Schule

Transcription

Schule
Die
berufsbildende
Zeitschrift des
Bundesverbandes der Lehrerinnen und Lehrer an beruflichen Schulen
Oktober 2008
Schule
10
Die
berufsbildende
Oktober 2008
Schule
Heft 10
Zeitschrift des
Bundesverbandes der Lehrerinnen und Lehrer an beruflichen Schulen
60. Jahrgang
쮿 INHALT 쮿
LEITARTIKEL
BLBS-NACHRICHTEN
Andreas Schelten
„Realschule plus“ in Rheinland-Pfalz –
Resolution des BLBS erfährt breite
Zustimmung
299
Gestaltungsraum berufliche Bildung
300
Auftaktveranstaltung „Jobstarter Connect“
302
Deutscher Schulbuchpreis für
Prof. Dr. Antonius Lipsmeier
303
NACHRICHTEN
303
Lehrerkompetenzen und Lehrereignung
für berufliche Schulen
275
BLBS-AKTUELL
Interview mit Andreas Storm –
Berufsbildungs-PISA kommt
276
OECD-Bildungsbericht – Bedeutung der
beruflichen Bildung nicht erkannt
278
DISKUSSION
Reinhard Zedler
THEMEN
Gute Ausbildung braucht qualifizierte
Ausbilder – zurück zur Ausbilder-Eignungsverordnung
Stephanie Wilde
Engaging Youth Enquiry (EYE) – Eine Studie
zur Nichtpartizipation in (Aus-)Bildung in
England und Wales – Ansätze und Probleme
279
Björn Keller, Georg Wydra
Beliebtheit und Akzeptanz des Sportunterrichts
an beruflichen Schulen des Saarlandes
283
Stefan Staiger
Der A3-Bericht als Werkzeug im Qualitätsund Projektmanagement – Aufbau, Einsatzmöglichkeiten und Beispiele für ein erfolgreiches
Berichtskonzept
291
UNTERRICHT
Jens Siemon
Geschäftsprozessmodellierung für IT-Berufe
Die berufsbildende Schule (BbSch) 60 (2008) 10
294
305
Aus der Praxis
für die Praxis
Lehrerinnen und Lehrer an beruflichen
Schulen unterrichten ideenreich und
innovativ.
Machen Sie Ihre Erfahrungen für
Kolleginnen und Kollegen zugänglich:
in der Rubrik
„Unterricht“ der BbSch.
273
Die berufsbildende Schule
Zeitschrift des Bundesverbandes der Lehrerinnen und Lehrer an beruflichen Schulen
Schriftleitung:
Aufsätze (Themen, Unterricht), Diskussion, Literatur – Geschäftsführung:
Professor Dr. Andreas Schelten
Lehrstuhl für Pädagogik, Technische Universität München,
Lothstraße 17, D-80335 München
Telefon (0 89) 28 92 42 77, Fax (0 89) 28 92 43 13
E-Mail: [email protected]
http://www.paed.wi.tum.de
Berichte, Nachrichten, Recht, Veranstaltungen, Persönliches:
Oberstudiendirektor Heiko Pohlmann
Kapellenstraße 82, D-82239 Alling
Telefon (0 81 41) 81 85 24, Fax (0 81 41) 81 85 24
dienstlich: Telefon (0 89) 7 25 58 57, Fax (0 89) 7 25 56 95
E-Mail: [email protected]
Autoren/Autorinnen dieses Heftes:
Wilde, Stephanie, Dr., Research Officer, Nuffield Review of 14-19 Education and Training,
Oxford University Departement of Education, 15 Norham Gardens, Oxford, OX2 6PY, UK,
E-Mail: [email protected]
Keller, Björn, Referendar für das Lehramt an Gymnasien und Gesamtschulen, Universität Saarbrücken,
Privatadresse: Arndtstrasse 3, 66121 Saarbrücken, E-Mail: [email protected]
Wydra, Georg, Dr., Prof., Universität Saarbrücken, Sportwissenschaftliches Institut, Postfach 15 11 50,
66041 Saarbrücken, E-Mail: [email protected]
Staiger, Stefan, Dr., Dipl.-Gwl., Dipl.-Ing. (FH), StR, Friedrich-Ebert-Schule Schramberg, Wittumweg 9-13,
78713 Schramberg, E-Mail: [email protected]
Siemon, Jens, Dr., Prof., Universität Hamburg, Fakultät für Erziehungswissenschaft, Psychologie und Bewegungswissenschaft, Sektion Berufliche Bildung und Lebenslanges Lernen, Arbeitsbereiche für Berufs- und Wirtschaftspädagogik Sedanstraße 19, 20146 Hamburg, E-Mail: [email protected]
Zedler, Reinhard, Dr., Fachhochschule Koblenz, Südallee 2, 53423 Remagen, E-Mail: [email protected]
Nachtrag zu Heft 09-2008 (Autor der Buchbesprechung Pahl)
Mersch, Franz Ferdinand, Dr., Rigaer Straße 39, 10247 Berlin, E-Mail: [email protected]
Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht in jedem Fall die Meinung des Herausgebers oder der Schriftleitung wieder.
Offizielle Äußerungen des Bundesverbandes der Lehrerinnen und Lehrer an beruflichen Schulen werden als solche gekennzeichnet.
Herausgeber:
Bundesverband der Lehrerinnen und Lehrer an beruflichen Schulen (BLBS), Geschäftsstelle: Friedrichstraße 169/170,
10117 Berlin, Telefon (0 30) 40 81-66 50, Fax (0 30) 40 81-66 51, Internet: www.blbs.de, E-Mail: [email protected]
Vorsitzender: Oberstudiendirektor Berthold Gehlert, E-Mail: [email protected]
Verlag:
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Anzeigenschluss: 6 Wochen vor Erscheinung. Es gilt Anzeigenpreisliste Nr. 45, gültig ab 1. Januar 2008. ISSN 0005-951X.
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und Bezug:
Die Zeitschrift erscheint 10-mal jährlich. Bezugspreis jährlich 32,72 Euro, Einzelheft 3,53 Euro, jeweils zuzüglich Porto.
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Für Mitglieder des Bundesverbandes der Lehrerinnen und Lehrer an beruflichen Schulen ist der Bezugspreis im Mitgliedsbeitrag enthalten. Abonnementskündigungen müssen bis zum 10. Dezember beim dbb verlag GmbH, Friedrichstraße 165,
10117 Berlin, eingegangen sein, sonst muss der Bezugspreis für das nächste Jahr bezahlt werden.
Einsendungen:
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Zum Titelbild:
Siehe den Beitrag: „Beliebtheit und Akzeptanz des Sportunterrichts ...“, Seite 283 ff.
(Gestaltung des Titelbildes: Edda Fiebig)
274
Die berufsbildende Schule (BbSch) 60 (2008) 10
Andreas Schelten
Lehrerkompetenzen und Lehrereignung
für berufliche Schulen
Ziele von Lehrerbildung sowie Beurteilung von Lehrkräften
bestimmen sich in Vorstellungen zu Lehrerkompetenzen und
Lehrereignung. Es ist notwendig, sich ständig hierüber zu
vergewissern und daran neuere Entwicklungen in der Lehrerbildung und in der Personalentwicklung von Schulen zu
spiegeln und zu justieren.
Vorab eine Vorbemerkung: Die Kompetenzen von Lehrerinnen und Lehrern an beruflichen Schulen bestehen in ihren Zuständigkeiten, die sie zur Bewältigung ihrer Berufsarbeit einbringen. Die zielgerechte Planung, Organisation,
Gestaltung und Reflexion von langfristig angelegten beruflichen Lehr-Lernprozessen bestimmen eine wesentliche
Kernkompetenz von Lehrkräften an beruflichen Schulen.
Diese Kernkompetenz kann nicht in Richtung einer Kompetenz zur Bewältigung sozialer oder therapeutischer Aufgaben verlagert werden, um Defizite zu beheben, die anderenorts im Umfeld der Lernenden verursacht werden.
Zur Kernkompetenz zählt zuerst die Fachkompetenz. Letztere besteht zum einen in einer Inhaltsbeherrschung des Unterrichtsfaches auf wissenschaftlicher Ebene. Lehrkräfte an
beruflichen Schulen verfügen über die wissenschaftlichen
Erkenntnisse und Methoden, die hinter ihrem Fach stehen.
Dies zeichnet ihre theoretische Sicherheit aus. Zum anderen kennen sie das Fach auf der Ebene ihrer Schüler. Hier
drückt sich das Schulfachwissen der Lehrkraft aus, z.B. das
schulmathematische Wissen, wenn sie im Fach Mathematik
unterrichtet. Für die Lehrkräfte an beruflichen Schulen tritt
besonders hinzu, dass sie ihr Unterrichtsfach, z.B. Bautechnik, anwendungsbezogen vermitteln können: Sie wissen
um den Erklärungswert ihres Faches für das berufliche
Handeln ihrer Schüler. Hier zeigt sich ihre berufspraktische
Sicherheit.
An zweiter Stelle zur Kernkompetenz gehört die Didaktikkompetenz. Sie ist bereits in der Vorbemerkung angesprochen. Hierzu zählt ferner, Lehrinhalte in Bezug auf die Lernenden auszuwählen sowie auf das Lernvermögen der Lernenden umzuformen, nachhaltig zu lehren und immer wieder die Kluft zwischen Lernwelt der Schule und Arbeitswelt
des Betriebes zu überbrücken, d.h. einen Anwendungsbezug der vermittelten berufstheoretischen Inhalte herzustellen. Zur Didaktikkompetenz werden hier Beurteilungs- und
Beratungsaufgaben im Unterricht und bei der Vergabe von
Berechtigungen für Ausbildungs- und Berufswege hinzugezählt. Diese Aufgaben sind gerecht und verantwortungsbewusst wahrzunehmen.
Fachkompetenz und Didaktikkompetenz beschreiben allein
nicht hinreichend eine Lehrerkompetenz. An dritter Stelle
tritt zur Kernkompetenz die Sozialkompetenz hinzu. Sie
steht umgangssprachlich dafür, bei den Schülern anzukommen. Zur Sozialkompetenz in Bezug auf Schüler gehört ein
wertschätzendes Verhalten gegenüber den Lernenden gepaart mit Entschiedenheit. Letzteres heißt, dass die Lehrkraft konsequent Vorstellungen und Ziele gegenüber den
Schülern vertritt. Wenn Aufgaben gestellt und Leistungen
Die berufsbildende Schule (BbSch) 60 (2008) 10
eingefordert werden, können diese nicht in das Belieben der
Schüler gestellt werden. Die Lehrkraft setzt Grenzen. Zur
Sozialkompetenz sollte ein erzieherisches Engagement gehören. Darunter wird eine Bereitschaft und Fähigkeit verstanden, in das Entwicklungsgeschehen eines Schülers mit
fördernder, helfender, verantwortlicher Absicht besonders
bei Problemfällen und in Grenzsituationen einzugreifen.
Solche Fälle und Situationen können z. B. vorliegen, wenn
ein Schüler in seelische, finanzielle oder rechtliche Schwierigkeiten geraten ist, die er nicht mehr alleine bewältigen
kann. Die Grenzen dieser Kompetenz sind ansatzweise in
der Vorbemerkung aufgezeigt. In den Kompetenzbereich einer Lehrkraft fällt allerdings die Zusammenarbeit mit inner- und außerschulischen Beratungsstellen.
Sozialkompetenz in Bezug auf Kollegen in Schule und Betrieb betrifft bei einer Lehrkraft eine Zuständigkeit, wie sie
in jeder modernen Berufsarbeit gefordert ist. Es geht darum, in Arbeitsgemeinschaften gruppenorientiertes Verhalten zu zeigen. Die moderne Berufsarbeit einer Lehrkraft an
beruflichen Schulen setzt zunehmend auf Teamarbeit. Die
Entwicklung eines lernfeldorientierten Unterrichts gelingt
eher in einer Arbeitsgruppe von Lehrkräften, bei der verschiedene Fachkompetenzen zusammengehen. Qualitätsentwicklung von Schule erfordert eine stärkere Kooperation
im Kollegium. Die Weiterentwicklung des dualen Systems
der Berufsausbildung zu einem dual-kooperativen verlangt
nach Abstimmungen mit Betrieben und setzt auf die Sozialkompetenz einer Lehrkraft an beruflichen Schulen.
Nach der Fach-, Didaktik- und Sozialkompetenz ist an vierter Stelle zur Kernkompetenz eine Innovationskompetenz zu
nennen. Der schnelle Wandel der Arbeitswelt und der rasche Wandel des Wissens erfordern von einer Lehrkraft an
beruflichen Schulen stetig die Entwicklung neuer Bildungsinhalte und Bildungsformen sowie die Bestimmung neuer
Bildungsziele. So können z. B. bestehende Ausbildungsordnungen wiederholt neu geordnet und überarbeitet werden.
Neue Ausbildungsberufe entstehen in schneller Folge. Dies
erfordert von einer Lehrkraft an beruflichen Schulen eine
ständige Erneuerung ihres Unterrichts.
Unabhängig von einer Fach-, Didaktik-, Sozial- und Innovationskompetenz muss von einer Lehrkraft an beruflichen
Schulen eine Grundvoraussetzung mitgebracht werden.
Diese besteht in einer Menschen zugewandten Grundeinstellung, d. h. in einer Zuwendungsfähigkeit, einer Dialogbereitschaft wie auch in einem Einflussnehmenwollen. Die
Menschen zugewandte Grundeinstellung ist ein Eignungsmerkmal für den Lehrerberuf. Sie stellt eine dispositionelle
Voraussetzung dar. Auf ihrer Grundlage lassen sich die
Kompetenzen einer Lehrkraft erwerben.
Reflexion
Die Kultusministerkonferenz hat 2004 Standards für die
Lehrerbildung im Bereich der Bildungswissenschaften fest275
gelegt. Hier werden differenziert und umfangreich Kompetenzen in den Bereichen Unterrichten, Erziehen, Beurteilen
und Innovieren formuliert. Dies erfolgt jeweils für die theoretische und praktische Ausbildung. Die aufgelisteten Kompetenzen sind im Grunde nicht neu. Hier werden allerdings
Maximalkataloge formuliert. Solche Kataloge können den
Lehranfänger verunsichern.
Wie für jeden Beruf, so auch für den Lehrerberuf, reicht ein
wissensbasiertes Lernen nicht aus. Ein erfahrungsbasiertes
Lernen muss hinzutreten. Letzteres findet in der modernen
Lehrerbildung verstärkt Betonung. Schulpraktikumsphasen
im Studium mit eigener Unterrichtsdurchführung werden
ausgedehnt. Verknüpfungen mit dem wissensbasierten Lernen werden dabei verstärkt gesucht. Optimierungen eines
erfahrungsbasierten Lernens in einem Lehramtsstudium
sind sinnvoll. Unterrichten zu können wird besonders auch
durch das Unterrichten selbst erworben. Es empfiehlt sich,
damit früh angeleitet zu beginnen. Dies darf jedoch nicht zu
erheblichen Einschränkungen des wissensbasierten Lernens führen. Letzteres ist Grundlage und Schwerpunkt eines Lehramtsstudiums, auf dem sich die Lehrerkompetenzen aufbauen.
Lehramtsstudiengänge wandeln sich bis zum Ende dieses
Jahrzehnts in Bachelor- und Masterstudiengänge. Im Lehramtsstudium für berufliche Schulen verlagert sich die eigentliche Lehrerbildung besonders für die Bildungswissenschaften in die Masterphase. Eine Eignungsfeststellung für
das Lehramtsstudium erfolgt aber schon mit Beginn des Bachelorstudiums. Hierbei sind zum einen die Studierfähigkeit sowie zum anderen die Lehrereignung festzustellen.
Zur Studierfähigkeit gibt es den Erfahrungswert, dass die
Durchschnittsnote der Hochschulzugangsberechtigung
hoch mit der Abschlussnote des Studiums bzw. mit dem Stu-
dienerfolg korreliert. Zur Überprüfung der Lehrereignung
empfehlen sich ausgedehnte Studien begleitende Schulpraktika mit Partnerschulen der Universität in den ersten
drei Semestern, in denen wissensbasiertes Lernen der Universität mit erfahrungsbasiertem Lernen der Schule in
Form eines Paedagogicums verknüpft werden. Spätestens
am Ende des dritten Semesters erhält der Studierende eine
Aussage zu seiner Lehrereignung bzw. Nichteignung.
Im Rahmen der aktuellen Ausweitung der Schulautonomie
und den damit verbundenen Entscheidungsmöglichkeiten
bei der Personalentwicklung wählen Schulleiter beruflicher
Schulen Lehrkräfte für eine langfristige Beschäftigung an
ihrer Schule nach bestimmten Kriterien aus1: Eindeutige
Vorrangstellung hat das Kriterium Persönlichkeit. Im Weiteren sind u. a. mit abnehmender Wichtigkeit relevant: Berufsausbildung und Lebenslauf, Herkunft / Zuzug, Zweitfach, Noten. Dies macht nachdenklich. Derzeit wird viel im
Zuge einer Optimierung der Lehrerbildung an ihrer Machbarkeit gearbeitet. Reformen versuchen operational gesteuert Lehrerkompetenzen zu fördern. Schulleiter erwarten als
notwendige Einstellungsbedingungen Lehrerkompetenzen,
hinreichende Einstellungsbedingung ist aber für sie die
Persönlichkeit. Offensichtlich müssen Lehrerbildung und
Personalentwicklung bei Lehrkräften an den Schulen auch
prüfen, inwieweit ein Weg der Persönlichkeitsbildung gangbar ist und diesen gegebenenfalls neben der Kompetenzförderung stärker ausbauen.
