Papierverbrauch fehlerfrei erfassen - WAN-IFRA
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Papierverbrauch fehlerfrei erfassen - WAN-IFRA
Ifra aktuell Boris Fuchs Juli / August 1999 zeitungstechnik Ifra-Seminar: Material-Management Papierverbrauch fehlerfrei erfassen Elektronische Papierrollen-Etiketten und elektronische Versanddatenübermittlung nach den internationalen EDIPAP-Regeln, ein einheitliches Makulatur-Management und das Wissen um die Faktoren, die das Verdruckbarkeitsverhalten des Zeitungspapiers bestimmen, waren die Themen, die beim zweisprachigen IfraSeminar „Mehr als Papier: Material-Management für Zeitungen“ – in Deutsch und Englisch – am 23. und 24. Juni 1999 in Darmstadt behandelt wurden. schwelende Problematik der beschreibenden Strichcodes auf, ob diese nach Ifra, NARI (ex TAPPI) oder nach CEPI standardisiert sind, und faßte ihre Wunschvorstellung mit dem bekannten Martin Luther King-Wort zusammen: „I had a dream . . . (Ich hatte einen Traum . . .)“. Danach sollte an die Stelle der Strichcodes ein elektronisches Etikett treten, das ist ein in die Papierrollenhülse mittels Folie eingeklebter Chip mit Antenne, der über Radiofrequenz kontaktlos auf elektronischem Wege automatisch gelesen werden kann. Über diese Möglichkeit hat Ifra schon 1990 im IfraSpecial Report 1.4: „Neue Entwicklungen im Zeitungspapierlager“ auf Seite 7 f. ihre Mitglieder ausführlich informiert, und von einer ersten Praxisanwendung bei West Ferry Printers in London berichtete Ifras newspaper techniques in der März-Ausgabe dieses Jahres auf Seite 52 ff. Mit solchen elektronischen Etiketten, die auch im ausgepackten Zustand ständig auf den Papierrollen bleiben, wird das Problem der Doppelpacks und der ins Lager zurückgelieferten Restrollen auf elegante Weise gelöst. Bei Wiederverwendung der von den Rollenhülsen entfernten Chips sollte sich damit auch kein Kostenproblem ergeben. Den Vorsitz dieses von mehr als 100 Teilnehmern aus zwölf Nationen besuchten Ifra-Seminars im Darmstädter Maritim Konferenzhotel führte der junge Papieringenieur Pat O'Brien, der erst kürzlich zum Managing Director der neu gegründeten Firma Newsprint Management & Supply Services (NMSS) in London ernannt wurde. Dieses Unternehmen im Besitz der Zeitungsgruppen Express und Daily Telegraph ist die zentrale Einkaufsstelle für 420 000 Tonnen Papier, die von den beiden Zeitungen und ihren angeschlossenen Tochterunternehmen jährlich verdruckt werden. Man folgte damit dem Beispiel nordamerikanischer Großverlage, die schon seit Jahren zentral einkaufen und dabei doppelt so hohe Tonnagen erreichen. Schon mit diesem Auftakt und dem Eröffnungs-Statement des Vorsitzenden wurde klar, daß im Material-Management der Zeitungen ein neuer Wind zu wehen begonnen hat. Bénédicte Lamy, die bis vor kurzem in der Ifra-Forschungsabteilung in Darmstadt für Materialfragen zuständig war und jetzt in gleicher Eigenschaft bei Rupert Murdochs News International in London tätig ist, hielt den Einführungsvortrag über die Problematik der Papierrollen-Kennzeichnung und der Papierrollen-Verfolgung (Tracking) im Betrieb. Sie verstand es hervorragend, dem an für sich trockenen Vortragsstoff eine allgemein interessierende Lebendigkeit und eine ordnende Struktur zu verleihen. Sie zeigte die seit langem Trennung von Rollen-Identifizierung und Rollen-Daten Was die beschreibende Struktur der Strichcode-Nummern betrifft, so bestand bei der beschränkten Stellenzahl seither