„Das sind Gäste, keine Bittsteller“

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„Das sind Gäste, keine Bittsteller“
KULTUR / SZENE LEIPZIG
Seite 12
Sonnabend / Sonntag, 5./6. Januar 2013
Gewandhaus
Das Phänomen ist bekannt und nicht
selten heiß diskutiert: Saisonende. Sale
– früher hieß das Schlussverkauf. Gern
wirbt man mit zwei Produkten zum
Preis von einem. Verlockend, so lange
man nicht ins Verhältnis setzt, welche
Herstellungskosten das voraussetzt.
Und nicht nur in Einzelfällen soll man
über eine solche Rechnung ja Rückschlüsse auf die Qualität ziehen können. Man sagt, es gebe Produkte, die
extra für solche Ramschaktionen hergestellt werden.
Warum soll es da solche Phänomene
nicht auch auf dem Kunstmarkt geben?
Irgendwie gibt es die ja auch. Die HochZeit von Beethovens Neunter geht zu
Ende. Man kennt das schon: Wer in
Leipzig lange genug wartet, bekommt
ein Schnäppchenpaket geschnürt. Auf
die Neunte noch eins drauf – Orffs
„Carmina Burana“. Die Tschechischen
Symphoniker Prag, der Prager Opernchor, ein rühriger Dirigent namens Petr
Chomczák und wechselnde Solisten
machen das schon seit Jahren möglich.
Mit Erfolg, wenn auch das Gewandhaus am Donnerstagabend nicht ganz
so voll war, wie bei manch anderem
Angebot.
Letztlich weiß man ja, dass nichts so
missraten sein kann, dass man es nicht
am Ende wenigstens noch als Bluse
oder Hose erkennt. Ausfransende Nähte – klar. Fehlende Säume – auch. Aber
es sind nicht Hosenbeine an Ärmellöchern befestigt. Dafür haben diejenigen, die hier produzieren, zu viel Erfahrung. Und letztlich so richtig
auffallen können die Mängel ja eh nur
im Vergleich.
Warum sollte das bei Musikverramschung mit Eventcharakter anders
sein. Intonationsprobleme – klar. Sonderbare Ungereimtheiten beim Tempo.
Doch man erkennt die Neunte schon.
Und die „Carmina Burana“ haben sogar richtig schöne Momente. Auch auf
diesem Markt braucht man Erfahrung.
Petr Chromczák hat sie und bringt sein
Publikum zum Rasen.
Doch der größte Vorteil beim Kulturschnäppchen: Klang ist flüchtig. Ein
„Monument der Klassik“ muss nicht
wenigstens drei Wäschen überstehen.
Die Erinnerung macht das schön, was
das Wechselspiel von Ohr und Hirn
noch nicht zurechtgerückt hat. Und
dann ist man bereit fürs nächste Jahr,
wenn wieder Schnäppchenjagd angesagt ist. Manche sollen ja auch schon
einmal Glück gehabt und tatsächlich
zwei Designerhemden zum Schnäppchenpreis erwischt haben.
Tatjana Böhme-Mehner
Comeback für indische
Avantgarde in Dessau
Dessau-Roßlau (dpa). Eine Ausstellung
des Bauhauses aus dem Jahr 1922 erlebt
ihr Comeback: Unter dem Motto „Laboratorium Transkultureller Avantgarde. Das
Bauhaus in Kalkutta“ wird ab 27. März
eine große Schau erneut gezeigt, die vor
90 Jahren in Indien zu sehen war. „In der
Zeit um 1920 gab es unter den deutschen
Intellektuellen eine große Begeisterung
für Indien“, sagte gestern der Direktor der
Stiftung Bauhaus Dessau, Philipp Oswalt.
Die Schau zeige Werke von Bauhauskünstlern, etwa Wassily Kandinsky und
Paul Klee, sowie Bilder indischer Maler
wie Gagenendranath Tagore.
