Anmerkung zu BGH, Urt

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Anmerkung zu BGH, Urt
Matoma
Internet Consulting
Suchmaschinenmarketing als unlauterer Wettbewerb?
von Dr. Stefan Ernst und Marco Gola1
I. Das Problem „Suchmaschinenoptimierung“
Suchmaschinenergebnisse sind im Internet wegweisend und somit in hohem Maße kunden- und umsatzsteigernd. Dies gilt nicht nur für reine Online-Anbieter, die von der Zahl der Klicks leben, sondern auch für Dienstleister, die allein auf den Werbeeffekt setzen. Aus diesem Grund liegt es nahe,
dass das (durchaus auch aggressive) „Optimieren von Suchmaschinenergebnissen" Hochkonjunktur
hat, für das es inzwischen sogar eigene Berufsträger gibt (Search Engine Optimizers (SEO), Suchmaschinenmarketing, Site Submission Business).
Seit es Suchmaschinen gibt, herrschte ein eifriger Wettbewerb zwischen Suchmaschinenoptimierern
und Suchmaschinenbetreibern. Während die einen immer neue Wege und Mittel suchen, um Websites möglichst „weit oben" zu platzieren, bemühen sich die anderen mit Hilfe von neuen Algorithmen
und Suchparametern, die Ergebnisse ihrer Suchmaschine möglichst wertneutral zu halten. Inzwischen allerdings hat offenbar eine einzige Suchmaschine den Markt erobert und mit ihrer Suchsystematik zugleich scheinbar einen genialen Ansatz ersonnen, wie Seiten in ihrer Relevanz zu bewerten und somit in ihrer Trefferliste zu positionieren sind. Doch leider nur scheinbar – das Stichwort
heißt „Doorwaypaging“. Bei der Suchtrefferpositionierung ist es von großer Bedeutung, wie viele
andere Seiten im WWW auf eine Seite verlinken. Das klingt zunächst nach einem äußerst fairen Kriterium, denn die Verlinkung von anderen Seiten auf ein bestimmtes Internet Angebot geht ja grundsätzlich von neutralen Dritten aus und kann somit vom Sitebetreiber kaum beeinflusst werden. Allerdings wurde nicht bedacht, dass clevere Suchmaschineneoptimierer nun hunderte, ja sogar tausende von Seiten erstellen, die genau dies manipulieren und so für bestimmte Suchbegriffe optimiert hohe Positionen bei einschlägigen Suchworten erreichen. Diese „Verlink-Seiten“ sind selbst
nichts als eine Weiterleitung auf eine Zielwebsite, die dadurch enormen Trafficzuwachs bekommt.
Das führt in der Konsequenz dazu, dass bei vielen Suchbegriffen die ersten Ergebnisseiten „verseucht" sind. Das Problem ist nicht zuletzt seit der Berichterstattung in der c’t 20/03 (Stefan Karzauninkat, Seite 88) bekannt. Zwischenzeitlich hat eine breite Welle der Empörung dazu geführt,
dass einige der Ergebnisseiten bereinigt wurden.
Dieser Beitrag betrachtet die Suchmaschinenoptimierung weniger technisch als aus wettbewerbsund markenrechtlicher Sicht. Dabei bitten die Autoren zu beachten, dass bislang zu den einzelnen
Problemkreisen nur wenig bzw. gar keine Rechtsprechung vorhanden ist, so dass eine verlässliche
Prognose immer nur im Einzelfall getroffen werden kann.
II. “Klassisches” Suchmaschinenmarketing
1. Meta-Tags und Keyword-Stuffing
Bereits mehrfach gerichtlicher Entscheidungen war die Verwendung fremder Marken und Geschäftsbezeichnungen in den Meta-Tags einer geschäftlichen Website zur indirekten „Fütterung“ von Suchmaschinen und gleichzeitigen Förderung des Traffic. Dies verstößt gegen das geltende Wettbewerbsund wohl auch Markenrecht, denn hiermit wird der Ruf des Markeninhabers ausgebeutet, um durch
die künstlich gesteigerte Aufmerksamkeit für die eigene Seite Geschäfte zu machen. Gleichzeitig
1
Dr. Stefan Ernst ist Rechtsanwalt in Freiburg/Br. und Lehrbeauftragter für Medienrecht an der FH Offenburg.