immer wieder Unzufriedenheit mit nicht übermittelbaren Daten. Eine Lösung dieses Problems kann nur die strikte Trennung zwischen Rollen-Identifizierung und Rollen-Daten bringen. Für letzteres steht schon seit langem die Datenstruktur von EDIPAP zur Verfügung (siehe Ifra-Special Report 1.17: „Der Einsatz von EDI beim Papierrollen-Einkauf“), die sich eng an den internationalen ISO-Standard EDIFACT (Electronic Data Interchange for Administration, Commerce and Transport – siehe Ifra-Special Report 6.14.1: „Einführung in die Grundlagen von EDIFACT“) anlehnt. Die Materialwirtschaft der Zeitungsbetriebe schließt sich damit Methoden und Verfahren an, wie sie in anderen Industriezweigen längst erprobt und eingeführt sind. 8 Nigel Barnwell, Technischer Manager des Zentralverbandes der europäischen Papierindustrie CEPI (Confederation of European Paper Industries) in Brüssel erklärte danach die Bedeutung von EDIPAP, was sowohl den nicht-beschreibenden RollenIdentifizierungscode (CEPI Unit Identifier) als auch die EDIPAP-Mitteilungsstrukturen betrifft. Leider konnte seither noch keine Einigung auf Vereinheitlichung mit den nordamerikanischen Papierherstellern erzielt werden, sowohl was die Identifizierungsnummer als auch was die Mitteilungsstruktur betrifft. Es gibt jedoch Übersetzungsprogramme, um beide ineinander überzuführen. Die nordamerikanische NARI (North American Roll Identifier)-Identnummer ist alphanumerisch aufgebaut und stellt der zehnstelligen Rollennummer eine dreistellige Herstellerkennung voran, während die europäische CEPI-Identnummer rein numerisch aufgebaut ist und der ebenfalls zehnstelligen Rollennummer eine vierstellige Herstellerkennung mit Herkunftslandbezeichnung nachschaltet. Bei den Mitteilungsstrukturen haben sich die Nordamerikaner noch nicht der internationalen EDIFACT-Norm und damit auch nicht EDIPAP angeschlossen, sondern beharren weiterhin auf der nationalen Norm ANSI/ASC X.12, die im Land weit verbreitet und des halb nur schwer umzustellen ist. Um die Weiterentwicklung der EDIPAP-Mitteilungsstrukturen kümmert sich in Brüssel die „EDIPAP Electronic Trading Group“, der eine „EDIPAP User Group“ unter der Schirmherrschaft von CEPI vorangestellt ist. Sie umfaßt rund 60 Mitglieder und wird allein von diesen Mitgliedern und nicht von den Verbänden geführt. Es wurden bis jetzt 35 EDIPAP-Mitteilungen aus dem EDIFACT-Katalog extrahiert, von denen aber nur zwölf allgemein verwendet werden. Die übrigen betreffen mehr Qualitätsdaten für ganz bestimmte Anwendungen. Die Zukunft gehört dem elektronischen Etikett Auf die Technik der elektronischen Etiketten gingen zwei Referenten ein. Zunächst informierte Dr. Christian Kern von der deutsch-schweizerischen Spe- zeitungstechnik Juli / August 1999 zialpapierfabrik Sihl in Düren über die Grundlagen, während Peter Milton von OBU Operation Backup in Rochester, GB, über Anwendungen bei West Ferry Printers in London berichtete. Dr. Kern sprach vom elektronischen Etikett als einer neuen Schlüsseltechnologie im wahrsten Sinne des Wortes, die es erlaube, die berühmte Nadel im Heuhaufen zu finden. Die internationale Bezeichnung dieser Technologie heißt RFID (Radio Frequency Identification Devices). Sie arbeitet kontaktlos, und es ist dazu auch keine Sichtverbindung erforderlich. Es handelt sich um kleinste, in einer Folie geschützt angebrachte TransponderChips mit angeschlossener TranponderAntenne, sogenannte „Smart Labels“, die nur beim Schreib- und