An Bord der „Braemar“

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An Bord der „Braemar“
Weser Kurier
11
Bremen
DONNERSTAG
11. JUNI 2015
MIKROKOSMOS AUF FÜNF DECKS: NACH NEUN JAHREN MACHT IN BREMEN WIEDER EIN KREUZFAHRTSCHIFF FEST
T
V ON JAN O P P EL
An Bord der „Braemar“
imo Krüger und Ralf Theilengerdes
stehen an der Pier des Gröpelinger
Getreidehafens. Vor einer grauen
Lagerhalle legt gerade die „Braemar“ an. Der knapp 200 Meter
lange Koloss schiebt sich langsam seitwärts
ans Ufer. Neun Jahre ist es her, dass ein
Kreuzfahrtschiff dieser Größe in Bremen
festgemacht hat. Entsprechend groß ist der
Andrang hinter dem Stacheldraht, der das
triste Areal umgibt. Die Zaungäste winken
den Passagieren an Deck und machen
Fotos. Die beiden Bundespolizisten Krüger
und Theilengerdes wollen an diesem
Abend die Passagierliste überprüfen und
den 385 überwiegend philippinischen Besatzungsmitgliedern der „Braemar“ Passierscheine ausstellen. Diese Dokumente
in Krügers Koffer dienen den Nicht-EU-Bürgern als Visaersatz.
Zwei Männer mit weißen Schutzhelmen
lassen den beiden Bundespolizisten die
Gangway herunter. Krüger und Theilengerdes gehen über den schmalen Steg an
Bord. In der Eingangshalle geht es durch
die Sicherheitskontrolle. Wie am Flughafen werden hier Jacken und Taschen durchleuchtet. Chef-Rezeptionistin Lea Santos
winkt die beiden Besucher an ihren Tresen. „Kommen Sie bitte mit“, sagt sie. Zielsicher steuert die Filipina Krüger und Theilengerdes durch die Gänge im Schiffbauch. Schnellen Schrittes geht es über
bunten Teppich durch zahlreiche Flure. Es
riecht nach Chlor. Die Kabinen der Passagiere werden gerade von den Reinigungskräften geputzt. Santos öffnet eine Holztür
und bittet die Beamten in einen fensterlo-
Ralf Theilengerdes
von der Bundespolizei geht mit einem
Kollegen an Bord
des Schiffs. Die beiden Beamten wollen
Passierscheine kontrollieren.
„Bevor nicht alle
Passierscheine gestempelt
sind, darf niemand von Bord.“
Barmann Jonathan Fernandes kommt aus dem indischen Goa. Seit
sechs Jahren arbeitet er schon an Bord der „Braemar“.
Bundespolizist Ralf Theilengerdes
sen Raum. „Der Kartenraum – hier spielen
die Gäste normalerweise Karten“, erklärt
sie. Krüger und Theilengerdes setzen sich
an einen mit grünem Filz bespannten Tisch
und beginnen ihre Arbeit. Die beiden
Beamten kontrollieren die Passierscheine
der Crew, die ihre Hamburger Kollegen am
Vortag ausgestellt haben und übergeben
die neuen Bremer Dokumente. Die Scheine
haben sie schon am Vortag abgestempelt.
„Kleiner Service von uns“ sagt Theilengerdes. „Bevor nicht alle Passierscheine gestempelt sind, darf niemand von Bord“.
Wenn die Crewmitglieder in Bremen in
eine Polizeikontrolle geraten, dienen die
Passierscheine als Ausweisdokument. Im
Kartenraum ist es warm und stickig. Krüger legt seine Mütze auf den Koffer und
wischt sich mit einem Taschentuch die
Schweißperlen von der Stirn. Alles in Ordnung auf der „Braemar“? „Klar“, sagt Krüger. Die Reedereien achten sehr darauf –
sonst müssen sie hohe Strafen zahlen.
Nach rund 30 Minuten ist die Arbeit der
Polizisten getan.
„Bridge Gangway
– Ship is clear“,
ruft Santos in
den Hörer eines
Wandtelefons.
Krüger
und
Theilengerdes verabschieden
sich.
Chef-Rezeptionistin Lea Santos
Das Kreuzfahrtschiff
hat an der
Pier des Getreidehafens
in Gröpelingen festgemacht.
FOTOS: KOCH
Für Santos ist das Prozedere längst Routine. Seit 2003 arbeitet die Chefin der Rezeption auf der „Braemar“. Sechs Monate
auf See – zwei Monate frei. Seit zwölf Jahren Alltag für die 38-Jährige. Was sie auf
dem Kreuzfahrtschiff am meisten vermisst?