Marco Gola ist Mitglied des DMMV-Vorstands, Geschäftsführer der Matoma Internet Consulting GmbH in
Trossingen und Dozent für E-Business an der FH Furtwangen.
Matoma Internet Consulting GmbH
Achauerstr. 8
78647 Trossingen
im Dezember 2003
Matoma
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besteht die Gefahr einer Verwässerung der Marke, weil die wirklich einschlägigen Seiten nur noch
schwer zu finden sind, sowie einer Herkunftstäuschung und des Vortäuschens einer Geschäftsbeziehung mit dem Markeninhaber. Identisch zu beurteilen ist das Verwendung der genannten Marken und
Geschäftsbezeichnungen in unsichtbarer oder unlesbarer Schrift bzw. in HTML-Kommentaren, wenn
diese von Suchmaschinen erfasst werden (Keyword-Stuffing).
Aber auch schon die Verwendung von lediglich auf das konkrete Angebot unzutreffenden – also sachfremden - Gattungsbezeichnungen kann unter Aspekten vor allem der wettbewerbswidrigen Täuschung rechtlich problematisch sein. Schließlich reicht es für eine Irreführung nach der Rechtsprechung bereits aus, wenn sich der Verkehr aufgrund eines Verhaltens überhaupt erst mit der Werbung
befasst. Wäre die Verwendung sachfremder Gattungsbegriffe zulässig, könnten bestimmte Anbieter
mit entsprechendem Aufwand bei jedem Suchstichwort ihre Angebote in die Suchlisten katapultieren.
2. Keyword-Buying
Der Verkauf von Listenplätzen in Suchmaschinen (Keyword-Buying) macht aus einer „Suchmaschine“
eigentlich nichts anderes als eine große Anzeigenplattform („Pay for Performance-Suchmaschine“).
Dies ist nichts Verwerfliches, solange es für den Nutzer deutlich erkennbar ist. Wird beim Aufruf
einer „Suchmaschine“ sofort und offensichtlich darauf hingewiesen, dass alle „Listenplätze“ von
den Werbekunden bezahlt wurden, ist diese Form der Reklame nach den allgemeinen Regeln für
Werbeanzeigen zu behandeln und damit normalerweise unproblematisch. Allenfalls dann, wenn
besondere Unlauterkeitsmerkmale hinzutreten – etwa weil ein Anbieter in der Liste zu Unrecht als
„der Größte“ angepriesen wird -, kann auch hier von unlauterem Wettbewerb gesprochen werden.
Rechtswidrig ist diese Form der Werbung aber wegen unzulässiger Irreführung schon dann, wenn
gar nicht oder nur versteckt darauf hingewiesen wird, dass man die einzelnen Listenplätze bezahlen
kann bzw. muss – und das gilt auch dann, wenn nur einzelne Plätze (etwa die erste drei) auf diese
Weise vergeben werden. Wettbewerbswidrig handeln in diesem Fall sowohl der Werbekunde als
auch der Betreiber der „Suchmaschine“. Solange die Nutzer berechtigterweise erwarten, eine
(halbwegs) objektive Trefferliste zu erhalten, muss die bezahlte Vergabe von Plätzen immer deutlich kenntlich gemacht werden. Dass die Suchergebnisse abhängig von unterschiedlichen Suchalgorithmen und Prioritäten sind und auch nicht alle Anbieter erfasst werden können, ändert hieran
nichts.
3. Keyword-Advertising
Beim Keyword-Advertising bleibt das Suchmaschinenergebnis selbst vom Werbeentgelt unberührt.