Lesevorgang von außen mittels Induktion mit Strom versorgt werden. Die dazu verwendbaren Radiofrequenzen sind staatlich reglementiert und liegen in den Bereichen 100 bis 135 kHz, 3 bis 30 MHz und 5,8 GHz. Als ein Optimum habe sich die Frequenz 13,56 MHz herauskristallisiert. Die bekanntesten Hersteller dieser „Smart Labels“ sind Philips und Texas Instruments, wobei ersterer mit 64 Bit und letzterer mit 32 Bit arbeitet. Die bekannteste Massenanwendung, noch in der alten Transponderform von kleinen Keramikzylindern, ist in der elektronischen Wegfahrsperre von Kraftfahrzeugen zu finden. Weitere Zielmärkte sind der Express-Paketversand, die FlughafengepäckIdentifizierung und die Dokumentenverfolgung. Natürlich zeigt man auch Interesse, mit den Partnern FEIG Electronic und Confidance International unter dem Kooperations-Logo RTS (Reel Tracking Solutions) beim Material-Management in Zeitungsbetrieben einzusteigen. Abschließend berichtete Dr. Kern von einem Feldversuch mit der Fluggepäck-Identifizierung bei British Airways, wobei eine Lesesicherheit von > 99,4 % erreicht wurde. Angesichts der hohen Ausfallraten bei Strichcodes durch Verletzung und Verschmutzung (siehe IfraSpecial Report 1.9: „Verbesserung der Lesbarkeit von Strichcodes auf den Etiketten von Zeitungspapierrollen“) ist diese Genauigkeitssteigerung enorm. Was die Kosten anbelangt, so sei ein ständiges Fallen der Preise bei fortschreitender RFIDTechnologie zu verzeichnen. Die internationale Standardisierung ist durch ISO/IEC 15693-2 gegeben. Boris Fuchs Die fallenden Kosten der fortschreitenden RFID-Technologie-Entwicklung von den Keramik-Transpondern bis zu den Smart Labels. Sie nähern sich asymptotisch den Kosten der Strichcodes. fung und -Bewirtschaftung, einschließlich Lagerhaltung und Transport, stellte das Ringier-Konzept vor, und Clemens Sieber, Leiter der Rotation bei der TA-Media AG (Tages-Anzeiger) in Zürich, erklärte im Detail das dort praktizierte MakulaturManagement. Die manuelle Erfassung der Papierrollen geht bei Ringier bis ins Jahr 1977 zurück. 1982 wurde auf Erfassung mit Strichcode-Lesestift, angeschlossen an einen Taschenrechner HP-41C umgestellt und ab 1988 kamen für den gleichen Zweck Laserpistolen, angeschlossen an einen PC zum Einsatz. 1992 führte Ringier in der Betriebsabrechnung das SAP-System ein und startete wenig später die EDIPAP-Datenübermittlung mit der Papierfabrik Haindl, Peter Milton beschrieb nochmals die über fünf Jahre sich erstreckende Entwicklungsarbeit zwischen der Papierfabrik Aylesford und West Ferry Printers, wie sie in der Ifra-Publikation im März dieses Jahres in Englisch nachzulesen war, wobei jedoch noch die ältere 125-kHz-Technologie zur Anwendung kam. Für die Zukunft gab auch er der 13,56-MHz-Technologie die besseren Chancen. Aus den relativ großen Kupferdraht-Antennenschleifen seien inzwischen visitenkartengroße flexible gedruckte Etiketten geworden, die sich leichter auf den Papierrollenhülsen anbringen lassen. Die sichere Lesbarkeit führte er in einem Experimentalaufbau vor einer auf einer Malerstaffelei stehenden Lese-Rahmenantenne vor. Als Softwarehersteller konzentrierte er sich im zweiten Teil seiner Präsentation mehr auf die interne RS 485-Datenanbindung an die hauseigene Datenverarbeitung sowie auf die ISDN-Übermittlung der Rollendaten zwischen Papierfabrik und Drukkerei. Fallbeispiele von gutem MaterialManagement Nach dieser Vorführung neuer Technologien bei der Papierrollenerfassung wurden in zwei Fallbeispielen gutes Material-Management in der Praxis vorgeführt, und zufällig (oder auch nicht) kamen beide aus dem gleichen Land: der Schweiz. Mark Rytz, zuständig bei Ringier Print in Adligenswil bei Luzern für Material-Beschaf- Bei einem Feldversuch bei British Airways werden „Smart Labels“ zur Gepäckidentifikation erprobt. 