Die „Kleine Hexe“
künftig ohne „Neger“
Berlin/Stuttgart (epd). Der Kinderbuchklassiker „Die kleine Hexe“ von Otfried
Preußler wird künftig ohne diskriminierende Begriffe wie „Negerlein“ und „Neger“ erscheinen. „Wir werden alle unsere Klassiker durchforsten“, kündigte
Klaus Willberg vom Stuttgarter Thienemann Verlag in der Berliner „taz“ an.
Nur wenn Bücher an den sprachlichen
und politischen Wandel angepasst werden, blieben sie zeitlos. Thienemann
folgt damit dem Beispiel des Verlags
Friedrich Oetinger aus Hamburg.
KULTUR KOMPAKT
Der Kinderbuchklassiker „Die kleine
Hexe“ von Otfried Preußler wird künftig
ohne diskriminierende Begriffe wie „Negerlein“ und „Neger“ erscheinen. „Wir
werden alle unsere Klassiker durchforsten“, kündigte Klaus Willberg vom Stuttgarter Thienemann Verlag in der Berliner
„tageszeitung“ an.
Die Thüringer Landeshauptstadt Erfurt
wirbt mit einer Ausstellung in Israel für
ihre jüdischen Bauten aus dem Mittelalter. Die Schau werde an diesem Sonntag
während einer internationalen Tagung an
der Universität Tel Aviv eröffnet.
Die Festspielstadt Bayreuth startet ins
Wagner-Jubiläumsjahr – aber ohne Pathos
und schweren Klang. Die Stadt hat vielmehr ein Comedy-Programm in Auftrag
gegeben. Uraufgeführt wird das Werk „Hojotoho“ an diesem Sonntag vom Wiener
Blechbläser-Ensemble „Mnozil Brass“.
Mehr als 40 Städte im Südwesten
Deutschlands werden in diesem Jahr mit
vielfältigen Veranstaltungen an das Herrschergeschlecht der Wittelsbacher erinnern. Höhepunkt des Wittelsbacherjahres
soll eine gemeinsame Ausstellung der
Länder Baden-Württemberg, Hessen und
Rheinland-Pfalz in Mannheim werden.
Foto: dpa
Sinfonische
Schnäppchen
aus Prag
Adriano Celentano 1981 im Bett mit Ornella Muti (Gib dem Affen Zucker, im Original: Innamorato pazzo)
E
ine schöne Frau steht tropfnass vor
der Haustür eines Junggesellen. Sie:
„Würden Sie mich bitte reinlassen? Hier
draußen regnet’s.“ Er: „Hier drinnen
nicht.“ Eine Szene aus „Der gezähmte
Widerspenstige“ (1980) – in den Hauptrollen: Ornella Muti und Adriano Celentano. Abgesehen davon, dass die Dame den
Herrn nicht nur im Film, sondern auch
im Privatleben dann doch noch rumgekriegt hat (oder er sie), sagt diese Szene
viel aus über den italienischen Schauspieler, Sänger, Regisseur und Moderator
Celentano, der am morgigen Sonntag 75
Jahre jung oder alt wird.
Der Mann im Film und Celentano selbst
sind Prototypen des italienischen Machos.
Das beginnt schon bei dem oft zitierten
Satz: „Ich bin sympathisch. Und das wirkt
schöner. Man muss nur an sich glauben!“
Daraus sprechen Selbstbewusstsein und
Foto: mpi
„Man muss nur an sich glauben
Adriano Celentano feiert seinen 75. Geburtstag
Lässigkeit. Diese setzt sich fort in seiner
Stimme und seinen Songs. Beide sind,
nun ja, ziemlich einmalig. Seine Hits sind
oft genug eher schlicht, und dennoch singen Millionen – nicht nur in Italien – seit
Jahrzehnten Celentanos Klassiker „Azzurro“. Die Stimme knarzig und knorrig
wie ein achtjähriger Fiat auf einem Feldweg in der Toskana. Irgendwie ist dieser
Mann in seiner ganzen Zwiespältigkeit
komisch. Aber eben auch authentisch.
