Herstellung von Zahnrädern im Spritzgussverfahren – Möglichkeiten
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Herstellung von Zahnrädern im Spritzgussverfahren – Möglichkeiten
Herstellung von Zahnrädern im Spritzgussverfahren – Möglichkeiten und Grenzen Kies, Torsten Martin-Luther-Universität Halle Zentrum für Ingenieurwissenschaften Professur Kunststofftechnik 06099 Halle [email protected] 1. Einleitung Die Verwendung von Kunststoffbauteilen in Getrieben ist in der Praxis weit verbreitet. Aus der Literatur sind Untersuchungen über das Gleit- und Verschleißverhalten der polymeren Werkstoffe bekannt [1]. Damit die werkstoffspezifischen Vorteile der Kunststoffe voll zur Wirkung kommen, müssen die aus der Metalltechnik bekannten Geometrien kritisch analysiert werden. Zur Realisierung einer kostenoptimierten Produktion müssen neben den materialspezifischen Besonderheiten polymerer Werkstoffe auch die technologischen Eigenheiten des Spritzgussverfahrens berücksichtigt werden. 2. Einflüsse 2.1 Kundenspezifische Anforderungen Aus unternehmerischer Sicht sind für den Einsatz von Kunststoffen geringe Herstellungskosten im laufenden Prozess sowie hohe Werkzeugkosten vor Beginn der Fertigung charakteristisch. Um eine kostenoptimierte Herstellung zu ermöglichen, müssen bereits zu Beginn eines Projektes verlässliche Informationen zu den technischen Randbedingungen vorliegen. Eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Lieferant und Kunden ist dazu unerlässlich. Nur wenn alle das Projekt betreffenden Informationen kommuniziert werden, ist eine optimierte Bauteilgestaltung und Fertigungsplanung möglich. Zu den folgenden Fakten müssen Fakten bekannt sein: – Die geplante Stückzahl: Jahresbedarf und Losgröße der einzelnen Liefermengen müssen bekannt sein. – Kostenvorgaben (besonders im Consumerbereich): Bei der Produktentwicklung wird oft ein bestimmter Zielpreis angestrebt, den die avisierte Verbraucherschicht bereit ist, auszugeben. Dieser Zielpreis beeinflusst zum einen die absetzbaren Stückzahlen, zum anderen beschränkt er in vielen Fällen den technischen Funktionsumfang der Produkte. – Die geometrischen Grundabmessungen: Der Außen- und der Wellendurchmesser von Zahnrädern sowie deren Toleranzen sind unverzichtbare technische Vorgaben. – Die geometrischen Anschlussbedingungen: 1 – Angaben über voraussichtliche Zahnkranzdicke, die Zahngeometrie, den Schrägungswinkel und die grundsätzliche Funktionsweise der Zahnradpaarung (Stirn oder Kegelrad) müssen bekannt sein. Die Betriebsanforderungen: Für eine sichere Erfüllung der technischen Anforderungen sind Angaben über die Einsatztemperaturbereiche, mediale Beanspruchungen, notwendige Rundlaufforderungen der Zahnräder und die auftretenden Zentrifugalkräfte unverzichtbar. 2.2 Unternehmensspezifische Möglichkeiten Die oben genannten kundenspezifischen Angaben und die Möglichkeiten des eigenen Unternehmens bilden die Grundlage für eine Entscheidung zur Umsetzung des Projekts. Wird die Werkstoffauswahl zugunsten eines polymeren Materials getroffen, sind bereits in einer sehr frühen Phase des Entwicklungsprozesses technologische Überlegungen mit einzubeziehen. Zur Umsetzung der wirtschaftlichen Ziele eines Betriebes ist die realistische Einschätzung der eigenen Möglichkeiten und Potentiale unerlässlich. Bei der Umsetzung eines Projektes ist zu entscheiden über: – Den Entwicklungsaufwand Handelt es sich bei dem Projekt um eine komplette