9 Ifra aktuell Boris Fuchs In der Restrollenverwaltung sieht man auch bei Ringier noch ein Problem, das wohl nur mittels elektronischen Etiketten zu lösen ist. Makulatur-Management Clemens Sieber gab gleich zu Beginn seines Vortrags mit den nachfolgenden Verbrauchszahlen interessante Relativzahlen zur Kenntnis. Bei TA-Media werden für die wöchentliche Produktion des Tages-Anzeigers (Auflage: 310 000) und der Sonntagszeitung (290 000) sowie einer Wochenbeilage im Tabloid-Format (310 000) und verschiedener Fremdprodukte (zwischen 8000 und 1,5 Millionen Exemplaren) 1000 Tonnen Papier, acht Tonnen Schwarzfarben, vier Tonnen Skalenfarben, 0,6 Tonnen Schmuckfarben und 10 500 Druckplatten eingesetzt. Sämtliches Papier wird mit der Bahn angeliefert und zu 90 % vom Bahnwaggon direkt an die Maschine gebracht. Die Papierrollen tragen grundsätzlich keine Stirndeckel, keine Spunde in den Rollenhülsen und werden trotzdem stehend transportiert. Da die Waggons ausschließlich für den Papiertransport eingesetzt werden, entstehen dabei keine Beschädigungen an den Rollen. In der Makulaturerfassung unterscheidet man 34 Makulaturarten. Durch diese genaue Untergliederung konnte man die Gesamtmakulaturquote von 1992 bis heute um einen Prozentpunkt von 8,02 auf 7,03 senken, was einer Einsparung von annähernd 500 000 Schweizer Franken entspricht. In einem ab Februar 1999 mit Eurografica begonnenen Prozeßoptimierungsverfahren will man einen weiteren Prozentpunkt einsparen und auf eine Gesamtmakulaturquote von 6,2 % herunterkommen. Auch bei NMSS in London kümmert man sich neben dem zentralen Papiereinkauf um das Makulatur-Management, worüber Peter Walker berichtete. Dort unterscheidet man nur sechs Makulaturarten und fünf Produktionsarten. Durch Kennzahlenvergleiche (Benchmarking) hat man ein Makulatur-Modell aufgestellt und führt danach Soll-Ist-Vergleiche für die einzelnen Druckorte durch. An einem Beispiel zeigte er auf, daß so bei einem Druckort pro 100 000 vollformatige Zeitungsseiten sechs Kilogramm Papier eingespart werden konnten, was einer jährlichen Gesamteinsparung von 840 000 Pfund Sterling ent- Die sichere Lesbarkeit der von der Papierfabrik Aylesford und West Ferry Printers gemeinsam entwickelten Etiketten wurde den Seminar-Teilnehmern von Peter Milton in einem Experimentalaufbau demonstriert. die ab Januar 1993 fest eingeführt wurde. Heute werden bei Ringier 70 % aller angelieferten Papierrollen mit EDIPAP erfaßt. Es haben sich dadurch drei Säulen im Rollenhandling ergeben: 1. Rollen ohne oder mit einem anderen als Ifra-Strichcode werden mit einem eigenen Strichcode versehen und anschließend mit der Laserpistole erfaßt. 2. Rollen, die mit einem Strichcode versehen sind, deren Daten aber nicht mittels EDIPAP übermittelt wurden, werden mit der Laserpistole einzeln erfaßt. 