Celentano lässt sich gerne rumkriegen.
1980 funkte es privat zwischen ihm und
Ornella Muti. Und das, obwohl der Mann
mit dem schütteren Haupthaar zu diesem
Zeitpunkt schon seit 14 Jahren verheira-
tet war und drei Kinder hatte. Und was
macht Celentano? Geht in die Offensive
und bittet in aller Öffentlichkeit seine Familie um Verzeihung. Passt zum zweiten
Erfolgsfilm mit Muti: „Gib dem Affen Zucker!“ (1981). Wieder eine windelweiche
Komödie voller Klamauk. Aber was soll’s?
Celentanos Karriere wurde seit eh und je
belächelt: Und das, obwohl er in einem
der großen europäischen Filmklassiker
mitspielte, in Fellinis „La dolce vita“. Er
ist der Rocksänger, der so bewegungslos
sein Programm abspult, dass es schon
wieder irritierend komisch ist.
Für Irritationen sorgte Celentano immer. Das ging schon damit los, dass er in
der fünften Klasse die Schule verließ und
in die Fußstapfen seines Vaters trat. Als
Uhrmacher. Erste Versuche als Komiker
und Imitator in Mailänder Kabaretts,
1956 die Gründung seiner Band „I Rock
Boys“, 1957 Beginn seiner Solokarriere.
Durch seinen ersten Erfolg, der Nummer
„Il tuo bacio é come un rock“, wurde Fellini auf den 19-Jährigen aufmerksam.
Auch wenn Celentano hierzulande als
Musiker und Schauspieler bekannt wurde: Seine eigentliche Begabung ist die des
Fernseh-Entertainers. Da ist er ganz in
seinem Element, hatte als eine Art italienischer Gottschalk mit politischem Biss
brillante Auftritte und Quoten. In Italien
„Das sind Gäste, keine Bittsteller“
Kulturloge Leipzig vermittelt Freikarten für Veranstaltungen an sozial Schwache
Sie trudeln immer wieder ein, die begeisterten Mails. „Es war ein wunderschöner Abend, den ich ohne Ihre Hilfe
nicht erlebt hätte“, bedankte sich eine
Besucherin, die eine Vorstellung im
Krystallpalast Varieté sah. Adressat
der Nachricht: die Kulturloge Leipzig,
eine Initiative, die es Minimalverdienern und Arbeitslosen ermöglicht,
Leipziger Kultur kostenlos zu genießen.
Von MARK DANIEL
Das Prinzip ist denkbar unkompliziert:
Kultureinrichtungen stellen von vornherein Karten bereit oder geben nicht verkaufte Tickets ab. „Davon haben alle etwas“, erläutert Angela Seidel, die
zusammen mit Oliver Reiner die Initiative gegründet hat: „Sozial Benachteiligte
können sich Programme oder Shows ansehen – und unsere Partner haben ein
gut besuchtes Haus.“
Gering- oder Nichtverdiener bekommen außerdem die Möglichkeit, die in
ihrer Situation schnell entstehende Isolation zu durchbrechen und weiter am
gesellschaftlichen Leben Leipzigs teilhaben zu können. „Wir können dadurch
auch Interesse für Kulturveranstaltungen
wecken oder wieder beleben“, merkt
Seidel an.
Gast der Kulturloge kann jeder werden,
dessen Einkommen pro im Haushalt lebender Person die Grenze von 900 Euro
nicht übersteigt und der beispielsweise
Wohngeldbescheid, Leipzig-Pass, ALG-II-
Etablieren die Kulturloge: Angela Seidel und Oliver Reiner.
oder ALG-I-Bescheid nachweisen kann.
Die Dokumente können vorbeigebracht
oder als Scan gemailt werden. Ein Jahr
ist man Kulturlogen-Gast, die Anmeldung
kann unkompliziert verlängert werden.
