Rendezvous mit Happy-End - fachjournalistin birgit will

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Rendezvous mit Happy-End - fachjournalistin birgit will
Lebensmittel Zeitung 25 vom 20.06.2003 Seite 070
Journal Marke 2003
Rendezvous mit Happy-End
Marken und Menschen haben einiges gemeinsam. Manchmal wollen sie nicht länger allein sein. Die
Suche nach einem passenden Partner liegt bei Markenartiklern derzeit voll im Trend. Bei Menschen
endet die Suche manchmal in festen Beziehungen. Bei Marken nennt man dies dann Co-Branding. Von
Birgit Will
Harte Zeiten für die Markenartikler: Die
Konsumenten sparen und kaufen immer mehr
Handelsmarken. Der Druck von Discountern zwingt
die Konsumgüterindustrie, ihre Kräfte zu bündeln
und neue Wege einzuschlagen. Seit einiger Zeit
wehrt
sie
sich
mit
einer
gezielten
Marketingoffensive. Getreu dem Motto
"Gemeinsam sind wir stärker" begeben sich
Markenartikler gezielt auf die Suche nach
passenden Partnern. "Die Bereitschaft zur
Zusammenarbeit ist im vergangenen Jahr auf
Industrieseite deutlich gestiegen", konstatiert Dr.
Heiner Olbrich, Konsumgüter-Spezialist bei Roland
Berger Strategy Consultants, München. Bei der
Auswahl der zukünftigen "Ehepartner" gelten für
Markenartikel ähnliche Kriterien wie im richtigen
Leben. "Die beiden Marken müssen von der
Positionierung her zusammenpassen und
wechselseitig die Käuferreichweite nachhaltig
erhöhen", so Olbrich. Obwohl es sich bei dieser
neuen Form der Kooperation zweier Marken selten
um eine Entscheidung fürs Leben, sondern meist
eher um einen "Lebensabschnittsgefährten"
handelt, muss auch hier die "Chemie" stimmen.
"Gegenseitige Offenheit, Toleranz und Verständnis
für die unterschiedlichen Unternehmensstrukturen",
sind für Nestlé-Sprecherin Astrid Droßmann die
entscheidenden Faktoren für erfolgreiche
Kooperationen.
Die Frankfurter sind insbesondere mit der Marke
Smarties im Bereich Co-Branding aktiv. So ist
Smarties seit 2001 mit Ritter Schokolade liiert,
wobei Smarties als gebrandete Zutat vertreten ist.
"Durch den gemeinsamen Auftritt wurde die Marke
auch bei den Tafelverwendern in Erinnerung
gerufen", erläutert Droßmann die Vorteile der
Zweierbeziehung. Im vergangenen Jahr folgte dann
ein zusätzliches Techtelmechtel mit Haribo, aus
dem das Produktkind "Fruity Smarties" hervorging.
Die gemeinsame Produktinnovation wurde neben
dem Stammgeschäft von Smarties positioniert und
erweiterte so die klassische Produktrange um
einen Fruchtgummi. Die beiden Eltern teilen sich
die Erziehungsaufgabe ihres Markenkindes: Haribo
ist für die Produktion und Nestlé für Vertrieb und
Marketing zuständig.
"In den ersten drei Monaten dieses Jahres war der
größte Teil der ursprünglich geplanten
Jahresmenge bereits verkauft", freut sich
Droßmann über die positive Resonanz bei den
Konsumenten. Die Bekanntheit beider Marken, ihre
Kraft und das doppelte Qualitätssiegel kombiniert
mit einer echten Innovation beschere beiden
Partnern einen Wettbewerbsvorteil.
Das Ziel der Kooperation ist es, die Marke aktuell
zu halten", so Droßmann. Durch neue Produkte sei
Nestlé in zusätzlichen Produktkategorien vertreten.
Mit weiteren Konsumanlässen könne man
zusätzliche Verwender generieren.
Der Verbraucher fordere immer wieder eindeutige
und nachvollziehbare Beispiele für den Mehrwert
und die Einzigartigkeit der Produkte, begründet
Langnese den derzeitigen Trend zum Co-Branding.
"Durch die Verschmelzung zweier Marken
erreichen wir eine unkopierbare Differenzierung
gegenüber dem Markenmitbewerber und
Handelsimitaten", erläutert Langnese MarketingManager Harald Melwisch das Konzept. Die
Hamburger sind seit vergangenem Jahr mit Chupa
Chups im Impulseis-Bereich verschmolzen. In
diesem Jahr ging Langnese mit der Marke
Cremissimo auf Brautschau. In Anbetracht der
interessanten Partnerauswahl entschieden sich die
Eisspezialisten für die polygame Variante
"Cremissimo & Partner".
