Die aktuelle Situation von Flüchtlingen und Migranten in Italien

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Die aktuelle Situation von Flüchtlingen und Migranten in Italien
Gemeinsame Standards in der EU beim Flüchtlingsschutz – eine Fiktion ?!
Schwerte 2.-4.12.2011
Judith Gleitze, borderline-europe, zur Situation in Italien
[email protected], 0039 – 340 980 2196
1. Ankunft der tunesischen Flüchtlinge
Nach dem Sturz des Diktators Ben Ali in Tunesien machen sich Tausende von Flüchtlingen auf
nach Lampedusa. Tunesien hat zwar seinen Diktator vertrieben, doch damit ist noch lange
keine Revolution gewonnen: hohe Arbeitslosigkeit, Chaos, Polizisten, die Bürger/innen
angreifen, Soldaten, die anfangs Bevölkerung schützen, Ausgangssperren, Versorgungsengpässe
– das ist das Bild nach dem 14. Januar 2011 bis heute, am 23. Oktober finden die ersten
Wahlen statt. Die Angst und die Hoffnungslosigkeit lässt viele junge Menschen fliehen.
In Europa findet man zwar gute Worte für den beginnenden Demokratisierungsprozess, nicht
jedoch für die Flüchtenden. Immer wieder hört man: ihr habt eine Revolution gemacht, nun ist
es doch in Ordnung! Keine Revolution bringt Änderung von einem Tag auf den anderen, 23
Jahre Herrschaft eines kleptokratischen Regimes sind nicht einfach wegzufegen.
Lampedusa. Die erste Welle von 5000 jungen Tunesiern erreicht die Insel im Januar/Februar
2011. Die italienische Regierung weigert sich, das Auffanglager, welches über zwei Jahre mit
einer Notbesetzung ausgestattet war und sofort betriebsbereit gewesen wäre, wieder zu öffnen.
Die Flüchtlinge, durchnässt und durchgefroren, müssen auf der Straße schlafen. Erst nach
massiven Protesten von Bürger/innen und von Flüchtlingsorganisationen wird das Lager dann
doch wieder eröffnet.
Die Regierung setzt auf Panikmache: in den Medien erscheinen nur noch Bilder ankommender
Boote – bis zum 24.2.2011 sind 6000 Menschen angekommen, nicht 600.000! Der italienische
Innenminister Roberto Maroni, Lega Nord, spricht dennoch von einem „biblischen Exodus“,
Millionen werden kommen.... Die Flüchtlinge werden bisher nach und nach in eilig errichtete
Lager, Zeltstädte und sonstige Unterbringungen in Italien verteilt. Diese Zentren, so wie der
Hafenhangar von Pozzallo oder das Zelt in Porto Empedocle auf Sizilien sind faktisch ein
rechtsfreier Raum. Es gibt keine ärztliche Versorgung, bis Ärzte ohne Grenzen Zugang erhalten.
Am 1.3.2011 beschließt die Staatsanwaltschaft Agrigento, gegen alle Ankommenden Verfahren
wegen illegaler Einreise einzuleiten – das bedeutet, das derzeit ca. 40.000 Verfahren anhängig
sein müssten. Die illegale Einreise ist in Italien ein Straftatbestand geworden, auch wenn sich die
Europäische Union gegen diese Gesetzesänderung ausgesprochen hatte.
1
Am 14. März besuchen die Rechtspopulisten und Europarlamentarier Marine Le Pen und Mario
Borghezio Lampedusa. Vorschlag: man solle den Flüchtlingen auf See Wasser und Nahrung in
die Boote werfen und sie dann zurückweisen.
Bis Mitte März sind über 11.000 Ankünfte auf Lampedusa zu verzeichnen. Ende März eskaliert
die Situation auf Lampedusa, denn die neue Strategie der italienischen Regierung heißt fortan:
Nicht verteilen. Bis zu 6000 Flüchtlingen befinden sich fortan auf der von nicht einmal 6000
Menschen bewohnten Insel, die Zustände sind für alle Beteiligten unhaltbar. Die Flüchtlinge
müssen draußen schlafen, errichten sich aus Plastikplanen Zelte, ihre Notdurft müssen sie auf
den Felsen verrichten. Die Regierung will damit demonstrieren, dass es sich um einen Notstand
handelt, dass Europa eingreifen und die Flüchtlinge übernehmen muss. Die EU lässt sich nicht
erpressen, zum Einen zu Recht, da Italien sehr wohl 12.000 Flüchtlinge händeln können muss,
zum Anderen jedoch nicht rechtens, denn es darf nicht sein, dass ein EU-Außengrenzland nur
aufgrund seiner geographischen Lage die Versorgung allein übernehmen muss. Zudem hatte
ganz Europa den Umsturz in Nordafrika gutgeheißen (auch wenn es vorher sehr wohl eine sehr
gute Zusammenarbeit einiger Länder mit dem Ben Ali-Regime gab, vor allem mit Italien!).
Italien ändert daraufhin erneut die Strategie und verteilt in neue Lager, die CAI (Centro di
accoglienza ed identificazione, Aufnahme- und Identifizierungszentrum), die oftmals den
Charakter einer Abschiebungshaft haben. Massive Revolten und Fluchtversuche sind die Folge.
Im Laufe des Frühlings und Sommers lassen die Ankünfte aus Tunesien nach. Erst im Juli/August
schnellen sie aufgrund der großen Unzufriedenheit im Lande wieder hoch. Tunesien hat
aufgrund der eigenen Situation, aber auch aufgrund des Libyenkrieges einen Rückgang des
Tourismus von knapp 40%1 zu verzeichnen, einigen Orts sogar mehr. Die Situation im Land ist
instabil. Die Tunesier auf Lampedusa werden grundsätzlich von den restlichen Flüchtlingen
getrennt gehalten, ihre Verteilung erfolgte weitaus weniger schnell als die der anderen, meist
wird versucht, sie direkt von Lampedusa über einen sizilianischen Flughafen abzuschieben. Das
betraf und betrifft auch minderjährige Flüchtlinge. Es kommt daher immer wieder zu Revolten,
bei denen die Polizei jedoch äußerst hart gegen die unbewaffneten Tunesier vorgeht. Brüche,
schwere Verletzungen und Traumata sind die Folgen. Fälle dazu werden später aufgegriffen.
Im November 2011 werden 29 tunesische Asylsuchen abgeschoben, obwohl sie nach ihrer
Ablehnung im Klageverfahren waren und aufschiebende Wirkung beantragt hatten. Laut
italienischem Gesetz ist es nicht möglich, vor der Klageentscheidung abzuschieben. Doch die
Polizei sowie die Ausländerbehörde brechen das Recht nunmehr täglich.
2. Libyenkrieg – Flucht von Flüchtlingen und Migranten aus dem Bürgerkriegsland Libyen
Seit Februar 2011 demonstriert auch ein Teil der libyschen Bevölkerung gegen den langjährigen
Machthaber Muammar al Gaddafi. Aufgrund der folgenden Bombardements der NATO, die die
Rebellen unterstützen sollen, fliehen zahlreiche Menschen aus Libyen – allein 500.000
1
Helmut Dietrich: Tunesien nach dem Umsturz – politische Niederlagen, aber der Widerstand wächst, in:
Tunesien zwischen Revolution und Migration, München August 2011
2
Flüchtlinge überqueren die Grenze nach Tunesien. Obwohl Tunesien sich selber im Umbruch
befindet nimmt es die Flüchtlinge auf. Es entstehen mehrere Flüchtlingslager im Süden des
Landes, zudem finden die meisten libyschen Flüchtlinge private Aufnahme in tunesischen
Familien, so kommen allein in der Region Tataouine im südlichen Tunesien 55.000 Libyer/innen
in Familien unter. In Folge entsteht auch das UNHCR-geführte Lager Shousha, das am 24.2.2011
nahe der tunesisch-libyschen Mittelmeergrenze eröffnet wird. Hier leben Flüchtlinge aus dem
Subsahararaum, viele von ihnen waren vormals Gastarbeiter in Libyen (Nigerianer, Ghanaer,
Ivorianer etc.), aber viele waren auch zuvor in libyschen Gefängnissen für Migranten unter
unmenschlichen Bedingungen eingesperrt und konnten nun nach Tunesien flüchten (vor allem
Eritreer, Somalier, Äthiopier). Die Situation in Shousha ist für die Flüchtlinge, die dort nun seit
Monaten in der Wüste ausharren müssen, nicht erträglich. Diejenigen, die schon in Tripolis eine
Möglichkeit hatten, beim UNHCR vorzusprechen, bevor dessen Büro im Sommer des letzten
Jahres geschlossen wurde, erhielten in Tunesien umgehend resettlement-Papiere, wenn sie denn
schon in Libyen eine Flüchtlingsanerkennung erhalten hatten. Doch die resettlement-Plätze
genügen nicht, so wartet immer noch eine große Zahl auf ihre Verlegung. Diejenigen, die in ihre
Heimatländer zurückkehren können, werden mithilfe der Heimatregierungen und des IOM
(International Organization of Migration) ausgeflogen. Zurück bleiben die, die keinerlei Chance
auf eine Rückkehr haben: z.B. Sudanesen, Bangladeshis, deren Regierung nichts für sie tut,
Nigerianer, die an Kämpfen im Nigerdelta gegen die Ölmagnaten beteiligt und nach Libyen
geflohen waren. All diesen Menschen bleibt nun nur die Asylantragstellung über den UNHCR in
Shousha, doch das dauert Monate. In einem Gespräch mit einem eritreischen Flüchtling, der
bereits seit Mai 2011 in Shousha lebt, berichtet dieser, der UNHCR habe ihm gesagt, vor März,
April nächsten Jahres würde für ihn nichts entschieden. So ergeht es nach Interviews mit
Flüchtlingen vor Ort allen. Appelle an die europäischen Regierungen, Flüchtlinge aus den
Grenzlagern in Tunesien und Ägypten herauszuholen, verhallen ungehört. So sitzt auch eine
weitere Gruppe von Palästinensern in einem Nachbarlager von Shousha seit Monaten fest –
Ägypten lässt sie nicht nach Gaza einreisen, niemand will sie haben.