Ganz wichtig ist Reiner und Seidel:
„Wer die Freikarten erhält, ist kein Bittsteller, sondern gern gesehener Gast,
dessen Name wie alle anderen auch auf
der Kartenliste an der Abendkasse vermerkt ist.“ Für Logistik und Kommunikation zwischen Kulturloge und Nutznießern stellt Oliver Reiner, Chef des
soziokulturellen Zentrums Die Villa, einen Raum, Bürobedarf und die Technik
zur Verfügung.
Das Vorbild für das Engagement lieferte die Kulturloge in Berlin, von der Oliver
Reiner Wind bekam und schnell Mitstreiter für Leipzig suchte. In der Haupt-
Foto: Wolfgang Zeyen
stadt sind mittlerweile 5000 Kulturinteressierte angemeldet, etwa 20 000
Karten wurden an Frau und Mann gebracht. Das Leipziger Team, das seine
Arbeit im Mai 2012 aufnahm, besteht
aktuell aus zehn ehrenamtlichen Mitarbeitern. Rund 200 Kulturinteressierte
haben sich inzwischen als Gäste angemeldet, mehr als 600 Tickets wurden
vermittelt. „Manchmal kann es zeitlich
sehr knapp werden“, berichtet Seidel,
„wird erst ein paar Stunden vor der Vorstellung ein Ticket zur Verfügung gestellt,
ist Flexibilität gefragt.“
Zu den Partnern der Loge gehören inzwischen das Neue Schauspiel Leipzig,
Theater der Jungen Welt, Gewandhaus,
Centraltheater, Moritzbastei, Schaubühne Lindenfels, Kulturfabrik Werk 2, Lindenfels Westflügel und viele andere. Die
Zahl wächst rasant, gerade spendierte
das Neujahrssingen 20 Karten für die
Show gestern Abend im Anker.
„Ich finde das Engagement unserer
ehrenamtlichen Kulturvermittler beeindruckend und bin ihnen sehr dankbar“,
betont Reiner. Eine Umfrage unter Gästen habe ergeben, dass die meisten zuvor noch nie in der jeweils besuchten
Location waren – „es funktioniert also,
die Kulturloge bringt neue Gäste in Kultureinrichtungen“.
Kooperiert wird unter anderem mit
der Kirchlichen Erwerbsloseninitiative,
der gemeinnützigen Schuldnerberatung,
Bibliotheken und vielen sozialen Einrichtungen. Diese Partner stellen die Verbindung zu potenziellen Freikarten-Empfängern her, die dann persönlich via
Telefon kontaktiert werden.
Natürlich benötigen die ehrenamtlichen Logen-Betreiber für die Aufrechterhaltung des Organisations-Apparats
auch Spenden, nötiger denn je bei wachsendem Aufwand. „Für eine gerechte
Vermittlung von so vielen Tickets brauchen wir dringend eine ordentliche Software, in der alle Infos zusammenlaufen“,
sagt Reiner. Die gibt es zwar, kostet aber
1500 Euro. Dafür sucht die Kulturloge
einen Sponsor.
Angetrieben vom großen Zuspruch
will und wird das Team auf jeden Fall
weitermachen. Es braucht nur eine von
zahlreichen Dankes-Mails aufzutauchen
– „das reicht, um alle hier zu motivieren“, so Angela Seidel.
www.kulturloge-leipzig.de
Adriano Celentano 2012 in San Remo.
kann sich jeder an seine RAI-Show „Fantastico“ erinnern, die Ende der 80er startete. Celentano sprach über alles, kritisierte Politiker, plädierte für Atomausstieg
und gegen Umweltzerstörung. Die Fernsehmacher waren jeden Samstag Gefühlsschwankungen unterlegen: Wann kommt
die nächste Strafanzeige? Fordert Celentano wieder das Publikum auf, den Fernseher „für den Frieden“ fünf Minuten
lang abzuschalten?