Anmerkung
1. Nach einer Untersuchung am Lehrstuhl für Pädagogik der TU München aufgrund von problemzentrierten Experteninterviews mit 23 Schulleitern beruflicher
Schulen, vgl. Markus Müller: Schulleiter und Personalauswahl, Frankfurt a. M.:
Lang 2008.
BLBS-aktuell
Interview mit Andreas Storm
Berufsbildungs-PISA
kommt
Der Hauptausschuss des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) hat im Januar 2008 eine Empfehlung zu einer internationalen Vergleichsstudie in
der Berufsbildung („Berufsbildungs-PISA“) verabschiedet. In ihrem mehrheitlich gefassten Beschluss
unterstützen die Beauftragten der Arbeitgeber, der
Arbeitnehmer und der Länder „grundsätzlich die
Initiative des Bundesministeriums für Bildung und
Forschung, die Qualität beruflicher Bildung international vergleichend auf den Prüfstand zu stellen“.
Die weitere Entwicklung des Berufsbildungs-PISA
hat den BLBS bewogen, sich von kompetenter Stelle Informationen zum gegenwärtigen Sachstand zu
holen. Wir bedanken uns daher beim parlamentari276
schen Staatsekretär im Bundesministerium für Bildung und Forschung, Andreas Storm, dass er die
für den BLBS wichtigen Fragen beantwortet hat.
Zur Vorgeschichte: Schon im Jahre 2002 hat der damalige Generalsekretär des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB), Helmut Pütz, in einem Kommentar
(BWP 3/2002) gefordert: „Trotzdem hat auch die
PISA-Studie für Deutschland einen sehr großen Nutzen: Wir sind gezwungen, unser Schul- und Bildungssystem auf den Prüfstand zu stellen und konsequent zu
reformieren und zu verbessern.“
Inzwischen ist im Jahre 2006 eine Machbarkeitsstudie
von Prof. Martin Baethge und anderen erschienen, in
der aufgezeigt wird, wie Kompetenzmessung im Bereich der Berufsbildung möglich ist, welche Kriterien
zur Beurteilung von Ausbildungsprogrammen herangezogen werden müssen und wie sich die Leistungsfähigkeit verschiedener Lernorte einschätzen lässt. Bedingungen und Prozesse für eine Verbesserung der beruflichen Bildung in den beteiligten Ländern werden in
Die berufsbildende Schule (BbSch) 60 (2008) 10
BLBS-aktuell
dem Buch herausgearbeitet und leisten damit
einen Beitrag für die
wissenschaftliche Diskussion beispielweise
über die Herstellung
eines
europäischen
Bildungsraumes (Berufsbildungs - PISA,
von Martin Baethge
u. a., Franz Steiner
Verlag,
Stuttgart,
2006).
„Wir brauchen BerufsAndreas Storm, parlamenbildungs-PISA
in
tarischer Staatssekretär
Europa“, so hat Bunim Bundesministerium für
desbildungsministerin
Bildung und Forschung.
Annette Schavan ihre
Pressemitteilung vom
4. Juni 2007 zur Eröffnung der EU-Bildungskonferenz
in München überschrieben und darin festgestellt, dass
die duale Ausbildung in Europa auf dem Vormarsch sei
und von solchen internationalen Vergleichstudien nur
profitieren könne. „Ein solches Berufsbildungs-PISA
könnte bei Erfolg als Blaupause für die gesamte EUBerufsbildungspolitik genutzt werden“, so Schavan in
der Pressemitteilung.
Den gegenwärtigen Sachstand beschreibt Andreas
Storm vom Bundesministerium für Bildung und
Forschung auf Fragen des BLBS mit den folgenden
Antworten:
1. Unter der Federführung des Bundesbildungsministeriums laufen derzeit die Vorbereitungen für ein
europäisches „Berufsbildungs-PISA“. Welche Länder nehmen teil? Welche Berufe werden verglichen?
Im Rahmen einer Vorstudie wollen wir prüfen, inwieweit die Berufsprofile einzelner Länder miteinander
vergleichbar sind. Ziel ist es, vergleichbare Ausbildungs- und Tätigkeitsniveaus in den jeweiligen nationalen Ausbildungsprogrammen und Arbeitssituationen
zu finden. Diese Ausbildungs- und Tätigkeitsniveaus
sollen als gemeinsame Grundlage für die Durchführung unseres Vorhabens dienen. Derzeit werden vier
Berufsfelder hierfür geprüft:
– „Car Mechatronics“, hier bietet sich für Deutschland beispielsweise der Kfz-Mechatroniker an,
– „Business & Administration“, da denken wir an den
Industriekaufmann,
– „Electrician“, vergleichbar könnte hier der Elektroniker für Betriebstechnik sein, und
– „Social & Health Care“, also ein Berufsbild aus
dem Sozial- und Gesundheitswesen, das noch spezifiziert wird.
Erste Ergebnisse dieses internationalen Vergleichs sind
im Frühjahr 2009 zu erwarten. Die Vorstudie dient der
berufsspezifischen Vorbereitung unserer Idee eines europäischen Berufsbildungs-Large Scale Assessment
(VET-LSA), also einer Längsschnittstudie, die mittlerDie berufsbildende Schule (BbSch) 60 (2008) 10
weile unter dem Schlagwort „Berufsbildungs-PISA“
bekannt ist. Unsere Initiative ist international auf großes Interesse gestoßen. An der Machbarkeitsstudie
wollen derzeit acht Länder teilnehmen: Schweden,
Norwegen, Dänemark, Finnland, Österreich, Schweiz,
Deutschland und Slowenien.
2. Wie können Ihrer Meinung nach die beruflichen
Handlungskompetenzen am Ende der Berufsausbildung in den Ländern verglichen werden, obwohl
die Ausbildungsformen und -wege sehr unterschiedlich sind?
Was wir im internationalen Vergleich über Tests erfassen wollen, sind die tatsächlich erworbenen Handlungskompetenzen am Ende der Berufsausbildung.
Der besondere Reiz eines „Berufsbildungs-PISA“ besteht meines Erachtens darin zu untersuchen, inwiefern verschiedene Wege des Kompetenzerwerbs in unterschiedlichen beruflichen Ausbildungsgängen zu
qualitativ unterschiedlichen Ergebnissen führen und
welche Rückschlüsse auf die institutionelle Ausgestaltung des Berufsbildungssystems daraus zu ziehen sind.
Die berufliche Handlungskompetenz soll daher am Ende der Ausbildung sowie nach Einmündung in dem Arbeitsmarkt gemessen werden. Auf diese Weise wollen
wir prüfen, inwieweit sich die in verschiedenen Ausbildungsformen erworbenen Kompetenzen auf dem Arbeitsmarkt bewähren. Damit können wir ein vertieftes
Wissen über die Zusammenhänge zwischen den verschiedenen Organisationsformen und den vermittelten
Kompetenzen in Berufsbildungsprozessen sowohl im
nationalen als auch im internationalen Vergleich gewinnen. Die Länder könnten dann auf europäischer
und internationaler Ebene in der Gestaltung ihrer Ausbildungssysteme voneinander lernen.
3. Wie sollen diese Kompetenzen valide gemessen
werden? Können Sie konkrete Aufgabenstellungen
oder Testvarianten aus dem gewerblich-technischen
Bereich schon jetzt nennen?
Einen internationalen Vergleich beruflicher Kompetenzen hat es bisher noch nicht gegeben. Daher müssen
neue Testinstrumente entwickelt werden. Diese werden
wir in Zusammenarbeit mit den internationalen Kooperationspartnern erarbeiten. Derzeit prüfen wir, ob sich
mit Hilfe von computerbasierten Simulationstests berufliche Handlungskompetenzen messen lassen. Dabei
sollen in allen Tests betriebliche Anforderungen möglichst praxisgerecht abgebildet werden. Wir haben gerade ein Projekt mit der Wissenschaft und einer KfzInnung gestartet, das die Ergebnisse von computergestützten Tests mit denen praktischer Prüfungen abgleichen soll. Konkret: In beiden Fällen sollen zum Beispiel die gleichen Mängel in einem Fahrzeug beseitigt
werden. Eine entsprechende Untersuchung wird auch
im kaufmännischen Ausbildungsbereich erfolgen.
4. Was ist Ihrer Meinung nach Ziel des „Berufsbildungs-PISA“?
Uns geht es primär um die Transparenz von Bildungsgängen im internationalen Vergleich und um deren
Qualität. Überzeugt von unserer deutschen Berufsaus277
BLBS-aktuell
bildung, wollen wir dabei auch die Stärken unserer
dualen Ausbildung international zur Geltung bringen.
Schließlich existiert die duale Ausbildung in nur wenigen EU-Staaten. Betriebliche Qualifizierung wird international häufig auch als Instrument der Benachteiligtenförderung eingesetzt, was damit vielfach die Einschätzung der deutschen Berufsbildung im Ausland
prägt. Für deutsche Berufstätige, die im Ausland arbeiten wollen, hätte ein solcher Kompetenzvergleich deshalb Vorteile, denn es werden die tatsächlichen beruflichen Kompetenzen lernortunabhängig gemessen. Ich
bin davon überzeugt: Die Ergebnisse der Studie werden dazu beitragen, die Stärken und Schwächen der
unterschiedlichen Ausbildungen in den beteiligten
Ländern transparent zu machen.
5. Werden die Ausbildungsbetriebe und berufliche
Schulen gleichermaßen in die Untersuchungen einbezogen?
Ja, es sollen Ausbildungsbetriebe, berufliche Schulen,
aber auch Trainingscenter in die Untersuchung einbezogen werden. Der besondere Charme dieser internationalen Studie besteht ja gerade darin zu prüfen, ob
verschiedene Wege auch tatsächlich zum gleichen Ziel
führen.
6. Welche Zusammenhänge oder Rückwirkungen sehen Sie zwischen dem „Berufsbildungs-PISA“ und
der Konstruktion eines Deutschen Qualifikationsrahmens (DQR)?
Der entscheidende Ansatz bei der Entwicklung eines
nationalen Qualifikationsrahmens ist die konsequente
Orientierung an Lernergebnissen und erworbenen
Kompetenzen. Es soll darauf ankommen, was jemand
kann und nicht wo und wie lange er welche Bildungseinrichtung besucht hat. Dies ermöglicht weitaus gerechtere Einstufungen von Qualifikationen und Kompetenzen als bislang – etwa im Vergleich und in der
Einordnung betrieblicher und schulischer, aber auch
im Vergleich nichtakademischer und akademischer
Ausbildung. Sollte die Studie „Berufsbildungs-PISA“
zeigen, dass Kompetenzen, die im dualen System erworben wurden, vergleichbar mit akademisch erworbenen Kompetenzen sind, könnte die Folge zum Beispiel
sein, diese Qualifikationen neu und höher einzuordnen. Insofern wird der vergleichenden Messung beruflicher Handlungskompetenz eine herausragende und
bedeutungsvolle Rolle zugeschrieben.
Die Fragen stellte: Heiko Pohlmann
OECD – Bildungsbericht
Bedeutung der beruflichen
Bildung nicht erkannt
„Der BLBS (Bundesverband der Lehrerinnen und Lehrer an beruflichen Schulen) begrüßt grundsätzlich,
dass sich die OECD mit den Aspekten der Bildung und
Bildungspolitik, der Finanzausstattung und der Effek278
tivität der Bildungssysteme beschäftigt und dazu wertvolles statistisches Material zur Verfügung stellt“, so
dessen Bundesvorsitzender Berthold Gehlert. „Wir bedauern es allerdings sehr, dass die berufliche Bildung
wieder einmal nicht den Stellenwert erhält, der ihr
auch wirtschaftlich gesehen zukommt.“
Die heute in Berlin vorgestellte Studie „Bildung auf einen Blick 2008“ der Organisation für wirtschaftliche
Zusammenarbeit (OECD) vergleicht die Entwicklung
der Bildung in den 30 Mitgliedsstaaten. Obwohl dem
Tertiärbereich, zu dem international auch die berufliche Bildung gehört, ein breiter Raum gewidmet ist,
wird die „Vocational Education“ nicht erwähnt. „Immerhin befinden sich nach der letzten veröffentlichten
Statistik der Statistischen Ämter des Bundes und der
Länder ca. 1,6 Millionen Jugendliche in Deutschland
jährlich in der Berufsausbildung, ein wirtschaftlicher
Faktor, der zum wiederholten Male ignoriert wurde“,
so Gehlert.
„Hingegen sind die Inputs wie Kosten, Zeit und Ressourcen, die in Bildung investiert werden, wieder ausführlich dargestellt“, so der Bundesvorsitzende des
BLBS.“ Man vergisst dabei aber, dass z.B. in Deutschland jährlich auch nur 1,9 Millionen Studenten die
Universitäten und Fachhochschulen besuchen (Statistische Ämter des Bundes und der Länder).
Der BLBS unterstützt die Erkenntnis der OECD, dass
Bildung im Tertiärbereich forciert und die Mittel dazu
erhöht werden müssen. „Wir lehnen aber eine zunehmende Privatisierung im Bildungsbereich ab, wir setzen im Gegenteil auf eine verstärkte Verantwortung
des Staates“, so Gehlert zu der Forderung der OECD,
mehr private Investoren zuzulassen.
Nach Ansicht des BLBS ist es wichtig, Bildungserfolge nicht auf die Zusammenhänge zwischen den Kosten
für die Bildung und deren Erfolg zu reduzieren.
Nach Ansicht des BLBS kann Bildung nicht zum Gebrauchsartikel reduziert werden. „Bildung ist ein
Grundrecht“, so hat es der BLBS schon immer gefordert.
Der BLBS fordert daher für die Zukunft: Die OECD
muss auch statistisches Material über die berufliche
Bildung sammeln und zur Verfügung stellen, um
den Stellenwert der beruflichen Bildung effektiv zu
positionieren.
Wir begrüßen ausdrücklich, dass sich in der Pressekonferenz sowohl die Präsidentin der Kultusministerkonferenz (KMK), Annegret Kramp-Karrenbauer, und der
Staatssekretär im Bundesministerium für Bildung und
Forschung (BMBF), Michael Thielen, Gedanken darüber machen, wie mehr Studienanfänger über die duale
Bildung den Weg an die Hochschulen finden können.
Der BLBS wird den im Oktober 2008 geplanten Bildungsgipfel bei der Bundeskanzlerin sehr genau beobachten. Wir erwarten hier positive Ansätze für die
berufliche Bildung, um die von der OECD geforderten nötigen Hochqualifizierten zu erhalten.
Heiko Pohlmann
Die berufsbildende Schule (BbSch) 60 (2008) 10
Themen
Stephanie Wilde
Engaging Youth Enquiry (EYE)
Eine Studie zur Nichtpartizipation in (Aus-)Bildung
in England und Wales – Ansätze und Probleme
Die Engaging Youth Enquiry (EYE) untersucht die Hintergründe, Kontexte und Probleme, die zum relativ hohen
Anteil (um 10%) an Nichtpartizipation von 16- bis 18-Jährigen in England und Wales führen. Weiterhin hat die
Studie einen Dialog mit Jugendlichen, ExpertInnen, ForscherInnen und PolitikerInnen eröffnet, um nach innovativen Ansätzen, möglichen Lösungen und Unterstützungsmöglichkeiten für diese Jugendlichen zu suchen. Dieser
Dialog findet in einer Reihe partizipatorischer Workshops in England und Wales statt. EYE findet ihren Abschluss
im Oktober 2008 mit einer Präsentation der Hauptergebnisse im Parlament in London. EYE ist eine Kollaboration zwischen der Nuffield Review of 14-19 Education and Training (www.nuffield14-19review.org.uk) und der karitativen Organisation Rathbone (www.rathboneuk.org), die in 70 regional Zentren in Großbritannien mit Jugendlichen zusammenarbeitet.
1
Überblick
Bildungspolitisch ist die Nichtpartizipation von einem relativ hohen Prozentsatz von 16- bis 18-Jährigen an (Aus-)Bildung eines der hauptdiskutierten bildungspolitischen Themen in England und Wales. Die Labour-Regierung hat die
Reduzierung dieser Statistik zu einem Hauptziel erklärt.
So hat das Public Service Agreement (PSA) eine Reduzierung des Anteils von nicht partizipierenden Jugendlichen
von 10 % im Jahre 2004 auf 8 % bis 2010 verlangt. Angesichts der gegenwärtigen Entwicklungen ist abzusehen,
dass dieses Ziel nicht erreicht werden kann.
Aus Verlautbarungen von VertreterInnen des zuständigen
Ministeriums DCSF (Department for Children, Skills and
Families) ist zu schließen, dass der politische Wille vorhanden ist, Lösungen für dieses Problem zu finden, und
diese Lösungen auch zu finanzieren. Die mangelnde
Kenntnis der mit dem Phänomen der Nichtpartizipation
verbundenen komplexen Problemzusammenhänge stellt
aber ein nicht zu unterschätzendes Hindernis für die Lösung des Problems dar.
Vor allem scheint es dringend nötig, dass die betroffenen
Jugendlichen besser verstanden werden – sie sind momentan das „Ziel“ bildungspolitischer Maßnahmen in
England zur Erhöhung der Partizipationsrate bzw. zur Reduzierung der Nichtpartizipation. Diese Dringlichkeit
hängt mit den Schwierigkeiten zusammen, denen die Jugendlichen auf der individuellen Ebene ausgesetzt sind,
wenn sie nicht an (Aus-)Bildung oder Arbeit teilnehmen
(Bynner und Parsons, 2002). Auf der anderen Seite hängt
diese Dringlichkeit auch mit den sozialen und wirtschaftlichen Kosten von Nichtpartizipation zusammen, da eben
diese Jugendlichen dazu tendieren, staatliche Unterstützung aus den Sozialsystemen zu beziehen (Coles et al.,
2002).
Wer sind diese Jugendlichen? Warum verlassen sie mit 16
(oder auch erheblich früher) das (Aus-)Bildungssystem?