Die ersten Flüchtlinge aus Libyen erreichen am 27. März Lampedusa. In der Folge sind auch viele
unter ihnen, die von Libyen nach Tunesien geflohen sind und sich dann in ihrer Not entschlossen
haben, nach Libyen zurückzukehren und dort ein Boot nach Italien zu besteigen. Die ersten
Flüchtlinge aus Libyen erreichen am 27. März Lampedusa. Viele von ihnen berichten, dass man
sie zu geringeren Kosten hat fahren lassen, manche sagen, die Polizei Gaddafis habe sie förmlich
in die Boote getrieben. Die Ausweglosigkeit und der Zwang, dann schließlich ein Boot zu
besteigen, fordert im Laufe des Jahres an die 2000 (bekannte) Opfer, Tunesier wie andere
Flüchtlinge, im Kanal von Sizilien.
3
Die Flüchtlinge, die über Libyen kommen, werden von Anfang an anders behandelt: so werden
sie z.B. nicht in den hinteren „Käfig“ des Männertraktes von Lampedusas Zentrum Contrada
Imbriacola gesperrt, sondern von den Maghrebinern ferngehalten. Nichtsdestotrotz müssen bei
einer Überbelegung im Mai, von der wir uns mit eigenen Augen überzeugen konnten, und
sicher auch zu späteren Zeitpunkten, die Flüchtlinge draußen unter den Bäumen schlafen, Kopf
an Kopf mit wilden Hunden, die über die Insel streifen und anscheinend Zutritt zum Lager
haben.
Ende Juli gibt Innenminister Roberto Maroni die aktuelle Ankunftsstatistik heraus: 48.000
Ankünfte, davon 24.769 aus Tunesien, 23.267 aus Libyen (abgefahren). 13.667 sind seit Anfang
des Jahres abgeschoben worden.
Im August erhöhte sich die Zahl der Ankommenden um einige Tausend Flüchtlinge. 2
Am 28.9.2011 gibt das Innenministerium die neue Gesamtzahl der Ankünfte heraus: 60.656,
davon sind 51.596 Flüchtlinge auf den Inseln Lampedusa und Linosa angelandet.3
.
3. Die neue rechtliche Lage
Frontex
Am 19./20. Februar startet die Frontex-Mission „Hermes“ im Kanal von Sizilien. Aufgrund der
vielen Ankünfte bis dato sollen sie weitere Ankünfte melden, verhindern...niemand kann uns
genau sagen, was Frontex eigentlich tut. Die italienische und die maltesische Küstenwache sind
in die Operation einbezogen, zwei Flugzeuge sind auf der Nachbarinsel Pantelleria stationiert.
Tagelanges Bemühen und Telefonate mit allen zuständigen Stellen der Agentur und des
italienischen
Innenministeriums,
sich
mit
den
entsprechenden
Beamten
in
einem
Aufnahmezentrum auf Sizilien, in denen Verbindungsbeamte angeblich freiwillige Befragungen
mit Flüchtlingen durchführen, oder auf Lampedusa zu treffen, verlaufen im Nichts. Die
transparente Grenzschutzagentur lässt sich nicht in die Karten schauen. Bis heute ist nicht klar,
was genau Frontex mit Hermes erreichen will und erreicht hat. Dennoch wurde die Mission bis
Ende
August
verlängert.4
Inzwischen
arbeiten
Frontex-Agenten
nach
Angaben
des
Antirassistischen Netzwerks Catania auch im Großlager Mineo. Das Netzwerk beanstandet
völlige Unklarheit über die Aufgabe der Agenten und zu welchem Zwecke sie welche Interviews
durchführen sei auch den Flüchtlingen gegenüber nicht erklärt worden.5 Eine kleine Anfrage der
Partei Die Linke beinhaltet unter anderem auch die Frage nach den Aktivitäten von Frontex nach
2
http://www.programmaintegra.it/modules/news/article.php?storyid=6024, 5.8.2011: am 5.8. zählte man
51.881 Ankünfte, allein am 14.8. sind weitere 2000 angelandet. Angeblich, laut diversen Presseberichten,
sind bisher (Stand Ende August) ca. 57.000 Flüchtlinge auf Lampedusa angekommen.
3
http://www.interno.it/mininterno/export/sites/default/it/sezioni/sala_stampa/notizie/immigrazione/00000
70_2011_09_29_informativa_Viale_al_Senato.html
4
http://www.frontex.europa.eu/newsroom/news_releases/art103.html,
http://www.frontex.europa.eu/hermes_2011_extended/background_information/
5
http://siciliamigranti.blogspot.com/2011/08/la-situazione-attuale-mineo.html
4
dem 31. August 2011. Der Antwort vom 04.10.2011 ist zu entnehmen, dass der Einsatz bis
Jahresende verlängert wurde.6
Rechtliche Änderungen aufgrund des „Notstands Nordafrika“
Ab Februar 2011 erlässt die italienische Regierung einen Erlass nach dem anderen, um die
Situation des so genannten „Notstands Nordafrika“ in den Griff zu bekommen. Wie immer
arbeitet der Staat mit Notstandsgesetzen, und wieder einmal war es nicht abzusehen, dass
Flüchtlinge über das Mittelmeer nach Italien kommen könnten (sic!). Mithilfe dieser
Notstandgesetze ist es möglich, sich über geltende Gesetze und Regelungen hinwegzusetzen.
Am 12. Februar wird per Dekret der „Notstand Migration“ in Italien ausgerufen. Zwei Tage
später werden die ersten Überlegungen angestellt, ein Großlager für Flüchtlinge in einer
ehemaligen, abgelegenen US-Militärbasis auf Sizilien zu eröffnen. Am 18.Februar wird der
nächste Erlass des italienischen Ministerrats veröffentlicht (OPCM 3924): darin wird festgelegt,
dass neue Strukturen geschaffen werden müssen, und es eines Kommissars bedarf, der das alles
koordiniert. Benannt wird der damalige Präfekt von Palermo, Caruso. Das Dekret besagt
außerdem, dass Punkte der Rückführungsrichtlinie wie kollektive Verhaftungen und
Abschiebungen, die dort ausdrücklich untersagt sind, keine Beachtung finden müssen, da man
sich ja in Zeiten des Notstandes befindet. Am 2. März wird die ehemalige US-Basis für staatliche
Zwecke angemietet, von einer privaten Firma, die dafür 360.000 € Mietkosten im Monat erhält,
das Rote Kreuz, als erster Betreiber eingesetzt, soll 3 Millionen Euro monatlich bekommen.
Proteste von Flüchtlingsorganisationen werden laut. Ebenfalls am 2. März entscheidet die
italienische Regierung, Geld an die tunesische Regierung zu zahlen, damit diese ihr
„Flüchtlingsproblem“ händeln kann – die Worte des italienischen Innenministers dazu sind
eindeutig: Lieber helfen wir mit Geld, dann bleiben die Flüchtlinge wenigstens dort.
Ein wichtiger Wendepunkt ist das Ministerialdekret vom 5. April 2011: Hiermit wird für alle
tunesischen Flüchtlinge, die bis zum 5.4.2011 Mitternacht eingereist sind möglich, einen Antrag
auf befristeten Aufenthalts- und Reisepapiere für den Schengenraum zu stellen. Das Dekret löst
große Empörung in Ländern wie Frankreich aus, die befürchten, dass nun alle Tunesier zu ihnen
kommen
(denn
Frankreich
ist
aufgrund
der
Kolonialgeschichte
und
den
Verwandtschaftsbeziehungen dorthin tatsächlich das Reiseziel der meisten Tunesier). Frankreich
reagiert prompt und schließt, wie andere EU-Länder auch, die Grenzen. Einreisen darf mit dem
Papier nur, wer genügend Geld und einen Pass aufweist. In Folge entsteht ein Flüchtlingscamp
an der italienisch-französischen Grenze bei Ventimiglia.
6
19.09.2011 – Kleine Anfrage – Drucksache Nr. 17/6991, Situation der subsaharischen Flüchtlinge in Libyen und Tunesien, Antwort Drucksache 17/7270.
5
Da inzwischen die Proteste gegen die Behandlung der Flüchtlinge immer lauter werden erlässt
die Regierung mit dem Runderlass 1305 am 1. April ein Verbot für alle Journalisten,
Organisationen und sonstigen Unterstützergruppen, die Aufnahme- und Abschiebungslager zu
betreten. Nur genannte Organisationen, in diesem Falle z.B. UNCHR, IOM, Rotes Kreuz, dürfen
in die Zentren. Eine italienweite Kampagne für die Pressefreiheit folgt.
Am 7. April leistet sich der italienische Staat ein Dekret, das den Notstand in Nordafrika ausruft!
