Aktuelle Informationen zum Jugendschutz
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Aktuelle Informationen zum Jugendschutz
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, mit der zweiten Ausgabe "Aktuelle Informationen zum Jugendschutz" in diesem Jahr wollen wir Sie wieder über aktuelle Entwicklungen im Jugendschutz auf dem Laufenden halten. Recht Spielhallen, Wettbüros und Spielbanken Nach § 6 Abs. 2 des Jugendschutzgesetzes (JuSchG) ist die Teilnahme von Minderjährigen an Spielen mit Gewinnmöglichkeit verboten. Allerdings ist in diesem Absatz keine Regelung getroffen worden, die Minderjährigen die Anwesenheit in Räumen untersagt, in denen Glücksspiele durchgeführt werden. Ein solches Verbot der Anwesenheit hat der Gesetzgeber nur für solche Räume vorgesehen, die eine Spielhalle sind oder vorwiegend dem Spielbetrieb dienen (§ 6 Abs. 1 JuSchG). Im Jugendschutzgesetz selbst sind die Begriffe „Spielhalle“ oder „vorwiegend dem Spielbetrieb“ dienend, nicht definiert. Nach Sebastian Gutknecht und Sigmar Roll in Nikles u.a., Jugendschutzrecht 2011, folgt der Begriff der Spielhalle dem Spielhallenbegriff des § 33 i GewO: § 33i Spielhallen und ähnliche Unternehmen (1) Wer gewerbsmäßig eine Spielhalle oder ein ähnliches Unternehmen betreiben will, das ausschließlich oder überwiegend der Aufstellung von Spielgeräten oder der Veranstaltung anderer Spiele im Sinne des § 33c Abs. 1 Satz 1 oder des § 33d Abs. 1 Satz 1 dient, bedarf der Erlaubnis der zuständigen Behörde. Die Erlaubnis kann mit einer Befristung erteilt und mit Auflagen verbunden werden, soweit dies zum Schutze der Allgemeinheit, der Gäste oder der Bewohner des Betriebsgrundstücks oder der Nachbargrundstücke vor Gefahren, erheblichen Nachteilen oder erheblichen Belästigungen erforderlich ist; unter denselben Voraussetzungen ist auch die nachträgliche Aufnahme, Änderung und Ergänzung von Auflagen zulässig. Unabhängig von der Bezeichnung ist eine Spielhalle ein gewerblicher Betrieb, dessen Schwerpunkt in der Bereitstellung von Spielgeräten liegt… Vom Begriff umfasst sind auch spielhallenähnliche Unternehmen wie Spielkasinos, die der Veranstaltung von Spielen dienen (…). Nach dieser Definition sind allerdings Wettbüros oder Lotto-Annahmestellen keine Spielhallen im Sinne § 6 Abs. 1 JuSchG. Nach § 7 JuSchG kann jedoch die Anwesenheit von Kindern oder Jugendlichen dort untersagt werden. Auch staatliche Spielbanken werden nicht vom § 6 Abs. 1 erfasst. Hier gelten jedoch die Aufenthaltsverbote der jeweiligen Spielbankengesetze der Länder. Grenzen der Selbstbestimmung Körperschmuck und Kosmetik von Kindern und Jugendlichen bei Seit den 1990er Jahren haben Tattoos und Piercings bei Minderjährigen erheblich an Popularität gewonnen. Der Zenit dieser Entwicklung scheint überschritten, geweitete Ohrlöcher (Flesh Tunnel) erleben allerdings derzeit eine Blütezeit. An die Jugendämter und das BLJA werden von besorgten Eltern - aber auch von Gewerbetreibenden - immer wieder Fragen herangetragen, ob es nach dem Jugendschutzgesetz Verbote oder zumindest altersbedingte Einschränkungen für Piercing, Tätowierung und kosmetische Behandlungen gibt. Das Landesjugendamt bewertet, in Abstimmung mit dem StMAS die verschiedenen Sachverhalte wie folgt: Piercing und Tätowierung als Körperschmuck Der Gesetzgeber hat die Problematik von Körperschmuck im Jugendschutzgesetz bislang nicht aufgegriffen. Einschlägig ist allerdings das