horst kary und uwe barth über verbraucherschutz, millionen

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horst kary und uwe barth über verbraucherschutz, millionen
Interview
Einig in der Empörung
HORST KARY UND UWE BARTH ÜBER VERBRAUCHERSCHUTZ, MILLIONEN
ie Nachwehen der Bankenkrise, die schlingernden
Landesbanken, das offenkundig noch mangelhafte
Verständnis der europäischen Regulierer für deutsche Genossenschaftsbanken und eine Verbraucherschutzministerin mit fragwürdiger Wortwahl: Das vergangene Jahr war auch für die Vorstandschefs der beiden
großen regionalen Publikumsbanken kein langweiliges.Es
gab Grund zu hadern, aber auch sich zu freuen. Worüber,
das erzählten Sparkassenchef Horst Kary und Volksbankvorstandssprecher Uwe Barth im Gespräch mit chilli-Chefredakteur Lars Bargmann.
D
chilli: Über was haben Sie sich 2010 richtig geärgert?
Barth: Es gab viele Sachen,über die wir uns geärgert haben.
Kary (schmunzelt): Aber nicht über uns?
Barth (lacht): Nein, wir haben einen guten Wettbewerb
miteinander. Die Folgen der Wirtschafts- und Finanzkrise
haben zu mehr Verbraucherschutz und zu einer stärkeren
Regulierung des Bankenmarkts geführt. Das ist gut so.
Aber uns ärgert, dass dabei zwischen den großen Systembanken, von denen einige die Krise heraufbeschworen haben, und den „kleinen“ Sparkassen und Volksbanken kein
Unterschied gemacht wird. Da wird das Regelwerk eins zu
eins übertragen. Wir stellen fest, dass in Basel oder Brüssel
das Geschäftsmodell einer Genossenschaftsbank gar nicht
so bekannt ist, dass es nicht einmal klar ist, ob das Kapital
unserer Genossen als Kernkapital der Volksbank gewertet
wird,was für die Chancengleichheit zwingend notwendig
ist.
chilli: Teilen Sie diese Ansicht, Herr Kary?
Kary: Absolut. Bei den Aktienbanken wird das Aktienkapital als Kernkapital anerkannt. Die Deutsche Bank hat eine
Kapitalerhöhung von zehn Milliarden Euro über Aktien
ausgegeben.Die Commerzbank wird folgen.Und da sollen
Genossenschaftsanteile nicht anerkannt werden? Diese
Logik soll mir mal einer erklären.
Barth: Da wird in vielen Teilbereichen übers Ziel hinausgeschossen. Ähnliche Tendenzen gibt es auch im Verbraucherrecht. Da gehen Dinge an der Praxis vorbei. Wir müssen einem Kunden, der erstmals einen Fonds kaufen will,
in den er 40 Euro im Monat einzahlt, 420 Seiten Papier
übergeben …
Kary: Und es ist ja auch eine fürchterliche Peinlichkeit dem
Kunden gegenüber, dass der sich in einem Gespräch mit
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Wundern sich, dass trotz des Aufschwungs die Firmen ihre Kreditlinien so zaghaft
allen Informationen praktisch bis auf den Leib ausziehen
muss. Ich hoffe, dass die gemeinsame Initiative von Volksbanken und Sparkassen für einen vernünftigeren Verbraucherschutz beim Gesetzgeber gehört wird. Dazu müssen
wir beide auf höchster Ebene Lobbyarbeit machen.
chilli: Die höchste Ebene beim Verbraucherschutz ist die
zuständige CSU-Ministerin Ilse Aigner. Auch auf die dürften Sie aber derzeit nicht gut zu sprechen sein …
Barth: Das war das größte Ärgernis überhaupt, dass die
Ministerin öffentlich sagt, sie schickt den Banken verdeckte Ermittler zu den Kundengesprächen. Allein dieser Wortgebrauch zeigt, dass da nicht der richtige Geist hinter den
Dingen steckt.