Ein weiteres Dekret (Nr. 3933) folgt am 13. April und beschreibt die weiteren
Notstandsmaßnahmen, die zu ergreifen sind: der Leiter des Zivilschutzes wird hiermit zum
Notstandskommissar ernannt, das bedeutet, ab 1.7.2011 fällt ein Großteil der Koordinierung
der Aufnahme von Flüchtlingen und Migranten in die Hände des Zivilschutzes.
Nur eine Woche später werden die CAI, die Aufnahmelager (Zeltstädte) für die
Tunesier/Maghrebiner, die in Sizilien, Kampanien und der Basilikata eröffnet worden waren, von
einem Tag zum anderen in Abschiebungshaftanstalten umgewandelt (OPCM 3935).
Mit dem Ministerialdekret vom 16. Juni schließlich soll die Rückführungsrichtlinie RL
2008/115/EG umgesetzt werden: Haftverlängerung auf 18 Monate ist nun möglich. Freiwillige
Ausreisen sind nur vorgesehen, wenn der Migrant z.B. über einen Pass verfügt. Das Dekret wird
am 2. August Gesetz. Das Bekanntwerden der Haftverlängerung und deren Durchführung auch
bei Migranten und Flüchtlingen, die nicht abgeschoben werden können, zieht eine Reihe von
Revolten in den Abschiebungsgefängnissen, u.a. mit schweren Selbstverletzungen und
Verletzungen durch Polizeiübergriffe, durch das ganze Land nach sich.
Am 01.10.2011 folgt ein weiterer Runderlass im Namen des Zivilschutzes, der besagt, dass alle
im Verfahren abgelehnten Asylsuchenden, die keine Klage einreichen, die Aufnahmezentren
umgehend zu verlassen haben, ihnen wird die Abschiebungsverfügung ausgestellt und man
wird sie dann wahrscheinlich in Abschiebungshaft nehmen. Da Problem ist, dass seit Sommer
für die Klageverfahren allein an Gerichtskosten ca. 350 € aufgebracht werden müssen, was sich
die Flüchtlinge nicht leisten können. Zudem lehnen die Asylkommissionen (zumindest in Sizilien)
sehr viele Gesuche ab (Kollegen berichten von 50 bzw. 90% Ablehnungen in den beiden
Kommissionen). Dieser Erlass birgt ein Pulverfass. Die Angestellten in den Zentren sind schlecht
informiert, haben Angst, dass Revolten ausbrechen könnten, was zur Folge hat, das die
Carabinieri massive Streifen innerhalb der Aufnahmezentren laufen.7
7
Fulvio Vassallo Paleologo, Jurist, 7.11.2011 auf Facebook, https://www.facebook.com/profile.php?
id=553836925, Runderlass unter: : http://www.meltingpot.org/articolo17062.html
6
4. Die massivsten Probleme
4.a. Die Unterbringung
Aufgrund des „Notstands Nordafrika“ wurden ab März neue Lager zur vorübergehenden
Unterbringung geschaffen. 110 Millionen € hat die Protezione Civile, der Zivilschutz, dafür
zugesagt bekommen.
Das Großlager Mineo auf Sizilien, die ehemalige US-Basis, wird gegen die Proteste einiger
Bürgermeister der umliegenden Gemeinden Mitte März eröffnet. Es soll ein neues
Aufnahmezentrum für Asylsuchende werden, und so werden Asylsuchende aus Zentren in ganz
Italien hierher verlegt – ohne Klärung, welche Asylkommission denn jetzt für sie zuständig ist,
herausgerissen aus teilweise gewachsenen Strukturen in anderen Regionen Italiens. Mineo soll
DAS Aufnahmelager für Asylsuchende werden. Da rechtlich jedoch nichts geklärt ist, die für die
Region zuständige Asylkommission dankend ablehnt, da sie eh überlastet ist, müssen die
Flüchtlinge wochenlang warten, bis sich überhaupt eine Kommission bildet und ihre Fälle, die
teilweise längst in anderen Kommissionen in Bearbeitung waren, behandelt werden. Kurden
beschweren sich uns gegenüber, dass sie schon ein Jahr in Crotone (Kalabrien) auf ihren
Bescheid gewartet hätten, nun fange alles von vorne an. Auch nach Monaten funktioniert das
Aufnahmezentrum Mineo nicht. Am 25. August berichtet das Antirassistische Netzwerk Catania,
dass im Auftrag von borderline-europe ein monitoring in Mineo macht, dass die Zahl der
Anhörungen zwar endlich mehr geworden seien (nach der Sommerpause (!) 10-15 am Tag,
doch es fehlten die Dolmetscher, es sei völlig unklar, nach welchen Kriterien wer wann gehört
wird, es komme zu Massenablehnungen (vor allem Flüchtlinge, die in Libyen gelebt haben und
von dort aufgrund des Krieges geflohen sind – fast alle wurden abgelehnt, obwohl viele on
ihnen nicht in ihre Heimatländer zurückkönnen). Auch die Lebensbedingungen in Mineo haben
sich nicht geändert: die Asylsuchenden können das nächstgelegene Dorf (11 km) nur zu Fuß
erreichen oder müssen 2 € für einen Shuttlebus bezahlen, Geld, das sie nicht haben. Inzwischen
wurde der Bus auch wieder eingestellt. Dadurch jedoch besteht keinerlei Kontakt zur
italienischen Bevölkerung. In einem offenen Brief vom 29. August schildern die Flüchtlinge, die
aus Libyen hierher gekommen sind, ihre Situation: Das Essen ist schlecht, wir können nicht mit
unseren Verwandten zu Hause kommunizieren (kein Telefon bzw. keine Telefonkarten, die
ihnen eigentlich zustehen), acht, zehn Monate auf die Anhörung warten, ohne das Geringste zu
tun zu haben, keine freie Anwaltswahl.8 Es gibt nur wenige Anwälte für 3500 Flüchtlinge. Im
Juli versuchen sieben Flüchtlinge, sich das Leben zu nehmen. 9 Anwälte schildern, dass fast alle
ihre Klienten psychische Probleme haben.10 Am 1.9. übernimmt ein lokaler Verbund
verschiedener Vereinigungen den Betrieb. Sie haben keinerlei Erfahrung in der Migrationsarbeit,
doch sie haben die Ausschreibung in einer ungeahnten Schnelligkeit genau zur Hauptferienzeit
8
http://siciliamigranti.blogspot.com/2011/08/lettera-aperta-degli-ospiti-del-cara-di.html
http://www.terrelibere.org/terrediconfine/4276-sette-tentati-suicidi-al-cara-di-mineo-anni-di-attesa-per-lasilo
10
RA Filippo Finocchiaro bei einem Treffen der Anwaltsvereinigung ASGI am 09-09-2011 in Palermo.
9
7
Mitte August gewonnen, und das, wo vorher monatelang Chaos herrschte und man sich fragt,
wie eine Zusage so schnell erfolgen konnte. Mitte November unterhalten wir uns erneut mit
Vertretern des Antirassistischen Netzwerks über die Situation in Mineo: ab September hätte sich
mit der neuen Betreiberschaft alles ändern müssen, da die Einrichtung nicht als
Notstandsunterkunft, sondern als reguläre Aufnahme (CARA) für Asylsuchende gilt. Die
Probleme sind weiterhin dieselben wie vorher. Angeblich werde nun das vorgeschriebene
Taschengeld ausgezahlt, doch kaufen könne man davon nur Zigaretten und Telefonkarten beim
Kioskbesitzer innerhalb des Zentrums. Diesem wird die Zugehörigkeit zu einer kriminellen
Vereinigung nachgesagt, er gehört zu einer mafiosen Familie des Ortes.
Nach der Ankunft der tunesischen Flüchtlinge wurden neue Zentren improvisiert, es gibt keine
rechtliche Grundlage für diese: Centro di accoglienza ed identificazione (CAI) – Aufenthalts- und
Identifizierungszentrum, Zeltstädte, in die Tunesier und andere Maghrebiner über Wochen
eingesperrt wurden. Einzig die Region Toskana hat sich geweigert, Zeltstädte zu nutzen, hier
wurden die Flüchtlinge in festen Strukturen untergebracht.
In Chinisia, einem bodenverseuchten Fleckchen Erde auf einer alten Militär-Fluglandepiste in der
Nähe der sizilianischen Stadt Trapani werden bis zu 700 Tunesier in das Zeltlager verbracht und
warten dort auf den Aufenthaltstitel. Als sich ein junger Mann bei einem Fluchtversuch den Fuß
bricht, diskutiert die Leitung (eine Caritasnahe Organisation), was man mit ihm machen soll –
mit dem Gipsfuß könne er hier nicht bleiben, sobald es regnet weiche der Boden derart auf,
dass der Schlamm den Gips kaputt machen würde. Andere Tunesier werden in das
Aufnahmelager für Asylsuchende Salina Grande gebracht und dort tagelang in eine Turnhalle
gesperrt, wie sich später herausstellt, sind auch Minderjährige darunter.
Aus
drei
der
CAI
werden
dann
per
Dekret
am
21.
April
CIET
–
zeitweilige
Abschiebungshaftzentren, so auch Chinisia.
Das Lager Manduria in Apulien, eine Zeltstadt mit 3500 Plätzen, dient erst zur Unterbringung
der Tunesier, dann wird es geräumt und in ein Übergangslager verwandelt. Flüchtlinge, die aus
Libyen in Lampedusa anlanden, werden oftmals erst hierhin gebracht, egal ob Frauen, Männer
oder Kinder. Erst dann werden sie in weitere Zentren verlegt.