Strafrecht. Beim Herstellen eines Piercings und eines Tattoos handelt es sich bestandsmäßig um gefährliche Körperverletzungen (§ 224 StGB), da hier gefährliche Werkzeuge zum Einsatz kommen. Das Gesetz sieht daher eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen von drei Monaten bis zu fünf Jahren vor. Eine wirksame Einwilligung rechtfertigt einen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit. Die Einwilligung kann jedoch unwirksam sein, wenn sie aufgrund von Willensmängeln erteilt worden ist (Täuschung, Drohung, Zwang) oder sittenwidrig ist (§ 228 StGB). Auch eine unzureichende Aufklärung (Verletzung der Aufklärungspflicht) über die mit dem Eingriff verbundenen Risiken führt zur Unwirksamkeit der Einwilligung. Die Rechtsprechung der Strafgerichte hat für kosmetische Operationen Grundsätze aufgestellt, die auf die Anfertigung von Tattoos und Piercings übertragbar sind. Soweit der Eingriff nur einen ästhetischen Zweck hat, werden erhöhte Anforderungen an die Aufklärung über eventuelle nachteilige Folgen gestellt (BGH, 05.07.2007, NStZ 2007, 340). Wie bereits eingangs ausgeführt, kommt es bei Minderjährigen auf die hinreichende Einsichtsfähigkeit in die Folgen des Eingriffs an. Maßgeblich sind also vor allem das Alter und die Reife der Kinder und Jugendlichen. Dabei ist auch zu fragen, ob der oder die Minderjährige sich nicht in erster Linie durch Gruppendruck oder medial vermittelte Schönheitsideale zu dem Eingriff genötigt sieht. Dabei ist die Schwere des Eingriffs zu berücksichtigen. Angesichts dieser weitgehenden Anforderungen ist zu bezweifeln, dass Minderjährige in der Lage sind, die mit dem Eingriff verbundenen schwerwiegenden Gesundheitsgefahren, berufliche Risiken und ggf. finanzielle Folgen (Entfernung von Tattoos) vollumfänglich zu erkennen. Für die hohen Kosten der Entfernung eines Tattoos mit einem Laser, die nicht immer gelingt, muss der Betroffene später selbst aufkommen. Der Gesetzgeber hat zudem 2007 in der gesetzlichen Krankenversicherung Leistungsbeschränkungen bei Selbstverschulden für Behandlungen eingeführt, die durch medizinisch nicht indizierte ästhetische Operationen, Tätowierungen und Piercings verursacht worden sind. Strafgerichte haben sich bislang wenig mit der Wirksamkeit der Einwilligungen von Minderjährigen befasst. Bei den Urteilsfindungen war zu berücksichtigen, dass es Aufgabe der Eltern und Teil der Personensorge (§ 1626 BGB) sei, die körperliche Unversehrtheit des Minderjährigen zu schützen. Es müssen grundsätzlich beide Eltern ihre Einwilligung zu Eingriffen in die körperliche Unversehrtheit ihres Kindes erklären, da sie dieses gemeinsam vertreten (§ 1629 BGB). Selbst bei dem Stechen von Ohrlöchern für Ohrringe kann es zu schwerwiegenden Infektionen und Nickelallergien kommen. Bei Sport und Spiel bestehen Verletzungsgefahren. Hier wird allerdings regelmäßig davon auszugehen sein, dass 16-Jährige diesbezüglich bereits über hinreichende Einsichtsfähigkeit verfügen. Sie müssen jedoch zuvor über die Gesundheitsgefahren informiert werden. Kosmetische Behandlungen Anders als Piercing und Tattoo sind kosmetischen Behandlungen wie Makeup, Haarfärben und Nagelmodellage nicht mit einem Eingriff in die körperliche Unversehrtheit verbunden. Dasselbe gilt für ein Tattoo mit Henna, das bei regelmäßigem Waschen schnell verschwunden ist. Mit kosmetischen Behandlungen gehen allerdings Gesundheitsrisiken einher. Nach der EU-Kosmetikverordnung (Nr. 