Papierverbrauch fehlerfrei erfassen - WAN-IFRA

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Papierverbrauch fehlerfrei erfassen - WAN-IFRA
Ifra aktuell
Boris Fuchs
Juli / August 1999
zeitungstechnik
Ifra-Seminar: Material-Management
Papierverbrauch fehlerfrei erfassen
Elektronische Papierrollen-Etiketten und elektronische Versanddatenübermittlung nach den internationalen EDIPAP-Regeln, ein
einheitliches Makulatur-Management und das Wissen um die Faktoren, die das Verdruckbarkeitsverhalten des Zeitungspapiers
bestimmen, waren die Themen,
die beim zweisprachigen IfraSeminar „Mehr als Papier:
Material-Management für Zeitungen“ – in Deutsch und Englisch –
am 23. und 24. Juni 1999 in Darmstadt behandelt wurden.
schwelende Problematik der beschreibenden Strichcodes auf, ob diese nach Ifra,
NARI (ex TAPPI) oder nach CEPI standardisiert sind, und faßte ihre Wunschvorstellung mit dem bekannten Martin Luther
King-Wort zusammen: „I had a dream . . .
(Ich hatte einen Traum . . .)“. Danach sollte
an die Stelle der Strichcodes ein elektronisches Etikett treten, das ist ein in die
Papierrollenhülse mittels Folie eingeklebter
Chip mit Antenne, der über Radiofrequenz
kontaktlos auf elektronischem Wege automatisch gelesen werden kann. Über diese
Möglichkeit hat Ifra schon 1990 im IfraSpecial Report 1.4: „Neue Entwicklungen
im Zeitungspapierlager“ auf Seite 7 f. ihre
Mitglieder ausführlich informiert, und von
einer ersten Praxisanwendung bei West
Ferry Printers in London berichtete Ifras
newspaper techniques in der März-Ausgabe
dieses Jahres auf Seite 52 ff. Mit solchen
elektronischen Etiketten, die auch im ausgepackten Zustand ständig auf den Papierrollen bleiben, wird das Problem der Doppelpacks und der ins Lager zurückgelieferten Restrollen auf elegante Weise gelöst.
Bei Wiederverwendung der von den Rollenhülsen entfernten Chips sollte sich damit auch kein Kostenproblem ergeben.
Den Vorsitz dieses von mehr als 100
Teilnehmern aus zwölf Nationen besuchten
Ifra-Seminars im Darmstädter Maritim
Konferenzhotel führte der junge Papieringenieur Pat O'Brien, der erst kürzlich zum
Managing Director der neu gegründeten
Firma Newsprint Management & Supply
Services (NMSS) in London ernannt wurde.
Dieses Unternehmen im Besitz der Zeitungsgruppen Express und Daily Telegraph
ist die zentrale Einkaufsstelle für 420 000
Tonnen Papier, die von den beiden Zeitungen und ihren angeschlossenen Tochterunternehmen jährlich verdruckt werden.
Man folgte damit dem Beispiel nordamerikanischer Großverlage, die schon seit Jahren zentral einkaufen und dabei doppelt so
hohe Tonnagen erreichen. Schon mit diesem Auftakt und dem Eröffnungs-Statement des Vorsitzenden wurde klar, daß im
Material-Management der Zeitungen ein
neuer Wind zu wehen begonnen hat.
Bénédicte Lamy, die bis vor kurzem
in der Ifra-Forschungsabteilung in Darmstadt für Materialfragen zuständig war und
jetzt in gleicher Eigenschaft bei Rupert
Murdochs News International in London
tätig ist, hielt den Einführungsvortrag über
die Problematik der Papierrollen-Kennzeichnung und der Papierrollen-Verfolgung
(Tracking) im Betrieb. Sie verstand es hervorragend, dem an für sich trockenen Vortragsstoff eine allgemein interessierende
Lebendigkeit und eine ordnende Struktur
zu verleihen. Sie zeigte die seit langem
Trennung von Rollen-Identifizierung und Rollen-Daten
Was die beschreibende Struktur der
Strichcode-Nummern betrifft, so bestand
bei der beschränkten Stellenzahl seither
immer wieder Unzufriedenheit mit nicht
übermittelbaren Daten. Eine Lösung dieses
Problems kann nur die strikte Trennung
zwischen Rollen-Identifizierung und Rollen-Daten bringen. Für letzteres steht
schon seit langem die Datenstruktur von
EDIPAP zur Verfügung (siehe Ifra-Special
Report 1.17: „Der Einsatz von EDI beim
Papierrollen-Einkauf“), die sich eng an den
internationalen ISO-Standard EDIFACT
(Electronic Data Interchange for Administration, Commerce and Transport – siehe
Ifra-Special Report 6.14.1: „Einführung in
die Grundlagen von EDIFACT“) anlehnt.