Der fortwährende Wechsel der Bestimmungen der Zentren, das unnötige und aufwändige
Verlegen von Flüchtlingen quer durch Italien, die chaotischen Zustände in den Zentren, die
mangelhafte Versorgung, sozial wie legal, zeichnet die neue Art der Unterbringung in Italien
aus. Eine besondere Blüte treibt der Mangel an Plätzen ab Sommer 2011: Der Zivilschutz bietet
Hotelbesitzern oder sonstigen interessierten Organisationen und Einzelpersonen, die Platz
haben, an, Migranten unterzubringen. Immerhin gebe es gutes Geld dafür. 40-46 € pro
Erwachsenen pro Tag, 67 € für unbegleitete Minderjährige und sogar 80 € für unbegleitete
Minderjährige in so genannten Übergangsstrukturen. Das hat dazu geführt, dass Bauernhöfe,
8
abgehalfterte Hotels, sonstige fragwürdige Einrichtungen nun plötzlich Flüchtlinge aufnehmen.
In der sizilianischen Stadt Piazza Armerina haben sich die Flüchtlinge nun beschwert: Keinerlei
soziale Betreuung, der Koch habe noch niemals im Leben etwas mit Kochen zu tun gehabt,
nach Wochen tragen die Neuankömmlinge noch die kaputten Schuhe ihrer Reise.11 Das
Antirassistische Forum Palermo berichtet von einem Besuch in Zentren in der Region Palerrmo:
es gibt keine Sozialarbeiter, keine Dolmetscher, keinerlei Beratungsmöglichkeit, keine
jugendgerechten Angebote in den Einrichtungen für unbegleitete Minderjährige. Es handelt sich
hier um ein Dach über dem Kopf mit dem die „Betreiber“ gutes Geld verdienen.
Die Anwaltsvereinigung ASGI (Juristische Studien zur Migration) kritisiert in ihrem im Herbst
erscheinenden Buch, dass Italien kein koordiniertes und funktionierendes Aufnahmesystem
habe. Jede Region verfahre unterschiedlich, je nach finanziellen Kapazitäten und nach
„Organisationstalent“, welches wiederum an politische Kontexte gebunden sei. Zudem sei es
unbedingt erforderlich, spezielle Maßnahmen für vulnerable Gruppen einzurichten. Das
wochenlange „Parken“ von Flüchtlingen in quasi rechtsfreien Räumen müsse sich unbedingt
ändern, da es auch „eine mögliche Verletzung des Europäischen Rechts darstelle. Jedes
Ausländerbehörde (die bei der Polizei angesiedelt sind) müsse so schnell wie möglich die
Asylersuchen entgegennehmen und den Antrag ausfüllen und weiterleiten. Jeder Flüchtling
müsse sofort nach der Äußerung des Wunsches einer Asylantragstellung in ein adäquates
Unterbringung verbracht werden. Ebenso müssen Informationen und Dolmetscher gewährleistet
werden.12
4.b. Die Probleme der tunesischen Flüchtlinge
Die Probleme der tunesischen Flüchtlinge sind mannigfaltig.
1) Flüchtlinge mit Aufenthaltserlaubnis: Die Tunesier, die vor dem 5. April 2011eingereist sind,
haben die sechsmonatige Aufenhaltserlaubnis erhalten, sofern sie innerhalb der Frist beantragt
wurde. Haben sie dies nicht getan, werden sie werden sie nach einer Identifizierung durch den
tunesischen Konsul in Palermo abgeschoben (laut Vertrag mit der tunesischen Regierung, der
am 25. März in Tunis ausgehandelt wurde). Haben sie das Papier erhalten, müssen sie das
Aufnahmelager, in dem sie sich befinden, umgehend verlassen – sprich, sofort.
Sie verfügen über keinerlei Mittel, keine Fahrkarten, sie wissen nicht wohin. Das führt dazu, dass
sich im April 2011 eine untragbare Situation auf italienischen Bahnhöfen entwickelt: Hunderte
von Tunesiern campieren auf den Bahnsteigen, da man sie ohne Fahrkarte nicht einsteigen lässt.
Nächtelang bekommen sie nichts zu essen, keinen Schlafplatz, wissen nicht weiter. Unglaubliche
Szenen der Verzweiflung spielen sich vor unseren Augen ab – alles hat man überstanden, das
11
http://www.zeroviolenzadonne.it/rassegna/pdfs/8639b04af4cd400b480d3035531ab1ab.pdf
12
Il diritto alla protezione, studio sullo stato del sistema di asilo in Italia e proposte per una sua evoluzione,
ASGI, noch unveröffentlichter Vorabdruck, August 2011
9
Meer bezwungen, den Aufenthaltstitel erhalten, und nun geht es nicht weiter. Nur mithilfe von
Flüchtlingsorganisationen, die sich immer wieder, jeden Tag auf’s Neue, für die Ausstellung der
Fahrkarten mit den Präfekturen, den Ausländerbehörden und der Bahn auseinandersetzen
müssen, gelingt es endlich, die Tunesier reisen zu lassen.
2) Das Problem UNHCR
Alle Tunesier, die Italien nach dem 5. April erreicht haben, werden erst in Lampedusa und dann
in italienischen Abschiebungshaftanstalten inhaftiert. Wenn möglich, werden sie umgehend
nach Tunesien ausgeflogen. Oftmals jedoch verbringen sie Wochen und Monate in Haft, ohne
zu wissen, warum. Viele von ihnen wollen einen Asylantrag stellen, doch gegen jede Konvention
gestattet man es vielen von ihnen nicht.
Gabriele del Grande, der den Blog fortress europe betreibt, berichtet im Juli 2011 von einem
Besuch in der neuen Haftanstalt Chinisia, Sizilien. Haftprüfungstermin. Es stellt sich heraus, dass
einige der Tunesier in Lampedusa den Wunsch bekundet hatten, einen Asylantrag zu stellen. Ein
Anruf beim UNHCR-Büro auf der Insel bestätigt die Angaben, als der Richter die
Aufzeichnungen dazu gern gefaxt haben möchte verweigert sich der UNHCR. Das Büro in Rom
habe das so bestimmt. Kurzum: der UNHCR weigert sich, sich um tunesische Flüchtlinge zu
kümmern, da es sich ihrer Meinung nach durchweg um Wirtschaftsflüchtlinge handele, doch es
gibt sehr wohl auch Asylantragsteller unter ihnen, die natürlich unter das Mandat des UNHCR
fallen würden. Per se wird eine Nationalität ausgenommen – und das von einem
Flüchtlingshilfswerk. Leider bestätigte sich diese Handhabung auch in anderen Zentren wie der
Erstaufnahme Pozzallo auf Sizilien, in dem tunesischen Flüchtlinge gefangen gehalten werden
(dabei handelt es sich nicht um eine Haft!), um von hier aus direkt über Catania nach Tunis
abgeschoben zu werden (Pozzallo wird Ende September nach Protesten der Kommune
geschlossen). Es kommt immer wieder zu Protesten und zu Prozessen gegen die
Protestierenden. Wie sich herausstellte ist der UNHCR nicht vor Ort gewesen, um potentielle
Asylsuchende zu hören. 13
3) Das Problem der Zurückweisungen
Schon die Abschiebungen nach Tunis sind, wie sich in Gesprächen mit einigen in Tunesien
aufgesuchten Flüchtlingen zeigte, nicht rechtmäßig. Wir haben erfahren, dass sie Asylanträge
stellen wollten und das auch schriftlich niedergelegt hatten. In einem anderen Fall wurde eine
kleine Gruppe von Tunesiern aus Frankreich nach Italien zurückgeschoben, und trotzdem sie im
Besitz der sechsmonatigen Aufenthaltserlaubnis waren, nach Tunis ausgeflogen. In letzterem Fall
besonders perfide: man hat sie ein italienisches Dokument unterschreiben lassen, das, wie sich
später herausstellte, ihre freiwillige Rückkehr besagte. Ein Dolmetscher ist nicht zugegen. Die
Polizei hat ihnen Angst gemacht. Sie haben unterschrieben.
