Eine Nacht im Russenpuff - Vogtland

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Eine Nacht im Russenpuff - Vogtland
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Eine Nacht im Russenpuff
Plauen – Sie ist liebevoll, bildhübsch und – wie sie selbst singend
bekennt – auch dumm. Aber nicht doch, sie stellt bloß keine blöden Fragen. Egal, eine
Attraktion ist sie schon, die Marie, die den einstigen Emilia-Tophit vom „Big Bag Girl“ besingt
und sich dabei in ihrer „Big Big World“ wohlzufühlen scheint. Ob in rot oder ganz in blau- wie
am Freitagabend in der Festhalle – Marie ist nur eine der optischen Attraktionen im Russenpuff,
wo alsbald ganz in rot und mit „Goldfinger“ an James Bond erinnert, eine weitere Schönheit
erscheint, die sich so herrlich wienerisch aufregen kann. Sogar vogtländischen Dialekt
beherrscht die fesche Wienerin. Kein Wunder, werden doch die beiden genannten Damen von
einer Plauenerin verkörpert. Katrin Weber brilliert in der „Nacht im Russenpuff“ mit
bemerkenswerter Wandlungsfähigkeit. Stil und Sprache, Mimik und Gestik, darstellendes Spiel
und gesangliche Gestaltung, vor allem aber die Repertoirebreite sind die stechenden Trümpfe
bei Katrin Webers Heimspiel vor vollem Hause. Köstlich, wie sie sich zum Geburtstag einen
Vorderzahn wünscht, der der Eifersucht ihres Ehemannes zum Opfer fiel, ihr aber auch zeigt,
wie sehr der Gatte sie liebt. Und dennoch schwärmt sie vom Nachbar. Nicht weil er ihr gefällt –
er ist Dentist. Als Genossin, pardon, Mademoiselle Colette, marschiert eine französische
Schönheit ganz nach vorn auf der Straße der Besten und schafft‘s sogar zur Aktivistin der
sozialistischen Arbeit im Russenpuff, der sich sogar um Verstaatlichung Gedanken macht, wo
alsbald Alexandra erscheint, die alle großen Persönlichkeiten denkt, von Schiller, Goethe bis zu
Merkel und Dieter Bohlen, worüber sie abwandelnd singt, dass dieser noch nicht verloren ist.
Dann erinnert Alexandra an Alexandra, jene unvergessene Sängerin, die einst so erfolgreich die
„Sehnsucht“ besang, wie es Katrin Weber überzeugend in der Festhalle tat. Die zahlreichen
Zuschauer amüsierten sich besonders über Tom Pauls, der als Bordellbesitzer alle Register
kabarettistischen Könnens zog. Eine Pointe jagt die andere im temporeichen Treiben, manchmal
auch völlig überraschend, förmlich aus dem Nichts heraus, aber immer blitzscharf und
treffsicher. Tom Pauls wird zum Klamauk-König und hat mit Detlef Rothe einen bestens
passenden Prinzen, mit dem er über Wirtschaft, Wissenschaft und die Welt philosophiert und
ausgerechnet über den Erfinder des Periodensystems in dem Augenblick spricht, als Alexandra
versehentlich ihre roten Edeldessous blitzen lässt. Deftiger Humor und bitter-süße Ironie
prägen die „Nacht im Russenpuff“ wie vielfältige, musikalische Darbietungen vom Gitarre
spielenden Tom Pauls und den Akkordeon und Keyboards bedienenden Detlef Rothe zwischen
emotionalen Balladen und deutschem Volksliedgut. J. Preuß