Die Materialwirtschaft der Zeitungsbetriebe
schließt sich damit Methoden und Verfahren an, wie sie in anderen Industriezweigen
längst erprobt und eingeführt sind.
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Nigel Barnwell, Technischer Manager
des Zentralverbandes der europäischen Papierindustrie CEPI (Confederation of European Paper Industries) in Brüssel erklärte
danach die Bedeutung von EDIPAP, was
sowohl den nicht-beschreibenden RollenIdentifizierungscode (CEPI Unit Identifier)
als auch die EDIPAP-Mitteilungsstrukturen
betrifft. Leider konnte seither noch keine
Einigung auf Vereinheitlichung mit den
nordamerikanischen Papierherstellern erzielt werden, sowohl was die Identifizierungsnummer als auch was die Mitteilungsstruktur betrifft. Es gibt jedoch Übersetzungsprogramme, um beide ineinander
überzuführen. Die nordamerikanische NARI
(North American Roll Identifier)-Identnummer ist alphanumerisch aufgebaut und
stellt der zehnstelligen Rollennummer eine
dreistellige Herstellerkennung voran, während die europäische CEPI-Identnummer
rein numerisch aufgebaut ist und der ebenfalls zehnstelligen Rollennummer eine vierstellige Herstellerkennung mit Herkunftslandbezeichnung nachschaltet. Bei den
Mitteilungsstrukturen haben sich die Nordamerikaner noch nicht der internationalen
EDIFACT-Norm und damit auch nicht EDIPAP angeschlossen, sondern beharren weiterhin auf der nationalen Norm ANSI/ASC
X.12, die im Land weit verbreitet und des
halb nur schwer umzustellen ist.
Um die Weiterentwicklung der EDIPAP-Mitteilungsstrukturen kümmert sich in
Brüssel die „EDIPAP Electronic Trading
Group“, der eine „EDIPAP User Group“ unter der Schirmherrschaft von CEPI vorangestellt ist. Sie umfaßt rund 60 Mitglieder
und wird allein von diesen Mitgliedern und
nicht von den Verbänden geführt. Es wurden bis jetzt 35 EDIPAP-Mitteilungen aus
dem EDIFACT-Katalog extrahiert, von denen aber nur zwölf allgemein verwendet
werden. Die übrigen betreffen mehr Qualitätsdaten für ganz bestimmte Anwendungen.
Die Zukunft gehört
dem elektronischen Etikett
Auf die Technik der elektronischen
Etiketten gingen zwei Referenten ein.
Zunächst informierte Dr. Christian
Kern von der deutsch-schweizerischen Spe-
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zialpapierfabrik Sihl in Düren über die
Grundlagen, während Peter Milton von
OBU Operation Backup in Rochester, GB,
über Anwendungen bei West Ferry Printers
in London berichtete. Dr. Kern sprach vom
elektronischen Etikett als einer neuen
Schlüsseltechnologie im wahrsten Sinne
des Wortes, die es erlaube, die berühmte
Nadel im Heuhaufen zu finden. Die internationale Bezeichnung dieser Technologie
heißt RFID (Radio Frequency Identification
Devices). Sie arbeitet kontaktlos, und es ist
dazu auch keine Sichtverbindung erforderlich. Es handelt sich um kleinste, in einer
Folie geschützt angebrachte TransponderChips mit angeschlossener TranponderAntenne, sogenannte „Smart Labels“, die
nur beim Schreib- und Lesevorgang von
außen mittels Induktion mit Strom versorgt
werden. Die dazu verwendbaren Radiofrequenzen sind staatlich reglementiert und
liegen in den Bereichen 100 bis 135 kHz,
3 bis 30 MHz und 5,8 GHz. Als ein Optimum habe sich die Frequenz 13,56 MHz
herauskristallisiert. Die bekanntesten Hersteller dieser „Smart Labels“ sind Philips
und Texas Instruments, wobei ersterer mit
64 Bit und letzterer mit 32 Bit arbeitet. Die
bekannteste Massenanwendung, noch in
der alten Transponderform von kleinen
Keramikzylindern, ist in der elektronischen Wegfahrsperre von Kraftfahrzeugen
zu finden. Weitere Zielmärkte sind der Express-Paketversand, die FlughafengepäckIdentifizierung und die Dokumentenverfolgung.