Kary: Allein durch den Begriff „verdeckte Ermittler“ werden
wir als Banken in eine kriminelle Ecke gestellt.Das hat mich
nicht nur geärgert, das hat richtig wehgetan. Ein zweites
Ärgernis war unsere Landesbank. Ich hoffe inständig, dass
mit der Übernahme der DekaBank durch die Sparkassen
(Der Wert der DekaBank liegt bei 4,7 Milliarden Euro,bisher
gehörte diese zu je 50 Prozent den Sparkassen und Landesbanken, die Sparkassen werden den Landesbanken ihren
Teil abkaufen, Anm. d. Red.) endlich die Möglichkeit ge-
Bilanzen
über die Ministerin
FÜR KOMMUNEN UND ERSTAUNLICH GUTE BANKBILANZEN
in Anspruch nehmen: Uwe Barth (links) und Horst Kary.
nutzt wird, nur noch ein Zentralinstitut für alle deutschen Sparkassen zu
schaffen.
chilli: Neben viel Ärger gab es auch
Grund zur Freude, das legt zumindest
ein Blick auf Ihre Bilanzen (siehe Infoboxen) nahe.
Barth: 2010 war ein gutes Bankenjahr. Wir sind guten Mutes ins Jahr
gestartet, auch wenn wir Ende 2009
mit Blick auf unsere Unternehmen
schon Sorgenfalten hatten …
chilli: … Sie hatten im Interview mit
uns vor Jahresfrist einen schwächeren Ertrag prognostiziert, weil Sie
dachten, es würde mehr Unternehmensinsolvenzen geben.Da hatte der
optimistische Horst Kary richtiger gelegen …
Barth (lacht): … ja, da hat Herr Kary
damals recht gehabt. Und ich bin
froh, dass er recht gehabt hat. Aber
uns hat schon bedrückt, dass uns Unternehmen von Umsatzrückgängen
bis zu 40 Prozent berichteten. Das habe ich in meiner Bankerkarriere so
noch nie erlebt.Zum Glück haben viele Unternehmer ihre Hausaufgaben
gemacht, Eigenkapital gebildet und
einiges in ihrem Liquiditätsmanagement gemacht.Und die Umsätze sind
2010 relativ schnell zurückgekommen. Wir hatten 2009 hohe Zuwächse bei den Einlagen und dachten,dass
die Unternehmen 2010 einen größeren Teil davon wieder investieren.Das
ist aber in dem Maße nicht passiert.
Die Kunden tilgen derzeit lieber, als
dass sie investieren.
Kary: Das erleben wir genauso, die
Sondertilgungen waren doppelt so
hoch wie im Vorjahr. Ein Kompliment
aber an die Firmeninhaber, wir hatten so gut wie keine Probleme im Kreditgeschäft, es gab kaum einmal die
Gefahr einer Insolvenz. Mich nimmt
aber Wunder, dass die Kontokorrentlinien nicht mal bis zur Hälfte ausgeschöpft worden sind. Denn im Aufschwung ist normalerweise genau
das der Fall. In der Krise werden die
Lager geleert, im Aufschwung müssen sie wieder aufgefüllt, neue Aufträge vorfinanziert und Investitionen
getätigt werden. Dass das ohne stärkere Inanspruchnahme der Kontokorrentlinien vonstatten ging, ist ein erstaunliches Phänomen, das ich so
noch nie erlebt habe. Auf der anderen
Seite hatten wir bei den Wohnbaufinanzierungen gegenüber 2009 einen
Boom von über 30 Prozent Zuwachs.
Das Wachstum kommt insbesondere aus dem Umland. In Freiburg ist
das Problem, dass viele, die ein
Grundstück, eine Wohnung oder ein
Haus erwerben wollen, kein Angebot
finden. Der Markt ist unheimlich ausgedünnt und es gibt auch kein größeres erschlossenes Baugebiet. Was
mich aber besonders gefreut hat, war
unser neu aufgelegter Münstersparbrief. Wir hatten in kürzester Zeit
mehr als 3000 Anleger, die 74 Millionen Euro gezeichnet haben. Das hat
mich total überrascht und zeigt, dass
ein sicheres Produkt mit regionaler
Zielsetzung und Münster-Unterstützung gut beim Kunden ankommt.
chilli: Müsste das Freiburger Rathaus
neue Baugebiete ausweisen, allein,
um ein positives Signal für die regionale Bauwirtschaft zu setzen?