Was sind ihre Aspirationen und Eigenschaften? Welche
Strategien könnten diese Jugendlichen, mit ihren diversen
Bedürfnissen und den diversen Kontexten, in denen sie
agieren, unterstützen? Was ist die Rolle von karitativen
Organisationen in dieser Arbeit? Und werden diese JuDie berufsbildende Schule (BbSch) 60 (2008) 10
gendlichen von BildungspolitikerInnen, LehrerInnen, ArbeitgeberInnen und anderen Akteuren richtig und wahrheitsgemäß wahrgenommen, oder ist es nötig, dass die im
Moment verfolgten Ansätze überdacht werden? Wenn die
so genannte bildungspolitische „Zielgruppe“ bis zu einem
gewissen Grade missverstanden worden ist, dann ist es
dringend nötig, dass das Verständnis von diesen Jugendlichen verbessert wird, weil sonst die Gefahr besteht, dass
bildungspolitische Ansätze wie, zum Beispiel, die Erhöhung des Alters der obligatorischen Partizipation auf 18
(bis 2015) an vielen Jugendlichen vorbeigehen wird (s.
DfES, 2007a, Spielhofer et al., 2007, Barnardo’s, 2007).
1.1
Terminologie
Wie das so genannte „Problem“ benannt wird, stellt eine
erste Schwierigkeit in diesem Themenbereich dar. Die Jugendlichen, die sich zum Zeitpunkt der Befragung gerade
nicht in einer offiziellen Form von Bildung oder Ausbildung, und auch in keinem Arbeitsverhältnis befinden, bilden eine statistische Restkategorie, die „NEET“ genannt
wird. Dieser Akronym steht für: Not in Education, Employment or Training, und sagt daher relativ wenig über
die Jugendlichen aus, die so kategorisiert werden.
1.2
Datenlage
77,3 % der Jugendlichen in dieser Altersgruppe haben Ende 2006 aktiv an (Aus-)Bildung teilgenommen, verglichen mit 76,8 % Ende 2005. Der Prozentsatz der Jugendlichen zwischen 16 und 18 in England and Wales, die in
die „NEET“-Kategorie fallen, ist trotz vieler Bemühungen der Regierungen in den letzten 15 Jahren sehr stabil
geblieben (um 10 %). (Die aktuelle Statistik (DfES,
2007b) zeigt, dass der Prozentsatz der „NEETs“ zwischen
Ende 2005 und Ende 2006 von 10,9 % auf 10,3 % gefallen ist.) Dies entspricht ungefähr 206.000 16- bis 18-Jährigen. Hinzukommt, dass der Prozentsatz von Jugendlichen in dieser Altersgruppe, die in einem Arbeitsverhältnis stehen, Ende 2006 12,4 % war. Viele dieser Jugendlichen sind in so genannten Jobs Without Training (JWT)
(s. Anderson et al., 2006).
279
Engaging Youth Enquiry
2
Ansätze zur Reduzierung der
Nichtpartizipation
2.1
Neue Qualifikationen, insbesondere in der
Berufsbildung
Ein bekannter und oft kritisierter Veränderungsansatz in
England ist die Einführung neuer Qualifikationen, oft unabhängig von weiteren Systemänderungen. Die Qualifikationen in der Berufsbildung haben seit der Einführung
von verschiedenen Qualifikationswegen in den 80er- und
90er-Jahren eine besonders lebhafte Chronologie. In diesem Zusammenhang sind insbesondere National Vocational Qualifications (NVQs) und General National Vocational Qualifications (GNVQs werden gerade abgeschafft)
und die wieder eingeführten Apprenticeships (s. Nuffield
Review, 2008 a und b) zu nennen. Aktuell werden neue
Diplomas eingeführt (s. Nuffield Review, 2007). Die ersten fünf Diplomas werden 2008 eingeführt, und es werden
neun weitere berufsbezogene Diplomas, und drei allgemein bildende Diplomas folgen. Diese Strategie, Veränderungen durch die Einführung von neuen Qualifikationen
herbeizuführen, hat aber, wie schon oft argumentiert,
nicht zur erwünschten (Aus-)bildungsbegeisterung geführt, und besonders nicht bei schwer erreichbaren Jugendlichen.
2.2
„Raising Expectations“: Neue Gesetzgebung
in England
Ein relativ neuer Ansatz ist die geplante Erhöhung des Alters der obligatorischen Partizipation in (Aus-)Bildung.
Das Green Paper der Regierung, das diesen Vorschlag gemacht hat („Raising Expectations“), strebt eine Erhöhung
auf 18 Jahren bis zum Jahr 2015 an (DfES, 2007a). Die
endgültige Version dieser Änderung gibt es noch nicht,
aber der im Green Paper verfasste Gesetzentwurf deutet
auf Sanktionen hin, wenn die Jugendlichen nicht partizipieren (z. B. Entziehung des Führerscheins). Die Kritik
diesem Vorschlag gegenüber ist, dass solche Sanktionen
gerade für schwer erreichbare Jugendliche die Situation
nur verschlechtern könnten. Der Vorstandsvorsitzende
von Rathbone, Richard Williams, sieht darin die Gefahr,
dass Jugendliche immer mehr kriminalisiert werden
könnten, anstatt dass sie ein vielfältigeres Bildungsangebot bekommen (s. BBC News 24, 2007). Ein weiterer Kritikpunkt dem Vorschlag gegenüber ist, dass die Pflicht an
sich das Angebot nicht verbessert, und daher auch nicht
die langfristige Lebenschancen der Jugendlichen.
Die Kombination der Erfahrung und Wissensbasis von der
Nuffield Review (einem Forschungsprojekt zu Bildungswegen von 14- bis 19-Jährigen in England und Wales) und
von Rathbone (einer karitativen Organisation, die mit
schwer erreichbaren Jugendlichen zusammenarbeitet)
bietet die Möglichkeit, neue Perspektiven zu gewinnen.
Dies geschieht über partizipatorische Diskussionen und
offene Debatten mit Jugendlichen, anderen beteiligten
Gruppen, VertreterInnen des Department of Children,
Schools and Families (www.dcsf.gov.uk) und karitativen
Organisationen.
Zum Aufgabenbereich der Enquiry zählen auch:
– Identifikation von effektiven Interventionen, zusammen mit Jugendlichen und ExpertInnen.
– Zusammenarbeit mit Anbietern und PolitikerInnen,
um mögliche Strategien für die Praxis herauszuarbeiten und Gespräche darüber zu führen, wie diese Strategien am besten von der nationalen und regionalen
Politik unterstützt werden könnten.
4
Datenerhebung
Die Engaging Youth Enquiry benutzt folgende Datenquellen: Analyse relevanter Statistiken (insbesondere der jährlichen Statistical First Releases, z. B. DfES, 2007b); Literaturanalyse und Analyse relevanter Dokumente; Eine
Reihe von Workshops, die vom November 2007 bis September 2008 stattfinden; Fallstudien von Jugendlichen,
die mit Rathbone zusammenarbeiten.
4.1
Workshops und Themen
Die Engaging Youth Enquiry veranstaltet fünf Workshops
mit ExpertInnen, die mit den Jugendlichen zusammenarbeiten. Parallel dazu gibt es Workshops mit Jugendlichen,
die ähnliche Themen behandeln. Die Workshops haben jeweils eine Teilnehmerzahl von ungefähr 25 Personen, und
die Workshops mit Jugendlichen von jeweils ungefähr 10
Personen. Die Daten werden von der Enquiry ausgewertet, und als Briefing Papers veröffentlicht. Die folgenden
fünf Themen werden behandelt:
Die Ziele der Nuffield Review/
Rathbone Engaging Youth Enquiry
I. Der Lebenskontext von Jugendlichen (Workshop in
Manchester, 1. November 2007, s. Nuffield Review,
2008c): Was wissen wir über die Eigenschaften der Jugendlichen, die als „NEET“ bezeichnet werden? Was
haben sie gemeinsam und welche unterschiedlichen
Eigenschaften weisen sie auf? Welche Strategien zur
Unterstützung dieser Jugendlichen sind wirksam? Was
können wir von den Fallstudien lernen? Welche Rolle
spielen karitative Organisationen?
Vor diesen Hintergründen hat die Engaging Youth Enquiry als explizites Ziel, ein besseres und differenzierteres
Verständnis der Jugendlichen zu gewinnen, die als so genannte „NEETs“ gerade als Gruppe ein politisches Ziel
geworden sind. Wer sind diese Jugendlichen? Was für Eigenschaften haben sie? Warum hören sie so früh mit ihrer
(Aus-)Bildung auf? Was sind ihre Ambitionen, und was
für Unterstützung brauchen sie?
II. Lern- und Lehrangebote und der Arbeitsmarkt (Workshop in Cardiff, 29. Februar 2008): Welchen Einfluss
hat die Komplexität der Bildungs- und Ausbildungssysteme in England und Wales auf diese Gruppe von
Jugendlichen? Welche Lern- und Lehrangebote motivieren und engagieren diese Jugendlichen? Welche
Ambitionen haben sie auf dem Arbeitsmarkt? Welche
Rolle spielen Arbeitgeber?
3
280
Die berufsbildende Schule (BbSch) 60 (2008) 10
Themen
III. Jung und Teil der „NEET“-Statistik in London (Workshop in London, 13. März 2008): Dieser Workshop
diskutiert, in Bezug auf London, die Themen von Lebenskontext, Lernangebote, Arbeitschancen und die
Implikationen für die Politik. Die besonderen Züge
des Arbeitsmarktes und die Auswirkungen auf Jugendliche in London werden thematisiert.
IV. Die regionale Perspektive (Workshop in Northumberland, 22. Mai 2008): Welche Auswirkungen haben regionale Unterschiede auf die Situation von „NEETs“?
Inwiefern kann eine effektive Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Stakeholdern in einer Region
zu Lösungen für Jugendliche, die als „NEET“ klassifiziert werden, führen? Welche Rolle spielen lokale Arbeitgeber? Welchen Einfluss üben lokale und regionale Arbeitsmarktstrukturen aus?
V. Bildungs- und sozialpolitische Implikationen (Workshop in London, 2. Juli 2008): Wie wird das Thema,
wie Jugendliche in (Aus-)Bildung (wieder) engagiert
werden können, im politischen Diskurs artikuliert? Inwiefern reagieren politische Entwicklungen und Entscheidungen auf die aktuelle Situation? Welche Implikationen hat die aktuelle Situation für die Politik?
Prioritäten und Empfehlungen.
Die Engaging Youth Enquiry schließt mit der Präsentation
der Hauptbefunde in den „Houses of Parliament“, London, im Oktober 2008.
4.2
lität und Verletzlichkeit; Einfluss von Subkulturen, Gangs
und territorialem Verhalten; Isolierung; Bedarf nach Sicherheit; Probleme mit Eltern, BetreuerInnen, Geschwistern und Peer Groups; Schwierigkeiten mit der eigenen
Rolle als BetreuerIn (von eigenen Kindern oder Familienmitgliedern).
Information und Beratung: Fehlende Aspirationen und
Ambitionen (s. Archer und Yamashita, 2003); Schwierigkeiten, positive Ziele zu identifizieren; Bedarf nach Unterstützung in Phasen der Transition (Wechsel von der
Schule ins College oder in den Arbeitsmarkt); Schwierigkeiten, den eigenen Werdegang selber zu gestalten.
Lernerlebnisse: Fehlende Autonomie und Kontrolle über
die eigenen Lernerlebnisse und Zukunftspläne; Negative
frühe Lernerlebnisse (in der Sekundarstufe, aber auch
schon in der Primarstufe); Lernschwierigkeiten (Verhaltensstörungen, Leseschwäche, Schreibschwäche, Probleme mit Arithmetik).
Faktoren der Unterprivilegierung: Armut; Schlechte Ernährung; Fragile Unterkunftslösungen, Obdachlosigkeit.
Gesundheitliche Faktoren: Drogen; Alkohol; Schwangerschaft; Psychologische Probleme.
Risikoreiche Verhaltensmuster: Kriminalität; Sexualverhalten; ASBOs (Anti-Social Behaviour Orders).
5
Fallstudien
Eine weitere Datenquelle stellen Fallstudien von Jugendlichen dar, die sich außerhalb von (Aus-)Bildung und Arbeit befinden. Sie werden von MitarbeiterInnen von Rathbone gesammelt, und von der Nuffield Review ausgewertet. Die Rathbone MitarbeiterInnen haben ein Verständnis
für die Situation von betroffenen Jugendlichen über einen
Zeitraum hinweg aufgebaut, und kennen die Jugendlichen
sehr gut. Dies ist wichtig, da viele der Jugendlichen Probleme haben, Beziehungen aufzubauen und sehr verschlossen und verletzlich sein können. Der Enquiry ist es
wichtig, nicht mit von außen vordefinierten Fragen‚ sondern im Kontext der Jugendlichen zu arbeiten. Die folgenden Themen stellen eine Auswahl von Untersuchungsbereichen dar, die aus den ersten 25 Fallstudien (mit Jugendlichen in Manchester, Rochdale, Hackney und Poplar)
hervorgehen (s. Nuffield Review, 2008d, für weitere Informationen und Beschreibungen der Fallstudien und der Lokalitäten):
Der Lebenskontext von Jugendlichen (Kurzbericht über den
Workshop in Manchester, am
1. November 2007)
Im ersten Workshop wurde auf den Lebenskontext der Jugendlichen eingegangen. Diskussionen fanden mit einer
Gruppe von Jugendlichen im Zentrum von Manchester
statt, und danach gab es ein Workshop mit im Bereich der
Jugendhilfe arbeitenden Akteuren, um relevante Faktoren
bezüglich des Lebenskontexts von Jugendlichen zu untersuchen. Die Akteure arbeiten in diversen Kontexten mit
Jugendlichen (Schule, Ausbildungszentren, Berufsberatung, Drogen- und Alkoholberatung, Unterkunftssuche,
Gefängnis u. ä.).
5.1
Hauptbefunde des Workshops mit den
Akteuren
Die Hauptbefunde des Workshops fallen in die folgenden
Kategorien:
– Der Lebenskontext der Jugendlichen
– Lehr-Lernangebot
– Information und Beratung
– Finanzielle Unterstützung
– Lernerlebnisse
– Information und Beratung
– Faktoren der Unterprivilegierung
– Effektives Arbeiten zwischen den verschieden Agenturen und Akteuren (sog. multi-agency working)
– Gesundheitliche Faktoren
– Risikoreiche Verhaltensmuster (Drogen, Alkohol,
Sexualverhalten, Kriminalität)
Der Lebenskontext der Jugendlichen: Die Auswirkungen
von Mobbing, Peer Pressure, und Schwierigkeiten, in großen Gruppen zu agieren und sich zurechtzufinden; FragiDie berufsbildende Schule (BbSch) 60 (2008) 10
Lehr-Lernangebot: In diesem Bereich wurden mangelnde
Relevanz und Qualität im Lehr-Lernangebot, besonders
im berufsbildenden Bereich diskutiert. Die aktuellen bildungspolitischen Neuerungen (die neuen Diplome) sind
weniger arbeitsweltorientiert als zuerst erwartet, und daher auch weniger attraktiv für diese Zielgruppe. Ziel soll281
Engaging Youth Enquiry
te eine verbesserte Kontinuität von Bildungsangeboten
sein. Dies betrifft vor allem auch eine verbesserte Angebotsstruktur im so genannten „zweiten Bildungsweg“, wie
er im deutschen Kontext verstanden wird, im englischen
Kontext aber viel weniger verbreitet ist und verstanden
wird. Der Fokus im englischen Kontext liegt auf regulärem Schulbesuch und den GCSE (General Certificate of
Secondary Education) Prüfungen, die mit 16 abgelegt
werden. Der hohe Stellenwert dieser Prüfungen führt zu
einem frühen Selbstkonzept des Scheiterns bei den Jugendlichen, die keine gute GCSE Leistungen bringen, und
dann auch Gefahr laufen, in die „NEET“-Kategorie zu
fallen.
Finanzielle Unterstützung: Beim Workshop wurde darüber diskutiert, dass ein übergreifender, nationaler Rahmen für die finanzielle Unterstützung dieser Jugendlichen
problematisch ist, weil er sehr bürokratisch ist. Manche
Jugendliche und ihre Familien lehnen zum Beispiel Bankkonten ab und erfüllen damit nicht die Voraussetzungen
für manche Formen der finanziellen Unterstützung. Lokale Gestaltungsfreiräume und Flexibilität würden es ermöglichen, dass das System etwas kreativer gestaltet werden könnte. Die finanzielle Unterstützung muss mehr auf
die einzelnen Personen abgestimmt sein. Zum Beispiel
wird das Einkommen der Eltern oder Familien angerechnet, unabhängig davon, ob die Jugendlichen Kontakt mit
ihren Familien haben oder nicht.
Information und Beratung: Information und Beratung für
diese Jugendlichen darf keine unrealistische Erwartungen
wecken, sondern muss auf die einzelnen Personen und
Kontexte abgestimmt sein. Diese Zielgruppe braucht eine
intensivere Betreuung, die in vielen Fällen auch von längerer Dauer sein muss als bei anderen Jugendlichen.
Effektives Arbeiten zwischen den verschieden Agenturen
und Akteuren (sog. multi-agency working): Die Kooperation zwischen den verschiedenen beteiligten Agenturen
und Akteuren (Schulen, Colleges, Arbeitgeber, Ausbildungsstätten, dem Gesundheitswesen, Arbeitsämtern und
karitativen Organisationen, u. ä.) muss verbessert werden,
um die Jugendlichen effektiver zu unterstützen, wenn sie
an der Schwelle zum so genannten „NEET-Status“ stehen.