Natürlich zeigt man auch Interesse,
mit den Partnern FEIG Electronic und Confidance International unter dem Kooperations-Logo RTS (Reel Tracking Solutions)
beim Material-Management in Zeitungsbetrieben einzusteigen. Abschließend berichtete Dr. Kern von einem Feldversuch
mit der Fluggepäck-Identifizierung bei British Airways, wobei eine Lesesicherheit von
> 99,4 % erreicht wurde. Angesichts der
hohen Ausfallraten bei Strichcodes durch
Verletzung und Verschmutzung (siehe IfraSpecial Report 1.9: „Verbesserung der Lesbarkeit von Strichcodes auf den Etiketten
von Zeitungspapierrollen“) ist diese Genauigkeitssteigerung enorm. Was die Kosten
anbelangt, so sei ein ständiges Fallen
der Preise bei fortschreitender RFIDTechnologie zu verzeichnen. Die internationale Standardisierung ist durch ISO/IEC
15693-2 gegeben.
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Die fallenden Kosten der fortschreitenden RFID-Technologie-Entwicklung von den Keramik-Transpondern bis zu
den Smart Labels. Sie nähern sich asymptotisch den Kosten der Strichcodes.
fung und -Bewirtschaftung, einschließlich
Lagerhaltung und Transport, stellte das
Ringier-Konzept vor, und Clemens Sieber,
Leiter der Rotation bei der TA-Media AG
(Tages-Anzeiger) in Zürich, erklärte im
Detail das dort praktizierte MakulaturManagement.
Die manuelle Erfassung der Papierrollen geht bei Ringier bis ins Jahr 1977
zurück. 1982 wurde auf Erfassung mit
Strichcode-Lesestift, angeschlossen an einen Taschenrechner HP-41C umgestellt und
ab 1988 kamen für den gleichen Zweck
Laserpistolen, angeschlossen an einen PC
zum Einsatz. 1992 führte Ringier in der Betriebsabrechnung das SAP-System ein und
startete wenig später die EDIPAP-Datenübermittlung mit der Papierfabrik Haindl,
Peter Milton beschrieb nochmals die
über fünf Jahre sich erstreckende Entwicklungsarbeit zwischen der Papierfabrik
Aylesford und West Ferry Printers, wie sie
in der Ifra-Publikation im März dieses Jahres in Englisch nachzulesen war, wobei jedoch noch die ältere 125-kHz-Technologie
zur Anwendung kam.
Für die Zukunft gab auch er
der 13,56-MHz-Technologie die besseren
Chancen. Aus den relativ großen Kupferdraht-Antennenschleifen seien inzwischen
visitenkartengroße flexible gedruckte Etiketten geworden, die sich leichter auf den
Papierrollenhülsen anbringen lassen. Die
sichere Lesbarkeit führte er in einem Experimentalaufbau vor einer auf einer Malerstaffelei stehenden Lese-Rahmenantenne
vor.
Als Softwarehersteller konzentrierte
er sich im zweiten Teil seiner Präsentation
mehr auf die interne RS 485-Datenanbindung an die hauseigene Datenverarbeitung
sowie auf die ISDN-Übermittlung der Rollendaten zwischen Papierfabrik und Drukkerei.