13
http://siciliamigrants.blogspot.com/2011/07/asylsuchende-in-abschiebelagern-unhcr.html
10
Am Abend des 21. August berichten uns Mitarbeiter unseres Monitoring-Projektes auf
Lampedusa von einer Ankunft tunesischer Flüchtlinge. Vier von ihnen müssen ärztlich versorgt
werden, die restlichen ca. 102 Tunesier werden jedoch umgehend wieder aus dem Hafen
herausgefahren und auf offener See tunesischen Einheiten übergeben. Auf die lautstarken
Proteste reagiert die italienische Regierung lapidar mit „das ist im bilateralen Abkommen mit
Tunesien enthalten.“ Während der Ausfahrt aus dem Hafen springt ein junger Mann von Bord
und rettete sich schwimmend ans Ufer. Er verletzt sich dabei am Knöchel. Raffaella Cosentino
von der Agentur Redattore Sociale legt in ihrem Artikel offen, dass diese Art von
Zurückweisungen des öfteren vorkommen. Diese Informationen hat die Journalistin von
Einsatzkräften erhalten, die an den Seenotrettungen beteiligt sind, aber nicht genannt werden
möchten. Sie berichten, dass sie zur Beobachtung hinausfahren, die Boote der Flüchtlinge
werden „target“ genannt (!) Ist ein Boot ausgemacht wird die Finanzpolizei als Grenzsicherer
hinzugezogen und diese prüft, ob es sich um Tunesier handelt. Wenn es sich ihrer Meinung
nach um solche handelt, wird die Marine hinzugezogen. Diese übernimmt die Flüchtlinge und
übergibt sie an tunesische Einheiten. Die Flüchtlinge werden kollektiv identifiziert – das heißt,
die Militärs gehen nach Aussehen und Hautfarbe, um zu bestimmen, woher sie kommen. Es gibt
keinerlei individuelle Identifizierung auf See. So gibt denn auch der junge Mann, der
abgeschoben werden sollte und im Hafen von Bord springt, an, er sei kein Tunesier, sondern ein
Saharawi!14
4) Gewalt gegen Tunesier und andere Flüchtlinge
Immer wieder berichten uns die Flüchtlinge von brutalen Polizeimaßnahmen in den Zentren, vor
allem auf Lampedusa. Ein aus Italien abgeschobener Tunesier zeigt uns Fotos und Videos, die
mit dem Mobiltelefon gemacht sind: Blutspritzer sind auf Boden und Wänden zu sehen. Es
handelt sich dabei nicht nur um Repressionen gegen revoltierende Tunesier. Die Flüchtlinge
berichten uns unabhängig voneinander, dass die Polizisten mit Gesichtsmasken in den
geschlossenen Teil des Lagers kommen und zuschlagen, sobald sie eine Bewegung entdecken,
die ihnen Anlass zu geben scheint. Besonders eklatant ist der Fall des jungen Nizar. Verheiratet
mit einer Holländerin möchte er eine Familienzusammenführung beantragen, die holländische
Botschaft gibt ihm jedoch kein Visum. Er nimmt ein Boot nach Lampedusa. Dort wird Nizar
wochenlang festgehalten und dann in Chinisia inhaftiert. Seine hochschwangere Frau reist ihm
nach, versucht, ihren Mann zu sehen. Da er seine Stimmer erhebt und daher in Lampedusa im
Visier der Ordnungskräfte ist, wird ihm bei einer Revolte die Nase verletzt. Weitere Flüchtlinge,
die am Rande stehen und sich gar nicht an den Protesten beteiligen, werden mit Schlagstöcken
geprügelt, verschiedene Zeugen berichten uns von schweren Angriffen der bewaffneten
Ordnungskräfte. Als Nizars Frau in Chinisia wegen eines Schwächeanfalls ins Krankenhaus und
dann nach Holland zurück gebracht werden muss, entschließt er sich zu fliehen. Kurz darauf
14
http://www.terrelibere.org/4327-lampedusa-da-mesi-respingimenti-in-mare-ecco-come-litalia-viola-leleggi-internazionali
11
stellt sich heraus, dass er ein Schengenvisum hatte, was man ihm aber nicht mitteilte und was
die Behörden auch nicht zu interessieren schien.
Eine Mitarbeiterin von Terre des Hommes bestätigt im August 2011 Prügel an Minderjährigen.
Gewalt, physisch wie psychisch, wird auch bei den Abschiebungen angewandt: so berichten uns
abgeschobene Tunesier in Tunis, dass sie an Händen und Füßen gefesselt in das Flugzeug
gesetzt wurden, beide Fesseln miteinander verbunden, so dass sie nicht gerade sitzen konnten.
An jeder Seite einen Polizisten, die Fenster geschlossen, sie wussten nicht, wohin der Flug geht.
In Palermo wagt es einer der Tunesier nach über 8 Stunden ohne Essen und Trinken, sich zu
beschweren, die Polizei, so schildern seine Mitreisenden, hat ihn zu Boden geworden, einen
Stiefel auf den Nacken gesetzt und dann mit dem Schlagstock geprügelt. Unserem
Gesprächspartner in Tunis, der das alles bezeugen kann, sind im Krankenhaus in Tunis
psychosomatisch bedingte Traumata sowie die Schlagstockprügel auf dem Rücken attestiert
worden.
4.c. Problem unbegleitete Minderjährige
Mit der kompletten Umstellung des Aufnahmesystems wurde auch die Behandlung und
Unterbringung von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen geändert. Im Dekret vom 18. Mai
wird der Generaldirektor des Arbeits- und Sozialministeriums, Natale Forlani, als Leiter des
neuen Verteilungssystems für unbegleitete Minderjährige eingesetzt, Grundlage hierfür ist
wiederum das Ministerialdekret vom 13. April 2011 (OPCM 3933). Artikel 5 des Dekretes 3933
vom 13. April legt eine Finanzierung von 500 Plätzen mit bis zu 80€/Tag/Platz fest. Am 17. Mai
wird ein Katalog für die Behandlung der unbegleiteten Minderjährigen herausgegeben. 15 Der
Ablauf
ist
klar
geregelt:
Ankunft,
Altersfeststellung
(kein
Hinweis
auf
das
Wie,
Handwurzelröntgen ist üblich), suchen einer Übergangseinrichtung durch die Sicherheitskräfte,
wenn das nicht möglich ist, erfolgt eine Meldung beim bei der Regierung ansässigen Komitee
für unbegleitete Minderjährige, beim Jugendgericht und beim Vormundschaftsrichter. Diese
sollen den Jugendlichen umgehend in eine so genannte Überbrückungsstrukturen, die im
ganzen Land zu finden sind, zuweisen. Wenn dann eine richtige Identifizierung, die (erfolglose)
Suche nach Eltern oder anderen Verwandten in Italien, eine medizinische Untersuchung, die
über die Kommune laufen, abgeschlossen sind, werden sie in jugendgerechte Einrichtungen
verteilt (die über das Komitee gesucht werden). Dort beginnt dann die ganze bürokratische
Meldung beim Vormundschaftsgericht etc. Am 13. Juli legt ein Runderlass fest, dass sich die
Regionen, ausgeführt durch den Zivilschutz, um die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge
kümmert, die einen Asylantrag stellen wollen (wenn sie volljährig sind), das Ministerium unter
Forlani hingegen kümmert sich um die unbegleiteten Minderjährigen, die keine Asylanträge
stellen wollen. In Gesprächen mit dem Zivilschutz ist deutlich geworden, dass es – zumindest in
der Provinz Palermo - keinerlei Zusammenarbeit der beiden Behörden gibt.
15
http://www.lavoro.gov.it/NR/rdonlyres/587ED4F7-DCC7-434C-BE19ECCE5E3CC8E2/0/procedura_collocamento_minori.pdf
12
So steht es auf dem Papier. Was passiert tatsächlich?
Seit Jahresbeginn sind laut Save the Children ca. 2200 Jugendliche angekommen, davon sind ca.
10% von Eltern / Verwandten begleitet.16 Terres des Hommes wir auch Save the children
kritisieren den Umgang mit den Minderjährigen auf Lampedusa, aber auch in anderen Zentren
seit Monaten.17 Leider äußerst sich Save the Children nicht so kritisch, wie es zu wünschen
wäre.18 Der Journalist Fabrizio Gatti, der für das Wochenmagazin „Espresso“ schreibt (ähnlich
dem deutschen „Spiegel“) hat die letzte Juliwoche 2011 auf Lampedusa verbracht. In
Zusammenarbeit mit Terre des Hommes deckt er auf, was dort geschieht (Terre des Hommes hat
zwei Mitarbeiterinnen vor Ort, die seit Juni 2011 ein monitoring zu Jugendlichen in den Zentren
auf Lampedusa betreiben) . Am 8. September 2011 erscheint der „Espresso“ mit dem Titel „Das
Gefängnis der Kinder“. Hier berichtet Gatti von begleiteten wie unbegleiteten Minderjährigen:
für jede Windel müssen die Eltern das Personal im Zentrum fragen, Salbe und andere
Medikamente, die dringend notwendig wären, gibt es nur in Kleinstmengen und nicht
ausreichend. 114 unbegleitete Minderjährige befinden sich Ende August im zweiten Zentrum,
der ex-Militärbasis Loran am äußersten Ende der Insel, unter stark strahlenden Antennen, die
dort immer noch im Einsatz sind. Die letzten Monate bestätigen das, was auch Gatti recherchiert
hat: die unbegleiteten Jugendlichen werden zum Teil über Wochen nicht umverteilt, es kommt
zu Protesten. Anfang September bricht erneut eine Revolte im Zentrum Contrada Imbriacola auf
Lampedusa aus, wo Erwachsene und Jugendliche gemeinsam (wenn auch zum Teil mit Zäunen
getrennt) untergebracht sind. Die Anwältin Alessandra Ballerini, die für die Organisation Terre
des Hommes die Situation der Minderjährigen auf Lampedusa als Rechtsberaterin über den
Sommer begleitete, berichtet, dass einige unbegleitete Minderjährige bis zu 64 Tagen im Lager
festgehalten wurden. Die Behörden erzählenden tunesischen Flüchtlingen immer wieder, man
würde sie nach Rom ausfliegen, es handelt sich aber tatsächlich um Abschiebungen. Dadurch
kommt es zu Revolten, bei denen auch immer wieder Minderjährige durch Steinwürfe einerseits,
durch Schlagstockeinsätze andererseits verletzt werden.
In sogenannten Erstauffanglagern wie der Hafenhangar von Pozzallo, Sizilien, oder auch in
Asylsuchendenzentren wie Mineo wird die Situation der Minderjährigen als schwierig
beschrieben, unter anderem, da sie mit den Erwachsenen zusammen untergebracht sind.