2009/134 EG) sind die Hersteller daher verpflichtet, auf bestehende Gesundheitsrisiken hinzuweisen. Falls sich das Gesundheitsrisiko trotz ordnungsgemäßer Verwendung realisiert, z. B. in Form einer allergischen Reaktion, kommt eine Strafbarkeit wegen fahrlässiger Körperverletzung (§ 229 StGB) in Betracht. Auch hinsichtlich der Gesundheitsgefahren kommt es auf die Einsichtsfähigkeit des Jugendlichen an. Es ist regelmäßig davon auszugehen, dass Jugendliche ab dem 16. Lebensjahr wirksam einwilligen können. Hierzu müssen ihnen die Gesundheitsgefahren jedoch bekannt sein. Die Kosmetikerin bzw. Frisörin ist zur Aufklärung verpflichtet. Sogar das Schneiden der Haare und das Feilen der Nägel ist eine gefährliche Körperverletzung (§ 224 StGB), da mittels gefährlicher Werkzeuge in die körperliche Unversehrtheit eingegriffen wird. Anders als bei Piercing und Tattoo ist jedoch zumeist davon auszugehen, dass Kinder und Jugendliche über hinreichende Einsichtsfähigkeit verfügen. Diese steht allerdings im Zweifel, wenn sich der junge Mensch einen auffallenden Glatzkopf schneiden lässt, da dann soziale Nachteile zu befürchten sind. Sonnenbänke In § 4 des Gesetzes zum Schutz von nichtionisierender Strahlung bei der Anwendung am Menschen (NiSG) hat der Gesetzgeber die Regelung eingeführt, dass Minderjährigen die Nutzung von Sonnenbänken in Sonnenstudios, ähnlichen Einrichtungen oder sonst öffentlich zugänglichen Einrichtungen nicht gestattet werden darf. Diese Vorschrift wurde durch Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 21.12.2011 (1 BvR 2007/10) bestätigt. Eine Nutzung von Sonnenbänken ist Minderjährigen also auch mit Zustimmung der Eltern nicht gestattet. Jugendliche als Veranstalter von öffentlichen Partys/Veranstaltungen angemeldeten und unangemeldeten Die Gestattung von zeitlich befristeten Bewirtungen aus einem besonderen Anlass nach § 12 GastG muss beim Ordnungsamt beantragt werden. Das Jugendamt kann bei der Gestattung zur Auflage machen, dass der Veranstalter volljährig sein muss. Da der Veranstalter die Verantwortung für die Bewirtung und somit auch die Verfügungsgewalt über alkoholische Getränke hat, ist eine entsprechende Auflage zu befürworten, um die Einhaltung der jugendschutzrechtlichen Bestimmungen sicherzustellen. Das weitaus größere Problem dürften die von Jugendlichen organisierten Feiern sein, die nicht angemeldet wurden aber öffentlich i. S. d. JuSchG sind. Wenn eine solche Party „aus dem Ruder läuft“ und Personen oder Sachen zu Schaden kommen, ist zu prüfen, wer die Verantwortung für den Schaden trägt. In der Regel ist dies der Veranstalter. Bei jugendlichen Veranstaltern ist zu prüfen, ob diese überhaupt ein solches Rechtsgeschäft wirksam wahrnehmen können. Die im Gesetz vorgesehenen Verbote und Ordnungsmaßnahmen sind in erster Linie an Erwachsene gerichtet (Veranstalter und Gewerbetreibende). Das Gesetz soll Kinder und Jugendliche schützen und nicht bestrafen. Kritisch wird es jedoch, wenn Jugendliche zu Veranstaltern oder Gewerbetreibenden werden, da sie einerseits selbst in ihrer Person unter den Schutz des JuSchG fallen, andererseits als Veranstalter/Gewerbetreibende auch ahndungsfähige Gesetzesverstöße begehen können. Hier gibt es unterschiedliche Rechtsauffassungen: a) Jugendliche Veranstalter sind nicht geschäftsfähig und können daher ohne Einwilligung der Eltern keine wirksame Veranstaltung durchführen. Nach § 107 BGB bedarf ein Minderjähriger