14.05.23 Recht auf Entschädigung

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14.05.23 Recht auf Entschädigung
ARD-MORGENMAGAZIN - SERVICE 23.05.2014
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EXPERTE IM STUDIO:
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RECHT AUF ENTSCHÄDIGUNG
Frank Aheimer
MICHAEL SITTIG
FINANZtest
Immer wieder stellen sich der Gesetzgeber und die Gerichte klar auf die Seite der Verbraucher. In vielen Fällen stehen den Kunden Ansprüche gegen Unternehmen zu.
Doch in der Praxis ist es oft schwierig, an das Geld zu kommen. Wenn Verbraucher ihr
Geld zurückfordern, werden sie häufig von den Konzernen mit den verschiedensten
Ausreden abgewimmelt: In ihrem Fall sei die Gesetzeslage anders, das Urteil träfe auf
sie nicht zu oder der Anspruch sei verjährt. Bei uns erfahren Sie, wie Sie Ihre Forderungen gegen Unternehmen durchsetzen können und was zu tun ist, wenn die Firmen
nicht zahlen wollen!
Ansprüche gegen Banken
In einem aktuellen Urteil hat der Bundesgerichtshof die Allgemeinen Geschäftsbedingungen über ein Bearbeitungsentgelt für Privatkredite für unwirksam erklärt. Das Urteil
gibt Verbrauchern eine Grundsatzentscheidung an die Hand, nach der sie die gezahlten Gebühren von den Banken zurückfordern können. Das gilt für jeden Kreditvertrag,
den Verbraucher abgeschlossen haben. Ob damit Möbel, Autos oder sogar Immobilien
finanziert wurden, spielt keine Rolle. Einem Urteil zufolge gilt es sogar für Förderdarlehen der KfW-Bank, für die oft Gebühren zu zahlen sind.
So setzen sie ihre Ansprüche gegen Banken durch
Fordern Sie zunächst schriftlich Erstattung der Gebühr. Die Stiftung Warentest stellt auf
ihrer Internetseite www.test.de hierfür einen Musterbrief bereit. Schicken Sie den Brief
per Einschreiben mit Rückschein an die Bank. Das ist, wenn keine besonderen Fristen
einzuhalten sind, der sicherste Weg. Schalten Sie so bald wie möglich einen Rechtsanwalt ein, der Erfahrung mit Kreditbearbeitungsgebühren-Fällen hat. Sie können sich
auch an die Schutzgemeinschaft für Bankkunden halten. Wenn Sie die Gebühr an die
Creditplus Bank, Deutsche Bank, Postbank, Santander Consumer Bank oder Targobank gezahlt haben, können Sie sich auch ohne Risiko und Kosten an einer der sogenannten „Sammelklage Kreditbearbeitungsgebühren“ der „Metaclaims Sammelklagen
Finanzierungsgesellschaft mbh“ beteiligen. Wenn das Unternehmen Ihre Forderung
durchsetzt, erhalten Sie am Ende zwei Drittel ihrer Gebühr zurück; den Rest des Geldes behält Metaclaims für die Vorfinanzierung der Rechtsanwaltshonorare und Gerichtskosten. Restrisiko: Wenn Metaclaims insolvent werden sollte, ist Ihre Kreditbearbeitungsgebühr wahrscheinlich zumindest zum größten Teil verloren.
Ansprüche gegen Gasversorger
Nach einer Entscheidung von BGH und Europäischem Gerichtshof (EuGH) sind die
Preisänderungsklauseln in den Sonderverträgen der Gasversorger nicht transparent
genug. Die große Mehrheit der Preiserhöhungen ist damit zumindest angreifbar und oft
auch unwirksam. Verbraucher müssen die Preiserhöhungen daher nicht bezahlen. Wer
schon gezahlt hat, kann auf eine rechtswidrige Preiserhöhung angefallene Beträge zurückfordern.
Das Urteil fiel bereits im März 2013. Die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen zog
für Kunden der RWE vor Gericht und forderte Erstattung von rechtswidrigen Preiserhöhungen. Der Weg durch die Instanzen war lang: Fast sieben Jahre dauerte es, bis
der EuGH urteilte: Energieversorger haben kein Recht zur Preiserhöhung, wenn sie in
ihren Vertragsbedingungen nicht sagen, aus welchen Gründen, wann und wie die Preise sich ändern. Millionen Kunden von Energieversorgern stehen damit Rückerstattungsansprüche zu.
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So bekommen Sie ihr Geld vom Gasversorger zurück
Wenn Sie zu viel gezahltes Geld erstattet haben wollen, müssen Sie zunächst der
Rechnung widersprechen, in der ihr Versorger erstmals erhöhte Preise verlangt. Dafür
gibt Ihnen der Bundesgerichtshof (BGH) ab Erhalt der Rechnung drei Jahre Zeit. Es gilt
dann der Preis, wie er vor der Preiserhöhung galt, der sie wirksam widersprochen haben. Soweit Sie in dieser und den folgenden Rechnungen höhere Preise gezahlt haben, muss der Energieversorger Ihnen die Differenz erstatten. Bei der Formulierung
des Widerspruchs und der Rückforderung hilft ein Musterschreiben der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. Schicken Sie Ihr Forderungsschreiben per Einschreiben
mit Rückschein an den Energieversorger.
Was tun, wenn die Erstattung verweigert wird?