16
http://www.savethechildren.it/IT/Tool/Press/Single?id_press=378
http://siciliamigrants.blogspot.com/2011/07/terre-des-hommes-lampedusa-und-die.html,
http://siciliamigrants.blogspot.com/2011/07/revolte-auch-auf-lampedusa.html
18
L’accoglienza temporanea dei minori stranieri dei minori stranieri non accompagnati arrivati via mare a
Lampedusa nel contesto dell’emergenza umanitaria Nord Africa, Otkober 2011,
http://images.savethechildren.it/IT/f/img_pubblicazioni/img157_b.pdf. Das mag daran liegen, das Save the
Children als Projekt im Verbundprojekt PRAESIDIUM (mit dem UNCHR; IOM, Rotes Kreuz) vom
Innenministerium bezahlt wurde. Doch der Titel „Zeitweiliger Aufenthalt ungleiteter minderjähriger
Ausländer, die über See während des humanitären Notstands Nordafrika nach Lampedusa gekommen
sind“ lässt nichts Gutes vermuten – Minderjährige können auch in Italien nicht abgeschoben werden, hier
von zeitweiligem Aufenthalt zu sprechen ist missverständlich.
17
13
Ein Problem ist die Findung von Unterbringungsstrukturen für Minderjährige. Bis 2008 hat es vor
allem in Sizilien viele Einrichtungen, gute wie schlechte, für unbegleitete Minderjährige
gegeben. Mit dem Abkommen Libyen-Italien 2009 sind nur sehr wenige Flüchtlinge nach Italien
gekommen. Damit wurden die Einrichtungen zum Teil wohl geschlossen. Doch laut dem
Verantwortlichen der Sozialdienste von Agrigento, Sizilien, Dottor Graceffa, ist es mehr als
verwunderlich, dass angeblich keine Einrichtungen gefunden werden.19 Agrigento war zuvor
eine der Provinzen, die die meisten Jugendlichen aufgenommen hatte (zu dieser Provinz gehört
auch Lampedusa), die Einrichtungen könnten sehr wohl wieder aktiviert werden. Auch die
Provinz Triest meldet leere vorhandene Einrichtungen.20
Nun kümmert sich jedoch der Zivilschutz um Plätze für die Asylsuchenden, das Arbeits- und
Sozialministerium um welche für die Anderen. Der Zivilschutz gibt an, keinerlei Übersicht über
die Zentren des Ministeriums zu haben. Zudem gibt es immer noch die Zweitaufnahme für
Asylsuchende, auch Jugendliche, die eigentlich von dem dafür zuständigen Zentralkomitee,
angesiedelt bei der Regierung, bezahlt werden müssten. Doch nach der Umstellung waren diese
Einrichtungen nun seit Monaten auf die Mittel. Der Zivilschutz ist nicht zuständig, das
Ministerium angeblich auch nicht, die Kommunen müssen zahlen und können dies oft nicht.
Aufgrund dieser Nicht-Zusammenarbeit bleiben Hunderte von unbegleiteten Minderjährigen
unauffindbar – man weiß nicht, in welchen Einrichtungen sie gelandet sind und wie viele von
ihnen auch von dort geflüchtet sind. In der Provinz Palermo befinden sich mehrere dieser
„schnell umfunktionierten“ Unterkünfte für potentielle Asylsuchende und unbegleitete
Minderjährige – Landbauernhöfe, Hotels mit nicht ausgebildetem Personal und eine Einrichtung
der Caritas, die im September 2011 über 130 Jugendliche zu versorgen hatte, ebenfalls ohne
über das dafür geeignete Personal zu verfügen. Da es sich um „Übergangseinrichtungen“
handelt wird den Jugendlichen außer einem Bett über dem Kopf nichts weiter zuteil, niemand
kümmert sich um ihren Aufenthalt (da es sich um Übergangsstrukturen handelt, muss das auch
nicht geschehen) es gibt keine Kontrollinstanz und es bleibt zu befürchten, dass die meisten
Jugendlichen einfach in den Übergangsstrukturen gehalten werden, bis sie volljährig sind. Die
Kosten werden laut dem Dekret 3933 übernommen, für unbegleitete Minderjährige, wie schon
erwähnt, bis zu 80 €/Tag. Darin sollten Sozialarbeiter, Dolmetscher etc. enthalten sein, wir
haben in keiner der Einrichtungen Ähnliches vorgefunden. Ein weiteres Problem stellt sich für
die Asylsuchenden Minderjährigen: wenn sie nicht den ganzen bürokratischen Weg über die
Meldung beim Jugendgericht, Zuweisung eines Platzes in einer Einrichtung für minderjährige
Asylsuchende etc. gegangen sind, haben sie mit der Volljährigkeit keinerlei Rechte mehr und
können abgeschoben werden. Da viele der Jugendlichen bei Ankunft 16,17 Jahre alt sind und
nichts in den Einrichtungen geschieht, droht eine flächendeckende Abschiebung der jungen
Menschen bei Volljährigkeit.
19
Doktor Graceffa auf einer Tagung von Juristen und NGOs in Agrigento, Sizilien am 11.6.2011
Fulvio Vassallo Paleologo, 6.9.2011, MINORI STRANIERI NON ACCOMPAGNATI ANCORA IN STATO DI
ABBANDONO – ATTO SECONDO, unveröffentlicht.
20
14
Die Situation der Minderjährigen, speziell der unbegleiteten Minderjährigen ist derzeit mehr als
unbefriedigend, eine Besserung ist derzeit nicht abzusehen. Das scheint jedoch auch der Leiter
des Zivilschutzes, Franco Gabrielli so zu sehen, die Situation der unbegleiteten Minderjährigen
sei ein „Notstand im Notstand“. Mit einem Ministerialdekret vom 26. Juli wird bestimmt, dass
das Projekt PRAESIDIUM, zusammengesetzt aus UNHCR, IOM, Save the Children und Rotem
Kreuz, die Situation in den neuen Übergangsstrukturen beobachten soll.21 Dennoch bedarf es
vor allem einer Zusammenarbeit aller beteiligten Behörden und Organisationen, um die Situation
der Flüchtlinge, insbesondere der unbegleiteten Minderjährigen zu verbessern. Regionen wie
z.B. Sizilien haben immer noch kein regionales Gesetz zur Migration, das den lokalen Behörden
ein weitaus schnelleres und effektiveres Handeln ermöglichen würde.
5. Massive Rechtsbrüche – eine kleine Auswahl kurz gefasst
Seenotrettung:
In mehreren Fällen ist bekannt geworden, dass Schiffe der NATO, die vor Libyen kreuzten,
Flüchtlinge trotz Meldung nicht gerettet haben. Ein Beitrag der Deutschen Welle bringt die
Diskussionen der letzten Monate auf den Punkt. Anfang August ist ein mit 370 Menschen
besetztes Boot aus Libyen gestartet und havariert. 100 Flüchtlinge verhungern und verdursten:
„Überlebende eines vor der libyschen Küste havarierten Bootes hatten vom grauenvollen Tod
von rund 100 Flüchtlingen berichtet, die auf See verhungert oder verdurstet seien. Ihre Leichen
seien anschließend über Bord geworfen worden. Die Nachrichtenagentur Ansa berichtete, die
Regierung in Rom habe die NATO um Unterstützung bei der Rettung der Flüchtlinge gebeten,
nachdem ein zypriotischer Schlepper die italienischen Behörden auf das vor der Insel Lampedusa
umhertreibende Boot aufmerksam gemacht habe. Ein in 30 Seemeilen Entfernung fahrendes
NATO-Kriegsschiff habe jedoch nicht reagiert. Letztlich wurden die überlebenden Flüchtlinge
von der italienischen Küstenwache in Sicherheit gebracht. Sie waren am Freitag vergangener
Woche östlich von Tripolis aufgebrochen, um den anhaltenden Bürgerkriegswirren in Libyen zu
entkommen. An Bord des 20 Meter langen Bootes sollen sich mehr als 300 Menschen befunden
haben.“22 Der italienische Außenminister Franco Frattini forderte Aufklärung. Die NATO streitet
den Fall nicht ab, betonte aber stattdessen, dass sie doch auch mehrere Flüchtlinge aus Seenot
gerettet habe. Die Nichtrettung im Fall von Seenot ist laut den Seerechtskonventionen (wie SAR
und SOLAS) unterlassene Hilfeleistung.
Massenabschiebungen und Zurückweisungen auf See
Die kollektive Abschiebung von tunesischen Flüchtlingen, die keinerlei Chance auf die Stellung
eines Asylantrages haben ist rechtswidrig. Laut der Genfer Flüchtlingskonvention hat jeder
Mensch das Recht, einen Asylantrag zu stellen. Ob er dann positiv entschieden wird ist eine
andere Frage.
21
22
ebda.
http://www.dw-world.de/dw/article/0,,15299436,00.html
15
Weiterhin sind Abschiebungen mit erzwungenen Unterschriften, die eine freiwillige Ausreise
bestätigen, was dem Flüchtling aber aufgrund der nicht vorhandenen Übersetzung nicht klar
war, nicht legal.
Die Zurückweisungen auf See sind laut einem Abkommen legal, aber laut non-refoulement
Gebot nicht.