Beim Workshop wurde intensiv darüber diskutiert, welche
Widersprüche im System existieren, und wie der bürokratische Rahmen „an den Jugendlichen vorbei denkt“. Ein Beispiel dieser Widersprüche ist die Tatsache, dass von den
Agenturen, die mit jungen Kriminellen arbeiten, verlangt
wird, dass die Mehrheit der Jugendlichen wieder zur Schule oder ins College gehen. Gleichzeitig wird aber von den
Schulen und Colleges verlangt, dass sie ihre Leistungen
(zum Beispiel in Bezug auf GCSE-Ergebnisse) verbessern.
Dazu gehört eben nicht, ein schwieriges Klientel wie junge
Kriminelle zu unterstützen und zu fördern. Es gibt für diese Institutionen wenig Unterstützung und keine Anreize,
um mit diesen Jugendlichen zusammenzuarbeiten.
Im politischen Diskurs in England wird viel über „multiagency working“ gesprochen, aber der Rahmen für effektives Zusammenarbeiten verschiedener beteiligter Organisationen und Gruppen ist noch nicht geschaffen. Dies hat
auch mit dem „target-driven System“ (zielorientierten
System) zu tun, in dem häufig nur nach schnellen Lösun282
gen gesucht wird anstatt nach längerfristigen Konzepten.
Dies zeigt sich zum Beispiel in den aktuellen Bemühungen des DCSF in so genannten „NEET hotspots“, also in
Gegenden, für welche die Statistiken eine auffallend hohe
Konzentration von „NEETs“ aufweisen, und die Beamten
Konzepte für die nächsten zwei Jahre entwickeln. Dieser
Ansatz ignoriert die Tatsache, dass die bildungspolitischen, sozialen, wirtschaftlichen, arbeitsmarktbedingten
und institutionellen Probleme in diesen Gegenden gegebenenfalls eine sehr lange Vorgeschichte haben.
5.2
Workshop mit den Jugendlichen
Beim Workshop mit Jugendlichen (10 insgesamt, 6 aus
dem Zentrum Manchesters, und 4 aus Bury, einem Vorort
von Manchester) haben alle relativ spezifische und konkrete, wenn auch nicht immer sehr realistische, Aspirationen geäußert. Sie haben aktiv und enthusiastisch an dem
Gruppengespräch teilgenommen, ganz entgegen der verbreiteten Wahrnehmung in der britischen Boulevardpresse von passiven und destruktiven Jugendlichen. Die von
den Jugendlichen artikulierten Aspirationen bezogen sich
sowohl auf den beruflichen (als Berufswünsche wurden
z. B. Automechaniker, Barmanager, Schreiner, Grafiker
genannt) als auch auf den persönlichen Bereich (Wunsch
nach einer eigenen Wohnung, einem anderen Wohnort).
Die Verwirklichung dieser Aspirationen stellt diverse Herausforderung für diese Jugendlichen dar, da sie zum Teil
mehrfach unterprivilegiert sind. Diese Unterprivilegierung bezieht sich z. B. auf Unterkunft und Wohnort, psychologische Probleme, fehlenden Kontakt zur Familie,
frühe Verantwortung für eigene Kinder, negative Schulerfahrungen, Qualifikationen auf niedrigem Niveau oder
gänzliches Fehlen von Qualifikationen.
Auf der anderen Seite wurde auch klar, dass die Jugendlichen keinen geplanten Lebensweg bzw. Entwicklungsperspektiven für ihre Aspirationen haben. Dies zeigt sich in
ihren Prognosen für ihre eigene Situation fünf bis zehn
Jahre später, in denen sie einräumen, dass sie ihre Aspirationen nicht erfüllen werden können. Ein Teilnehmer hat
einen Teufelskreis identifiziert, da er die Schule ohne
GCSEs (General Certificates of Secondary Education, der
Prüfung, die die Jugendlichen mit 16 absolvieren) verlassen hat und er keine weitere Ausbildung unternehmen
möchte. Diese Wahrnehmung muss dringend verändert
werden, da Jugendliche, die keine guten GCSE Ergebnisse erreicht haben, einen zweiten Bildungsweg einschlagen
sollten, der für ihre Situation relevant und zugänglich ist.
6
Ergebnisse der Engaging
Youth Enquiry
Im Abschlussbericht der Engaging Youth Enquiry werden
die Barrieren, mit denen diese Jugendlichen konfrontiert
werden, systematisch identifiziert und diskutiert. Aus dieser Diskussion werden dann die Quellen der potentiellen
Unterstützung für Jugendliche, die Gefahr laufen, im englischen und walisischen Kontext als „NEET“ klassifiziert
zu werden, entwickelt. Eins der Ziele wird es sein, den
Begriff „NEET“ selbst in Frage zu stellen und dessen Verwendung durch PolitikerInnen und BeamtInnen zu reduzieren und zu relativieren.1
Die berufsbildende Schule (BbSch) 60 (2008) 10
Themen
Anmerkung
1
Weitere Berichte werden unter der Rubrik Engaging Youth Enquiry auf der Nuffield Website erscheinen:
www.nuffield14-19review.org.uk.
Kommentare und Rückmeldungen werden sehr gerne entgegenkommen unter: [email protected], oder
[email protected].
DfES (Department for Education and Skills) 2007a: Raising Expectations: Staying in education and training post-16 [online]:
http://www.dfes.gov.uk/consultations/downloadableDocs/6965-DfESRaising%20Expectations%20Green%20Paper.pdf.
DfES 2007b: SFR 22/2007 Participation in Education, Training and
Employment by 16–18 year olds in England: 2003 and 2004 and
Participation in Education and Training by 16 and 17 year olds in
each Local Area in England: 2004 and 2005. [online]:
www.dfes.gov.uk/rsgateway.
Nuffield Review of 14-19 Education and Training 2007: Issues Paper 1:
The New 14–19 Diplomas [online]: http://www.nuffield14-19review.org.uk/files/documents168-1.pdf.
Literatur
Anderson, A. / Brooke, B. / Doyle, A. / Finn, D. / Moley, S. 2006: Understanding young people in jobs without training. Research Report 736.
Nottingham: DfES.
Archer, L. / Yamashita, H. 2003: „Knowing their limits?“ Identities, inequalities and inner city school leavers post-16 aspirations. In: Journal of
Educational Policy, 18 (1), S. 53-69.
Barnardo’s 2007: School’s out, or is it? Young people’s views on staying on in education or training to 18 [online]: http://www.barnardos.
org.uk/staying_on_briefing_sept07-2.pdf.
BBC News 24 2007: Fears over school leaving age [online]:
http://news.bbc.co.uk/1/hi/education/6265336.stm.
Nuffield Review of 14–19 Education and Training 2008a: Issues Paper
3
Apprenticeship
I
Prospects
for
Growth
[online]:
http://www.nuffield14-19review.org.uk/files/documents173-1.pdf.
Nuffield Review of 14–19 Education and Training 2008b: Issues Paper
4 Apprenticeship II A High-quality Pathway for Young People? [online]:
http://www.nuffield14-19review.org.uk/files/documents174-1.pdf.
Nuffield Review of 14–19 Education and Training 2008c: Engaging
Youth Enquiry Briefing Paper 2: The life circumstances of young
people
[online]:
http://www.nuffield14-19review.org.uk/files/
documents182-1.pdf.
Bynner, J. / Parsons, S. 2002: Social Exclusion and the Transition from
School to Work: The case of young people Not in Education, Employment or Training (NEET). In: Journal of Vocational Behavior, 60 (2),
S. 289–309.
Nuffield Review of 14–19 Education and Training 2008d: Engaging
Youth Enquiry Working Paper 1: New Approaches to Engaging Youth:
Understanding the problems and implementing the solutions [online]:
http://www.nuffield14-19review.org.uk/files/documents
177-1.pdf.
Coles, B. / Hutton, S. / Bradshaw, J. / Craig, G. / Godfrey, C. / Johnson,
J. 2002: Literature Review of the Costs of Being „Not in Education,
Employment or Training“ at Age 16-18. Research Report 347. Norwich: DfES.
Spielhofer, T. / Walker, M. / Gagg, K. / Schagen, S. / O’Donnell, S. 2007:
Raising the participation age in education and training to 18: Review of
existing evidence of the benefits and challenges [online]:
http://www.dfes.gov.uk/research/data/uploadfiles/DCSF-RR012.pdf.
Björn Keller, Georg Wydra
Beliebtheit und Akzeptanz des
Sportunterrichts an beruflichen
Schulen des Saarlandes
Nach Befragungsergebnissen von Schülern kann sicherlich festgestellt werden, dass der Sportunterricht bei Schülern beruflicher Schulen beliebt und akzeptiert ist. Neben Stärken des Sportunterrichts an beruflichen Schulen
werden allerdings auch seine Schwächen aufgedeckt. So hat nach dieser Untersuchung die Differenzierung nach
Geschlecht in fast allen Bereichen eine weniger positive Bewertung des Sportunterrichts durch die weiblichen Befragten aufzeigen können.
1
Vorbemerkungen
Die beruflichen Schulen waren bisher nicht Gegenstand
von Untersuchungen zum Schulsport. Dabei sind die Zahlen der betroffenen Schülerinnen und Schüler keineswegs
gering. Im Schuljahr 2006/07 besuchten in Deutschland
rund 9,4 Millionen Schülerinnen und Schüler allgemeinbildende Schulen; berufliche Schulen besuchten im gleichen Zeitraum rund 2,8 Millionen Schülerinnen und
Schüler (Statistisches Bundesamt 2008).
Die berufsbildende Schule (BbSch) 60 (2008) 10
Gerade im Bereich der beruflichen Schulen fällt es dem
Sportunterricht unter den sonstigen Schulfächern schwer,
als gleichberechtigt anerkannt zu werden. Das Legitimationsdefizit des Sportunterrichts wird in den beruflichen
Schulen verstärkt, da er in dieser Schulform marktorientierten Regelungsmustern unterliegt. Interessenvertretungen von Industrie, Handel und Handwerk üben häufig, vor
allem in Bezug auf den Teilzeitbereich beruflicher Schulen, Druck auf die bildungspolitischen Entscheidungsträger aus, um diese besonders in Fächern, wie dem Sport283
Sportunterricht
unterricht, zu Kürzungen zu bewegen. Erinnert sei an Hamburg, wo über ein „Gutscheinmodell“ versucht wurde, den Sportunterricht der Schule in die Vereine zu verlagern (Teubner 2001).
Bei all diesen Überlegungen spielt die
Meinung der Schüler offensichtlich keine
Rolle. Untersuchungen zum Sportunterricht an beruflichen Schulen bilden nach
wie vor die Ausnahme. Auch die SPRINTStudie (DSB 2006) hat diesen Bereich unseres Bildungssystems ausgeblendet. Die
Erfragung von Schülermeinungen zum
Sportunterricht kann auch als eine Form
der Evaluation der schulischen Bildung
verstanden werden. Gerade eine ständige
Bewertung durch die direkt am Unterricht
beteiligten Schüler trägt dazu bei, die Inhalte und Methoden des Sportunterrichts
Abb. 1: Altersverteilung der Stichprobe
auf ihre Effizienz und Sinnhaftigkeit zu
überprüfen. Die Bedeutung von solchen
Evaluationsprogrammen stellen auch andere Arbeiten heren, 4,16 % aus polnischen, 1,25 % aus italienischen und
aus. So betont Süßenbach (2004), um „das pädagogische
6,25 % aus russischen Familien. Die restlichen 3,33 % geund soziale Potential, das im Sport steckt, effektiv und
hören sonstigen kulturellen Gruppen an.
kreativ zu erschließen und zu nutzen, sind neben bewährVon allen Befragten geben 73,8 % an in ihrer Freizeit
ten Innovationsprogrammen Evaluationsprogramme vonSport zu treiben und 26,2 % der Schüler treiben keinen
nöten, mit denen eine systematische Qualitätssicherung
Freizeitsport. Differenziert nach Geschlecht treiben
generiert wird, um den Lebensraum Schule nachhaltig in
77,8 % der männlichen Befragten in ihrer Freizeit Sport,
Bewegung zu bringen“.
während 22,2 % keinen Sport treiben. Bei den Mädchen
Als Orientierungsgrundlage für diese Untersuchung diensind 68,6 % in ihrer Freizeit sportlich aktiv und 31,4 %
ten andere Arbeiten, die den Stellenwert des Sportuntersportlich inaktiv. Somit zeigt sich diesbezüglich zwischen
richts bei Schülern vor allem allgemein bildender Schulen
Jungen und Mädchen kein signifikanter Unterschied
untersuchten, wie beispielsweise die Studien von Opper
(χ2 = 2,586; p>0,05).
(1996a), Wydra (2000), Altenberger et al. (2005) und die
Untersucht man die Sportvereinspartizipation so ergibt
SPRINT-Studie (DSB 2006).
sich, dass von allen Befragten 35,4 % Mitglied in einem
Ziel dieser Arbeit ist es zu verdeutlichen, dass das Fach
Sportverein sind, aber 63,8 % keine Mitgliedschaft in eiSport genauso wie in den allgemein bildenden Schulen
nem Sportverein besitzen (0,8 % machen keine Angabe
auch in den beruflichen Schulen eine hohe Wertschätzung
zur Sportvereinszugehörigkeit). Von den männlichen Beund Beliebtheit erfährt. Somit könnte gezeigt werden,
fragten sind 47 % in einem Sportverein Mitglied und 53 %
dass die Schüler beruflicher Schulen bereit sind, den
nicht. Die Schülerinnen sind zu 21,2 % Mitglied in einem
Sport als Kulturgut an ihrer Schule zu erhalten. „Sport lieSportverein während 78,8 % keine Mitgliedschaft in eifert der Kultur die vitale Grundlage, er verhindert ihren
nem Sportverein besitzen. Hier ist der Unterschied zwibiologischen Verfall und er trägt auf diese Weise – sogar
schen Jungen und Mädchen hochsignifikant (χ2 = 17,057;
zu ihrer Erhaltung bei“ (Grupe 1987).
p≤0,001).
2
Methodik
Stichprobe: An der Untersuchung nahmen 240 Schülerinnen und Schüler beruflicher Vollzeitschulen (Handels-,
Gewerbe- und Sozialpflegeschule) teil. Die Auswahl der
Schulen und der Schüler erfolgte zufällig. Das Durchschnittsalter der Versuchspersonen (Vpn) lag bei 17,4 Jahren (siehe Abb. 1).
Bezogen auf die Gesamtstichprobe von n
= 240 sind 83,33 %
deutschstämmig. Weitere 1,66 % kommen
aus türkischen Famili284
3
Ergebnisse und Diskussion
3.1
Allgemeine Angaben zum Sportunterricht
3.1.1 Inhalte
Die Schülerinnen und Schüler wurden gefragt, welche Inhalte im Sportunterricht an der Berufsschule bisher
durchgeführt worden seien (siehe Abb. 3).
Abb. 2: Verteilung der Stichprobe nach Schulform und Geschlecht, n = 240.
Die berufsbildende Schule (BbSch) 60 (2008) 10
Themen
Betrachtet man
in diesem Zusammenhang
aber nun die
Wunschsportarten, die die
Schüler in der
Untersuchung
von
Wydra
(2000) angeben, so fällt
Abb. 3: Inhalte im Sportunterricht an
auf, dass all die
den beruflichen Schulen
gerade genannten Ballsportarten in den Top Ten der Wunschsportarten bei den Jungen
vertreten sind, Basketball und Fußball sogar auf den ersten beiden Plätzen. Bei den Mädchen allerdings sind nur
Volleyball und Basketball in den Top Ten der Wunschsportarten vertreten. Vielmehr sind es Sportarten wie Inlineskating und Schwimmen, die die Mädchen Rangliste
der beliebtesten Sportarten anführen. Weiterhin sind
Gymnastik, Tanz und Tennis sehr beliebt bei den Schülerinnen (Wydra 2000). Auch die Ergebnisse der SPRINTStudie (DSB 2006) bestätigen den Wunsch der Schülerinnen nach „mehr Tanzen und Schwimmen, aber auch der
Wunsch nach Trendsportarten wie Inlineskaten, Tennis,
Kampfsport und Entspannungsübungen ist deutlich ausgeprägt“ (Gerlach et al. 2006). Diese Sportarten sind aber
nur geringfügig im Sportunterricht der untersuchten beruflichen Schulen zu finden.
Sportarten
Basketball
Volleyball
Fußball
Handball
Gymnastik
Tanz
Tennis
Schwimmen
Inlineskating
chen werden kann, sondern dass die geringere Beliebtheit
des Sports und auch die weniger wichtige Rolle, die er
häufig im Leben der Frauen spielt, oft nur durch das falsche Sportangebot bedingt wurden. „Es war häufig der
„falsche Sport“, der ihnen – manchen für immer – die
Lust am Sporttreiben genommen hat“ (Pfister 1999, S.
77). Deshalb fordert Opper (1996b, S. 356), dass „wenn in
Zukunft ein tragfähiger koedukativer Unterricht angeboten werden soll, dann müßten [sic] sich die Inhalte des
Sportunterrichts an den Wünschen und Vorstellungen beider Geschlechter orientieren, d. h. die von den Mädchen
gewünschten Sportarten müßten [sic] stärker berücksichtigt werden“.
%
90,8
93,7
86,7
62,9
56,7
12,8
10,8
5,4
4,2
3.1.2 Ziele des Sportunterrichts
Ferner sollte überprüft werden in wie weit die Schüler die
Ziele des Sportunterrichts, so wie sie im Lehrplan für berufliche Schulen formuliert sind, ihrem eigenen Sportunterricht zuordnen. Im Allgemeinen legen die Lehrpläne
aller Schulformen die für den Schulsport relevanten Ziele
in Form von Sollensaussagen zu Bildungs- und Erziehungsaufgaben der Schulen fest. Besonders, wenn Reformen des Bildungswesens anstehen, erhalten die Lehrpläne immer wieder neue Bedeutung. Allerdings können die
Leitlinien und Zielvorstellungen der Lehrpläne nur zu den
erwünschten Innovationen führen, wenn sie im Unterricht
der Lehrer tatsächlich die geeignete Umsetzung finden
(Bräutigam 2003).