Neuentwicklung, die unter Umständen mit aufwendigen Funktionstests verbunden ist, oder können die geforderten Anforderungen mit einem Baukastensystem abgedeckt werden? Mitunter ist die kostengünstige Modifizierung bestehender Werkzeuge für die neuen Anforderungen möglich. Bei der Verwendung von Familienwerkzeugen werden mehrere Einzelteile einer Baugruppe in einem Schuss produziert. In den Entnahmeprozess aus dem Spritzgusswerkzeug lassen sich Montageschritte integrieren und es werden Lagerkosten eingespart. – Die Trennebene(n) Der Spielraum bei der Festlegung der Trennebenen ist meist eingeschränkt. Anzustreben ist eine möglichst geringe Anzahl von Trennebenen, um einen einfachen Werkzeugaufbau realisieren zu können. Mit speziellen Gestaltungslösungen kann mitunter die Anzahl der Trennebenen vermindert werden. (Bekannt sind Durchblockierungen für Rastelemente an Formteilen.) In einigen Fällen kann das Entformungsverhalten und damit die Zykluszeit durch zusätzliche Trennebenen verbessert werden. – Die Anzahl der Formnester Bei der Festlegung der Anzahl von Formnestern müssen sowohl technische als auch ökonomische Aspekte berücksichtigt werden. Eine große Anzahl von Formnestern bedeutet aufgrund der größeren Ausbringungsmenge pro Spritzzyklus eine Verminderung der Stückkosten. Dafür sind die Werkzeugkosten, der Aufwand für die Qualitätssicherung, Kosten für Entnahmegeräte usw. höher. Technische Grenzen für die Anzahl der Formnester bestehen beispielsweise bei Schieberwerkzeugen, wenn der zur Verfügung stehende Einbauraum die Anzahl der Formnester aus Platzgründen begrenzt. – Der Anspritzpunkt Qualitätsprobleme an Formteilen werden oft durch einen ungünstig gewählten Anspritzpunkt hervorgerufen. Die Ursachen sind unter anderem darin zu finden, dass mit dem Anspritzpunkt die Lage von Bindenähten und die Wirkungsintensität des Nachdrucks an den unterschiedlichen Stellen des Formteils bestimmt wird. Bei rotationssymmetrischen Teilen ist meist ein zentraler Anspritzpunkt empfehlenswert. – Die Angussart 2 – Die Wahl der Lage des Anschnitts für ein Formteil ist neben anderen Einflussgrößen entscheidend für die Masseströmung während des Einspritzens und während des Nachdrückens. Mit der Verwendung von Heißkanälen kann während der Produktion eine Einsparung an Kunststoffmaterial realisiert werden, da kein Abfall durch die Abformung des Angusskanals entsteht. Weil weniger Produktionsreste vorkommen, sind weitere Einsparungen bei Logistikkosten zu erwarten. Dem gegenüber stehen zusätzliche Aufwendungen bei der Herstellung des Spritzgusswerkzeuges für das Heißkanalsystem und zusätzlicher Aufwand bei der Bemusterung der Werkzeuge, wenn zusätzlich zu den sonst üblichen Prozessparametern auch die Parameter des Heißkanalsystems optimiert werden müssen. Bei einigen Spritzgusswerkzeugen werden die Formteile unmittelbar an der Formteiloberfläche direkt angespritzt. Bei dieser Anordnung ist der Verzicht auf Heißkanalsysteme kaum vorstellbar. Außenabmaße der Form Die Außenabmaße von Spritzgusswerkzeugen folgen in den meisten Fällen den gestuften Abmaßen der Normalien. Der Nachteil bei der Wahl von großen Formaußenmaßen besteht darin, dass höhere Kosten für die Normalien und längere Bearbeitungszeiten bei der Anfertigung des Werkzeugs in Kauf genommen werden müssen. Die Produktion der Teile ist dann nur auf großen Maschinen m 3 3. Materialspezifische Besonderheiten beim Einsatz von Kunststoffen als Zahnradwerkstoff