Fallbeispiele von gutem MaterialManagement
Nach dieser Vorführung neuer Technologien bei der Papierrollenerfassung
wurden in zwei Fallbeispielen gutes Material-Management in der Praxis vorgeführt,
und zufällig (oder auch nicht) kamen beide
aus dem gleichen Land: der Schweiz. Mark
Rytz, zuständig bei Ringier Print in Adligenswil bei Luzern für Material-Beschaf-
Bei einem Feldversuch bei British Airways werden
„Smart Labels“ zur Gepäckidentifikation erprobt.
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In der Restrollenverwaltung sieht man auch
bei Ringier noch ein Problem, das wohl nur
mittels elektronischen Etiketten zu lösen
ist.
Makulatur-Management
Clemens Sieber gab gleich zu Beginn
seines Vortrags mit den nachfolgenden
Verbrauchszahlen interessante Relativzahlen zur Kenntnis. Bei TA-Media werden für
die wöchentliche Produktion des Tages-Anzeigers (Auflage: 310 000) und der Sonntagszeitung (290 000) sowie einer Wochenbeilage im Tabloid-Format (310 000) und
verschiedener Fremdprodukte (zwischen
8000 und 1,5 Millionen Exemplaren) 1000
Tonnen Papier, acht Tonnen Schwarzfarben, vier Tonnen Skalenfarben, 0,6 Tonnen
Schmuckfarben und 10 500 Druckplatten
eingesetzt. Sämtliches Papier wird mit der
Bahn angeliefert und zu 90 % vom Bahnwaggon direkt an die Maschine gebracht.
Die Papierrollen tragen grundsätzlich keine
Stirndeckel, keine Spunde in den Rollenhülsen und werden trotzdem stehend transportiert. Da die Waggons ausschließlich für
den Papiertransport eingesetzt werden, entstehen dabei keine Beschädigungen an den
Rollen.
In der Makulaturerfassung unterscheidet man 34 Makulaturarten. Durch
diese genaue Untergliederung konnte man
die Gesamtmakulaturquote von 1992 bis
heute um einen Prozentpunkt von 8,02 auf
7,03 senken, was einer Einsparung von
annähernd 500 000 Schweizer Franken
entspricht. In einem ab Februar 1999 mit
Eurografica begonnenen Prozeßoptimierungsverfahren will man einen weiteren
Prozentpunkt einsparen und auf eine Gesamtmakulaturquote von 6,2 % herunterkommen.
Auch bei NMSS in London kümmert
man sich neben dem zentralen Papiereinkauf um das Makulatur-Management,
worüber Peter Walker berichtete. Dort unterscheidet man nur sechs Makulaturarten
und fünf Produktionsarten. Durch Kennzahlenvergleiche (Benchmarking) hat man
ein Makulatur-Modell aufgestellt und führt
danach Soll-Ist-Vergleiche für die einzelnen Druckorte durch. An einem Beispiel
zeigte er auf, daß so bei einem Druckort
pro 100 000 vollformatige Zeitungsseiten
sechs Kilogramm Papier eingespart werden
konnten, was einer jährlichen Gesamteinsparung von 840 000 Pfund Sterling ent-
Die sichere Lesbarkeit der von der Papierfabrik Aylesford und West Ferry Printers gemeinsam entwickelten
Etiketten wurde den Seminar-Teilnehmern von Peter
Milton in einem Experimentalaufbau demonstriert.
die ab Januar 1993 fest eingeführt wurde.
Heute werden bei Ringier 70 % aller angelieferten Papierrollen mit EDIPAP erfaßt. Es
haben sich dadurch drei Säulen im Rollenhandling ergeben:
1. Rollen ohne oder mit einem anderen als Ifra-Strichcode werden mit einem
eigenen Strichcode versehen und anschließend mit der Laserpistole erfaßt.
2. Rollen, die mit einem Strichcode
versehen sind, deren Daten aber nicht mittels EDIPAP übermittelt wurden, werden
mit der Laserpistole einzeln erfaßt.
3. Rollen, deren Daten mit EDIPAP
übermittelt wurden, werden nicht mehr
kontrolliert – ihre Daten gehen 1 : 1 direkt
in die SAP-Erfassung.
Von dem 16-stelligen Ifra-Strichcode
verwendet man nur die ersten acht Stellen,
d. h. nur den Teil zur Rollenidentifizierung.