In dieser Untersuchung wurden die Schüler durch Verwendung einer geschlossenen Frage gebeten, diejenigen
Ziele anzukreuzen, die ihrer Meinung nach auf den eigenen Sportunterricht zutreffen. Die Abb. 4 zeigt wie die
Schüler, differenziert nach Geschlecht, den jeweiligen
Zielen zustimmen.
Dieser Vergleich zeigt eindrucksvoll, dass der schulische
Sportunterricht vor allem die Wünsche der Jungen umsetzt, allerdings die Wunschsportarten der Schülerinnen
sehr wenig Berücksichtigung finden. Dies erklärt auch die
geringere Beliebtheit des Fachs Sport auf Seiten der weiblichen Befragten in dieser Studie. Zudem können bei der
Meinungsbildung auch gruppendynamische Gründe mitspielen.
Dieses Gesamtergebnis deckt sich mit dem Ergebnis der
SPRINT-Studie (DSB 2006). Die Schüler erkennen die
kurzfristig erreichbaren Ziele eher im Sportunterricht
wieder während die langfristigen Ziele weniger Beachtung finden. Besonders der soziale Aspekt wird in beiden
Studien wenig beachtet (Gerlach et al. 2006).
Auch Pfister (1999) stellt fest, dass nicht von einem generellen Desinteresse von Frauen am Sporttreiben gespro-
3.1.3 Motive und Sinnzuschreibungen
Ziele des Sportunterrichts
Um zu erfassen, welche Motive die befragten Schüler dem Sportunterricht beimessen, wurde ihnen eine Reihe verschiedenster Beweggründe vorgegeben. Anhand einer 5-stufigen Skala (1 = stimmt
überhaupt nicht; 2 = stimmt nicht; 3 = ich
weiß nicht; 4 = stimmt; 5 = stimmt genau
so) konnten sie den jeweiligen vorgegebenen Beweggrund bewerten (siehe Abb. 5).
Verantworten und helfen
Spielen und wettkämpfen
Stress abbauen
Mädchen
Jungen
Gesundheitsbewusstsein
Fit bleiben
Bewegungen lernen
0
10
20
30
40
50
60
70
80
Prozentualer Anteil
Abb. 4: Ziele des Sportunterrichts nach Meinung der Schülerinnen und
Schüler. Angaben in Prozent.
Die berufsbildende Schule (BbSch) 60 (2008) 10
Betrachtet man die Motivzuschreibungen
zum Sportunterricht, so fällt auf, dass der
Schulsport für die Schüler insbesondere
wichtig ist, weil die Befragten dort „eine
gute Note bekommen können“ (M = 3,9 ±
0,9). Zudem schätzen sie den „Ausgleich
zum langen Sitzen“ (M = 3,8 ± 1,1) und
das Motiv „damit ich gesund bleibe“ (M =
3,8 ± 0,9) sehr hoch ein. Dies deckt sich
mit den Befunden der SPRINT-Studie
285
Sportunterricht
da die Freude am Sporttreiben entscheidend ist, um
Schülerinnen längerfristig
für den Sportunterricht und
für eine außerschulische
Sportaktivität zu begeistern.
Motive der Schüler
5
Bedeutung des Motivs
Jungen
Mädchen
4
Au
sg
le
ic
h
zu N
m ote
G Sit
Ka es ze
m un n
er dh
Fi
tn S ads eit
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sv ss af
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el t l
t u ös
nd en
Sp
or
t
Hoch signifikant (p<0.001)
unterscheiden sich männli3
che und weibliche Probanden auf den Aspekt des
2
„Wettkampfs“ im Sportunterricht. Diesen Befund teilen auch die Ergebnisse an1
derer Studien zum Schulsport. So bestätigt Opper
(1996b), dass Mädchen in
weitaus geringerem Maße
als die Jungen den Sportunterricht mit Leistungsvergleich verbinden. Dies beAbb. 5: Beweggründe des schulischen Sportunterricht differenziert nach Geschlecht. An- gründet Glorius (1998) dagabe von Mittelwerten (1 = stimmt überhaupt nicht; 2 = stimmt nicht; 3 = ich weiß nicht; mit, dass „Mädchen Lei4 = stimmt; 5 = stimmt genau so).
stungs- und Wettkampfgesichtspunkte gerne relativieren möchten. Eine starke Motivation geht von dem
(DSB 2006), in der „Gesundheit und Fitness fördern“ (88
Wunsch nach harmonischen Sozialkontakten aus“. Auch
% wichtig bis sehr wichtig) als auch „Ausgleich zu andeWydra (2000) stellt in dieser Hinsicht einen signifikanten
ren Fächern schaffen“ (77 % wichtig bis sehr wichtig) in
geschlechtsspezifischen Unterschied fest. Als Grund für
der Rangliste der Schülermeinungen zu den Motiven des
das geringere Interesse der Mädchen an einem LeistungsSportunterrichts ganz oben stehen (Gerlach et al. 2006).
vergleich im Sportunterricht sieht er darin, dass die SchüAuch die sportwissenschaftliche Literatur misst diesen
lerinnen im Sportunterricht gezwungen sind in einem Bebeiden Motiven eine hohe bzw. zentrale Bedeutung im
reich Leistung zu erbringen, der sich nicht an ihren InterZusammenhang mit den Zielen des Sportunterrichts bei.
essen, sondern eher an denen ihrer männlichen MitschüBalz (1990) als auch Brehm (1996) bezeichnen den Beler orientiert. Dies würde wieder an die zuvor diskutierte
reich der Gesundheitsförderung schon seit Anbeginn des
inhaltliche Orientierung des Sportunterrichts an den BeSchulsports als zentrales Argument für die Begründung
dürfnissen der Jungen anknüpfen.
dieses Unterrichtsfachs. Zudem betonen u. a. Liedtke
(1995) und Kleine (1994) die Aufgabe des SportunterEs gilt jedenfalls bezüglich des Geschlechtervergleichs
richts einen Ausgleich zu schaffen zu den sonst nur sitzenherauszustellen, dass Mädchen zum einen weniger Interden und vor allem kognitiven schulischen Tätigkeiten. Soesse an Anstrengung und Leistung im Sportunterricht zeimit hat der Schulsport die Möglichkeit der immer stärker
gen und zum anderen weniger stark bereit sind, einen
werdenden Bewegungsarmut entgegen zu wirken. Wie die
Leistungsvergleich im Sportunterricht anzustreben und
Ergebnisse zeigen, erkennen auch die Befragten dieser
ihnen der Schulsport zudem signifikant weniger Freude
Untersuchung diese Funktion für die eigene Person an.
bereitet als den Jungen. In diesem Zusammenhang muss
Betrachtet man nun den Unterschied zwischen weiblichen
und männlichen Befragten bezüglich der Motivzuschreibungen, so zeigen sich durchaus auch signifikante Unterschiede zwischen den Geschlechtern, die nun vereinzelt
näher erörtert werden sollen.
Schülerinnen und Schüler unterscheiden sich signifikant
in dem Motiv des Sportunterrichts „weil ich mich gerne
anstrenge“ (p<0.05). Dieser Befund deckt sich mit den
Ergebnissen der SPRINT-Studie (DSB 2006), die ebenfalls darauf hinweist, dass Jungen das Motiv „Leistung
und Anstrengung“ positiver bewerten als die Mädchen
(Gerlach et al., 2006).
Außerdem kann ein sehr signifikanter Unterschied
(p<0.01) zwischen Jungen und Mädchen in den Motiven
des Sportunterrichts „weil ich dort Verantwortung übernehmen darf“ und „weil er mir Freude macht“ festgestellt
werden. Gerade der sehr signifikante Unterschied im Motiv „weil er mir Freude macht“ sollte ein Warnsignal sein,
286
wohl tatsächlich daran gearbeitet werden, den Sportunterricht inhaltlich so umzustrukturieren, dass er auch auf die
Bedürfnisse der Schülerinnen eingehen kann und einen
Anreiz für die Schülerinnen darstellt, Leistung zu erbringen und für Erfolgserlebnisse im Leistungsvergleich mit
den eigenen Fähigkeiten als auch mit den Mitschülern zu
sorgen. Denn, wie Wydra (2000) unterstreicht, sind es genau diese Erfolgserlebnisse, die unabdingbar für das
Wohlbefinden in einem Unterrichtsfach sind und zusätzlich die Motivation zu weiterem Sporttreiben steigern.
3.2
Bewertung des Sportunterrichts
3.2.1 Lieblingsfächer
Zunächst wurde mittels einer offenen Frage nach den
Lieblingsfächern der Schüler gefragt, wobei die ersten
drei Nennungen berücksichtigt wurden. Deutlich die
meisten Nennungen erhielt der Sportunterricht als LiebDie berufsbildende Schule (BbSch) 60 (2008) 10
Themen
Somit besteht bezüglich der Wichtigkeit des
Sportunterrichts zwischen Jungen und Mädchen ein sehr signifikanter Unterschied (χ2
= 17,126; p<0,01). Das
bedeutet, dass die
männlichen Befragten
zu 76,9 % das Fach
Sport als „sehr wichtig“ oder zumindest
„wichtig“
erachten
während die weiblichen Befragten lediglich zu 57,7 % den
Sportunterricht
als
„sehr wichtig“ oder
Abb. 6: Lieblingsfächer der befragten Schüler differenziert nach Geschlecht. Mehrfachnen„wichtig“ einstufen.
nungen waren möglich. Die ersten drei Nennungen wurden berücksichtigt.
Noch deutlicher wird
dieser Unterschied bei
lingsfach. Mit einer Gesamtanzahl von n = 114 Nennunder Betrachtung der Schüler, die das Fach Sport als
gen steht das Fach Sport mit 24,9 % aller abgegebenen
„egal“ bis „unwichtig“ einschätzen. Auf Seiten der SchüStimmen auf Platz eins der Lieblingsfächer. Auf Platz
lerinnen sind es 42,3 % während dies nur auf 23,1 % der
zwei folgt mit 16,7 % aller Nennungen das Fach MatheSchüler zutrifft.
matik. Beim Vergleich der männlichen und weiblichen
Dieses Ergebnis ist wohl wiederum in den mehr auf die
Befragten zeigt sich, dass es signifikante Unterschiede
Wünsche und Bedürfnisse der Jungen zugeschnittenen
zwischen den Geschlechtern gibt (siehe Abb. 6). Während
Inhalte des Sportunterrichts begründet. Wie bereits ausbei den Schülern das Fach Sport mit 30,8 % aller Nennunführlich dargestellt neigen die Schülerinnen weniger dagen das Lieblingsfach schlechthin ist, führt bei den Schüzu, die üblichen Schulsportarten, wie zum Beispiel Fußlerinnen das Fach Mathematik mit 18,8 % der Stimmen
ball oder Basketball, in ihrer Freizeit zu betreiben und erdie Rangliste der Lieblingsfächer an. Das Fach Sport erkennen somit zugleich auch nicht den Wert dieser Sportreicht bei den weiblichen Befragten mit 17,4 % der Nenarten für ihre eigene Persönlichkeitsentwicklung an.
nungen „nur“ Platz zwei.
Brehm (1993) betont, dass die Wahrnehmung von SinnDie mangelnde Beliebtheit des Sportunterrichts unter den
losigkeit bei geforderten Handlungen im Sportunterricht
weiblichen Befragten sollte allerdings nicht generell als
ein sehr gravierender Anlass zur Ablehnung von sportlimangelndes Interesse an sportlicher Betätigung der Schücher Betätigung sein kann. Dieser Gefahr sollte man sich
lerinnen interpretiert werden. Dies belegt die Tatsache,
in der Diskussion, um die Inhalte des Sportunterrichts
dass 68,6 % der Schülerinnen angeben, in ihrer Freizeit
bewusst sein, um zu verhindern, dass Mädchen im Sportsportlich aktiv zu sein. Vielmehr sind wohl die Inhalte
des Sportunterrichts ein
Wichtigkeit des Sportunterrichts
Grund für die geringere Beliebtheit des selbigen auf Sei45
ten der Schülerinnen.
%
30 , 8
15 , 0
11,0
9, 9
9, 9
7, 5
5,5
4, 0
3, 2
1,2
0, 8
0, 8
0,4
-----
3.2.2 Bedeutung des
Sportunterrichts
40
35
30
25
Um im Weiteren die Wichtigkeit des Sportunterrichts
nach Meinung der Schüler zu
untersuchen wurden sie anhand einer geschlossenen
Frage gefragt wie wichtig ihnen persönlich der Sportunterricht sei. Es wurden die
Antwortmöglichkeiten „sehr
wichtig“, „wichtig“, „egal“,
„nicht sehr wichtig“ und „unwichtig“ vorgegeben. Differenziert nach Geschlecht ergibt sich das Bild in Abb. 7.
Prozentualer Anteil
Jungen (n = 135)
Spor t
Ma t hem at ik
Naturwissenschaften
Sprac h en
De utsc h
Fac hpr ax is
Sozialkunde
W ir t s c h a f t s l e h r e
Re ligio n
Rechnungswesen
P äd a go g ik
Gesc hic h te
Textverarbeitung
Tastschreiben
Hauswirtschaftslehre
Mädchen (n = 105)
Ma t hem at ik
Spor t
Naturwissenschaften
Sprac h en
De utsc h
W ir t s c h a f t s l e h r e
Sozialkunde
Re ligio n
T extver ar be itu n g
Pädagogik
Rec h nu n gs wes en
T astschr e ib e n
Fachpraxis
Hauswirtschaftslehre
Geschichte
%
18 , 8
17 , 4
14,5
14 , 0
10 , 6
8, 7
3,9
3, 4
2, 4
2,0
1, 4
1, 4
0,5
0,5
0,5
Jungen
Mädchen
20
15
10
5
0
sehr wichtig
wichtig
egal
nicht sehr
wichtig
unwichtig
Abb. 7: Wichtigkeit des Sportunterrichts nach Meinung der Schüler beruflicher Schulen im Saarland. Angaben in Prozent.
Die berufsbildende Schule (BbSch) 60 (2008) 10
287
Sportunterricht
3.2.3 Wochenstundenzahl im
Fach Sport
Zudem wurden die Schüler gefragt, ob sie mit der momentanen Wochenstundenzahl im Fach
Sport an beruflichen Schulen
zufrieden seien. Über alle Schulformen hinweg zeigen die Befunde dieser Studie, dass sich
die eindeutige Mehrheit der
Schüler (71,3 %) „mehr Sportunterricht“ als bisher wünscht.
Zufrieden mit der derzeitigen
Wochenstundenzahl sind nur 4,2
% und „weniger“ oder „gar keinen Sportunterricht“ wünschen
sich 20 % der Gesamtgruppe.
Die restlichen 4,5 % enthielten
sich einer Meinung.
Meinung zur Abschaffung des Sportunterrichts
60
Prozentualer Anteil
unterricht sich immer mehr zu
dem von Brehm (1990) beschriebenem „Verzicht-Typ“
entwickeln, der u. a. sich wohlfühlen nicht mit sportlicher Aktivität verbindet.
50
40
Jungen
Mädchen
30
20
10
0
sehr gut
gut
egal
schlecht
sehr schlecht
Abb. 9: Bewertung einer Abschaffung des schulischen Sportunterrichts in der Gesamtgruppe und differenziert nach männlichen und weiblichen Probanden. Angaben
in Prozent.
Während die Analyse der Gesamtgruppe bezüglich des
Umfangs des wöchentlichen Sportunterrichts gezeigt hat,
dass sich der Großteil der Befragten eine Erhöhung der
Wochenstundenzahl im Fach Sport wünscht, sind in der
Unterscheidung von Jungen und Mädchen hoch signifikante Unterschiede zu finden (χ2 = 25,746; p≤0,001).
fünf Antwortmöglichkeiten von „sehr gut“ bis „sehr
schlecht“ wählen. Der Vergleich der Antwortmuster beider Geschlechter zeigt einen hoch signifikanten Unterschied (χ2 = 34,966; p<0,001).
Prozentualer Anteil
Genauso wie die geringere Beliebtheit des Sportunterrichts unter den Schülerinnen oder die geringe Wichtigkeit, die sie diesem Schulfach für die eigene
3.2.4 Mögliche Abschaffung des Sportunterrichts
Person beimessen, ist die Neigung der Schülerinnen hin
zu einer Abschaffung des Sportunterrichts ein eindeutiIn diesem Zusammenhang wurden die Schüler danach geges Warnsignal an die Beteiligten am Sportunterricht.
fragt, was sie von einer möglichen Abschaffung des
Es müssen Wege gefunden werden, die die Wünsche
Sportunterrichts an ihrer Schule halten würden. Zur Beund Interessen der Mädchen stärker im Sportunterricht
antwortung dieser Frage konnten die Schüler zwischen
berücksichtigen (Wydra, Förster 2000).
Wunsch nach mehr oder weniger Sportunterricht
3.3 Bewertung der
Sportlehrerinnen und
100
Sportlehrer
90
Die Abb. 10 zeigt die BewerJungen
80
tung der Sportlehrerinnen und
Mädchen
70
Sportlehrer durch die Schüler
auf der Grundlage vorgegebe60
ner beschreibender Adjektive.