zu einer Willenserklärung, durch die er nicht lediglich einen rechtlichen Vorteil erlangt, der Einwilligung seines gesetzlichen Vertreters. Als Verantwortlicher einer öffentlichen Veranstaltung hat ein Jugendlicher nicht nur rechtliche Vorteile. Er haftet nicht nur für evtl. eintretende finanzielle Verluste sondern unter Umständen auch für Schäden, die im Laufe der Veranstaltung eintreten können (z. B. bei Personenschäden) bzw. von dieser ausgehen. Die Tragweite dieser Haftungsfragen ist für einen Jugendlichen nicht überschaubar. Ein Bußgeld kann nicht verhängt werden, solange die Jugendlichen keine Genehmigung von ihren gesetzlichen Vertretern eingeholt haben, da sie nur beschränkt geschäftsfähig sind. Eine öffentliche Veranstaltung ist demnach nur dann gegeben, wenn die Zustimmung der gesetzlichen Vertreter vorliegt (so auch Sebastian Gutknecht zu § 28 JuSchGin Nikles u.a., Jugendschutzrecht 2011). b) Der Begriff des Veranstalters setzt keine Zustimmung eines gesetzlichen Vertreters voraus. Bei der Regelung der Bußgeldvorschriften gem. § 28 JuSchG wird nicht explizit auf erwachsene Veranstalter oder Gewerbetreibende abgestellt. Der Begriff des Veranstalters setzt keine Zustimmung der gesetzlichen Vertreter voraus. Der Schutz der an öffentlichen Veranstaltungen teilnehmenden Jugendlichen wird so am wirksamsten gewahrt. Zudem sieht § 12 OWiG ausdrücklich eine Verantwortung von Jugendlichen vor (keine Kinder), soweit deren Einsichtsfähigkeit gemäß § 3 Jugendgerichtsgesetz (JGG) gegeben ist. Wenn ein jugendlicher Kassierer wegen unberechtigtem Verkauf von Alkohol an Kinder und Jugendliche mit einem Bußgeld belegt werden kann, muss dies auch für jugendliche Veranstalter gelten. Mit Blick auf die unterschiedlichen Rechtsauffassungen wird für die Praxis folgende Handhabung empfohlen: Die Eltern der Veranstalter sollten informiert werden, da diese gem. § 832 BGB ihrer Aufsichtspflicht gegenüber den Kindern und Jugendlichen auch während einer spontan organisierten öffentlichen Veranstaltung nachkommen müssen. Die Aufsichtspflicht erfordert es, dass sie sich regelmäßig über den Aufenthaltsort und das dortige Programm informieren (s. entsprechende Ausführungen in der Arbeitshilfe des BjR „Bauwagen als Jugendtreffpunkt“ 2011, S. 16). Jugendliche Veranstalter und die übrigen jugendlichen Besucher dieser Veranstaltung sollten bei Verstößen gegen das Jugendschutzgesetz über die Gesetzeslage informiert und belehrt werden. Es kann darauf hingewiesen werden, dass im Wiederholungsfall mit Konsequenzen bis hin zu einem Bußgeldverfahren zu rechnen ist. Glücksspiel „Verspiel nicht mein Leben“ – Entlastung für Angehörige (EfA): Das Praxistransferprojekt EfA ist als internetbasierte Unterstützungsmöglichkeit für Angehörige gedacht, die aus unterschiedlichen Gründen keinen Zugang zum traditionellen professionellen Hilfesystem haben. Das Motto Verspiel nicht mein Leben ist angelehnt an das Kampagnenmotto Verspiel nicht dein Leben der LSG, das sich als Aufruf direkt an betroffene Glücksspieler richtet. In Kombination mit dem Slogan Dein Einsatz. Mein Leben. sollen durch EfA Angehörige ermuntert werden, sich selbst aktiv mit der Erkrankung ihres Familienmitglieds auseinanderzusetzen und für sich selbst – bei Bedarf auch weiterführende professionelle – Hilfen in Anspruch zu nehmen. Das Programm ist ab sofort unter www.verspiel-nicht-mein-leben.de für alle interessierten Angehörigen freigeschaltet.