Alle übrigen Daten wurden mit EDIPAP bereits übermittelt. In einer Realtime-Präsentation führte Mark Rytz vor, wie schnell die
Daten auf diesem Weg aufgerufen und
automatisch verarbeitet werden können.
Man habe inzwischen sogar das Maschinensteuerungssystem APS von ABB EDIPAP-fähig gemacht, um die Rollenreißerstatistiken und die Flächengewichtsanalyse
damit zu verbinden. Fehler in den Papierfabriken und im eigenen Umfeld konnten
dadurch aufgeklärt und so eine ständige
Verbesserung der Ergebnisse erzielt werden.
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spricht. (Anm.: NMSS muß sich schon deshalb um die Makulatur kümmern, da sie
von den Druckereien nach der Anzahl der
gedruckten Exemplare bezahlt werden.) In
Zukunft will man das Makulatur-Modell
noch weiter verfeinern. Da menschliche
Fehler bei der Buchführung gegenwärtig
noch das Hauptproblem darstellen, werden
elektronische Etiketten und EDIPAP gebraucht, um das System fehlerfrei zu machen. Man hofft, so auf eine Realtime-Erfassung zu kommen, welche die laufende
Produktion noch korrigieren kann. Ergänzende Angaben sind im Ifra-Special Report
1.14: „Makulatureinsparung: Eine Studie
bei führenden europäischen und US-amerikanischen Zeitungen“ zu finden.
Die Verdruckbarkeit des Zeitungspapiers in der Rotation
Drei Vorträge bei diesem Seminar
waren der Thematik Verdruckbarkeit des
Zeitungspapiers in der Rotation gewidmet,
wie sie auch im Ifra-Special Report: 1.16
„Gibt es Methoden zur Vorhersage der Verund Bedruckbarkeit von Zeitungspapier?“
nachzulesen ist.
Einen von ihm selbst als etwas akademisch bezeichneten Vortrag in dieser Beziehung hielt Prof. Gérard Baudin von der
Ecole Française de Papeterie et des Industries Graphiques in Grenoble, F, indem er
von Papierspannungsanalysen bei der Zeitung Le Progrès in Lyon berichtete und danach ein Modell der Parameter aufstellte,
die auf die Verdruckbarkeit einwirken. Für
den Bau einer diese Parameter näher untersuchenden Labormaschine stellte er die
mathematisch-geometrischen Beziehungen
für die Meßwalzen auf und untersuchte den
Einfluß verschiedener Störgrößen, wie die
einseitige Bahnführung und die Reibungskoeffizienten. Die Meßwalzen-Geber wurden an der Technischen Universität Karlsruhe entwickelt, und die Labormaschine
befindet sich an der Universität in Grenoble noch im Bau. Als nächsten Schritt
will man dynamische Messungen unter
Einbeziehung einer Moiré-Technik durchführen und auch die viskoelastischen Eigenschaften von Gummiwalzen und Gummitüchern mit einbeziehen.
Pertti Moilanen vom Technischen
Forschungszentrum von Finnland VTT in
Espoo berichtete von Feldversuchen mit
Papierspannungsmessungen und Papierreißerstatistiken in zehn europäischen Län-
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dern und Nordamerika, bei denen 25 Papierfabriken und 35 Druckereien eingeschlossen waren. Da sich dabei die Gleichmäßigkeit des Papierspannungsprofils über
die Breite des Tambours der Papiermaschine als kritische Größe erwies, wurden als
Meßgeräte das IQT Tension von Valmet und
das Tenscan von ABB-Strömberg eingesetzt. Jede Papiermaschine weist danach
eine konvex gebogene Charakteristik im
Bahnspannungsprofil über die Breite auf,
woraus sich ergibt, daß Randrollen aus dem
aufgeschnittenen Tambour eine geringere
Verdruckbarkeit (mehr Reißer) aufweisen.