50
Die Mittelwerte der Gesamt40
gruppe, aber auch differenziert
30
nach Schülern, zeigen eine
20
durchweg positive Bewertung
10
der Lehrkräfte. Damit werden
die Ergebnisse aller bisherigen
0
Schulsportstudien bestätigt
mehr
genau soviel
weniger
gar kein
(DSB 2006). Positiv bewertetes
Lehrerverhalten macht nicht
nur den Schülern, sondern
Abb. 8: Gewünschter Umfang des wöchentlichen Sportunterrichts differenziert nach auch den Lehrern das Leben
leichter (Schmitz, Hermann,
männlichen und weiblichen Befragten. Angaben in Prozent.
288
Die berufsbildende Schule (BbSch) 60 (2008) 10
Themen
Bewertung der Sportlehrer
weiblichen Befragten als weniger
fair empfunden (Altenberger et
al. 2005).
7
4 Zusammenfassung
Nach Auswertung der Befragungsergebnisse kann sicherlich
5
festgehalten werden, dass der
4
Sportunterricht bei Schülern beruflicher Schulen beliebt und ak3
zeptiert ist. Die Gesamtgruppe
Jungen
2
bezeichnet ihn vor allen anderen
Mädchen
Fächern als absolutes Lieblings1
fach und misst ihm auch eine
überdurchschnittliche Wichtigkeit
im Rahmen der schulischen Bildung bei. Gerade deshalb wünschen sich die Schüler wohl mindestens zwei Stunden Sportunterricht in der Woche oder sogar
mehr, aber auf keinen Fall weniger Sportunterricht. Deshalb wird
auch eine Abschaffung des Unterrichtsfaches Sport in den beruflichen Schulen eindeutig als sehr
Abb. 10: Bewertung der Sportlehrerinnen und Sportlehrer durch die Schüler
negativ bewertet werden.
differenziert nach Geschlecht. Angabe von Mittelwerten (1 = sehr negativ;
Auch die Lehrer und Lehrerinnen
7 = sehr positiv).
schneiden in der Bewertung
durch
die
Schüler
sehr
gut
ab. Es werden überwiegend die
Rutzinger, Voreck 2007). Allein die Frage, ob die Sportpositiven
Qualitäten
des
Lehrkörpers
anerkannt. Die Lehlehrerin bzw. der Sportlehrer Vertrauenslehrer sein sollte,
rer
und
Lehrerinnen
gelten
besonders
als Fachexperten
wird mit einem relativ niedrigen Mittelwert eingestuft (M
und
zeichnen
sich
weiterhin
vor
allem
durch
ihren guten
= 3,4 ± 1,9). Auch von aktuellen Sportereignissen erzähpersönlichen
Kontakt
zu
den
Schülern
aus.
Somit
können
len die Sportlehrerinnen und Sportlehrer eher selten (M =
sie
sich
einer
überdurchschnittlichen
Beliebtheit
unter
den
3,9 ± 2,0).
Schüler erfreuen.
Auf der anderen Seite werden die Lehrer und Lehrerinnen
Der Sportunterricht dient den Schülern vor allem als Ausals besonders sachkompetent (M = 6,2 ± 4,8) eingegleich zu sonst überwiegend sitzenden und kognitiven Täschätzt, ihre Erklärungen werden von den Schülerinnen
tigkeiten an beruflichen Schulen und demnach wird die geund Schülern als sehr wertvoll eingestuft (M = 5,4 ± 1,5)
sundheitliche Bedeutung des Schulsports als überdurchund auch die Notengebung empfindet die Gesamtgruppe
schnittlich wichtig bezeichnet. Insgesamt bereitet er der
als eher gerecht (M = 5,3 ± 1,9). Ebenfalls wird die BeGesamtgruppe überdurchschnittlich viele Erfolgserlebnisliebtheit der Lehrer und Lehrerinnen als eher hoch eingese, verbessert die Kameradschaft in der Klassengemeinschätzt (M = 5,0 ± 1,7).
schaft, eröffnet ihnen die Möglichkeit zu vielfältigem Erleben und verbessert zudem ihre körperliche Fitness.
Differenziert man weiter in der dieser Arbeit zugrunde liegenden Studie zwischen weiblichen und männlichen BeAllerdings hat diese Arbeit auch eindeutig die Schwächen
fragten, so ergeben sich bis auf die Dimension „Notengedes Sportunterrichts an beruflichen Schulen aufgedeckt.
bung“, „Vermittlung von Freude am Sport“, „verständnisSo hat in dieser Untersuchung die Differenzierung nach
vollem Verhalten“ und „Berücksichtigung der körperliGeschlecht in fast allen Bereichen eine weniger positive
chen Möglichkeiten“ keine signifikanten Unterschiede
Bewertung des Sportunterrichts durch die weiblichen Bezwischen den Geschlechtern.
fragten aufzeigen können. Um den Sportunterricht für die
Mädchen wieder interessanter zu gestalten und sie gleichDie „Notengebung“ empfinden die Schülerinnen signifizeitig in stärkerem Maße für dieses Schulfach begeistern
kant weniger gerecht als die Schüler (p<0.05). Auch gezu können, muss ein erfolgreicher koedukativer Unterben die Schülerinnen im Vergleich zu den Schülern in
richt u. a. folgende Aspekte beachten:
signifikantem Maße an, dass ihre körperlichen MöglichDie Vermittlung der Lernstoffe muss bei den lebensweltkeiten weniger gut berücksichtigt werden (p<0.05). Aulichen Erfahrungen der Schülerinnen und Schüler ansetßerdem geben die Schülerinnen an signifikant weniger
zen, wenn sie diese erreichen soll. Lehren muß [sic], mit
Freude am Sport vermittelt zu bekommen als die Schüler
anderen Worten die individuelle Wahrnehmung von (Be(p<0.05). Diesen signifikanten Unterschied zwischen
wegungs-)Situationen durch die Lernenden berücksichtiMädchen und Jungen in der Dimension „Vermittlung von
gen […] Insbesondere müssen die subjektiven, oft geFreude im Sport“ erkannte auch Wydra (2000) in seiner
schlechtsspezifisch geprägten Deutungen von BewegungsStudie. Zudem werden in der Augsburger Studie zum
situationen ernst genommen werden: Es ist wichtig, ob ein
Schulsport die Sportlehrerinnen und Sportlehrer von den
ist
sa
ch
ko
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Bewertung
6
Die berufsbildende Schule (BbSch) 60 (2008) 10
289
Sportunterricht
Ball als Spielgerät oder als Geschoß [sic] wahrgenommen
wird, ob Ballbesitz als Erfolg oder als Bedrohung empfunden wird, ob ein Kasten als Einladung zum Sprung oder als
Mauer erlebt wird. (Kugelmann, 1996, S. 285)
Doch nicht nur methodisch sollte sich der Sportunterricht
den geschlechtsspezifischen Unterschieden bewusst sein,
sondern auch inhaltlich muss er mehr an den Wünschen
der Schülerinnen anknüpfen, um diese nicht zu Sportverweigerinnen werden zu lassen. Sportunterricht muss beiden Geschlechtern die Welt des Sports neu erschließen
und die Motivation zu weiterem Sporttreiben erhalten.
Finden diese Aspekte Berücksichtigung, wird es dem
Sportunterricht der beruflichen Schulen gelingen, nicht
nur für die Jungen das beliebteste Schulfach darzustellen,
welches in den Augen der Schüler eine Reihe von wichtigen Aufgaben im Kontext von Schule und Bildung erfüllt,
sondern auch in der Gunst und dem Interesse der Schülerinnen zu steigen.
Um auch weiterhin wertvolle Schüleraussagen im Bereich
der beruflichen Schulbildung zu erhalten, soll diese Arbeit
ferner als Anregung, dienen weitere Untersuchungen in
dem Bereich der beruflichen Schulen durchzuführen. So
kann ein noch größerer Teil der Schüler erfasst werden
und weitere Evaluationen führen zu aussagekräftigen Ergebnissen. Denn ohne Berücksichtigung der Meinungen
der Schüler, als direkt Beteiligte am Schulsport, sind Verbesserungen im Sportunterricht nicht sinnvoll bzw. nicht
zu bewerkstelligen.
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Wirtschaftspädagogisches Graduiertenkolleg der Universität
Paderborn nimmt zum 1. August 2008 die Arbeit auf
Initiiert durch das Ministerium für Schule und Weiterbildung des Landes Nordrhein-Westfalen hat das Department for
Business and Human Resource Education der Universität Paderborn ein Wirtschaftspädagogisches Graduiertenkolleg
eingerichtet, das mit 10 Lehrkräften zum 1. August 2008 seine Arbeit aufgenommen hat.
Das Wirtschaftspädagogische Graduiertenkolleg ist in dieser Form im deutschsprachigen Raum eine Innovation in der
Berufsbildungsforschung sowie auch in der Entwicklung von Lehrkräften. Dabei ist es theoretisch sehr anspruchsvoll
und hat zugleich eine hohe praktische Relevanz.
Das Graduiertenkolleg nimmt in der ersten Arbeitsphase, vorgesehen bis 2012, Forschungsfragen zur „Individuellen
Förderung: Kompetenzentwicklung und -diagnostik in der beruflichen Bildung“ in den Blick.
In diesem Zusammenhang werden schrittweise so genannte Forschungs- und Entwicklungsarenen als längerfristige Kooperationen von Wissenschaft und Praxis aufgebaut. In diesen Forschungs- und Entwicklungsarenen werden Prototypen entwickelt, die zur Lösung von Problemen der Berufsbildung beitragen sollen.
Maßgebliche Akteure dieser Arenen sind teilabgeordnete Lehrkräfte, die in Forschergruppen Lösungen zu schulpraktischen Fragestellungen entwickeln. Dabei qualifizieren sie sich neben ihrer Tätigkeit im Schuldienst über eine Promotion auch wissenschaftlich weiter.
Weitere Informationen zum Wirtschaftspädagogischen Graduiertenkollegs finden sich unter:
http://wiwi.upb.de/id/grad
290
Die berufsbildende Schule (BbSch) 60 (2008) 10
Themen
Stefan Staiger
Der A3-Bericht als Werkzeug im
Qualitäts- und Projektmanagement
Aufbau, Einsatzmöglichkeiten und Beispiele
für ein erfolgreiches Berichtskonzept
Winston Churchill wird die Aussage zugeschrieben „Die Länge dieses Dokuments ist der beste Schutz gegen die Gefahr, dass es gelesen wird.“ Der in Europa weitgehend unbekannte A3-Bericht versucht, die Länge eines Projektberichts auf das Format eines A3-Blattes zu beschränken. Die Erstellung dieses Berichtes dient dabei nicht nur der
Minimierung der Berichtslänge, sondern hilft auch bei der Bearbeitung und Präsentation von Projekten. Im Folgenden werden der Aufbau, die Erstellung und die Einsatzmöglichkeiten des bei Toyota entwickelten A3-Berichts
im Projekt- und Qualitätsmanagement mit Beispielen verdeutlicht.
1
Wozu ein A3-Bericht?
In deutschen Unternehmen werden Projekte häufig mit umfangreichen Unterlagen dokumentiert. Dinge schriftlich
festzuhalten, ist jedoch nicht nur als Dokumentation zum
späteren Nachlesen notwendig, sondern kann auch den
Denkprozess bei der Problemlösung wesentlich unterstützen. Bei Toyota wurde zur Dokumentation von Problemlösungsprojekten ein einfaches System entwickelt: der A3Bericht (Liker, Meier 2007). Das Format A3 wurde gewählt, weil es sich auf jedem Kopierer vervielfältigen lässt
und auch per Fax versendbar ist.
Nun kann man sich fragen, wie alle Informationen auf einem A3-Blatt Platz haben sollen. Dies ist natürlich nicht
möglich und auch nicht gewollt. Es werden nur die wichtigsten Informationen dargestellt. Die Erfahrungen bei Toyota
zeigen, dass dies möglich ist. Diese Art der Dokumentation
hat dabei drei große Vorteile:
– Der Bericht wird gelesen. Ein hervorragender Bericht,
den aufgrund seiner Länge von 30 Seiten niemand liest,
muss eigentlich auch nicht erstellt werden. Ein gut gemachter A3-Bericht jedoch wird gelesen.
– Der Bericht kann einfach kopiert und unmittelbar zur
Präsentation verwendet werden. Die Erstellung separater Präsentationsunterlagen ist nicht notwendig. Bei
Toyota darf eine Präsentation maximal 5 Minuten dau-
ern. Ein A3-Bericht kann in 3 bis 4 Minuten präsentiert
werden.
– Die Verdichtung der Informationen ist ein wichtiges
Hilfsmittel zur Unterstützung einer sinnvollen Vorgehensweise bei der Problemlösung, da sie das Augenmerk auf wesentliche Dinge lenkt.
Der A3-Bericht stellt auch die Umsetzung des japanischen
Ansatzes der Vermeidung von Verschwendung auf den Bereich der Dokumentation dar. Selbstverständlich müssen
auch im Zusammenhang mit A3-Berichten zahlreiche weitere Projektunterlagen erstellt und archiviert werden (z. B.
Protokolle der Projektteamsitzungen). Zudem kann zur detaillierten Dokumentation auch ein ausführlicher Projektbericht sinnvoll sein. Der A3-Bericht zeigt dann auch als
zusätzliche Berichtsform parallel zum ausführlichen Bericht seine genannten Stärken.
2
Aufbau und Arten von
A3-Berichten
A3-Berichte können als Vorschlagsbericht (z. B. Anschaffung einer Maschine), als Problemlösungsbericht (z. B. aktuelle Probleme in der Produktion), als Statusbericht (Information über den aktuellen Stand eines Projekts) und als Infobericht (dient ausschließlich der Information über bestimmte Inhalte) erstellt werden. Den groben Aufbau des
Thema des Statusberichts
Thema des Vorschlagsberichts
Einführung
Basiskonzept,
Hintergrund oder Basisstrategie
Integration der Strategie in das
Gesamtbild
Plan
(1) Hintergrund
Erforderliche
Bedingung
Begründung
erwarteter
Effekt
verantwortlich
Was ?
Wie ?
Warum ?
Was ?
Wer ?
(4) Gesamteffekt
(2) Ziele
Ungelöste Fragen
Vorschlag
Wie soll das Basiskonzept
umgesetzt werden ?
(wichtigste Punkte)
Ungelöste Fragen und
Vorschläge zur Überwindung
von Hürden und vorhersehbaren
Problemen
(3) Implementierung
(5) Ungelöste Probleme
zukünftige Aktionen
Aktionsplan (Zeitplan)
Wie soll der Plan umgesetzt
werden ?
Abb. 1: Aufbau des Vorschlags- und Statusberichts
Die berufsbildende Schule (BbSch) 60 (2008) 10
291
Qualitäts- und Projektmanagement
Vorschlags- und Statusberichts zeigt die Abbildung 1. Der
Infobericht wird nicht dargestellt, da er abhängig von den
darzustellenden Inhalten gegliedert wird.
3
Erstellung eines A3-Problemlösungsberichts
Die Vorgehensweise zur Erstellung von A3-Berichten wird
nun anhand des A3-Problemlösungsberichts vorgestellt
(vgl. Abb. 2). Nach Ausfüllen des Kopfes (Berichtsname,
Unternehmen/Schule, erstellt am, erstellt von, Mitglieder
des Projektteams) werden folgende Punkte bearbeitet:
(1) Problemsituation
Das Problem wird in einer Grafik oder mit Hilfe von Fotos
dargestellt. In maximal vier Aufzählungspunkten werden
die Situation und Auswirkungen des Problems auf das Unternehmen/die Schule beschrieben. Es muss deutlich werden, warum dieses Problem beseitigt werden sollte.
nach dem Konzept des Problemlösungsberichts erstellt und
wird hier als „Projektbericht“ bezeichnet. Der Bericht dokumentiert ein kleines Projekt als Reaktion auf das Ergebnis einer Selbstevaluation in Form einer Schülerbefragung
per Fragebogen. Die Problemsituation ergibt sich aus den
Antworten im Fragebogen und wird durch ein Balkendiagramm visualisiert. Die Problemanalyse stellt das Problem
in Kurzform, die Ziele und mögliche Ursachen dar. Die
Maßnahmen werden in Tabellenform dargestellt. Zur Visualisierung der Ergebnisse wird wieder ein Diagramm eingesetzt, in dem durch einen Pfeil das Ergebnis hervorgehoben wird. Der Bericht schließt mit einer Sammlung der zukünftigen Schritte, bei denen die Zuständigkeiten genannt
werden. Ein Beispiel für einen A3-Bericht eines Industrieprojektes steht auf den Webseiten der Gewerblichen Schulen Schramberg 3 zur Verfügung
4
(2) Problemanalyse
Es werden so viele Schaubilder, Grafiken und Diagramme
wie möglich verwendet, um das Problem und seine Hauptursachen einzugrenzen. Pfeile können zur Darstellung des
Informationsflusses hilfreich sein.
(3) Maßnahmen
Kurzfristige und langfristige Maßnahmen werden gesucht
und in einem Aktionsplan mit Terminen und Verantwortlichkeiten dargestellt.
(4) Ergebnisse
Die Ergebnisse der Gegenmaßnahmen werden dargestellt
und durch Grafiken oder Fotos visualisiert. Als Text sollten
wieder nicht mehr als vier Aufzählungspunkte verwendet
werden.
(5) Zukünftige Schritte
Hier wird dargestellt, ob das Problem weiter bearbeitet
wird, ob und welche Unterstützung durch Dritte benötigt
wird und wer für den Erhalt der Ergebnisse (Standardisierung der ergriffenen Gegenmaßnahmen) zuständig ist.
Abb. 3 zeigt beispielhaft einen im Rahmen der Qualitätsentwicklung erstellten A3-Bericht 2. Dieser Bericht wurde
Thema des Problemlösungsberichts
(1) Problemsituation
• Grafik(en) zur Problemdarstellung
• max. 4 Aufzählungspunkte für Text
zum Problem
• Warum soll das Problem beseitigt
werden ?