3. Rollen, deren Daten mit EDIPAP übermittelt wurden, werden nicht mehr kontrolliert – ihre Daten gehen 1 : 1 direkt in die SAP-Erfassung. Von dem 16-stelligen Ifra-Strichcode verwendet man nur die ersten acht Stellen, d. h. nur den Teil zur Rollenidentifizierung. Alle übrigen Daten wurden mit EDIPAP bereits übermittelt. In einer Realtime-Präsentation führte Mark Rytz vor, wie schnell die Daten auf diesem Weg aufgerufen und automatisch verarbeitet werden können. Man habe inzwischen sogar das Maschinensteuerungssystem APS von ABB EDIPAP-fähig gemacht, um die Rollenreißerstatistiken und die Flächengewichtsanalyse damit zu verbinden. Fehler in den Papierfabriken und im eigenen Umfeld konnten dadurch aufgeklärt und so eine ständige Verbesserung der Ergebnisse erzielt werden. 10 Juli / August 1999 zeitungstechnik spricht. (Anm.: NMSS muß sich schon deshalb um die Makulatur kümmern, da sie von den Druckereien nach der Anzahl der gedruckten Exemplare bezahlt werden.) In Zukunft will man das Makulatur-Modell noch weiter verfeinern. Da menschliche Fehler bei der Buchführung gegenwärtig noch das Hauptproblem darstellen, werden elektronische Etiketten und EDIPAP gebraucht, um das System fehlerfrei zu machen. Man hofft, so auf eine Realtime-Erfassung zu kommen, welche die laufende Produktion noch korrigieren kann. Ergänzende Angaben sind im Ifra-Special Report 1.14: „Makulatureinsparung: Eine Studie bei führenden europäischen und US-amerikanischen Zeitungen“ zu finden. Die Verdruckbarkeit des Zeitungspapiers in der Rotation Drei Vorträge bei diesem Seminar waren der Thematik Verdruckbarkeit des Zeitungspapiers in der Rotation gewidmet, wie sie auch im Ifra-Special Report: 1.16 „Gibt es Methoden zur Vorhersage der Verund Bedruckbarkeit von Zeitungspapier?“ nachzulesen ist. Einen von ihm selbst als etwas akademisch bezeichneten Vortrag in dieser Beziehung hielt Prof. Gérard Baudin von der Ecole Française de Papeterie et des Industries Graphiques in Grenoble, F, indem er von Papierspannungsanalysen bei der Zeitung Le Progrès in Lyon berichtete und danach ein Modell der Parameter aufstellte, die auf die Verdruckbarkeit einwirken. Für den Bau einer diese Parameter näher untersuchenden Labormaschine stellte er die mathematisch-geometrischen Beziehungen für die Meßwalzen auf und untersuchte den Einfluß verschiedener Störgrößen, wie die einseitige Bahnführung und die Reibungskoeffizienten. Die Meßwalzen-Geber wurden an der Technischen Universität Karlsruhe entwickelt, und die Labormaschine befindet sich an der Universität in Grenoble noch im Bau. Als nächsten Schritt will man dynamische Messungen unter Einbeziehung einer Moiré-Technik durchführen und auch die viskoelastischen Eigenschaften von Gummiwalzen und Gummitüchern mit einbeziehen. Pertti Moilanen vom Technischen Forschungszentrum von Finnland VTT in Espoo berichtete von Feldversuchen mit Papierspannungsmessungen und Papierreißerstatistiken in zehn europäischen Län- zeitungstechnik Juli / August 1999 dern und Nordamerika, bei denen 25 Papierfabriken und 35 Druckereien eingeschlossen waren. Da sich dabei die Gleichmäßigkeit des Papierspannungsprofils über die Breite des Tambours der Papiermaschine als kritische Größe erwies, wurden als Meßgeräte das IQT Tension von Valmet und das Tenscan von ABB-Strömberg eingesetzt. Jede Papiermaschine weist danach eine konvex gebogene Charakteristik im Bahnspannungsprofil über die Breite auf, woraus sich ergibt, daß Randrollen aus dem aufgeschnittenen Tambour eine geringere Verdruckbarkeit (mehr Reißer) aufweisen. Da darunter auch die Bedruckbarkeit (Registerhaltigkeit) leidet, werden diese oft vor einem diffizilen Vierfarbendruck ausgesondert. Ein sequentielles Verarbeiten der Papierrollen, so wie sie entstanden sind, könne helfen, Reißer und Registerfehler zu vermeiden, sagte Pertti Moilanen. Bei Maschinenklebern konnte er oft lose Zonen beob- Boris Fuchs Von der Papierbestellung bis zum Wareneingang – wie bei Ringier Print praktiziert. achten, die von einer E-Modul-Änderung herrühren. Als Schlußstatement konstatierte er, daß Rotationsdrucker und Papierma- cher heute besser zusammenarbeiten, wodurch in den letzten Jahren die Bahnreißer um 50 % vermindert werden konnten. 