Beim Vergleich zwischen Kunststoff und Metallen fällt ein geringerer Modul der polymeren Werkstoffe auf. Bei identischen Lastverhältnissen kommen an aus Kunststoff hergestellten Formteilen größere Verformungen vor, als bei den gleichen Geometrien von aus Metall produzierten Teilen. Charakteristisch für Kunststoffe ist weiterhin, dass größere Verformungen schädigungsfrei aufgenommen werden können, als beim Einsatz von metallischen Werkstoffen. Wendet man diese Überlegungen zum Vergleich der Funktionsweisen von Zahnrädern aus Kunststoff und Metall an, werden an den Gebieten, in denen sich die Zahnelemente benachbarter Zahnräder bei der Kraftübertragung berühren, deutliche Unterschiede erkennbar. Berühren sich metallische Flächen, kommen kaum Verformungen vor. Das Gebiet, in dem ein unmittelbarer Kontakt zwischen beiden Bauteilen besteht, kann für Zahnräder aus Metall in guter Näherung als „Berührungslinie“ beschrieben werden. Beim Einsatz von Kunststoff als Zahnradwerkstoff sind die Verformungen bei gleichen zu übertragenden Momenten deutlich größer. Die Gebiete mit Berührung zwischen benachbarten Zahnelementen müssen als „Berührungsflächen“ angesehen werden. Da bei Zahnrädern aus Kunststoffen die zu übertragenden Momente über deutlich größere Flächen übertragen werden, müssen vom Werkstoff geringere Spannungen aufgenommen werden als bei Metallen (Bild 2). Obwohl die meisten polymeren Werkstoffe geringere Festigkeiten aufweisen als gebräuchliche Metalle, können mit Zahnrädern aus Kunststoff aufgrund der größeren Berührungsfläche unter Umständen im Betrieb höhere Momente übertragen werden. Spannung Berührungsfläche Metall Kunststoff Bild 2 Gebiete mit Berührung an den Zahnflanken für Zahnräder aus Metallen (links) und Kunststoff (rechts) sowie sich ergebende Spannungen (schematisch) Im Dauerbetrieb von Zahnrädern kommt ein weiterer Vorteil von polymeren Materialen zur Wirkung: Durch Spannungsrelaxation, die bei metallischen Werkstoffen nicht wirksam werden, können lokale Schädigungen im Kunststoff vermieden werden. Die Vorteile einer geringeren Geräuschentwicklung beim Einsatz von Kunststoffzahnrädern wurden in [3] beschrieben. 4 Polymere Werkstoffe haben gegenüber Metallen jedoch auch deutliche Nachteile. So sind die thermischen Eigenschaften der Kunststoffe deutlich schlechter. Die Wärmestandfestigkeit liegt bei den meisten technischen Kunststoffen bei Werten um etwa 100°C. Das spricht gegen den Einsatz von Kunststoffzahnrädern für Anwendungen in höheren Temperaturbreichen. Aufgrund der geringen Wärmeleitfähigkeit des Kunststoffs ist die Gefahr einer lokalen Überhitzung viel größer als bei Metallen. So kann es bereits bei Raumtemperatur zu thermischen Schädigungen kommen, wenn entstehende Reibungswärme vom technischen System nicht ausreichend abgeführt werden kann. Als Isolationswerkstoff ist die elektrische Leitfähigkeit von Polymeren gering. Zwar spielt in der Praxis die Leitung von elektrischen Strömen über eine Zahnradpaarung keine Rolle, die geringe elektrische Leitfähigkeit ist aber Ursache für die Neigung zur statischen Aufladung an bewegten Kunststoffteilen, wie beispielsweise Zahnrädern. Für ein technisches System muss daher die Konsequenz elektrostatischer Effekte abgeschätzt werden und bei Erfordernis zu Gegenmaßnahmen gegriffen werden. Durch eine geschickte Kombination unterschiedlicher Materialien gelingt es, die Werkstoffpotentiale der einzelnen Komponenten mit wenigen auftretenden Nachteilen auszunutzen [4]. 