Da darunter auch die Bedruckbarkeit (Registerhaltigkeit) leidet, werden diese oft vor
einem diffizilen Vierfarbendruck ausgesondert. Ein sequentielles Verarbeiten der Papierrollen, so wie sie entstanden sind, könne helfen, Reißer und Registerfehler zu vermeiden, sagte Pertti Moilanen. Bei Maschinenklebern konnte er oft lose Zonen beob-
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Von der Papierbestellung bis zum Wareneingang – wie bei Ringier Print praktiziert.
achten, die von einer E-Modul-Änderung
herrühren. Als Schlußstatement konstatierte er, daß Rotationsdrucker und Papierma-
cher heute besser zusammenarbeiten, wodurch in den letzten Jahren die Bahnreißer
um 50 % vermindert werden konnten.
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Brian Philips, Forschungs- und Entwicklungsleiter bei der Papierfabrik Shotton in England ergänzte diesen Teil des Seminars mit einer gut recherchierten Literaturübersicht. Dabei fand auch der Ifra-Special Report 1.1: „Bruchwiderstand von Zeitungspapier“ Erwähnung, der bereits 1986
die Problematik der Vorhersagemöglichkeit
von Bahnreißern zu klären versuchte. Auch
Brian Philips ging auf die konvexe Charakteristik im Bahnspannungsprofil der Papiermaschine ein, wodurch sich nach den
Rollenschneiden ansteigende bzw. abfallende Profile über die Breite in den Randrollen ergeben. Er empfahl den Rotationsmaschinenherstellern, schwenkbare Leitwalzen in ihre Maschinen einzubauen, um
so die „Schräglage“ des Spannungsprofils
zu kompensieren. L.G. Eriksson habe die
Wirksamkeit dieses Mittels schon 1991 in
einer amerikanischen Publikation herausgestellt.
Ein weiteres Mittel sei das partielle
Aufbringen von Feuchtigkeit, doch dazu
seien noch weitere Untersuchungen notwendig, da es sich hierbei um äußerst komplizierte Vorgänge handle. Was für die eine
Druckerei gelte, verfehle meistens bei einer
anderen ihre Wirkung. Das Heruntersetzen
der Bahnspannung während des Längsschneidens der Bahn führte er auch als ein
im Tiefdruck praktiziertes Mittel an, um
Bahnreißer an den Wendestangen im Falzapparatüberbau zu vermeiden.
Überhaupt sei die Ursachenstatistik
für Bahnreißer ein gutes Mittel, um Abhilfe
zu schaffen, und er führte dazu eindrückliche Beispiele an.
bleme durch die Abgabe oder die Aufnahme von Feuchtigkeit ergeben, was zu
lockeren oder zu fest gespannten Zugbändern auf den Wickeln führt und so die Exemplare markiert oder zerknittert. Als kritische Papierparameter für den Versandraum
nannte er: die Dicke (caliper) des Papiers,
den Feuchtigkeitsgehalt, die Trockencharakteristik in bezug auf das Einrollen und
die Grammatur. Für jeden einzelnen dieser
Parameter listete er die Schwachstellen im
Versandraum auf.
Zum Schluß seines Vortrags räumte
er mit dem Vorurteil auf, daß Primärfaserpapiere im Versandraum besser laufen
als Sekundärfaserpapiere. Sein generelles
Statement in dieser Beziehung: Alle Papiere
von verschiedenen Papierfabriken zeigen
verschiedene Charakteristiken unabhängig
von ihrer Stoffzusammensetzung. Manche
Sekundärfaserpapiere können sogar im
Versandraum besser laufen als Primärfaserpapiere. Papiere mit höherem Sekundärfasergehalt tendieren zu einer geringeren
Dicke (caliper) und weniger Steifigkeit, aber
weisen eine höhere Zugfestigkeit auf. Gegenwärtig werden beim Mirror Papiere mit
0 bis 100 % Sekundärfasergehalt eingesetzt. Das Mittel liegt zur Zeit bei 40 %, soll
aber in Zukunft aus umweltschutzgesetzlichen Gründen auf 60 % erhöht werden.
Auch Papiere mit 100 % Sekundärfasergehalt können im Versandraum verarbeitet
werden, doch müssen in der Papierfabrik
Vorkehrungen gegen das Einrollen getroffen werden.