Gewalt gegenüber Flüchtlingen, aber auch Mitarbeitern von Organisationen
Jegliche Repression ist natürlich abzulehnen, schreiten die Ordnungskräfte bei Revolten in den
Zentren und Abschiebungshaften ein, muss eine Verhältnismäßigkeit gewahrt werden – die
Flüchtlinge und Migranten sind UNBEWAFFNET! Dennoch kommt es immer wieder zu massiven
Prügeln, die physische wie psychische Verletzungen zur Folge haben. Am 24. August greift ein
Mitglied der Ordnungskräfte einen Arzt an, der sich um einen angekommenen Flüchtling auf
der Mole im Hafen von Lampedusa kümmert. Eine Weiterbehandlung des verletzten Mannes
wird untersagt, dieser wird mit Gewalt von den Ordnungskräften in den Bus gezwungen, der
die Flüchtlinge in das Aufnahmezentrum fährt.23
Keinerlei Struktur in der Aufnahme und Unterbringung
Anwaltsvereinigungen u.a. kritisieren, es gäbe keinerlei nationale Koordinierung der
Unterbringungssysteme, keinerlei Programme für besonders Schutzbedürftige, keine gesicherter
Zugang zum Verfahren gebe. Man müsse endlich Programme und eine einheitliche
Asylgesetzgebung im Lande schaffen.24
Jugendliche in nicht geeigneten Strukturen und in Haft
Jugendliche werden zunehmend in so genannten Übergangsstrukturen „geparkt“, bis sie 18
sind. Das entspricht nicht der Kinderrechtskonvention, die auch Italien unterzeichnet hat.
Es gibt keine legale und soziale Versorgung. Die Jugendliche gehören auch in Italien nicht in
Haft. Die Zentren auf Lampedusa sind faktisch Haftanstalten25, teils bis zu 64 Tagen dort
festgehalten. Es gab den Versuch einiger Strukturen, die Eltern das Sorgerecht zu entziehen,
denn ein unbegleitetes minderjähriges Kind schafft eine größere Verdienstmöglichkeit, noch
mehr verdienen kann man mit Adoptionsvermittlung.
Immer wieder verlassen unbegleitete minderjährige Flüchtlinge die Strukturen und machen sich
allein auf den Weg. Ein neuer Runderlass vom Oktober 2011 besagt, dass in Obhut oder unter
Vormundschaft genommene Minderjährige sowie diejenigen, die weniger als zwei Jahre im
Lande sind, erst Aufenthaltsgenehmigung im Alter von 18 Jahren erhalten, wenn die
23
http://siciliamigranti.blogspot.com/2011/08/abuso-di-potere-lampedusa-chi-tace.html
Il diritto alla protezione, studio sullo stato del sistema di asilo in Italia e proposte per una sua evoluzione, ASGI, noch unveröffentlichter Vorabdruck, August 2011
25
Das besagt auch der neue Bericht des Europäischen Rates vom 30.9.2011 nach einem Bescuh auf
Lampedusa: http://assembly.coe.int/CommitteeDocs/2011/amahlarg03_REV2_2011.pdf
24
16
Zentralkommission für Minderjährige dem zugestimmt hat.26 Das richtet sich vor allem gegen
tunesische Minderjährige, die in den meisten Fällen keine Zustimmung erhalten werden.
Keine Haft ohne Beschluss eines Friedensrichters
Auch Erwachsene dürfen nicht ohne Haftbeschluss einfach in den Zentren auf Lampedusa oder
in Abschiebungshaftzentren festgehalten werden. Das geschieht jedoch immer wieder, vor allem
bei Flüchtlingen aus dem Maghreb.
Rechtsanwälte haben oftmals keinen Zugang zu den Klienten
In den letzten Monaten ist es immer wieder vorgekommen, dass Rechtsanwälte keinen Zugang
zu
ihren
Klienten
hatten.
Das
betrifft
vor
allem
die
neuen
Einrichtungen
wie
Übergangsstrukturen an Häfen oder neue Haftanstalten. Selbst als ein Anwalt das Gespräch mit
der zuständigen Präfektur sucht weigert sich der Präfekt, ihm mitzuteilen, wohin man seinen
Klienten gebracht hat. Besonders perfide in diesem Fall: der Klient hat ein Schengenvisum und
keiner in der Ausländerbehörde will es gewusst haben.
Keine freie Anwaltswahl
Großzentren wie das neu eingerichtete Mineo auf Sizilien ermöglichen den Flüchtlingen keinerlei
freie Wahl eines Anwalts – sie können aufgrund der Lage nicht einmal in die nächste größere
Stadt fahren und sich informieren. Gäbe es keine NGOs, die Rechtsberatung vor Ort anbieten,
wären sie allein auf die „Freunde der Freunde“ angewiesen, die man ihnen im Zentrum nennt.
Kein Zugang für Presse und Flüchtlingsorganisationen in Flüchtlings- und Abschiebungszentren
Der Erlass 1305 vom 1. April 2011 entspricht nicht der Pressefreiheit und der Transparenz, die in
der Flüchtlingsunterbringung notwendig ist. Zuvor konnten Anträge für einen Besuch bei den
Präfekturen gestellt werden, inzwischen sind Hilfe und Informationsvermittlung faktisch
unmöglich.
Mangelhafte ärztliche Versorgung
Immer wieder klagen Flüchtlinge über mangelnde ärztliche Versorgung. Ärzte ohne Grenzen
und Emergency, die ihre Mitarbeit auch in den neuen Zentren angeboten haben, sind nicht
zugelassen worden. Frauen, die auf Lampedusa angekommen und dann aufgrund ihrer
Schwangerschaft nach Palermo geflogen wurden, sind von der Polizei rund um die Uhr bewacht
worden, Dolmetscher gab es fast nie. Einige hatten Telefonkarten auf Lampedusa bekommen,
um zumindest kurz zu Hause anzurufen (und so sieht die Konvention auch vor), andere nicht.
Niemand spricht mit ihnen, viele sind sehr besorgt um ihre Ehemänner, doch niemand hilft
ihnen.27 Der Zivilschutz hätte sie als Asylsuchende schon im Krankenhaus registrieren und ihnen
26
27
Runderlass des italienischen Innenministeriums vom 10.10.2011, 400/1/2011/12.214/32
http://siciliamigrants.blogspot.com/2011/06/man-nennt-sie-lampedusanerinnen.html
17
eine Unterkunft suchen müssen. Das ist nicht geschehen, und diese Frauen sowie ihre
Neugeborenen erhielten aufgrund der nicht erfolgten Registrierung keine Unterkunft. Das hat
sich aufgrund der Anzeige durch das Antirassistische Forum Palermo zum Glück geändert.
Last but not least
Italien lebt und liebt den Notstand, da er die Türen zu allem öffnet, was man nicht auf Dauer
regeln kann oder aber nicht im Sinne des Flüchtlings regeln möchte. Schluss mit der
Notstandsgesetzgebung!
Die neuesten Ereignisse im September 2011
Freispruch im Berufungsverfahren für die tunesischen Fischer
Über vier Jahre hat das Verfahren gedauert. Am 8.8.2011 hatten die beiden tunesischen
Kapitäne Abdelbasset Zenzeri und Abdelkarim Bayoudh 44 Migranten aus Seenot gerettet und
wurden, da sie diese ins nächstgelegene Lampedusa gebracht hatten, verhaftet. Ein Prozess
folgte, sie wurden in erster Instanz vom Gericht in Agrigento wegen Widerstand gegen ein
Kriegsschiff zu zweieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. Der weitaus schwerwiegendere Vorwurf
der Beihilfe zur illegalen Einreise wurden fallengelassen. Am 21.September tagte das
Berufungsgericht in Palermo. In seinem Plädoyer sprach sich Staatsanwalt Umberto De Giglio für
einen Freispruch der beiden Kapitäne aus. Es sei unverständlich, warum das Gericht in Agrigento
die beiden von dem Vorwurf der Beihilfe zur illegalen Einreise freigesprochen, den damit
zusammenhängenden Vorwurf des Widerstandes aber beibehalten habe. Stattdessen sprach das
Appellationsgericht, 3. Sektion, die Fischer von allen Vorwürfen frei, da die Tat der
Seenotrettung keinen Straftatbestand, sondern eine Notwendigkeit darstelle. Die Anwälte
Leonardo Marino und Giacomo La Russa zeigten sich erleichtert, vier Jahre Arbeit, keinerlei
Honorar,
nun
endlich
sei
Gerechtigkeit
gesprochen
http://siciliamigranti.blogspot.com/2011/09/dopo-quattro-anni-di-processo.html,
europe.de/news/news.php?news_id=115,
worden.
http://www.borderline-
http://ilmr.de/2011/pressemitteilung-%E2%80%93-langst-
falliger-freispruch-der-tunesischen-lebensretter,
Brand auf Lampedusa: Auffanglager zerstört - Schwimmende Gefängnisse in Palermo
Wieder einmal brennt das Auffanglager auf Lampedusa. Dieses Mal wird nicht nur ein Block
zerstört, wie im Jahr 2009, sondern große Teile des Zentrums werden unbewohnbar. Vier
Tunesier werden als Rädelsführer verhaftet, sicher ist jedoch immer noch nicht, was genau
geschehen ist. Hintergrund der Proteste sind die langen Haftzeiten ohne Haftverfügungen.