4. Formteilgestaltung Bei der Gestaltung eines Formteils müssen alle Funktionselemente berücksichtigt werden. Werden im Laufe des Gestaltungsprozesses weitere Funktionselemente hinzu gefügt, müssen sie selbst und in den Wechselwirkungen mit den bereits vorhandenen Funktionselementen untersucht werden. Die typischen Funktionselemente eines Zahnrades zeigt Bild 3. 5 Geometrie der Verzahnung ist wesentlich für Funktion Zahnkranzring Rundlauf muss gewährleistet sein Richtigen Anspritzpunkt wählen Exakte Geometrieabformung Nachdruck muss zur Wirkung kommen Tellerrippe Bei hohen Drehzahlen muss Auswuchtung gegeben sein Formteilgrat in axialer Richtung: Weniger kritisch Bohrung für Welle Eventuell Montage der Welle bereits bei Entnahme mit Handlinggerät ? Formteilgrat in radialer Richtung: Funktionsstörend Bild 3 Funktionsanalyse eines Zahnrades 4.1 Die Geometrie der Verzahnung Das Hauptmerkmal eines Zahnrads ist die Verzahnung. Die Abformung dieser Geometrie ist funktionsentscheidend. Wegen der in Punkt 3 beschriebenen Zusammenhänge zwischen zu übertragendem Moment und der aufgrund der relativ großen Verformbarkeit von Kunststoffen breiten Berührungsfläche von Zahnrädern können größere Geometrieabweichungen als bei Metallen toleriert werden. Geringe lokal begrenzte Geometrieabweichungen können durch die größere Verformbarkeit „herausgedrückt“ werden (Bild 4), sodass deren Folgen bei Teilen aus Kunststoffen geringer sind als bei der Verwendung von Metallen. Spannung Berührungsfläche Metall Kunststoff Bild 4 Unterschiedliche Auswirkungen einer Geometrieabweichung für Zahnräder aus Metall beziehungsweise Kunststoff (schematisch) 6 Aus den in Bild 4 gezeigten Verhältnisse können auch die Wirkungen von Fremdkörpern zwischen den Zahnflanken abgeleitet werden (Bild 5). Spannung Berührungsfläche Metall Harter Fremdkörper Kunststoff Bild 5 unterschiedliche Auswirkungen eines Fremdkörpers für Zahnräder aus Metall beziehungsweise Kunststoff (schematisch) Eine harte Einlagerung zwischen zwei Zahnflanken aus Metall verursacht enorme Spannungsspitzen. Die Berührungsfläche der Flanken wird deutlich vermindert. Ein großer Anteil der Spannungen wird durch den Fremdkörper übertragen. Fremdkörper, die härter als das Grundmaterial sind, verursachen lokale Materialschädigungen an den Zahnradflanken. Bei der Verwendung von Kunststoffen wird ein Fremdkörper der gleichen Gestalt und Form eingekapselt und umschlossen. Die Berührungsfläche vermindert sich nicht so dramatisch wir bei der Verwendung von metallischen Materialien. Allerdings wird der Fremdkörper auch weniger schnell zerstört, weil deutlich geringere Spannungen auf ihn einwirken als bei der Verwendung von Metallen. Das tiefe Einpressen von Fremdkörpern in polymeres Material wird beobachtet. 4.2 Der Zahnkranzring Am Zahnkranzring sind die Zahnelemente angeformt. Mit der Breite des Zahnkranzringes kann man zusätzliche Flächenanteile für die Lastaufnahme schaffen. Der Wirksamkeit diese Vorgehens sind jedoch aufgrund der Deformationen der äußeren Bereiche Grenzen gesetzt. Mit Stützrippen zwischen Zahnkranzring und Tellerrippe kann man bei Kunststoffzahnrädern einer unerwünschten Biegung des Zahnkranzringes entgegen wirken. Um bei einer Kombination von Kunststoff- und Metallzahnrädern untereinander eine über die Breite der Verzahnung ungleichmäßige Geometrieveränderung zu vermeiden, sollte der Zahnkranzring des