Der Einfluß des Gummituchs
Den Abschluß des zweitägigen Seminars bildeten zwei Vorträge über den Einfluß des Gummituchs auf die Ver- und Bedruckbarkeit des Zeitungspapiers. Sie kamen von einem deutschen und einem britischen Hersteller: Joachim Herrmann von
ContiTech in Northeim und Bill Cannon
von Polyfibron Rollin in Chessington.
(Auch darüber informiert ein Ifra-Special
Report mit der Nummer 3.22: „OffsetGummitücher und ihr Einfluß auf die
Druckqualität“).
Beide Referenten stellten als wichtigste Eigenschaft des Gummituchs die Kompressibilität und die Oberflächeneigenschaft heraus. Während Joachim Herrmann
sich in seinen Ausführungen mehr auf den
konstruktiven Aufbau der Gummitücher
und den Herstellungsprozeß konzentrierte,
Verdruckbarkeitsprobleme
im Versandraum
Daß sich die Verdruckbarkeitsprobleme beim Zeitungspapier bis in den Versandraum fortsetzen, davon berichtete
Richard Gray, der bei Mirror Colour Print
(Daily Mirror) in Oldham, GB, sowohl den
Rotationssaal als auch den Versandraum
leitet. Probleme können bereits beim
Schuppenstrom auftreten, wenn die Exemplare sich beim Einschießen in die Einstecktrommel als zu wenig steif erweisen
oder wegen Einrollens (curling) beim Einsteckvorgang schwierig zu öffnen sind
(letzteres betreffend, siehe Ifra-Special Report 1.13: „Einführung in das Problem des
Einrollens von Zeitungspapier“). Bei der
Lagerung der Exemplare können sich Pro12
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ging Bill Cannon auf die Druckprobleme
mit Gummitüchern ein. Besonders interessant waren dabei seine Hinweise, wann die
Gummituchzylinder mehr ziehen müssen,
um bei Kombinationen zwischen Gummigegen-Gummi- und Gummi-gegen-StahlDruck (Satellit) eine schlaffe Bahn zwischen beiden zu vermeiden. Glattere
Gummitücher tendieren zu mehr Bahnzug,
andererseits kann der Bahnzug aber auch
durch dickere Unterlagen verstärkt werden.
Bei einer Verringerung besteht hingegen
die Gefahr zu Qualitätsverlusten und zum
Stauben.
Ebenso findet die Änderung der
Oberflächeneigenschaften der Gummitücher ihre Grenzen in der Druckqualität und
in der Feuchtmittelführung.
Eine geänderte Kompressibilität kann
auch den Bahnzug verändern, aber eine
niedrigere Kompressibilität führt zu weniger Widerstand gegen Wickler, während
eine höhere Kompressibilität die Lebensdauer des Gummituchs herabsetzt. Für verschiedenes Bahnzugverhalten bietet sein
Unternehmen mit Polycell, Reporter und
Graffity drei Gummituchtypen an, die in
dieser Reihenfolge von niederem zu höherem Bahnzug abgestuft sind.
Was erwartet der Drucker? Es sind
dies ungebrochene Volltöne im Druck,
gleichmäßige Halbtöne und ein in engen
Toleranzen gehaltenes Register.
Und mit welchen Eigenschaften kann
das Gummituch dazu beitragen? Bill Cannons Antwort darauf lautete: mit einer genauen Dicke bzw. Höhe von nominal 1,96
mm ± 0,02 mm, mit einer homogenen Unterlage, um die richtige Pressung sicherzustellen (80 bis 100 N/m), mit einer Oberflächenbeschaffenheit, die einen hohen
Farbübertragungsfaktor garantiert, mit einer guten Dimensionsstabilität auf der
Rotation und mit einer kurzen Erholungszeit, die der hohen Druckgeschwindigkeit
entspricht.
Weiterhin erwartet der Drucker vom
Gummituch, daß die Einspannschienen sicher befestigt sind, die Gummitücher leicht
zu reinigen sind und resistent gegen die
gebräuchlichen Reinigungsmittel sind, die
sich mit strenger werdenden Umweltschutzvorschriften ändern können. Dazu
müssen die Kanten der Gummitücher versiegelt werden, um ein Eindringen nichtflüchtiger Lösungsmittel in die Karkasse zu
verhindern. <

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