11 Ifra aktuell Boris Fuchs Brian Philips, Forschungs- und Entwicklungsleiter bei der Papierfabrik Shotton in England ergänzte diesen Teil des Seminars mit einer gut recherchierten Literaturübersicht. Dabei fand auch der Ifra-Special Report 1.1: „Bruchwiderstand von Zeitungspapier“ Erwähnung, der bereits 1986 die Problematik der Vorhersagemöglichkeit von Bahnreißern zu klären versuchte. Auch Brian Philips ging auf die konvexe Charakteristik im Bahnspannungsprofil der Papiermaschine ein, wodurch sich nach den Rollenschneiden ansteigende bzw. abfallende Profile über die Breite in den Randrollen ergeben. Er empfahl den Rotationsmaschinenherstellern, schwenkbare Leitwalzen in ihre Maschinen einzubauen, um so die „Schräglage“ des Spannungsprofils zu kompensieren. L.G. Eriksson habe die Wirksamkeit dieses Mittels schon 1991 in einer amerikanischen Publikation herausgestellt. Ein weiteres Mittel sei das partielle Aufbringen von Feuchtigkeit, doch dazu seien noch weitere Untersuchungen notwendig, da es sich hierbei um äußerst komplizierte Vorgänge handle. Was für die eine Druckerei gelte, verfehle meistens bei einer anderen ihre Wirkung. Das Heruntersetzen der Bahnspannung während des Längsschneidens der Bahn führte er auch als ein im Tiefdruck praktiziertes Mittel an, um Bahnreißer an den Wendestangen im Falzapparatüberbau zu vermeiden. Überhaupt sei die Ursachenstatistik für Bahnreißer ein gutes Mittel, um Abhilfe zu schaffen, und er führte dazu eindrückliche Beispiele an. bleme durch die Abgabe oder die Aufnahme von Feuchtigkeit ergeben, was zu lockeren oder zu fest gespannten Zugbändern auf den Wickeln führt und so die Exemplare markiert oder zerknittert. Als kritische Papierparameter für den Versandraum nannte er: die Dicke (caliper) des Papiers, den Feuchtigkeitsgehalt, die Trockencharakteristik in bezug auf das Einrollen und die Grammatur. Für jeden einzelnen dieser Parameter listete er die Schwachstellen im Versandraum auf. Zum Schluß seines Vortrags räumte er mit dem Vorurteil auf, daß Primärfaserpapiere im Versandraum besser laufen als Sekundärfaserpapiere. Sein generelles Statement in dieser Beziehung: Alle Papiere von verschiedenen Papierfabriken zeigen verschiedene Charakteristiken unabhängig von ihrer Stoffzusammensetzung. Manche Sekundärfaserpapiere können sogar im Versandraum besser laufen als Primärfaserpapiere. Papiere mit höherem Sekundärfasergehalt tendieren zu einer geringeren Dicke (caliper) und weniger Steifigkeit, aber weisen eine höhere Zugfestigkeit auf. Gegenwärtig werden beim Mirror Papiere mit 0 bis 100 % Sekundärfasergehalt eingesetzt. Das Mittel liegt zur Zeit bei 40 %, soll aber in Zukunft aus umweltschutzgesetzlichen Gründen auf 60 % erhöht werden. Auch Papiere mit 100 % Sekundärfasergehalt können im Versandraum verarbeitet werden, doch müssen in der Papierfabrik Vorkehrungen gegen das Einrollen getroffen werden. Der Einfluß des Gummituchs Den Abschluß des zweitägigen Seminars bildeten zwei Vorträge