Kunststoffzahnrades schmaler gewählt werden als der des Metallzahnrades. Wirkt auf den Zahnkranzring in radialer Richtung eine Kraft ein, kommt es bei der Verwendung von polymeren Materialien zu einer stärkeren Deformation als beim Einsatz von Metallen als Zahnradwerkstoff (Bild 6). Zur quantitativen Abschätzung dieser Deformation müssen neben der auf das Zahnrad wirkenden Anpresskraft die geometrischen Verhältnisse der Tellerrippe und des Übergangs zwischen Zahnkranzring und Tellerrippe bekannt sein. 7 Metall Kunststoff Bild 6 unterschiedliche Deformationen des Zahnkranzringes bei radial einwirkender Kraft für Zahnräder aus Metall beziehungsweise Kunststoff (schematisch) Die Konsequenz der in Bild 6 gezeigten Deformation ist eine Veränderung des real wirkenden Zahnraddurchmessers. Entsprechend der schematischen Darstellung in Bild 6 ist für Zahnräder aus Metall die bei der Fertigung realisierte Geometrie auch im Betrieb wirksam. Bei Kunststoffen treten aufgrund der Deformation aber deutliche Unterschiede auf. Obwohl das Kunststoffzahnrad kreisrund hergestellt wird, müsste man im Betrieb entsprechend der schematischen Darstellung in Bild 6 von einem in etwa unendlich großen Durchmesser ausgehen, wie er bei der Verwendung einer Zahnstange vorkommt. Die realistisch auftretende Deformation des Zahnkranzringes in radialer Richtung beeinflusst über die Einflussgröße „Zahnraddurchmesser“ die Zahngeometrie entscheidend. 4.3 Die Tellerrippe Die Tellerrippe schafft eine mechanische Verbindung zwischen der Aufnahme der Welle und dem Zahnkranzring. Mit der Gestaltung der Tellerrippe ist man in der Lage, den Zahnkranzring zu versteifen oder Deformationen nach der im Bild 6 gezeigten Art und Weise zuzulassen. Ausführungen in Vollmaterial realisieren, wie in Bild 3 gezeigt, geringe Deformationen. Gestaltungen, wie sie beispielhaft in Bild 1 dargestellt sind, stützen den Zahnkranzring so gut wie nicht ab. 4.4 Die Aufnahme für die Welle Die Aufnahme für die Welle leitet das vom Zahnrad zu übertragende Drehmoment in die Welle ein. Bei diesem Funktionselement spielt das verwendete Material eine wesentliche Rolle. Verbindungskonzepte, die bei Metallen sehr gut erprobt sind, sind beim Einsatz von Kunststoffen nur bedingt geeignet. Die an Passfedern und ähnlichen konstruktiven Lösungen vorkommenden Spannungsspitzen führen an Kunststoffnaben bei längerem Einsatz zu Rissen. Spannelemente sind für Kunststoffe ungeeignet, weil die Verbindung durch die bei Polymeren starke Relaxation mit der Zeit nachlässt. Grundsätzlich sind aber kraftschlüssige Verbindungen für die Montage von Kunststoffzahnrädern auf Wellen aufgrund des hohen Dehnpotentials der Polymere besser geeignet als beim Einsatz von Teilen aus Metall. 8 Bei Kunststoffen besteht die Besonderheit, dass daraus hergestellte Zahnräder auch Funktionsweisen eines Lagers übernehmen können [5] und sich somit weitere Potentiale für Funktionsintegrationen ergeben. Allerdings kann die Verwendung eines gleitmodifizierten Materials eine Verminderung der Dauerfestigkeit mit sich bringen [6]. 