Kary: Das wäre aus vielen Gründen
nicht schädlich.
Barth: Das sehe ich genauso. Was
fehlt, ist die Dynamik im Immobiliengeschäft. Einen Schub hat man nur,
wenn Neues entsteht, das ist auch
2011 nicht zu erwarten. Für uns, die
wir ja nicht auf Gewinnmaximierung ausgelegt sind, ist ein Jahr dann
ein gutes Jahr, wenn es uns gelingt,
die Dividenden zu zahlen, die Risiken
aus dem operativen Geschäft heraus
bedienen zu können, Geld für Investitionen in Mitarbeiter und Infrastruktur frei haben und unser Eigenkapital
zu stärken. Das war 2010 so und deswegen war das ein erfreuliches Jahr.
chilli: Ihre Erträge wachsen, die öffentliche Hand leidet unter einer Rekordverschuldung: Wie viele Millionen Euro Steuern überweisen Sie an
Finanzbürgermeister Otto Neideck?
Kary: Wir zahlen insgesamt rund
sechs Millionen Euro Gewerbesteuer,
davon allein in Freiburg vier und in
Emmendingen 1,2 Millionen. Zudem
haben wir einen Personalaufwand
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Banken
VOLKSBANK FREIBURG
Bilanz 2010 (2009)*
* Vorläufige Zahlen, alle Angaben Volksbank Freiburg
Bilanzsumme 2,40 Mrd. € (-23 Mio. €)
Kundenvolumen 4,34 Mrd. € (+ 203 Mio. €)
- Kreditvolumen 1,39 Mrd. € (+53 Mio. €)
- Einlagenvolumen 1,78 Mrd. € (+99 Mio. €)
Ertrag 71,6 Mio. € (- 2,7 Mio. €)
- Zinsergebnis 49,5 Mio. € (-2,2 Mio. €)
- Provisionsergebnis 22,1 Mio. € (-0,5 Mio. €)
Verwaltungskosten 46,9 Mio. € (-0,9 Mio. €)
- Personalkosten 29,4 Mio. € (-0,5 Mio. €)
Betriebsergebnis 24,4 Mio. € (+7,3 Mio. €)
Jahresüberschuss: ca. 4 Mio. € (+0,3Mio.€)
Mitarbeiter & Azubis 507 & 27 (+ 10)
Geschäftsstellen 39 (unverändert)
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Zinsen spricht. Es ist wahrscheinlich,
dass die Europäische Zentralbank in
diesem Jahr die Zinsen erhöhen wird.
Der Unterschied zwischen kurz- und
langfristigen Zinsen,ein wesentlicher
Teil unseres Geschäfts, wird kleiner
werden. Ich rechne mit einem etwas
abgeschwächten Betriebsergebnis,
aber auf gutem Niveau.
Kary: Wir gehen von einer stabilen
Geschäftsentwicklung aus. Wir sind
auch nicht so zinsabhängig. Unser
Geschäft ist das Kreditgeschäft und
da gehen wir von einer ähnlichen
Größenordnung wie in 2010 aus.
Aber der Kollege Barth hat völlig
recht, wir erleben eine ungemein unruhige Zeit. Wenn nun schon in China, unserem größten Exportpartner,
Unruhen beginnen, wird das am langen Ende auf unsere Wirtschaft und
Industrie zurückfallen.
chilli: Herr Barth, Herr Kary, vielen
Dank für das Gespräch.
Fotos: © Kai Hockenjos
den (die Stadt Freiburg hält als größte
52 Prozent, Anm. d. Red.), haben uns
noch nie Eigenkapital zur Verfügung
gestellt. Müsste ich für eine Eigenkapitalerhöhung in die Rathäuser marschieren und um entsprechende Mittel bitten, würde man mich schnell
wieder nach Hause schicken.