Im Februar 2012 erst schimpfte Celentano beim Festival in San Remo massiv
gegen die katholische Presse und den
Verfassungsgerichtshof seines Heimatlandes. Erstere spreche dauernd von Politik und nicht von Gott, Letzterer hatte
zuvor ein Volksbegehren zur Änderung
des Wahlrechts abgeschmettert. 14 Millionen Zuschauer saßen begeistert vor
ihren Fernsehern.
Karl Brand
SZENE-TIPPS
Nüscht: Die Band, die heute im Flowerpower auftritt, nennt sich Nüscht, bietet aber sicher alles – nämlich so genannten Drunkpunk. Los geht es gegen
22 Uhr, der Eintritt ist wie immer frei.
Eine Menge: Das Basamo veranstaltet
heute eine Happy New Year Party –
mit Buffet, Trommler und DJs. Beginn
ist 19 Uhr.
Alles: Das Dostojewski-Stück „Schuld
und Sühne“ läuft heute in der Skala –
20 Uhr, Karten an der Abendkasse.
Einiges: Das „Humoristische ManniFest“ präsentiert heute Thomas Störel
im Kabarett Sanftwut – Solokabarett
ab 20 Uhr, Kartentelefon 0341
9612346.
Weitere Hinweise auf der Service-Seite
Leipzig Live und im Internet unter
www.leipzig-live.com
Dernièren im
Grünauer Theatrium
Weil neue Stücke Platz im Spielplan des
angelaufenen Jahres brauchen, zeigt
das Theatrium in Grünau im Januar
zwei Produktionen zum letzten Mal –
das Stück „3:1“ am 11. Januar (20 Uhr)
ebenso wie das Kindertheaterprojekt
„Ist doch logisch…!?“ am 12. und 13.
Januar (jeweils 16 Uhr). Das erste Jugendtheaterprojekt des Theatriums feiert im April Premiere.
r.
GKarten
für die Vorstellungen gibt es unter
Telefon 0341 9413640 oder theatrium@
gmx.de, weitere Infos stehen auf www.theatrium-leipzig.de.
Doppeltes Zukunftsversprechen
Oper Leipzig und Deutscher Musikrat vergeben heute Abend in der MuKo den 11. Operettenpreis für junge Dirigenten
Roland Seiffarth tigert auf der Probebühne der Oper herum, verzieht das Gesicht,
hält sich noch knapp zurück, um dann
kopfschüttelnd doch zu unterbrechen.
„Ollendorf ist wutentbrannt! Noch mal
von vorn! Wenn sich das Ganze so dahinschleppt, werde ich wahnsinnig.“ Das
hätte man ihm auch so angesehen.
Mitleid mit dem jungen Mann auf dem
Podest ist aber fehl am Platz: Zum elften
Mal bietet sich für fünf hochbegabte Jungdirigenten die große Chance, unter der
strengen, aber nie demütigenden Leitung
von MuKo-Ehrendirigent Seiffarth an fünf
intensiven Tagen in die scheinbar leichte
Welt der Operette einzutauchen. Zusammen mit dem MuKo-Orchester und Solisten feilen Seokwon Hong, Daniele Squeo,
Sergey Simakov, Christian Weidt und Vladimir Yaskorski an einem Repertoire mit
den schönsten Operetten-Hits und -Ouvertüren. Was die hoffnungsvollen Talente heute Abend daraus letztlich zu dirigieren haben, wissen sie bis kurz vor dem
Konzert noch nicht.
Der Operettenwettbewerb in der MuKo
hat sich in den letzten Jahren zu einer
national bedeutenden Institution gemausert. Der Gewinner, der von einer hochkarätigen Fach-Jury gekürt wird, darf bei
dern. Noch nie habe er Operette so richtig
aus einem Orchestergraben dirigiert, sagt
Weidt. „Und schon gar nicht mit einem so
professionellen Orchester.“ Er fühlt sich
sichtlich wohl, auch deshalb, weil das
MuKo-Ensemble die jungen Talente bereitwillig mit professioneller Ernsthaftigkeit unterstützt und trägt.