5. Herstellungsalternativen Ein wesentlicher Aspekt bei der Auswahl eines Werkstoffs aus der Gruppe der Polymere, ist die Möglichkeit, aus Kunststoff mit dem Spritzgussverfahren nahezu identische Teile in sehr großen Stückzahlen sehr preiswert produzieren zu können. Aus unternehmerischer Sicht werden frei fallende einbaufähige Teile angestrebt. Dazu müssen hohe Kosten zur Anfertigung von Spritzgusswerkzeugen aufgewendet werden, die sich bei entsprechend hohen Stückzahlen aufgrund geringer Herstellungskosten bei einer vollautomatisierten Produktion amortisieren. Bei kleinen und mittleren Serien bietet sich die Verwendung von im Spritzguss hergestellten Rohlingen an, in die im Nachbearbeitungsgang die Zahngeometrie eingearbeitet wird. Bei speziellen schrägen Verzahnungen und bei Kegelrädern mit Hinterschneidung ist aus technischen Gründen die Herstellung von frei fallenden Teilen nicht möglich. Weiterhin haben Zahnräder, die im Spritzgussverfahren hergestellt wurden, gegenüber gefrästen Teilen eine höhere Festigkeit [7]. 5.1. Nachträgliche Bearbeitung eines Rohlings Bei der nachträglichen Bearbeitung eines Rohlings wird zunächst ein rotationssymmetrisches Teil hergestellt, aus dem die Zahngeometrie in einem Folgeprozess ausgearbeitet wird. Der zukünftige Zahnkranzring am Rohling muss relativ massiv gearbeitet werden. In der Kunststofftechnik ist man stets bemüht, große Wandstärken zu vermeiden. In diesem speziellen Anwendungsfall sind sie jedoch für die Funktionserfüllung existentiell. Die sich aufgrund der Materialanhäufung ergebenden Probleme müssen zur Realisierung des Projekts „Zahnradrohling“ gelöst oder abgemindert werden. Im einzelnen geht es um folgende Punkte: Im Bereich der Tellerrippe muss bei der simplen Übernahme von metalltypischen Konstruktionen mit Verzug gerechnet werden. Die deutlichen Wandstärkeunterschiede zwischen dem Bereich des Zahnkranzrings und der Tellerrippe bedingen aufgrund der Schwindung der polymeren Formmasse diesen in Bild 7 mittlere Darstellung gezeigten Verzug, der eine Unwucht des Zahnrades und somit bei hohen Umdrehungsgeschwindigkeiten unerwünschte Schwingungen verursacht. Die Auswirkungen dieses Verzugs können gemildert werden, wenn die Tellerrippe durch eine Rippenkonstruktion ausgesteift wird (Bild 7 linke Darstellung). Alternativ dazu können die durch unterschiedlichen Wandstärken hervorgerufenen Schwindungsunterschiede mit einer Dehnungsfalte (Bild 7 rechte Darstellung) ausgeglichen werden. 9 Bild 7 Unterschiedliche Gestaltungen zum Deformationsprinzip des Zahnkranzringes bei radial einwirkender Kraft (schematisch) Die Entscheidung, welche der beiden in Bild 7 gezeigten Varianten vorteilhaft ist, muss mit Funktionstests untermauert werden. Mit dem Versuchswerkzeug werden beide Varianten hergestellt und die Formteile beider Geometrien bei den Tests unmittelbar miteinander verglichen. Die Schwindung bewirkt nicht nur Veränderungen der äußeren Form. Auch im Innern der Formteile können Schwindungslunker auftreten. Bei der nachträglichen Bearbeitung der Rohlinge können diese Löcher im Inneren des Formteils freigelegt werden. Aus praktischen Beobachtungen ist bekannt, dass die Anordnung, die Größe und die Gestalt von Lunkern von Schuss zu Schuss deutlichen Abweichungen unterliegen. Da nie ausgeschlossen werden kann, dass sich die Vakuolen im Bereich der Zahngeometrie ausbilden, muss die Lunkerbildung vermieden werden. Eine zentrale Anspritzung der rotationssymmetrischen Rohlinge ist aus diesem Blickwinkel nachteilig, weil der Nachdruckvolumenstrom über die Tellerrippe fließen muss und im Bereich der Zahnkranzgeometrie nur eingeschränkt wirksam ist. Wählt man eine radiale Anbindung unmittelbar am Zahnkranz (Bild 8), kann in der Nachruckphase noch ein relativ großes Massevolumen zum Schwindungsausgleich in die Kavität gepumpt werden. 