Den Anfang machte im Februar 2003 die Liaison
mit Milka Kuhflecken von Kraft, dieser folgte im Mai
Toblerone aus dem gleichen Elternhaus. Zeitgleich
forcierte Langnese die Beziehung mit Batida de
Cóco von Mangaroca International. Und ein Ende
des munteren Reigens ist noch lange nicht in Sicht.
In Anbetracht des durchschlagenden Erfolges des
Konzeptes will Marketing-Manager Melwisch die
Strategie in naher Zukunft mit weiteren
Markenpartnern fortführen. Markenpower und
starke Innovationen seien schließlich der Schlüssel
in einem umkämpften Eiscreme-Markt. "Wir sind
überzeugt, dass diese Kooperationen beim
Verbraucher ,doppelt' gut ankommen und neue
Verwenderschaften und Verzehranlässe
erschließen", argumentiert Melwisch.
Nach dem Motto "Zwei auf einen Streich" setzen
die Eisspezialisten das Verschmelzen zweier
Marken in der klassischen Kommunikation in
Szene. "Durch gemeinsame MarketingaktivitätenCremissimo
Milka
Kuhflecken
wurden
beispielsweise in fünf Millionen Milka-Tafeln
angekündigt - erzielen wir eine Erhöhung der Mittel
und somit der Reichweite", erläutert Melwisch die
finanziellen Vorteile des Konzeptes.
"Co-Branding kann einen guten Push erzeugen,
wenn man es als temporär befristete Aktion
macht", bestätigt Konsumgüterspezialist Olbrich die
positiven Effekte der Strategie. Ein langfristiges
Zusammenführen zweier Lebensmittelmarken
könne jedoch zu einer Verwässerung der
eigentlichen Marken führen, meint Olbrich und
plädiert für eher kurzfristige Beziehungen.
Neben der Zeitdauer der Verbindung wird auch die
Zahl der Partner von Markenexperten eher
skeptisch betrachtet. Polygame Markenbeziehung
sieht Klaus Brandmeyer, Direktor des Genfer
Institutes für Markentechnik, einer führenden
Markenberatung, eher kritisch. "Wenn
Partnermarken zu Varietäten werden, besteht die
Gefahr, dass die Partner auf Dauer zu einem
Begriff für einen Geschmack werden", warnt
Brandmeyer. Eine Produktmarke könne auf diese
Weise auf die Funktion als Zutat oder Zugabe
reduziert
werden.
"Die Markenartikler müssen aufpassen , dass sie
sich nicht irgendwann als Inhalt von
Überraschungseiern wiederfinden", argumentiert
der Markenexperte. Sonst könne beim
Konsumenten der Eindruck entstehen, dass
Markenzeichen nicht mehr an eine spezifische
Unternehmensleistung gebunden sind, sondern
freihändig vergeben werden können.
"Wenn eine Marke mehrere unabhängige nicht
konkurrierende Ansatzpunkte für Kooperationen
bietet, sehen wir Kooperationen mit verschiedenen
Partnern als unproblematisch", sagt Hermann
Crux, als Marketing Manager Food bei Kraft für
Miracoli zuständig. Aus Erfahrung sieht er eine
Kooperation mit mehr als zwei bis drei Partnern
allerdings als schwierig an. "Hier wird der
Grenznutzen ebenso wie die Aufnahmefähigkeit
des Verbrauchers strapaziert", argumentiert Crux.
Der Markenkern der eigenen Marke müsse immer
klar erkennbar sein. Für Crux ist die
Komplementarität der Partner eine notwendige
Voraussetzung für ein erfolgreiches Co-Branding.
Mit der Marke Miracoli Ofino kooperiert Kraft Foods
seit vergangenem Jahr mit Wiesenhof
Hähnchenbrustfilets. "Dadurch entstanden
innovative Lösungen für hochwertige Gerichte, die
beide Partner ,in einem' anbieten. Für den
Konsumenten entsteht so ein Mehrwert", sagt
Crux. Durch gemeinsame Auftritte und
Synergieeffekte werden Marketingkosten geteilt
und die Käuferreichweite nachweislich erhöht.
Hauptbeweggrund einer Markenkooperation sollte
seiner Meinung nach jedoch immer die
Verbraucherrelevanz sein und nicht das Lösen von
Budgetproblemen.
Wie der Verbraucher die verschiedenen
Markenbeziehungen bewertet, hängt sicherlich von
der
jeweiligen
Warengruppe,
der
Markenpositionierung und gewählten Strategie ab.
