern
*) Univ. Prof. Dr. Fritz Nagele, Abteilung für
Frauenheilkunde und Geburtshilfe/Goldenes
Kreuz Privatklinik. Lazarettg. 16-18, 1090
Wien
Dr. Clemens Tempfer, Universitätsklinik für
Frauenheilkunde Wien/Klinische Abteilung für
gynäkologische Endokrinologie und Sterilitätsbehandlung, Währinger Gürtel 18-20, 1090
Wien; Tel.: 01/40 400/28 13; Fax-DW 27 87;
E-Mail: [email protected]
Lecture board:
Univ. Prof. DDr. Johannes Huber
Univ. Prof. Dr. René Wenzl
Univ.Prof. Dr. Christine Kurz
Alle: Universitätsklinik für Frauenheilkunde/Abteilung für gynäkologische Endokrinologie und
Sterilitätsbehandlung; Medizinische Universität Wien
Herausgeber:
Universitätsklinik für Frauenheilkunde, Abteilung für gynäkologische Endokrinologie und
Sterilitätsbehandlung, Medizinische Universität Wien
Diesen Artikel finden Sie auch im Web unter
www.arztakademie.at/ls
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