10 Bild 8 Radiale Anbindung von Zahnradrohlingen Aus technologischer Sicht ist die Materialanhäufung im Bereich des Zahnkranzrings beim Auswerfen der Formteile problematisch. Die sonst meist bei Spritzgusswerkzeugen verwendeten Stiftauswerfer, könnten im Bereich der großen Wandstärke unerwünschte plastische Deformationen verursachen. Lange Zykluszeiten wären notwendig, um diese Gefahr zu vermindern. Mit dem Einsatz von Ringauswerfern, die unter dem Zahnkranz ansetzen (Bild 9), können die Ausstoßkräfte auf eine größere Fläche einwirken. Die beim Ausstoßen wirksamen Spannungen werden so minimiert. Sollten die Formteile noch getempert werden, kann die weitere intensive Abkühlung außerhalb der Form in einem kalten Wasserbad erfolgen. Werden diese technologischen Überlegungen realisiert, sind enorme Einsparungen bei der Zykluszeit zu erwarten. 11 Bild 9 Prinzip der Auswerferfunktion bei einem Werkzeug zur Herstellung von Zahnradrohlingen Zur Herstellung von Präzisionszahnrädern empfiehlt es sich, in den Bearbeitungsprozess zur Einbringung der Zahngeometrie ein Auswuchten der Teile zu integrieren. 5.2 Erzeugung der endgültigen Geometrie bereits beim Spritzgießen Zahnräder werden in vielen technischen Systemen eingesetzt. Die große Breite der Einsatzfelder bedingt eine Vielzahl von möglichen Geometrien. Zur Festlegung der Zahngeometrien sind in [8] Aussagen getroffen worden. Die Wandstärken von Zahnelementen, Zahnkranzring, Tellerrippe und der Aufnahme für die Welle sind aufeinander abzustimmen. Die Schwindung der einzelnen Elemente erfolgt dann weitgehend gleichmäßig. Die in Punkt 5.1 beschriebenen besonderen Maßnahmen aufgrund der ungewöhnlich starken Masseanhäufung müssen hier nicht ergriffen werden. So kann eine zentrale Anspritzung vorgenommen werden, damit die Geometrie der einzelnen Zähne möglichst identisch realisiert werden kann. Die Verteilung der Schmelze kann effektiv durch die Verwendung eines Heißkanals realisiert werden. Aus den in Bild 3 getroffenen Aussagen zur Funktionsanalyse eines Zahnrades folgen bestimmte Einschränkungen zur Wahl der Trennebene. Formteilgrat im Bereich der Zahnberührung muss vermieden werden. Im Unterschied zur Herstellung von Rohlingen, bei denen der mittige Grat aufgrund der notwendigen mechanischen Bearbeitung entfernt wurde, bietet es sich bei frei fallenden Teilen an, die Trennebene auf den Rand des Zahnkranzes zu legen. Das Formteil wird somit in der Auswerferseite aufgenommen. Legt man die Tellerrippe außermittig, kann man eine weitgehend plane Düsenseite verwenden (Bild 10). 12 Bild 10 Trennebene für ein frei fallendes Zahnrad mit außermittiger Tellerrippe Das bringt Vorteile bei der Aufnahme eines Heißkanalverteilers. Unter Umständen kann nach Auslaufen der Produktion diese Düsenseite des Werkzeuges für ein anderes Projekt weiter verwendet werden. Bild 11 Zahnrad mit Schrägverzahnung Als Herausforderung für Spritzgießer erweist sich besonders die Herstellung von Zahnrädern mit Schrägverzahnung (Bild 11). Hier gilt es, eine nichtalltägliche werkzeugtechnische Lösung für die Entformung zu finden. 