Eher langfristig sind Verbindungen von
Markenartiklern angelegt, die sich in ihrer
Markenpositionierung ergänzen. Dort sind die
beiden Markenwelten oftmals funktional
aufeinander bezogen. Für den Konsumenten ist auf
den ersten Blick erkennbar, dass sich zwei Partner
mit unterschiedlicher Kompetenz ergänzen. Neben
einer Vielzahl gemeinsamer Promotions von
Komplementär-Marken entspringt solchen
Kombinationen manchmal sogar eine völlig neue
Produktgeneration. So konnten der Elektrikkonzern
Philips und der Kaffeeröster Douwe Egberts mit
dem
gemeinsam
entwickelten
neuen
Kaffeebrühsystem Senseo den Kaffeemarkt neu
beleben. Seit Oktober vergangenen Jahres hat
Philips nach Unternehmensangaben auf den
deutschen Markt 500000 Maschinen ausgeliefert
und in dieser Zeit seine Marktposition im
Marktsegment für Kaffeemaschinen von rund elf
auf deutlich über 30 Prozent verdreifacht.
"Der anhaltende Senseo-Boom hat zugleich die
Umsatzverluste für Elektro-Kleingeräte im Vorjahr
ausgeglichen und dem Handel ein profitables
Neugeschäft beschert", erklärt Philips-Sprecher
Michel Rodzynek.
Um neue Marktsegmente zu erschließen will das
Unternehmen auch zukünftig weiter auf
Partnersuche gehen. "Voraussetzung ist allerdings,
dass die Produkte und Firmen wirklich zusammen
passen und einen Win-Win-Vorteil schaffen", so
Rodzynek.
Bereits seit 1998 kooperiert der Technikkonzern mit
Nivea im Rasierer-Segment. Auch hier hat man im
Rahmen der Kooperation ein neues Marktsegment
geschaffen. Mit dem neuen Philishave Cool Skin
reagierte Philips auf den anhaltenden Trend zur
Nassrasur. Die Kombination von Trockenrasierer
und nassem Element soll die männliche
Kundschaft wieder zum Trockenrasierer
zurückführen. Die entsprechende Partneranzeige
hätte wohl folgendermaßen gelautet: Innovativer
Trendsetter in marktführender Position sucht
passendes Gegenstück. Fündig geworden ist
Philips im Beiersdorf-Konzern. Mit der Marke Nivea
for Men sind die Niederländer nun bereits seit fünf
Jahren international glücklich liiert. "Nivea steht als
Marke für Pflege. Durch die Kooperation mit Philips
konnten wir unsere Rasurkompetenz ausbauen",
erläutert Jan Siemers, International Brand
Manager, den Vorteil für Nivea for men. Der
Philishave Cool Skin verbindet - ohne Wasser und
Rasierschaum - die typischen Vorteile der Nassund der Trockenrasur. Das Konzept basiert auf
einer Kombination von Rasierer mit Rasieremulsion
und Frischegel von Nivea for Men. Die pflegenden
Wirkstoffe können per Knopfdruck aufgetragen
werden. Aus dem Rendezvous wurde eine ideale
Dauerbeziehung: Weibliche Pflegedimension fand
maskulines Image.
Lebensabschnitts-Partner
Gemeinsame Produktentwicklung Nestlé Smarties & Ritter Sport Schokolade Nestlé & Haribo: Fruity Smarties
Langnese und Chupa-Chups-Lutscher Langnese Cremissimo Eiscreme & Milka Schokolade Langnese
Cremissimo & Toblerone Langense Cremissimo & Batida McDonalds und Milka Langnese & Otto / HermesVersand: Langnese Mode Kollektion Nivea und Philips (Philishave Cool Skin & Rasieremulsion) Philips und
Kaffeeröster Douwe Egberts ( Senseo Kaffeebrühsystem) Gemeinsame TV-Werbung Vivil "Fun+Energy" & der
amerikanische Sportartikel-Hersteller K2. Gemeinsame Aktionen im Handel Taschenhersteller Picard und
Wella geben "Handsan Cream & Touch" Produktproben. Kunden-Clubs Payback und Lufthansa Miles & More
führen seit November 2002 eine umfangreiche Marketingkooperation. Gegenseitige Empfehlung der Produkte
Dash 2 in 1 & Braun Bügeleisen Ariel & Bauknecht Waschmaschinen Kraft Foods Miracoli & Wiesenhof
Geflügel Gegenseitige Promotions Nutella & Handy.de: Käufer eines 750-Gramm-Glases finden darin einen
Gratis-Abruf-Code. Accor Hotellerie Deutschland (u.a. Etap, Ibis) lässt sich von Ikea, Hofheim-Wallau, Zimmer
ausstatten. TUI honoriert Patros-Kupons von Hochland, Allgäu. Gemeinsame Gewinnspiele Bravo Girl und
Labello Langnese plant Tanz-Wettbewerb in Kooperation mit RTL II Gemeinsames
Kundenbindungsprogramm: Löwenbräu, Develey und Meggle kooperieren zur Grillsaison.