über den Einfluß des Gummituchs auf die Ver- und Bedruckbarkeit des Zeitungspapiers. Sie kamen von einem deutschen und einem britischen Hersteller: Joachim Herrmann von ContiTech in Northeim und Bill Cannon von Polyfibron Rollin in Chessington. (Auch darüber informiert ein Ifra-Special Report mit der Nummer 3.22: „OffsetGummitücher und ihr Einfluß auf die Druckqualität“). Beide Referenten stellten als wichtigste Eigenschaft des Gummituchs die Kompressibilität und die Oberflächeneigenschaft heraus. Während Joachim Herrmann sich in seinen Ausführungen mehr auf den konstruktiven Aufbau der Gummitücher und den Herstellungsprozeß konzentrierte, Verdruckbarkeitsprobleme im Versandraum Daß sich die Verdruckbarkeitsprobleme beim Zeitungspapier bis in den Versandraum fortsetzen, davon berichtete Richard Gray, der bei Mirror Colour Print (Daily Mirror) in Oldham, GB, sowohl den Rotationssaal als auch den Versandraum leitet. Probleme können bereits beim Schuppenstrom auftreten, wenn die Exemplare sich beim Einschießen in die Einstecktrommel als zu wenig steif erweisen oder wegen Einrollens (curling) beim Einsteckvorgang schwierig zu öffnen sind (letzteres betreffend, siehe Ifra-Special Report 1.13: „Einführung in das Problem des Einrollens von Zeitungspapier“). Bei der Lagerung der Exemplare können sich Pro12 Juli / August 1999 zeitungstechnik ging Bill Cannon auf die Druckprobleme mit Gummitüchern ein. Besonders interessant waren dabei seine Hinweise, wann die Gummituchzylinder mehr ziehen müssen, um bei Kombinationen zwischen Gummigegen-Gummi- und Gummi-gegen-StahlDruck (Satellit) eine schlaffe Bahn zwischen beiden zu vermeiden. Glattere Gummitücher tendieren zu mehr Bahnzug, andererseits kann der Bahnzug aber auch durch dickere Unterlagen verstärkt werden. Bei einer Verringerung besteht hingegen die Gefahr zu Qualitätsverlusten und zum Stauben. Ebenso findet die Änderung der Oberflächeneigenschaften der Gummitücher ihre Grenzen in der Druckqualität und in der Feuchtmittelführung. Eine geänderte Kompressibilität kann auch den Bahnzug verändern, aber eine niedrigere Kompressibilität führt zu weniger Widerstand gegen Wickler, während eine höhere Kompressibilität die Lebensdauer des Gummituchs herabsetzt. Für verschiedenes Bahnzugverhalten bietet sein Unternehmen mit Polycell, Reporter und Graffity drei Gummituchtypen an, die in dieser Reihenfolge von niederem zu höherem Bahnzug abgestuft sind. Was erwartet der Drucker? Es sind dies ungebrochene Volltöne im Druck, gleichmäßige Halbtöne und ein in engen Toleranzen gehaltenes Register. Und mit welchen Eigenschaften kann das Gummituch dazu beitragen? Bill Cannons Antwort darauf lautete: mit einer genauen Dicke bzw. Höhe von nominal 1,96 mm ± 0,02 mm, mit einer homogenen Unterlage, um die richtige Pressung sicherzustellen (80 bis 100 N/m), mit einer Oberflächenbeschaffenheit, die einen hohen Farbübertragungsfaktor garantiert, mit einer guten Dimensionsstabilität auf der Rotation und mit einer kurzen Erholungszeit, die der hohen Druckgeschwindigkeit entspricht. Weiterhin erwartet der Drucker vom Gummituch, daß die Einspannschienen sicher befestigt sind, die Gummitücher leicht zu reinigen sind und resistent gegen die gebräuchlichen Reinigungsmittel sind, die sich mit strenger werdenden Umweltschutzvorschriften ändern können. Dazu müssen die Kanten der Gummitücher versiegelt werden, um ein Eindringen nichtflüchtiger Lösungsmittel in die Karkasse zu verhindern. <