(3) Massnahmen
Maßnahme
verantwortlich
Zeitplan
Zeitplan
Was ?
Wie ?
Wer ?
Wann ?
Wann ?
(4) Ergebnisse
(2) Problemanalyse
• Problem und Hauptursachen
eingrenzen
• so viele Grafiken, Schaubilder und
Diagramme wie möglich
verwenden, um das Problem
einzugrenzen
• Ergebnisse der Gegenmaßnahmen
darstellen und durch Grafiken visualisieren
• max. 4 Aufzählungspunkte für Text
verwenden
(5) Zukünftige Schritte
• Darstellung der weiteren Bearbeitung des
Problems (falls notwendig)
• Zuständigkeit für Erhalt der Ergebnisse
(Standardisierung)
Abb. 2: Aufbau des Problemlösungsberichts1
292
Gestaltung und Formatierung
von A3-Berichten
Bei der Gestaltung und Formatierung sollten folgende Dinge beachtet werden:
– Text weitgehend vermeiden: „Ein Bild sagt mehr als
tausend Worte.“
– Wenn Text notwendig ist, verwendet man Stichworte
und Punktaufzählungen statt ganzer Sätze.
– Text und Grafiken sollten gut lesbar sein.
– Farbdarstellungen z. B. in Diagrammen sollten vermieden werden, da diese beim Kopieren auf gebräuchlichen
A3-Schwarz-Weiß-Kopierern verlorengehen.
– Ähnliche Informationen sollten ähnlich dargestellt werden. So sollten z. B. Diagramme die gleiche Skalierung
besitzen.
– Bei Tabellenkalkulationsprogrammen (z. B. Microsoft
Excel) zur Darstellung von Diagrammen sollte man
selbst Schriftgröße, Schriftart und Darstellung anpassen. Die Standardeinstellungen sind selten für eine optimale Darstellung geeignet.
– Der A3-Bericht sollte visuell ausgewogen gestaltet werden (z. B. durch gleichmäßige Raumaufteilung und ähnliche Größe von Diagrammen).
Zur Erstellung des Berichts kann verschiedene Software
verwendet werden. Eine einfache Möglichkeit besteht darin, den Bericht als A4-Dokument in einem Textverarbeitungsprogramm (z. B. Word) auf Basis einer Tabelle als
Layoutgrundlage zu erstellen. Das A4-Blatt kann auf jedem
üblichen Drucker ausgedruckt werden (höchstmögliche
Auflösung im Druckertreiber einstellen, mindestens 600
dpi). Das ausgedruckte A4-Blatt wird dann auf einem Kopierer auf A3 vergrößert und ausschließlich in diesem Format weitergegeben. Im A4-Dokument sollte minimal
Schriftgröße 7 Pt verwendet werden. Grafiken werden in
einer Tabellenkalkulation (z. B. Excel) erstellt und als Grafik 4 eingefügt (dann kann die Größe problemlos verändert
werden, ohne die Formatierung zu verändern).
5
Einsatzmöglichkeiten und Beispiele
Der A3-Bericht kann (bei entsprechender Anpassung) für
jeden Zweck als Berichtsformat dienen. Der Autor hat in
Die berufsbildende Schule (BbSch) 60 (2008) 10
Themen
Abb. 3: Beispiel: A3-Bericht eines Qualitätsentwicklungsprojektes
Die berufsbildende Schule (BbSch) 60 (2008) 10
293
Qualitäts- und Projektmanagement/IT-Berufe
zwei Bereichen positive Erfahrungen gesammelt: Im Qualitätsmanagement und im Bereich Projektbericht für Unterrichtsprojekte.
In vielen Bundesländern werden derzeit an den Schulen Systeme zur Qualitätsentwicklung erprobt und installiert. Die
in diesem Rahmen durchgeführten Projekte müssen für die
interne Kommunikation im Lehrerkollegium und für Fremdevaluationen dokumentiert werden. An den Gewerblichen
und Hauswirtschaftlichen Schulen Schramberg erprobte
der Autor die Dokumentation von Qualitätsprojekten im
Rahmen des baden-württembergischen OES-Konzeptes 5 in
Form von A3-Berichten zum Aushang im Kollegium, als
Basis für Präsentationen und als Kurzform von Berichten
für die Fremdevaluation.
Der A3-Bericht erwies sich dabei als gut geeignetes Werkzeug zur Kommunikation und auch als Grundlage zur
Steuerung der Arbeit von Projektgruppen, die anhand des
Berichtsaufbaus Orientierung zum Ablauf Ihrer Arbeit erhielten.
Auch Unterrichtsprojekte lassen sich nach Erfahrung des
Autors erfolgreich in A3-Form dokumentieren. Entsprechende Unterlagen und Übungsaufgaben stehen auf der
Webseite der Gewerblichen Schulen Schramberg 6 zur Verfügung. Nachdem die Schüler einen A3-Bericht auf der Basis einer Übungsaufgabe erstellt haben, können Sie auch
versuchen, eigene Projekte in dieser Form zu dokumentieren.
6
Resümee
A3-Berichte stellen ein vergleichsweise einfaches Werkzeug zur Kommunikation von Projekten dar. Durch ihren
strukturierten Aufbau und das begrenzte Platzangebot helfen sie bei der Beschränkung auf das Wesentliche. Sie können als Hilfe bei der Durchführung von Projekten, als
Kurzdokumentation und als Berichtsgrundlage dienen und
sind in vielen Bereichen einsetzbar. Damit sind A3-Berichte wie viele aus der japanischen Industrie stammende Ideen auch bei uns sinnvoll einsetzbare und empfehlenswerte
Werkzeuge.
Anmerkungen
1
2
3
4
5
6
Die mehrfache Aufführung der Spalte „Zeitplan“ im Bereich „Maßnahmen“
dient zur Strukturierung der Maßnahmen bzw. zur Unterteilung in kurzfristige
und langfristige Maßnahmen.
Der Inhalt des Berichts wurde aus Gründen des Datenschutzes vom Autor geändert.
www.bsz-schramberg.de (Materialien – Produktionsorganisation –
A3_Bericht_Industrieprojekt).
Beim Arbeiten mit Word und Excel kopiert man die Grafik zunächst in Excel
durch Markieren und „Kopieren“ und fügt sie in Word durch „Bearbeiten – Inhalte einfügen – Grafik“ ein.
Informationen zum OES-Projekt (Operativ eigenständige Schule): www.oesbw.de
Sie finden die Übungsaufgabe unter www.bsz-schramberg.de (Materialien Produktionsorganisation – Uebung_A3_Bericht).
Literatur
Liker, Jeffrey K./Meier, David P. 2007: Praxisbuch: Der Toyota Weg. München.
Unterricht
Jens Siemon
Geschäftsprozessmodellierung für IT-Berufe
Die Analyse und Modellierung von Geschäftsprozessen hat in der beruflichen Informatik eine zentrale Bedeutung. Auch in der Berufsausbildung von IT-Fachkräften nimmt sie spätestens seit der Neuordnung der IT-Ausbildungsberufe einen festen Platz in den Rahmenlehrplänen ein. Aufgrund der Komplexität des Themas Geschäftsprozessmodellierung ist die unterrichtliche Umsetzung allerdings recht schwer. Im vorliegenden Beitrag werden
zunächst die Bedeutung von Geschäftsprozessen für die Ausbildung von IT-Fachkräften und die Schwierigkeiten,
die Lernende im Umgang mit komplexen Aufgabenstellungen haben, genauer betrachtet. Anschließend wird ein
komplexes Lehr-Lern-Arrangement vorgestellt, das zur unterrichtlichen Einführung in die Thematik Geschäftsprozessmodellierung eingesetzt werden kann. Es bereitet gleichzeitig auf die weiteren Lernfelder der schulischen
Ausbildung von IT-Berufen vor, in denen eine Geschäftsprozessanalyse jeweils der Ausgangspunkt für vertiefende
Einblicke in die Tätigkeitsfelder in der Informations- und Telekommunikationsbranche darstellt.
1
Bedeutung von Geschäftsprozessen
für die Ausbildung von IT-Fachkräften
Der Umgang mit Geschäftsprozessen in der Ausbildung
von IT-Berufen hat in dreierlei Hinsicht eine besondere Bedeutung.
– IT-Berufe gehören zu denjenigen Dienstleistungsberufen, die anderen Unternehmen ihre Dienste anbieten
(business-to-business oder auch B2B-Anbieter). Zur Erbringung ihrer Dienstleistungen benötigen Mitarbeiter
ein Verständnis der Tätigkeitsfelder ihrer Kunden, das
sich aus der Analyse und Modellierung der jeweiligen
294
Geschäftsprozesse ergibt (IT-Dienstleistungsperspektive).
– In den 1997 neu geordneten Rahmenlehrplänen für ITBerufe wurde der Analyse und Modellierung von Geschäftsprozessen durch die Einführung eines eigenen
Lernfeldes ein fester Bereich im schulischen Teil der
Ausbildung eingeräumt (Kernqualifikationsperspektive).
– Geschäftsprozessmodelle sind in der Ausbildung von
IT-Berufen der Ausgangspunkt, von dem ausgehend
Problemstellungen und Handlungsbedarfe in Lernsituationen erkannt und verstanden werden (Situierungsperspektive).
Die berufsbildende Schule (BbSch) 60 (2008) 10
Unterricht
Diese Perspektiven sollen nachfolgend genauer untersucht
werden.
1.1 IT-Dienstleistungsperspektive
Zu Beginn der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts gerieten
Unternehmen im Zusammenhang mit einer zunehmenden
Globalisierung und einer spürbaren Veränderung des Nachfrageverhaltens ihrer Kunden unter Druck, die eigenen Abläufe zu optimieren und den Marktbedürfnissen anzupassen. Kunden nahmen vermehrt eine Austauschbarkeit der
angebotenen Produkte und Dienstleistungen wahr. Sie zeigten zunehmend eine Bereitschaft, etablierte Marken durch
neue Angebote zu ersetzen. Diese Bereitschaft machte sich
im B2B-Bereich insbesondere dadurch bemerkbar, dass
Kunden mehr und mehr bereit waren, auch langfristige Geschäftsbeziehungen aufzulösen (ausführlicher in Siemon,
2007a).
Um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen und damit einerseits bestehende Kundenkontakte zu behalten und andererseits neue Kontakte zu gewinnen, setzen mittlerweile annährend alle Unternehmen auf ein umfassendes Prozessmanagement. Darunter werden planerische, organisatorische und kontrollierende Maßnahmen zur zielorientierten
Steuerung der Wertschöpfungskette verstanden (Gaitanides
et al., 1994, S. 3). Prozessmanagement wird zumeist kooperativ von Mitarbeitern des Unternehmens und externen
Beratern durchgeführt. Auf beiden Seiten sind immer auch
IT-Fachkräfte beteiligt, mit deren Know-how Optimierungspotentiale erkannt und anschließend informationstechnisch umgesetzt wird.
Entsprechend wichtig ist die Geschäftsprozessanalyse und
-modellierung auch für Auszubildende in IT-Berufen. Die
Geschäftsprozesse der Kunden sind auch für die Auszubildenden der Ausgangspunkt für alle weiteren IT-bezogenen
Lernaktivitäten. Wie der Umgang mit Geschäftsprozessen
curricular umgesetzt wurde, zeigt der folgende Abschnitt.
1.2 Kernqualifikationsperspektive
Die Kultusministerkonferenz hat 1997 durch den Erlass
neuer Rahmenlehrpläne für gewerblich-technische und
kaufmännische IT-Berufe die zuvor beschriebenen Anforderungen aus der Prozessmanagementperspektive explizit
aufgegriffen (Kultusministerkonferenz, 1997).
In dem „Lernfeld 2: Geschäftsprozesse und betriebliche
Organisation“ (erstes Ausbildungsjahr, Zeitrichtwert: 40 –
80 Unterrichtsstunden) werden die folgenden Ziele beschrieben:
„Die Schülerinnen und Schüler sind in der Lage, anhand von Leistungs- und Informationsflüssen einen typischen Geschäftsprozess zu analysieren und modellhaft abzubilden.
Darauf aufbauend beschreiben sie eine prozessorientierte Ablauforganisation und stellen einen Zusammenhang zu betrieblichen Funktionen her.
Sie können den gestalteten Prozess anhand ausgewählter Indikatoren überprüfen.“ (Kultusministerkonferenz,
1997, S. 7)
Mit dieser Zieldefinition wird die Geschäftsprozessanalyse
und -modellierung den so genannten Kernqualifikationen
zugeordnet, also jenem Teil der Ziele, der berufsübergreifende Bildungsziele beschreibt und für alle IT-Berufe gleichermaßen Gültigkeit hat. Für die kaufmännischen IT-Berufe Informatikkaufmann/-frau und IT-Systemkaufmann/frau steht im Lernfeld 2 mit 80 Stunden deutlich mehr Zeit
zur Verfügung, als für die gewerblich-technischen IT-Berufe Fachinformatiker/-in Fachrichtung Anwendungsentwicklung, Fachininformatiker/-in Fachrichtung Systemintegration und Systemelektroniker/-in. Aber auch bei diesen Ausbildungsberufen sind 40 Unterrichtsstunden als Zeitrichtwert vorgesehen. Für die kaufmännischen IT-Berufe sind
zusätzliche, so genannte berufsspezifische Qualifikationsund Bildungsziele (Fachqualifikationen) in die Lehrpläne
aufgenommen worden. Im Einzelnen ist dies
–
der Einbezug von Werteflüssen in die Geschäftsprozessanalyse
und -modellierung,
–
die Aufbauorganisation
und
–
die Prozesskostenrechnung.
Übersicht über die Lernfelder für den Ausbildungsberuf Fachinformatiker/Fachinformatikerin
Lernfelder
Zeitrichtwerte
gesamt
SI
AE
1. Jahr
2. Jahr
3. Jahr
SI
1
Der Betrieb und sein Umfeld
20
20
20
2
Geschäftsprozesse und betriebliche Organisation
40
40
40
3
Informationsquellen und Arbeitsmethoden
40
40
40
4
Einfache IT-Systeme
100
100
100
AE
Welcher Geschäftsprozess
beschrieben werden soll,
5 Fachliches Englisch
60
60
20
20
20
20
bleibt in den Ziel- und In6 Entwickeln und Bereitstellen
haltsangaben offen. Bei den
220
300
100
80
40 120
von Anwendungssystemen
Lehrplänen der kaufmän7 Vernetzte IT-Systeme
140
100
100
40
nisch ausgerichteten Berufe
8 Markt- und Kundenbeziehungen
60
60
40
20
20
findet sich zwar der Hinweis, dass es sich um einen
9 Öffentliche Netze, Dienste
40
40
40
branchentypischen
Ge10 Betreuung von IT-Systemen
120
80
120
80
schäftsprozess
handeln
soll.
11 Rechnungswesen und Controlling
40
40
40
40
Welche Branche nach welSummen
880
320
280
280
chen Kriterien ausgewählt
SI: Fachrichtung Systemintegration, AE: Fachrichtung Anwendungsentwicklung
und betrachtet wird, bleibt
aber auch in den kaufmänniAbb. 1: Übersicht über die Lernfelder für den Ausbildungsberuf Fachinformati- schen Lehrplänen offen.
ker/Fachinformatikerin (Kultusministerkonferenz, 1997, S. 6)
Die berufsbildende Schule (BbSch) 60 (2008) 10
295
IT-Berufe
Es gibt aber zwei Gründe dafür, dass es sich nicht zwingend
um Geschäftsprozesse der IT-Branche handeln sollte. Erstens arbeiten mehr als die Hälfte der IT-Fachkräfte und damit vermutlich auch der IT-Auszubildenden nicht in Unternehmen der IT-Branche, sondern in IT-Anwenderunternehmen ganz unterschiedlicher Branchen (BITKOM; Roland
Berger, 2007, S. 17). Und zweitens hat das Lernfeld 2 eine
Einführungsfunktion in die Geschäftsprozessanalyse und modellierung, die im Sinne einer Curriculumsspirale in
weiteren Lernfeldern erneut aufgegriffen und ausdifferenziert wird. Dort können dann ausgehend von den Geschäftsprozessen der Kunden die Geschäftsprozesse der ITDienstleister erarbeitet werden. Dieses Argument wird im
nachfolgenden Abschnitt unter der Überschrift der Situierungsperspektive genauer betrachtet.
1.3 Situierungsperspektive
Die Dienstleistung einer IT-Fachkraft zielt immer darauf
ab, eine Informations- und Kommunikationsinfrastruktur
bereitzustellen, mit der ein Anwender, sei es ein Unternehmen oder eine Privatperson, bestimmte Ziele erreichen
kann. Das bedeutet, dass es bei jeder IT-Dienstleistung immer mindestens zwei Geschäftsprozessebenen zu beachten
gilt:
1. Die Prozesse des IT-Anwenders, der seine Ziele durch
den optimierten Einsatz von IT-Infrastruktur (Hard- und
Software) erreichen will (Ebene der Anwenderprozesse)
sowie
2. die Prozesse des IT-Dienstleisters, die dazu führen, dass
dem IT-Anwender die erforderliche Infrastuktur zur Verfügung steht (Ebene der IT-Dienstleistungsprozesse).
Diese beiden Prozessebenen finden sich in jedem Lernfeld
der Rahmenlehrpläne für IT-Berufe, das sich auf IT-Dienstleistungen bezieht, d. h. in etwas mehr als der Hälfte der
Lernfelder mit einem Stundenanteil von etwa ¾ der zur
Verfügung stehenden Unterrichtsstunden (vgl. Abb. 1, grau
unterlegte Lernfelder). Diese beiden Prozessebenen sind
charakteristisch für die IT-Berufe, weil nur bei diesen das
berufliche Tätigkeitsfeld (fast ausschließlich) auf die Analyse, Gestaltung und infrastrukturellen Unterstützung der
Geschäftsprozesse der Kunden ausgerichtet ist.