13 Die Grundidee besteht in einem Ausspindeln der Formteile. Das Zahnrad wird mit einem Konturauswerfer entformt. Bei der Entformungsbewegung wird der normal üblichen axialen Translation eine Rotationsbewegung derart überlagert, dass der Schrägungswinkel nachgefahren wird. Das Entformen wird realisiert, indem das Zahnrad gewissermaßen aus der Form heraus gedreht wird (Bild 12). Bild 12 Entformung des Zahnrads Beim Zurückfahren des Auswerfers könnte die Zahnflanke durch das Abstreifen an der Formplatte lokal beschädigt werden. Dies wird für Systeme ohne besondere Qualitätsanforderungen tolerierbar sein, bei der Herstellung von Präzisionsteilen ist jedoch eine bessere Lösung erforderlich. Zum Ablösen des Zahnrades vom Konturauswerfer bietet sich ein Entformungsprozess mit Hilfe von Druckluft an. Dabei werden die Teile jedoch unkontrolliert weggeschleudert, dass spezielle Auffangvorrichtungen notwendig sind, um die Teile zu konfektionieren und mechanische Beschädigungen nach dem Ausblasen zu vermeiden. Es ist effektiv, die Produktionsaufgabe „Teileentnahme“ mit einem nachfolgenden Produktionsschritt zu kombinieren. Der Prozess „Montage des Zahnrads auf der Welle“ ist dazu geeignet. In der Stellung „Auswerfer vorn“ wird parallel zum Ausblasen mit einem Handlinggerät die Welle, auf der das Zahnrad montiert werden soll, durch die dafür vorgesehene Bohrung geführt. Die Rückzugsbewegung des Entnahmeroboters unterstützt zusätzlich die Pressluft bei der Entformung. 14 Bild 13 Konturauswerfer nach der Teileentnahme Nach dem Entnahmevorgang (Bild 13) sitzt das Zahnrad fertig montiert auf der Welle und die Einheit ist nach einer eventuellen Nachpositionierung für die weiteren Montageschritte bereit. Der Konturauswerfer wird zurück gezogen und das Werkzeug ist nach dem Schließen der Form für den nächsten Schuss vorbereitet (Bild 14). 15 Bild 14 Auswerferseite des Werkzeugs zur Herstellung eines Zahnrads 6. Zusammenfassung Bei Konstruktionselementen, die in großen Stückzahlen hergestellt werden sollen, ist sehr oft Kunststoff das Material der Wahl. Ein für diese Werkstoffklasse typisches Herstellungsverfahren ist das Spritzgießen. Die für diese Technologie notwendigen Aufwendungen für spezielle Werkzeuge werden mit sehr geringen Herstellungskosten pro Stück gerechtfertigt. Am Beispiel von Zahnrädern wurden ausgehend von einer Anforderungsanalyse mögliche Gestaltungsformen diskutiert. Herausgearbeitet wurden zwei Alternativen: einerseits die Möglichkeit der Fertigung eines Rohlings, bei dem in einem dem Spritzgießen folgenden Prozessschritt die Zahngeometrie eingebracht wird, andererseits eine Variante, bei der die Erzeugung der endgültigen Geometrie unmittelbar im Urformprozess erfolgt. Am Beispiel der beiden Konstruktionsarten wurden Regeln des kunststoffgerechten Gestaltens exemplarisch angewendet. Angedeutet wurden die sich anschließenden Montageschritte sowie die Qualitätssicherung der Produkte. 7 Literatur 1 Jörg Essinger; Jürgen Riecke: Konstruktion von Getrieben mit Kunststoffbauteilen; Antriebstechnik 6/96 16 2 Richtlinien für das Gestalten von Formteilen aus technischen Kunststoffen – Firmenschrift Ticona 3 Ralf Heinz, Dieter Laudenbach: Ohne Geräusch – Hochleistungskunststoff vermindert Geräusche in Förderpumpen Kunststoffe 09/2000, Seite 128-130 4 Werner Hufenbach, Lothar Kroll, Olaf Helms: Leichtbaustrukturen in Mischbauweise; Kunststoffe 10/2004, Seite 296-299 5 Gleitlager aus technischen Kunststoffen – Firmenschrift Ticona GmbH 6 Ralf Wiedig: Metall substituieren – Zahnräder aus PEEK im Automobilbau; Kunststoffe 91 (2001) 4 S. 64-65 7 Jan Rösler: Faserverstärkte Thermoplaste als Zahnradwerkstoff; Kunststoffe 91 (2001) 6 S. 82-83 8 N.N.: Stirnradgetriebe mit Zahnrädern aus Hostaform®, Celanex® und GUR – Firmenschrift Ticona GmbH 17