"Drum prüfe, wer sich bindet"
Lebensmittel Zeitung: Welche Voraussetzungen sollten die "Ehepartner" für ein erfolgreiches Co-Branding
erfüllen? Ralph Krüger: Die beiden potentiellen Partnermarken sollten über eine etwa gleich starke
Markenpersönlichkeit verfügen und die Charaktere der Marken sollten sich sinnvoll wechselseitig ergänzen.
Die jeweils bisher getrennt angesprochenen Zielgruppen müssen ähnlich definiert sein, so dass Synergien in
der Ansprache genutzt werden können. Die wechselseitigen Verwendungsbereiche müssen sich natürlich
sinnvoll ergänzen, so dass ein für den Verbraucher nachvollziehbarer "Mehrwert" aus der Kooperation
entsteht. LZ: Welche Vorteile bringt Co-Branding den beteiligten Unternehmen? Krüger: Der größte Vorteil von
Co-Branding ist die Steigerung der Markenbekanntheit und der wechselseitige Imagetransfer der spezifischen
Markenwerte. Aus der Erfahrung zeigt sich, dass es sinnvoll ist, wenn sich beide kooperationswilligen Parteien
erst einmal auf einem überschaubaren Projekt gegenseitig kennenlernen und dann auf weitere Felder
ausdehnen. Eine sorgfältige Analyse im Vorfeld der Auswahl des Kooperationspartners ist dann der beste
Garant für eine Steigerung von Absatz und Umsatz. Im Rahmen einer gemeinsamen Produktentwicklung kann
eine einzigartige und somit schwer nachahmbare Positionierung aufgebaut werden, die dazu beiträgt, sich von
Konkurrenzprodukten oder Handelsmarken nachhaltig zu differenzieren. LZ: Welche Risiken und Probleme
müssen bedacht werden? Was passiert im Falle einer Trennung? Krüger: Nicht umsonst heißt es: Drum prüfe,
wer sich ewig bindet. Die sorgfältige und analytisch fundierte Erstellung einer short-list im Vorfeld und die
Beteiligung neutraler Dritter zur Begleitung des Gesamtprozesses erweist sich als beste Grundlage für eine
erfolgreiche Arbeit. Natürlich kann auch bei der besten Vorbereitung nicht ausgeschlossen werden, dass ein
Partner im Verlauf der Zusammenarbeit in Probleme verstrickt wird, die so nicht absehbar waren. Dann greifen
genau dieselben Regeln, die zum Beispiel aus dem Sponsoring bekannt sind - beim Auftreten von
Dopinggerüchten etc. ist der andere Partner frei, die Zusammenarbeit ruhen zu lassen oder auch ganz
aufzukündigen. LZ: Wie viele Partnerschaften kann eine Marke verkraften? Krüger: Grundsätzlich gibt es
keine Beschränkungen bei der Anzahl der Co-Branding Partnerschaften. Allerdings ist darauf zu achten, dass
keine wechselseitigen Kannibalisierungseffekte auftreten. Es kommt auch immer auf die Stärke der jeweiligen
Marken und die jeweiligen Produktbereiche der Partner an. Gerade in gesättigten Märkten wie dem
Süßwarenmarkt bietet Co-Branding die Möglichkeit für innovative Produktvariationen. LZ: Ist Co-Branding ein
neuer Mega-Trend in der Markenindustrie? Was bedeutet diese Strategie langfristig für die jeweiligen Marken?
Krüger: Gerade vor dem Hintergrund der steigenden Bedeutung von Handelsmarken gewinnt Co-Branding
immer stärker an Bedeutung. Klassische Markenartikler können sich mit Co-Branding stärker positionieren,
ihren Markenwert steigern und von No-Names bzw. Handelsmarken abgrenzen. Hinzu kommt die Tatsache,
dass die Budgets im Marketingbereich oft genug stagnieren oder sogar zurückgefahren werden. Die
Untersuchungen zeigen deutlich, dass durch das Co-Branding auf intelligente Weise ein absatzfördernder
Effekt mit vergleichsweise moderatem Budgeteinsatz erzielt werden kann. wi
Bildunterschrift(en): Befruchtung: Fruity Smarties sind ein Ergebnis erfolgreichen Co-Brandings Foto: Nestlé
Ralph Krüger, Geschäftsführer der Advanced Marketing Consulting.
Autor:
Will, Birgit
Illustration:
2 Fotos
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