Sergey Simakov, Seokwon Hong, Roland Seiffarth, Christian Weidt, Vladimir Yaskowski und Daniele Squeo.
einer Produktion der MuKo assistieren
und eine Vorstellung dirigieren. Dieser
Preis habe sich in der Vergangenheit
schon oft als Sprungbrett erwiesen, das
Interesse am Wettbewerb sei unter den
Studierenden folglich riesig, sagt Andrea
Meyer-Borghardt, Projektleiterin des Dirigentenforums im Deutschen Musikrat.
„Viele der Wettbewerbsgewinner haben
danach Karriere gemacht.“ Zusätzlich
zum Hauptpreis wird wie jedes Jahr auch
der LVZ-Publikumspreis verliehen.
Entsprechend konzentriert und angespannt sind die jungen Dirigenten bei der
Sache, immer mit dem wallenden Seiffarth im Nacken. Jedem bleiben nur jeweils knappe 20 Minuten Zeit, sich aus-
zuprobieren, dann kommt schon der
nächste aufs Podium.
Beim Duett Nr. 11 aus „Gräfin Mariza“
von Emmerich Kálmán huscht Seiffarth
ein Lächeln über die Lippen: „Das war
beachtlich gut, ich bin überrascht! Das ist
ein schweres Stück.“ Wie schwer die kleine Schwester der Oper tatsächlich zu
bändigen ist, unterstreicht Christian
Weidt, einer der fünf Kandidaten: „Die
Herausforderung besteht darin, die
Selbstverständlichkeit, die natürliche
Leichtigkeit dieses Genres in das Orchester zu tragen. Da braucht es als Dirigent
neben technischer Präzision auch sehr
viel Körpersprache und Mimik“.
Wer also über die üblichen Klischees
Foto: Tom Schulze
hinweg mal genau hinhört, der merkt,
wie filigran da gearbeitet werden muss,
um die angestrebte Leichtigkeit hinzukriegen. Etwa in Robert Stolz’ „Du sollst
der Kaiser meiner Seele sein“ aus „Der
Favorit“: Da wird verzögert, beschleunigt
und so leidenschaftlich-lasziv gestrichen,
dass beinahe die Hörner schmelzen. Und
wer den anschließenden Kommentaren
Seiffarths lauscht, dem wird klar, wie viel
Wissen da zwischen den Noten steht.
Dass die leichte Muse verpönt ist, mache sich leider auch im Studium bemerkbar, die Operette komme bei der Ausbildung oft zu kurz, sagt Meyer-Borghardt.
Dieses Manko versucht das Dirigentenforum mit dem Operettenworkshop abzufe-
Es ist eine Freude, dabei zuzusehen, wie
mit dem Workshop zwei musikalische Erbteile gepflegt werden: Das Operetten-Repertoire, das das MuKo-Ensemble nebst dem
der Dresdner Staatsoperette als letztes professionelles Orchester in Deutschland mit
Leib und Seele pflegt, strotzt nur so vor Vitalität im Workshop. Im Zusammenhang
mit den Jungdirigenten bildet dies ein doppeltes Versprechen für die Zukunft. Zu hören sind Ohrwürmer unter anderem aus
den Werken von Johann Strauß, Carl Millöker, Emmerich Kálmán oder Franz Lehár.
Was genau, bleibt bis heute Abend das Geheimnis der Organisatoren. Die Solisten
sind Judith Kuhn, Verena Barth-Jurca, Radoslaw Rydlewski, Andreas Rainer und Fabian Egli. MDR Figaro überträgt live.
Andreas Ruf
Gheute, Samstag, 19.30 Uhr, Musikalische Komödie, Restkarten unter Tel. 0341 1261261
oder Abendkasse

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