Saul BASS, Grafiker, Film- und Produktdesigner in: Bernd Polster
Transcription
Saul BASS, Grafiker, Film- und Produktdesigner in: Bernd Polster
Saul BASS, Grafiker, Film- und Produktdesigner in: Bernd Polster, Designlexikon USA, Köln 2002, S.106 Diejenigen Erdenbürger, die in ihrem Leben noch keinen seiner Entwürfe zu Gesicht bekamen, dürften eine verschwindend kleine Minderheit bilden. Dennoch ist sein Name nur Insidern geläufig. Der Grafiker Saul Bass, der im Brooklyn College beim bauhausinspirierten Gyorgy Kepes studierte, war Hollywoods Mann mit dem Blick fürs Wesentliche. Alfred Hitchcock profitierte 1960 beim Klassiker Psycho von seinen Fähigkeiten. Bass gestaltete unter anderem die berühmte Mordszene in der Dusche. Für Paramounts Kassenschlager Der Mann mit dem Goldenen Arm erarbeitete er Mitte der 50er Jahre eine umfassende Kampagne — die erste der Filmindustrie, für die ein komplettes Medienpaket geschnürt wurde. Mit dem kreativen Vorspann, eine seiner zahlreichen Innovationen, machte der Vielseitige Filmgeschichte, u.a. für die Streifen Vertigo, Walk an the Wild Side, The Shining, Cape Fear und Casino. Auch viele seiner Filmplakate, die er häufig auf abstrakte Zeichen reduzierte, sind Klassiker ihres Genres. Darüber hinaus arbeitete Bass auch selbst als Regisseur. Sein Kurzfilm Why Man Creates, der den Academy Award gewann, machte ihn endgültig zur Kultfigur. Die im Filmgeschäft erworbenen Erfahrungen nutzte Saul Bass — seit den 70er Jahren zusammen mit seinem Agenturpartner Herb Yager — auch für ClKampagnen, die er für Konzerne wie United Airlines, Guaker, AT&T, Warner, Minolta, aber auch für Großereignisse wie die Olympischen Spiele in Los Angeles konzipierte. Seine Markenzeichen haben dieselbe abstrakte Prägnanz wie seine Filmplakate. Fast zu einem nationalen Emblem wurde das Logo für die Telefongesellschaft Bell vom Ende der 60er Jahre, das er auf ein Glockenpiktogramm im Kreis reduzierte. Ein weiteres, weitgehend anonymes Kapitel seiner Laufbahn sind seine Tankstellenentwürfe. Dieses uramerikanische Metier, in dem sich Grafik, Architektur und Produktdesign überschneiden, war wie geschaffen für den Alleskönner aus Hollywood. Ende der 70er Jahre gewann er — im Wettbewerb gegen 100 internationale Studios — den Auftrag für 65.000 ExxonTankstellen. Wie vor ihm Walter Dorwin Teague, Eliot Noyes und Raymond Loewy, schaffte Bass einen Paradigmenwechsel. Der Meister der knappen Information definierte die Tankstelle als „Maschine für Marketing-Kommunikation“. Die Vorgaben für das Projekt klangen dabei so, als hätte jemand die Prinzipien des Amerikanischen Systems und Elemente der Bauhaus-Philosophie von Walter Gropius in einer Stichwortliste zusammengefaßt. Der neue Tankstellentypus sollte flexibel und modular sein, zudem preiswert und global anwendbar. Außerdem sollte das neue System mit bestehenden Tankstellen kompatibel sein. Bass entwickelte ein funktionalistisches Kommunikationsmodell, indem er Tankumwelt und Tankvorgang in ihre Elemente zerlegte und zu einer Art Reiz-Reaktionsmodell optimierte. Um grelles, blendendes Licht zu vermeiden, entwickelte er z.B. einen speziellen, direkt-indirekten Beleuchtungsmix, der „die Station von ihren industriellen Wurzeln lösen“ sollte: Eine „weiße Lichtwolke“ wie auf einem Filmset. Erstmals wurde ein neues Tankstellendesign zur Präsentation im Maßstab 1:1 aufgebaut. Im Frühjahr 1980 flogen Exxon-Manager aus aller Welt nach Los Angeles, um in einer einsamen Berggegend zwei Tankstellenattrappen zu begutachten. „Nur das Licht war real“, betont Saul Bass seinen Ansatz, der sich dann beim Folgeauftrag noch selbst übertraf. Seine BP-Tankstellen, die in den 90er Jahren eingeführt wurden, gaben der Branche abermals den Standard vor. Zapfsäulen und Dachstützen verschwinden hier als separate Bestandteile der Station. Die stromlinienförmige Modul-Tankstelle zerfällt äußerlich nicht mehr in ihre Funktionselemente, sondern wirkt ganzheitlich — das Ideal einer riesigen amerikanischen Konsummaschine.