Allein die Werbebanner, die neben der Suchmaschine - als Anzeigen auch deutlich erkennbar – zu
finden sind, wurden zuweilen allein für die Einblendung gerade bei einem bestimmten Stichwort
bezahlt und geschaltet. Daneben gibt es auch nach dem Zufallsprinzip rotierende Bannerwerbung,
die allerdings nicht als Keyword Advertising zu bezeichnen ist.
a) Beim Aufruf von Gattungsbegriffen
Solange KeyAd-Werbung nur bei Gattungsbegriffen (Auto, Waschmaschine, Vogelfutter ...) geschaltet wird, ist dies rechtlich grundsätzlich unproblematisch. Dies gilt zumindest solange diese Gattungsbegriffe auch auf die beworbenen Websites zutreffen. Solange der Nutzer nicht ausschließlich
die Schaltung erwarten muss, wäre auch dies nicht problematisch, denn auch die Zulässigkeit einer
Zeitungsanzeige ist schließlich unabhängig vom Inhalt der Seite, auf der sich die Werbung befindet.
Allerdings sind auch Ausnahmen denkbar. So kann beim Aufruf des Stichwortes „Freilandeier“ die
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Bannerwerbung einer Firma, die nur Legebatterie-Eier verkauft, dies aber nicht kenntlich macht,
irreführend sein.
b) Beim Aufruf fremder Marken und Geschäftsbezeichnungen
Klar unzulässig ist der Versuch, sich die Aufmerksamkeit, die ein Mitbewerber durch den Aufruf seines Firmennamens oder seiner Produktnamen erhält, zu nutze zu machen. Wenn der Kunde allein
nach einer Firma. Bzw. deren Produkt sucht, darf der Konkurrent nicht versuchen, diese Kunden
durch die Bannerwerbung zu irritieren und auf bestehende Alternative hinzuweisen. Diese Werbeform entspricht den klassischen Fällen der Wettbewerbswidrigkeit durch unlauteres gezieltes Abfangen von Kunden (z.B. Flugblätterverteilen vor der Ladentür des Konkurrenten). Hier geht es nicht
mehr darum, dem Verbraucher Vergleichsmöglichkeiten zu eröffnen, sondern sich gezielt an den –
vermutlich höheren – Bekanntheitsgrad seines Konkurrenten anzuhängen und so dessen Ruf ausnutzen.
III. Doorwaypages (Brückenseiten, Gateway-Pages)
Das oben beschriebene „Link-Popularity-Konzept“, nach dem die Bewertung einer Website durch die
Zahl der auf sie verweisenden Links bestimmt wird, hat es für die Suchmaschinenoptimierung nahe
gelegt, dieses Qualitätsmerkmal durch Cross-referencing diverser Sites zu beeinflussen. Darin ist
grundsätzlich noch nichts Verwerfliches zu sehen, solange es im Rahmen des Üblichen bleibt. Es
werden aber inzwischen auch in großer Zahl Websites erzeugt, die überhaupt keine eigenen Inhalte
besitzen, sondern allein dazu da sind, die Suchmaschinen-Attraktivität anderer Sites zu steigern. Auf
diese Weise entstehen oft „Linkfarmen“ und „Wertschöpfungsketten“ von Sites, die sich gegenseitig
künstlich protegieren. Auf Dutzenden oder gar Hunderten von Domains generieren dabei Programme
aus vordefinierten umfangreichen Stichwortlisten Tausende untereinander verlinkte Seiten. Diese
zeichnen sich dann womöglich noch durch eine optimale Keyword-Dichte aus, also ein für den Zweck
günstiges Verhältnis von Such- zu Füllwörtern. Hier wurde auch schon der Begriff „Google-Bombing“
verwendet. Der Aufwand lohnt sich, denn normalerweise werden allenfalls die ersten zehn bis
zwanzig Treffer einer Suchliste vom Kunden wahrgenommen. Wird der Kunde bei den ersten Treffern fündig, sind es sogar noch weniger.