Einige der Tunesier saßen schon seit Wochen im Zentrum fest, ohne dass man sie über den
weiteren Verlauf informiert hätte. Ca. 1300 Menschen wurden vor dem Brand hier gefangen
gehalten, obwohl es sich um eine Erstaufnahmelager und keine Haft handelt. Der UNHCR, so
deren Sprecherin Laura Boldrini, habe die Regierung zudem mehrfach darauf aufmerksam
18
gemacht, dass das Lager überbelegt sei. Aufgrund des Brandes müssen die Migranten das Lager
verlassen, einige versammeln sich auf der Mole am Hafen, andere auf dem Sportplatz. Alles
verläuft ausgesprochen ruhig, die Tunesier schreiben Transparente, auf denen zu lesen ist:
„Freiheit“ und „Entschuldigung Lampedusa“. Doch es kommt zu Ausschreitungen. Eine kleine
Gruppe Tunesier versammelt sich, nachdem sie von Landleuten von deren Abschiebung erfahren
hat, um eine Tankstelle, einige sollen angeblich gedroht haben, einige Gasflaschen in der Nähe
der Tankstelle in die Luft jagen zu wollen, wenn man sie abschieben wolle. Teile der
lampedusanischen Bevölkerung übernehmen die Arbeit der Polizei, bevor auch diese schließlich
eingreift und gemeinsam mit den „Bürgerwehren“ auf die unbewaffneten tunesischen
Flüchtlinge einschlägt. Sie werden zudem nach Zeugenaussagen bespuckt, getreten, beschimpft.
Doch die Wut der Lampedusaner trifft nicht nur die Flüchtlinge, auch Mitarbeiter von
humanitären Organisationen wurden bedroht. Francesca Materozzi, die für die Vereinigung
ARCI knapp drei Monate lang auf der Insel war und Zugang zum Lager hatte, berichtet
borderline-europe, dass sie das Haus nicht mehr verlassen kann. Alexandre Georges, ein
Frankokanadier, der seit einigen Monaten auf der Insel lebt und dort sein humanitäres Projekt
„Kayak für das Recht auf Leben“ durchführt, wird am helllichten Tag angegriffen und mit einer
leeren Bierflasche bedroht, bespuckt und geschubst. Der Fotoreporter Alessio Genovese, für das
Monitoring-Projekt der evangelischen Kirche im Rheinland/Borderline Sicilia/borderline-europe
10
Tage
auf
Lampedusa,
zeigt
die
Situation
auf
einigen
seiner
Fotos:
http://fortresseurope.blogspot.com/2011/09/scusa-lampedusa.html Hier eine Videoaufnahme des
Polizeieinsatzes: http://fortresseurope.blogspot.com/2011/09/alessio-genovese-da-lampedusa.html
Die Insel wird innerhalb von wenigen Tagen von Migranten „befreit“ – plötzlich ist es möglich,
die Flüchtlinge zu verlegen, auch die ca. 100 Minderjährigen, die sich zum Teil in der Loran-Basis
befanden. Seit dem 26.9.2011 sind die Zentren definitiv leer. Die unbegleiteten Minderjährigen
werden angeblich in für sie bestimmte Einrichtungen gebracht (meist Übergangseinrichtungen,
in denen sie eigentlich nur wenige Tage bleiben sollten, was faktisch aber nicht geschieht), die
Tunesier hingegen, auch die 75, die in diesen Tagen in Richtung Lampedusa unterwegs sind und
sofort nach Porto Empedocle umgeleitet werden, werden auf drei Fähren der Gesellschaften
Moby Lines und Grimaldi verbracht. Diese erreicht am 23.9. den Hafen von Palermo, an Bord
650-700 Tunesier sowie wahrscheinlich auch Marokkaner und Libyer. Rechtsanwälten und
Menschenrechtsorganisationen wird der Zugang verwehrt. Seit dem 23.9. protestieren
Menschenrechtsgruppen täglich am hochgesicherten Hafen gegen diese schwimmenden
Gefängnisse. Das Innenministerium ordnete die Verlegung an eine weit außerhalb gelegene
Mole an, die nicht mehr so leicht erreichbar ist. Doch die Fotos, die am ersten Abend gemacht
werden können, sprechen für sich: Tunesier zeigen sich mit Handschellen am Fenster. Angeblich
sind sie alle freiwillig an Bord gegangen. http://fortresseurope.blogspot.com/2011/09/le-fascette.html
Der Videofilmer Enrico Montalbano filmt die ersten Deportationen am 24.9. von der „Moby
19
Vincent“: http://www.youtube.com/watch?v=5qVtpNSTrKc&feature=share Die Moby Fantasy verlässt
am Wochenende den Hafen und brachte 221 Migranten nach Sardinien ins Lager Elmas. Was
nun mit ihnen passiert ist ungewiss.
Am 25.9. besucht der Abgeordnete Tonino Russo von der Demokratischen Partei beide Schiffe
und berichtet öffentlich, alles sei bestens, sie „schlafen in den Kabinen“, vielleicht sei die
Freiheitsberaubung nicht ganz legal, fügt er ganz am Ende an. Am darauffolgenden Tag
besuchen die Abgeordneten Alessandra Siragusa und Pino Apprendi, ebenfalls Demokratische
Partei, die Schiffe – ihr Bericht fällt jedoch ganz anders aus: inhumane Zustände, alle müssen
sich in einem großen Saal aufhalten (Moby Vincent) bzw. in zwei kleinen (Audacia). Keine
Duschen, keine Kabine, Laken auf dem Boden. Keine Information, keine Haftbeschlüsse. Unter
ihnen fünf Minderjährige und eine schwangere Frau. Eine Gruppe von Bürgern, darunter auch
eine Vertreterin von borderline-europe und Borderline Sicilia, reichen am 27.9. einen
Untersuchungsantrag bei der Staatsanwaltschaft Palermo ein. Diese eröffnet sofort ein
Verfahren zur Überprüfung der Rechtmäßigkeit dieser Haft. Die Moby Vincent mit nunmehr 120
verbliebenen unfreiwilligen Passagieren läuft noch am selben Nachmittag von Palermo aus und
bringt ihre menschliche Fracht in den südsizilianischen Hafen Porto Empedocle, unangenehm
bekannt durch den Fall der Cap Anamur vor sieben Jahren, die an der selben Mole lag. Die
Abgeordnete Siragusa meldete das Gesehene sofort in Rom, der damalige Innenminister Maroni
jedoch widerspricht ihr – das stimme alles nicht. In Porto Empedocle erhalten weder der UNHCR
noch Save the children Informationen über den Verbleib der Migranten, vier der unbegleiteten
Minderjährigen sollen sich hier an Bord befinden. Im laufe des nächsten Tages werden die
Passagiere allesamt in Busse verfrachtet, nach Palermo zurückgebracht und von hier nach
Tunesien abgeschoben.
In Lampedusa sind seither keine Ankünfte zu verzeichnen (oder es wird nicht darüber berichtet),
das Lager ist leer. Die Route in das südliche Libyen (über Niger und Sudan) sind durch Kämpfe
versperrt, im Norden Libyens gibt es derzeit niemanden, der die Abfahrten organisiert.
Statistik
Das Innenministerium hat am 12.9.2011 ein außerplanmäßiges Rückführungsabkommen über
drei Wochen mit der tunesischen Regierung abgeschlossen. Bis zum 8.10.11 werden daraufhin
1.490 Tunesier abgeschoben, die gesamten Anzahl der Abschiebung nach Tunesien beträgt laut
Pressemeldungen vom 28.4.-14.11.2011 3.380, die Zahl der gesamtem Abschiebungen (seit
Jahresbeginn bis zum 27.9.2011) 16.566.28
28
http://www.interno.it/mininterno/export/sites/default/it/sezioni/sala_stampa/notizie/immigrazione/00000
70_2011_09_29_informativa_Viale_al_Senato.html, Assabah 18.11.2011
[http://www.assabah.com.tn/pdf/1321607487_1.pdf]
20
Laut des tunesischen Konsulats in Palermo haben 13.000 Tunesier Aufenthaltspapiere erhalten,
7000 nicht (andere Quellen nennen andere Zahlen, es sind auch mehr als 20.000 in 2011
angelandet). 859 Tunesier seien ertrunken/gestorben, 120 verschwunden. 29
Ca. 11.800 Tunesier werden im Laufe des Oktober 2011 ihren sechsmonatigen Aufenthalt
verlieren, wenn sie keine Arbeit nachweisen können.30 Doch der Notstand ist nach einem Dekret
vom 6.10.2011 noch einmal bis zum 31.12.2012 verlängert worden, damit sind auch die
Aufenthaltserlaubnisse verlängerbar.
Die aktuelle Asylstatistik findet sich hier: http://www.cir-onlus.org/eurostat%20primo%20trimestre
%202011.htm. Demnach haben bis Ende September 3.985 Flüchtlinge Asyl beantragt ( im
Vergleich dazu 2010: 2.720). Die meisten Asylanträge wurden von Tunesiern gestellt: 2.165,
gefolgt von Afghanen (250), Pakistanern (230) , Nigerianern (225) und Türken (215).31
Gemeinsame Standards in der EU beim Flüchtlingsschutz – eine Fiktion ?!
Nach den Ereignissen in Italien im Jahre 2011, und spätestens hier, muss deutlich werden, dass
eine europäische Flüchtlingspolitik weit entfernt von gemeinsamen Standards ist! Jedes Land hat
weiterhin seine eigenen Rechte und seine eigenen Zonen der Rechtlosigkeit. Eine gemeinsam
Ebene ist außer in der Abschottungsfrage kaum erkennbar.
29
Assabah 18.11.2011 [http://www.assabah.com.tn/pdf/1321607487_1.pdf]
http://www.nachrichten.at/nachrichten/weltspiegel/art17,730734
31
http://www.programmaintegra.it/modules/news/article.php?storyid=6024, 5.8.2011: am 5.8. zählte
man 51.881 Ankünfte, allein am 14.8. sind weitere 2000 angelandet. Angeblich, laut diversen
Presseberichten, sind bisher (Stand Ende August) ca. 57.000 Flüchtlinge auf Lampedusa angekommen.
30
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