Kaum ein Anbieter wird ohne Weiteres zahlen. Ihnen bleibt dann lediglich die Möglichkeit, einen in derartigen Sachen erfahrenen Rechtsanwalt einzuschalten. Für Rechtsanwälte lohnt sich das nur, wenn sie entweder genügend Parallelfälle bearbeiten oder
die Erstattungsforderung hoch genug ist. Sofern Sie eine Rechtsschutzversicherung
haben, übernimmt diese die Kosten - auch wenn Sie verlieren sollten. Wenn Sie gewinnen, muss der Energieversorger am Ende alle Gerichts- und Anwaltskosten übernehmen. Suchen Sie am besten nach einem Rechtsanwalt, der ähnliche Erstattungsansprüche schon erfolgreich durchgesetzt hat.
Tipp: Auch eine Reihe von Stromanbietern hat besondere Regeln für Preisanpassungen auf Grund von Steueränderungen oder Erhöhungen der EEGUmlage oder Netzentgelte. Die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen und die
Stiftung Warentest halten diese Regeln ebenfalls für unwirksam. Dazu gibt’s aber
noch keine Gerichtsentscheidungen.
Ansprüche bei Flugverspätungen
Auf Grundlage der Europäischen Fluggastrechteverordnung müssen Fluggesellschaften für verspätete oder ausgefallende Flüge Entschädigung an ihre Fluggäste zahlen.
Bei Flugverspätungen von mindestens zwei Stunden haben Reisende Anspruch auf
Getränke, Snacks sowie Zugang zu Telekommunikationsmitteln. Dauert die Verspätung
länger oder fällt der Flug sogar ganz aus, muss die Airline eine Unterkunft und den
Transfer dorthin stellen. Zudem stehen Reisenden ab drei Stunden Verspätung zeitlich
gestaffelte Entschädigungen zwischen 250 und 600 Euro zu. Doch in der Praxis an das
Geld zu kommen ist schwierig. Oft werden Fluggäste von den Konzernen mit den verschiedensten Ausreden abgewimmelt.
So kommen Sie an ihr Geld
Seit dem 1. November 2013 können verärgerte Fluggäste eine Schlichtungsstelle zur
außergerichtlichen Beilegung des Streits mit der Airline einschalten. An die Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr (söp) in Berlin können sich alle wenden, die mit airberlin, Lufthansa, Germania, germanwings, Condor oder TUIfly geflogen
sind. Auch viele ausländische Fluggesellschaften wie etwa Ryanair und easyJet sind
angeschlossen. Ist die söp nicht zuständig, kann die Schlichtungsstelle beim Bundesjustizamt helfen. Beide Stellen kümmern sich aber derzeit nicht um Beschwerden von
Geschäftsreisenden.
Bevor ein Schlichter tätig wird, muss der Fluggast versucht haben, seine Ansprüche
direkt bei der Airline geltend zu machen. Erst nach zwei Monaten ohne Erfolg sind die
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Schlichter dran. Beschwerdeformulare finden sich auf den Internetseiten der Schlichtungsstellen. Die Schlichter kümmern sich nicht nur um Entschädigungen für verspätete
oder gestrichene Flüge. Sie sind auch zuständig, wenn Gepäck verloren gegangen ist
oder die Fluggesellschaft eine notwendige Taxifahrt oder Hotelübernachtung nicht bezahlt.
Ein Schlichterspruch ist unverbindlich. Akzeptiert die Fluggesellschaft eine für den Passagier günstige Schlichtungsempfehlung nicht, muss er seinen Anspruch auf anderem
Weg weiter verfolgen. In der Regel wird er dann die Hilfe eines Rechtsanwalts oder eines der privaten Inkassodienste benötigen. Unternehmen wie EUclaim, FairPlane,
flightright und refund.me betreiben das Inkasso für den Fluggast erforderlichenfalls mit
Rechtsanwalt und Klage. Zahlt die Fluggesellschaft schließlich, erhält die Firma eine
Erfolgsprovision, je nach Anbieter bis zu 30 Prozent. Kann der Anbieter für den Passagier nichts erreichen, hat dieser keine Kosten. Anwalt und Gericht bezahlt der Inkassodienst. Die Dienste sind auch eine Alternative für alle Fluggäste, die sich scheuen, ihre
Ansprüche gegenüber der Fluggesellschaft zunächst einmal selbst zu formulieren.
Selbst für Kunden mit Rechtsschutzversicherung sind sie interessant, denn wer die
Versicherung einschaltet und verliert, muss oft eine Selbstbeteiligung von 150 Euro
zahlen.
Weitere Informationen:
Tipps der Stiftung Warentest zu den Kreditbearbeitungsgebühren:
https://www.test.de/Kreditbearbeitungsgebuehren-Antworten-auf-die-wichtigstenFragen-4709243-0/
Musterbrief der Stiftung Warentest zu den Kreditbearbeitungsgebühren
http://www.test.de/Musterbrief-Kreditbearbeitungsgebuehr-Fordern-Sie-Ihr-Geldzurueck-4309427-0/
Tipps der Stiftung Warentest zu den Gaspreisurteilen:
https://www.test.de/Illegale-Strom-und-Gaspreis-Erhoehungen-So-wehren-Sie-sich4631884-0/
Musterbrief der Verbraucherzentralen zur Gaspreiserhöhung
http://www.verbraucherzentrale-rlp.de/Rueckforderung-ueberhoehter-Gaspreise-2
Tipps der Stiftung Warentest zu den Entschädigungen wegen Flugverspätungen:
https://www.test.de/Fluggastrechte-Der-Weg-zur-Entschaedigung-4667375-0/
Die wichtigsten Schlichtungsstellen:
Verkehr: www.soep-online.de
Private Banken: www.bankenverband.de/service/beschwerdestelle
Sparkassen: http://www.dsgv.de/de/ueber-uns/schlichtungsstelle/schlichtungsstelle.html
Volks- und Raiffeisenbanken: www.bvr.de; E-Mail: [email protected]
Private Versicherungen: www.versicherungsombudsmann.de
Energie: www.schlichtungsstelle-energie.de