Barth: Wir werden knapp vier Millionen Gewerbesteuer bezahlen, zweieinhalb gehen ans Freiburger Rathaus. In unserer Bilanz stehen auch
30 Millionen Euro Personalkosten für
530 Mitarbeiter. Sparkasse und Volksbank sind aufgrund ihrer Ertragskontinuität und Mitarbeiterstabilität ein
großer Wirtschaftsfaktor.
chilli: Wegen der Steuern, aber auch
wegen der Investitionen …
Kary: Sicher. Wir haben allein rund
ums Finanzzentrum in der Kaiser-Joseph-Straße, im Quartier Unterlinden
und für unsere Geschäftsstellen in
den letzten zwölf Jahren 170 Millionen Euro investiert. Wenn es geht,
vergeben wir die Auftträge an Betriebe aus unserer Region.
Barth: Wir haben allein in den letzten
vier Jahren in energetische Modernisierungen und modernere Filialen etwa 24 Millionen Euro investiert. Und
auch wir versuchen immer, die hiesigen Handwerker zu bedienen.
chilli: Wie wird das Jahr 2011?
Barth: Ich bin verhalten optimistisch.
Unsere regionale Wirtschaft ist gut
aufgestellt. Die Geschäftslage ist ordentlich, die Rahmenbedingungen
sind positiv. Aber man muss heutzutage vorsichtig sein mit Prognosen.
Wir leben in einer sehr volatilen Zeit.
chilli: Werden die kurz- und langfristigen Zinsen so bleiben wie sie waren?
Barth: Das glaube ich nicht.Wir haben
eine starke wirtschaftliche Dynamik,
die in der Regel preistreibend ist, und
auch eine intensive Rohstoffdiskussion.Weltweit haben wir durch die Rettungspakete viel mehr Liquidität im
Markt, der gar nicht das entsprechende Güterangebot gegenübersteht.
Das ist auch ein Faktor, der für steigende Preise und somit für höhere
SPARKASSE FREIBURG
Bilanz 2010 (2009)**
Bilanzsumme 5,4 Mrd. € (+ 57 Mio. €)
Kundenvolumen 8,797 Mrd. € (+261 Mio. €)
- Kreditvolumen 3,706 Mrd. € (-12 Mio. €)
- Einlagenvolumen 3,63 Mrd. € (+81 Mio. €)
Ertrag 154 Mio. € (+9 Mio. €)
- Zinsergebnis 115 Mio. € (+6 Mio. €)
- Provisionsergebnis 37 Mio. € (+ 3 Mio. € )
Verwaltungskosten 89 Mio. € (- 1 Mio. €)
- Personalkosten 58 Mio. € (-1 Mio. €)
Betriebsergebnis 46 Mio. € (+ 12 Mio. €)
Jahresüberschuss ca. 9 Mio. € (+ 3 Mio. €)
Mitarbeiter & Azubis 1292 & 82 (unverändert)
Geschäftsstellen 73 (unverändert)
** Vorläufige Zahlen, alle Angaben Sparkasse Freiburg
von 58 Millionen Euro für knapp 1300
Mitarbeiter, die wiederum Lohnsteuer zahlen,von der auch die Kommune
wieder profitiert. Ich glaube nicht,
dass es viele Unternehmen gibt, die
so zuverlässig so viel Geld beisteuern.
chilli: Die Fraktionsgemeinschaft
Unabhängige Listen hat Oberbürgermeister Dieter Salomon aufgefordert, darauf hinzuwirken, dass zusätzlich Überschüsse der Sparkasse
an den klammen städtischen Haushalt abgeführt werden, um gemeinnützige Zwecke zu fördern.
Kary: Der Vorstand hat den Verwaltungsrat gebeten, diesem Wunsch
nicht zu entsprechen, denn wir brauchen die Gewinne, um unser Eigenkapital aufzustocken. Ausreichendes
Eigenkapital ist Voraussetzung für die
Vergabe neuer Kredite. Der Verwaltungsrat hat diese Intervention zustimmend zur Kenntnis genommen.
Unsere Träger,35 Städte und Gemein-

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