„Meine Kinder“, sagt Santos. 14 und drei
Jahre alt sind ihre beiden Töchter. Santos
ruft sie jeden Tag über den Internet-Telefoniedienst „Skype“ an. Vor allem für die
14-Jährige war es anfangs hart, ihre Mutter
so selten zu sehen. „Mittlerweile hat sie
aber Verständnis dafür“, meint Santos. Sie
freut sich, dass das Schiff jetzt festgemacht
hat. „Im Hafen ist die Internetverbindung
stabiler“, sagt sie und lacht.
Kapitän Robert Bamberg betritt den Kartenraum. Die Anreise über die Weser sei
trotz des niedrigen Wasserstandes unproblematisch gewesen, sagt er. „Deswegen
waren wir früher hier als geplant.“ Bamberg kennt Bremen bereits. Früher hat er in
Papenburg gearbeitet und hier einige
Schiffsinspektionen durchgeführt. Trotz
des tristen Industrieflairs – die Anlegestelle in Gröpelingen gefällt ihm. „Ich
habe schon das Shoppingcenter gesehen“, sagt er. „Das wird vor allem die
Crew freuen.“
Die Reederei will ihren Gästen etwas
Neues bieten. Deshalb will sie auch im
kommenden Jahr wieder Bremen und
nicht Bremerhaven ansteuern. Auf ihrer jetzigen Fahrt nahm die „Braemar“ vom engli-
schen Dover aus kommend am Mittwoch- ten“, sagt er. Einige kennt er schon seit Jahabend Kurs auf St. Petersburg.
ren. Eine Kreuzfahrt dieser Art würde er für
In der Lounge des Schiffs sitzen am
sich nicht buchen. „Das wäre mir zu langDienstagabend die überwiegend älteren
weilig – für mich müsste es schon ein PartyPassagiere und trinken ihren Aperitif. Am
schiff sein“, sagt er grinsend.
nächsten Morgen werden sie auf einer geMit dem Fahrstuhl geht es zurück in die
führten Tour Bremens Sehenswürdigkei- Eingangshalle. Lea Santos winkt zum Abten besuchen. In einer Glastheke türmen
schied und strahlt über das ganze Gesicht.
sich Pralinen und Gebäck. Das heutige Spe- Auf der Gangway verlassen gerade drei
cial ist so britisch wie der Großjunge Männer den Luxusliner.
teil der Gäste – es gibt Scones.
Einer von ihnen ist Joey Durias.
Kapitän Bamberg sitzt mit seiWo es jetzt hingeht? „In die Inner Frau und der Tochter an
nenstadt, etwas essen“, sagt der
einem Tisch und schaut auf die
Mann im grauen KapuzenpullWeser. Dabei rührt er mit dem
over. Er sieht Bremen heute zum
Löffel in einer Tasse Tee.
ersten Mal. Auf dem Schiff gibt
Vorbei an Boutiquen und
es für die Crew überwiegend
einem Fotoladen geht es mit
philippinische
Gerichte.
dem Fahrstuhl in den fünften
„Schwein und Huhn im WechStock. Auf dem verwaisten
sel“, erklärt der Filipino. „Immer
Oberdeck reihen sich graue Sondas Gleiche“. An Bord muss der
nenliegen aneinander. Ein Kapitän Robert Bam- Elektriker meistens Glühbirnen
Whirlpool plätschert vor sich berg
wechseln. Aber auch die Warhin. Bald wird die Sonne untertung der Generatoren fällt in seigehen. Jonathan Fernandes hastet über
nen Aufgabenbereich. Eine Frau, die am
das Deck. Gestreifte Weste, weißes Hemd,
anderen Ende der Welt auf ihn wartet, hat
um den Hals eine schwarze Fliege gebun- er noch nicht gefunden. „Vielleicht hat das
den. Gleich beginnt sein Dienst als Barkee- mit dem Job zu tun“, vermutet Durias.
per im Bord-Restaurant. Sechs Jahre geht
Auch er ist neun Monate am Stück im Einder junge Mann aus dem indischen Goa die- satz. Er hätte schon Lust, einmal selbst als
ser Arbeit hier schon nach. Anders als Re- Passagier mitzufahren, sagt er, als er den Sizeptionschefin Santos arbeitet Fernandes
cherheitsbeamten am Eingang zur Pier seineun Monate durch. Was ihm an seinem
nen Passierschein zeigt. „Dafür wird das
Job gefällt? „Die Gespräche mit den Gäs- Geld in diesem Leben aber nicht reichen.“
Joey Durias ist Elektriker. Eine Kreuzfahrtreise
kann er sich von seinem Gehalt nicht leisten.
Das Kreuzfahrtschiff „Braemar“
n Reederei: Fred. Olson Cruise Lines
n Baujahr: 1993
n Erneuert: 2008
n Länge: 195,92 Meter
n Breite 22,5 Meter
n Ladungsfähigkeit: 24 344 grt
n Geschwindigkeit: 17 Knoten
n Decks: 5
n Kabinen: 485
n Passagiere: bis zu 929
n Crew: derzeit 385
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