Hier klinkt sich das deutsche Wettbewerbsrecht ein. Werbeaussagen müssen wahr und klar sein. Wer
die Unwahrheit sagt oder auch nur bewusst missverständlich wirbt, handelt unlauter und damit
wettbewerbswidrig. Dies gilt auch dann, wenn sich der Werbende eines Mittlers bedient, durch dessen zwischengeschaltete oder ergänzende Leistung letztlich erst der irreführende Charakter der
Werbung entsteht. So hat der Bundesgerichtshof auch schon Werbeanzeigen für Fortbildungen, die
unter der Rubrik Stellenangebote geschaltet waren, verboten.
Auch wenn kaum ein Nutzer weiß, wie Suchmaschinen funktionieren, so geht er doch normalerweise
davon aus, dass diese Suchmaschinen ein möglichst objektives Suchergebnis präsentiert. Er „vertraut“ ihnen. Er will und kann bei der Sichtung eines Rankings zu Recht annehmen, dass das Ergebnis mit einem (halbwegs) objektiven Rankingalgorithmus und entsprechenden Bewertungskriterien
zustande gekommen ist. Dies gilt umso mehr, wenn eine Suchmaschine einen großen Marktanteil
besitzt. Aus diesem Grunde kann eine Technik, die diese Suchergebnisse bewusst manipuliert, irreführend und damit unzulässig sein. Durch das Ranking kann je nach Einzelfall mittelbar über die
Bedeutung des Anbieters, aber auch über das Angebot selbst getäuscht werden.
Allerdings ist – eben weil die Strategien aller Suchmaschinen kein wirklich „objektives“ Ergebnis
erzeugen können und bis zu einem gewissen Grade alle Rankingalgorithmen willkürlich sind – nicht
jede Rücksichtnahme auf bekannte Suchstrategien generell unlauter. Dennoch wird das im Übermaß
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betriebene Search Engine Spamming jede sinnvolle Suche obsolet machen. Es gilt deshalb, eine
Grenze zwischen zulässiger Optimierung einer Website und unzulässiger Manipulation von Suchmaschinenergebnissen zu ziehen. Das ist allerdings allein im Einzelfall möglich. Diese Grenze zur Unzulässigkeit ist jedoch sicherlich dann überschritten, wenn sich völlig inhaltslose Köder im Netz befinden, also Websites, die nicht aufgerufen werden können oder sollen, und die allein der Unterstützung anderer Websites bei ihren Suchlistenplätzen dienen. Hier kann von einer redlichen Anpassung
eines Webauftritts an Suchstrategien der Robots keine Rede mehr sein. Gleiches gilt bei der Verwendung von „blinden“ Links der Fall, also solchen Hypertextreferenzen, die zwar von Suchmaschinen-Robots erkannt werden (sollen), dem Normalnutzer aber verborgen bleiben, für doppelte Seiten
und spezielle Keyword-Domains (z.B. suchwort-suchwort-01.de, suchwort-suchwort-02.de usw.).
Fragen des Doorwaypaging waren bislang noch nicht Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzungen. Diese und ihre Ergebnisse dürfen mit Spannung erwartet werden.
IV. Cloaking
Auch das Cloaking, bei dem eine Website ihr Äußeres verändert, wenn sie merkt, dass kein Nutzer,
sondern ein Suchmaschinen-Robot auf sie zugreift, ist unzulässig, wenn dies so geschieht, dass der
Robot allein ein für die Suchmaschine und das Rankingergebnis optimiertes Erscheinungsbild zu sehen bekommt. Da die „optimierten“ Seiten mit dem wirklichen Inhalt der Site nichts zu tun haben,
wird hier allein versucht, die Suchmaschine und damit mittelbar auch den Kunden zu täuschen.
Gleiches gilt bei so genannten „verschobenen“ Seiten, bei denen der „Suchmaschinenoptimierer“
abwartet, bis seine optimierte Site gelistet ist, um dann den Inhalt auszutauschen.
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