Die Analyse der Geschäftsprozesse der Kunden ist somit
immer der Ausgangspunkt, aus dem heraus in der IT-Branche berufliche Handlungssituationen und in der Ausbildung
der IT-Auszubildenden entsprechende Lernsituationen entstehen (Ebene der Anwenderprozesse).
Aus diesen Situationen heraus erschließt sich das berufliche Tätigkeitsfeld für die Auszubildenden, das durch die typischen Geschäfts- und Arbeitsprozesse der IT-Branche gekennzeichnet ist (Kultusministerkonferenz, 2007, S. 4)
(Ebene der IT-Dienstleistungsprozesse). Nicht nur wegen
dieser beiden aufeinander bezogenen Handlungsebenen ist
das Arbeiten in der IT-Branche ein ausgesprochen komplexes Handlungsfeld.
2
Komplexität in der IT
Die Planung von IT-Projekten beginnt typischerweise bei
der Analyse und Modellierung der vorfindbaren Situation
beim Kunden (Ist-Konzept). Anschließend wird ein Soll296
Konzept entwickelt, das die Wünsche und Vorstellungen
des Kunden mit dem technisch, zeitlich und finanziell
Machbaren in Einklang bringt (Ebene der Anwenderprozesse). Für die Realisation des Soll-Konzeptes wird ein
Plan aufgestellt und so weit ausdifferenziert, dass für jeden
einzelnen Schritt klare Handlungsanweisungen vorliegen
(IT-Dienstleistungsprozesse).
Dass gerade dieser Planungsteil in der IT-Branche eine der
größten Schwierigkeiten darstellt, belegen Erhebungen wie
die der Unternehmensberatung Kienbaum. Danach erreichen 40 bis 50% der Softwareprojekte ihre geplanten Ziele
nicht. Die Unternehmensberatung Standish Group spricht
gar von 74%. Nach beiden Studien liegen die Gründe für
das Scheitern von IT-Projekten bereits in der Planung begründet.
Das in der Planungsphase bei vielen IT-Projekten das Risiko des Scheiterns bereits angelegt wird, liegt daran, dass
Menschen häufig Schwierigkeiten haben, sich in „komplexen, dynamischen, vernetzten, intransparenten und normativ ambivalenten Situationen zu orientieren und darin vernünftig zu handeln“ (Tramm, 1996, S. 250). Menschen neigen bei der Lösung komplexer Probleme zunächst eher dazu, in Kausalketten statt in Beziehungsnetzen zu denken
bzw. isolierte Beziehungen statt komplexer Zusammenhänge zu berücksichtigen. Auch Fern- und Nebenwirkungen
oder zeitversetzt auftretende Mechanismen werden dabei
vielfach außer Acht gelassen. Typisch für gescheiterte Versuche komplexe Probleme zu lösen ist weiterhin eine ungenügende Situationsanalyse und -modellierung sowie eine
ungenügende Klärung der Zielinterdependenzen und Zielhierarchien. Letztlich wird auch der Eigendynamik des Systems zu wenig Beachtung geschenkt. Insgesamt wird bei
der Lösung von Problemen insbesondere unter Zeitdruck
eher ein Reparaturdienstverhalten an den Tag gelegt als ein
adäquates Verhalten, das Probleme von einer Symptomanalyse ausgehend intensiv behandelt (Dörner et al., 1983;
Dörner, 1989).
IT-Infrastrukturen zeichnen sich in hohem Maße durch die
zuvor beschriebenen Merkmale Komplexität, Dynamik,
Vernetztheit und Intransparenz aus. Gerade aus diesem
Grund ist der Planung von IT-Projekten und damit unter anderem der Geschäftsprozessanalyse und -modellierung bereits während der Ausbildung mehr Aufmerksamkeit zu
widmen. In der didaktischen Forschung und Unterrichtspraxis haben sich komplexe LLAs bewährt, mit denen die
Lernenden den Umgang mit komplexen Situationen systematisch und handlungsorientiert erlernen (Achtenhagen,
1992; Dubs, 1996; Fürstenau et al., 1999). Für die Ausbildung im IT-Bereich steht seit kurzem ein kLLA in Form einer Fallstudie zur Verfügung, die im Folgenden vorgestellt
werden soll.
3
Fallstudie
Geschäftsprozessmodellierung
Das Projekt zur Erarbeitung der Fallstudie Geschäftsprozessmodellierung wurde aus Mitteln des Multimedia Kontor Hamburg finanziert. Seit Ende 2006 wird das komplexe
Lehr-Lern-Arrangement (KLLA) in unterschiedlichen Szenarien eingesetzt und erprobt.
Eingebettet ist die Fallstudie in eine Serie komplexer LehrLern-Arrangements, die auf den Datenkranz des ModellunDie berufsbildende Schule (BbSch) 60 (2008) 10
Unterricht
ternehmens A & S GmbH als gemeinsame Basis zugreifen
(Achtenhagen et al., 1999). Die unterschiedlichen kLLAs
des Modellunternehmens können getrennt voneinander
oder auch als Sequenz aufeinander aufbauender Arrangements eingesetzt werden, um einführende oder vertiefende
Einblicke in Bereiche zumeist kaufmännischer Tätigkeiten
zu erhalten. So ist das KLLA Virtuelle Betriebserkundung
eine ganzheitliche, multimedial unterstützte Einführung in
die industrielle Produktion am Beispiel einer Produktionsplanung (Siemon, 2001). Ein Rollenspiel behandelt als weiteres kLLA die zumeist konträren Ziele und Interessenlagen von Anspruchsgruppen eines Industrieunternehmens
im Kontext einer größeren Investitionsentscheidung (Siemon, 2007b). Auch ein Grundkurs Rechnungswesen bezieht sich auf den Datenkranz des Modellunternehmens
(Preiß & Getsch, 2006).
Die Fallstudie Geschäftsprozessmodellierung greift die
Konstruktionskriterien komplexer Lehr-Lern-Arrangements auf (Achtenhagen, 1996) und setzt diese mit der spezifischen Methodik einer Fallstudie um.
– Ausgegangen wird zunächst von einem didaktischen Simulationsmodell, dem so genannten Modellunternehmen, in dem die Lernenden definierte Rollen einnehmen
und in funktionsspezifisch-realistischer Weise unter
Nutzung realitätsanaloger Arbeitsmittel agieren (Tramm,
1991, S. 248). In der Fallstudie Geschäftsprozessmodellierung nehmen die Schüler die Rolle eines externen Unternehmensberaters ein, der den Auftrag erhält, die Geschäftsführung des Modellunternehmens A & S GmbH
bei der Umgestaltung/Optimierung der kundenorientierten Geschäftsprozesse zu unterstützen. Als Arbeitsmittel
steht den Lernenden das Modellierungswerkzeug ARISToolset (Scheer, 2002) zur Verfügung.
– Durch die eigenen Modellierungsaktivitäten, die auf den
verschriftlichten Angaben fiktiver Mitarbeiter des Modellunternehmens A & S GmbH beruhen, wird für die
Schüler schnell sichtbar, dass die Abläufe und Strukturen deutliche Verbesserungspotentiale aufweisen. Im
Verlauf der Ist-Analyse betrachten die Lernenden die
Aufbauorganisation des Unternehmens, den Funktionsbaum sowie dessen Wertschöpfungskette und modellieren erst im letzten Schritt den Anfrage-Angebot-Auftrag-Prozess (AAA-Prozess) in Form einer erweiterten
ereignisgesteuerten Prozesskette (eEPK). Der modellierte AAA-Prozess kann zu diesem Zeitpunkt bereits mit
den zuvor durch das ARIS-Toolset erfassten Objekten
der Aufbauorganisation, des Funktionsbaumes sowie der
Wertschöpfungskette vernetzt werden.
– Schon bei der Modellierung der Ist-Situation erkennen
die Lernenden unnötige Verzögerungen des Ablaufs, Ineffizienzen sowie viele unnötige Wechsel zwischen den
Funktionsbereichen. Sie entwickeln bereits Ideen, wie
der Anfrage-Angebot-Auftrags-Prozess effizienter gestaltet werden kann. Deutlich wird daran das didaktische
Prinzip, nach dem durch die Aktivitäten der Schüler die
Dynamik des Systems entsteht bzw. weiterentwickelt
wird und eben dadurch die Schüler zu weiteren Aktivitäten angeregt werden (Tramm, 1991, S. 248).
– Bei der schrittweisen, angeleiteten Fallstudie erlernen
die Schüler zunächst die Übertragung von verbalen Informationen in ein formales Unternehmensmodell
(erste Phase der Fallstudie). Darin ist aber bereits die
nächste Phase der Fallstudie angelegt, in der die LernenDie berufsbildende Schule (BbSch) 60 (2008) 10
1. Vorbereitungen in ARIS treffen
2. Aufnahme der Organisationseinheiten
1
3. Darstellung der Funktionssicht
4. Abbildung des aktuellen
Wertschöpfungskettendiagramms
5. Detaillierte Modellierung des
AAA-Prozesses in Form einer eEPK
6. Analyse des IST-Prozesses
2
3
7. Modellierung des Soll-Konzeptes
8. Präsentation und Diskussion
des Soll-Konzeptes
9. Reflexion des Lernprozesses
Abb. 2: Ablauf der Fallstudie
den die Geschäftsführung beraten sollen, wie die Informations-, Güter- und Werteflüsse im Sinne der Unternehmensziele verändert werden können. Diese zweite
Phase bietet die Möglichkeiten, die in angeleiteten Situationen erworbenen Fähigkeiten auf neue Situationen zu
übertragen. Die Unterstützung durch den Lehrer kann
nach und nach zurückgenommen werden bzw. sich mehr
auf die ökonomischen Ziele und Inhalte richten. Eine
Präsentation und Diskussion der Lernergebnisse sowie
eine Reflexion des Lernprozesses schließen die Fallstudienarbeit ab (dritte Phase der Fallstudie).
– Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass die branchentypischen Geschäftsprozesse von IT-Fachkräften mit der
Analyse vor Ist- und der Erarbeitung von Soll-Konzepten beginnen. Die in der Fallstudie erworbenen Fähigkeiten sind in diesem Zusammenhang jeweils der Ausgangspunkt, von dem aus die Projektziele und die Projektarbeit organisiert werden. Die in der Fallstudie neu
erworbenen Modellierungsfähigkeiten können die typischen Fehler der Situations- und Problemanalyse innerhalb eines Projektmanagements vermeiden helfen.
– Aber auch in den weiteren Lernfeldern der schulischen
Ausbildung von IT-Fachkräften kann auf die erworbenen
Analyse- und Modellierungsfähigkeiten zurückgegriffen
werden, um Lernsituationen zu strukturieren und Lernwie Handlungsziele zu verdeutlichen.
4
Verfügbarkeit und Zugang
Die Materialien für die Fallstudie Geschäftsprozessmodellierung stehen nach umfangreichen Tests jetzt in Form von
297
IT-Berufe
Druckvorlagen (PDF) zur Verfügung und können kostenlos
von der Website 1 des Instituts für Berufs- und Wirtschaftspädagogik der Universität Hamburg herunter geladen werden.
Anmerkung
Das Lehr-Lern-Material besteht aus drei Teilen:
Literatur
– Fallstudie: Der erste Teil enthält die eigentliche Fallstudie und basiert auf einer narrativen Situationsbeschreibung, aus der heraus die Lernenden anhand von 12 Teilaufgaben zu Lern-Aktivitäten anregen werden.
Achtenhagen, F. 1992: Mehrdimensionale Lehr-Lern-Arrangements – Innovationen
in der kaufmännischen Aus- und Weiterbildung. In: F. Achtenhagen, E. G. John
(Hrsg.) 1992: Mehrdimensionale Lehr-Lern-Arrangements – Innovationen in der
kaufmännischen Aus- und Weiterbildung. Wiesbaden, S. 3–11.
– Einführung in ARIS-Toolset: Zur Bearbeitung der Aufgaben können die Schüler auf den zweiten Teil des Materials zurückgreifen. Darin finden sie eine umfangreiche Anleitung zum Umgang mit dem ARIS-Toolset.
Auf die jeweils relevanten Abschnitte des zweiten Teils
wird aus der eigentlichen Fallstudie heraus verwiesen.
– Theorie zu Geschäftsprozessen: Im dritten Teil der Fallstudie finden sich die theoretischen Grundlagen der Geschäftsprozessmodellierung.
Durch die Verknüpfung der Fallbeschreibung, der praktischen Anleitung und der zugrunde liegenden Theorie wird
ein Wechselspiel aus fallbezogenen Lernen und Phasen der
Systematisierung der gesammelten Erfahrungen ermöglicht und unterstützt (Achtenhagen, 1996, S. 38).
Zusätzlich zu den Materialien der Fallstudie steht für Lehrende eine Anleitung zur Verfügung, die die technischen
Voraussetzungen beschreibt, die für den Einsatz der Fallstudie im Unterricht erforderlich sind. Das ARIS-Toolset kann
sowohl als Einzelplatzsystem auf Rechnern als auch als
Client-Server-Lösung installiert werden, bei der die Schüler unabhängig von ihren jeweiligen Arbeitsplätzen die Daten in einer gemeinsamen ARIS-Datenbank ablegen.
Abschließend finden sich auf der Website Links und Hinweise zur Verfügbarkeit der Software ARIS-Toolset und ein
spezifischer Filter, der eingesetzt werden sollte, um die
vielfältigen Möglichkeiten der Modellierungssoftware auf
eine für Anfänger überschaubaren Menge relevanter Basisfunktionen zu reduzieren.
5
Fazit
Die Geschäftsprozessmodellierung ist eine der Kernqualifikationen für IT-Fachkräfte. Sie ist ausgesprochen kompliziert zu vermitteln und zu erlernen. Aus diesem Grund wurde ein komplexes Lehr-Lern-Arrangement entwickelt, das
es Lehrenden wie Lernenden erleichtern soll, schon die
Einführung in die Geschäftsprozessmodellierung handlungsorientiert zu gestalten. So kann für Schüler und Auszubildende eine solide Grundlage für weiteren prozessorientierten Unterricht aufgebaut werden.
Die Fallstudie Geschäftsprozessmodellierung ist aus dem
Engagement von Studierenden heraus entstanden und zum
Teil auch aus öffentlichen Mitteln finanziert worden. Sie
wird bereits an zwei Hamburger Berufsschulen erfolgreich
eingesetzt und steht jetzt zum kostenfreien Download bereit. Es ist zu wünschen, dass sie weiteren Einsatz findet
und von den Kolleginnen und Kollegen an berufsbildenden
Schulen angenommen konstruktiv weiterentwickelt wird.
298
1
http://www.ibw.uni-hamburg.de/FallstudieGP
Achtenhagen, F. 1996: Lehr-Lernprozesse in der beruflichen Aus- und Weiterbildung. In: J. v. Buer, S. Seeber (Hrsg.) 1996: Entwicklung der Wirtschaftspädagogik
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Die berufsbildende Schule (BbSch) 60 (2008) 10
BLBS-Nachrichten
BLBS-Nachrichten
„Realschule plus“ in
Rheinland-Pfalz
Resolution des BLBS
erfährt breite Zustimmung
In Rheinland-Pfalz soll ab dem
Schuljahr 2009/2010 neben dem
Gymnasium und den Integrierten
Gesamtschulen eine neue Schulart,
die „Realschule plus“, eingeführt
werden. Sie wird wie die bisherige
Realschule zum mittleren Schulabschluss und als Ersatz für den
Hauptschulabschluss zur „Berufsreife“ führen.
Mit den Klassen 11 und 12 an der
Realschule Plus soll die Fachoberschule für den Erwerb der Fachhochschulreife an der Realschule
Plus angegliedert werden können.
Daraus ergibt sich für RheinlandPfalz:
– Obwohl die zur Sekundarstufe II
gehörenden Fachoberschulen gemäß
Beschluss der Kultusministerkonferenz seit vielen Jahren bei den beruflichen Schulen angesiedelt sind, sollen diese nun der „Realschule plus“
zugeordnet werden.
– In einem „Fachoberschule“ genannten Bildungszweig wird an der
„Realschule Plus“ über die angehängten Klassen 11 und 12 die Fachhochschulreife vermittelt.
– Die Realschulen werden zukünftig
Fachhochschulreifezeugnisse für die
Fachoberschule ausstellen dürfen.
– Die Hauptschule wird es als eigene
Schulart dann nicht mehr geben.
– Dramatisch für die berufliche Bildung wird es, wenn die erforderlichen Fachlehrkräfte aus dem berufsbildenden Schulwesen an die Realschulen abgeordnet werden, da die
Unterrichtsversorgung an den berufsbildenden Schulen schon heute besorgniserregend ist.
Einer solchen Entwicklung, die bewusst die durch einen KMK-Beschluss deutschlandweit vereinbarte Struktur des berufsbildenden
Schulwesens missachtet, können
weder der BLBS noch der betroffene Landesverband vlbs in Rheinland-Pfalz zustimmen.
Der stellvertretende Bundesvorsitzende des BLBS, Wolfgang Herbst,
selbst aus Rheinland-Pfalz, hat diese
Die berufsbildende Schule (BbSch) 60 (2008) 10
Position schon in der Verbandzeitung
des BLBS, „Die berufsbildende
Schule“, 60, (2008) 4, auf den Seiten
130–132 dargestellt.
Auf Initiative des Landesvorsitzenden des Verbandes der Lehrer an berufsbildenden Schulen RheinlandPfalz (vlbs), Ulrich Brenken, hat der
Hauptvorstand des BLBS am 6. Mai
2008 die unten stehende „Resolution
des BLBS zur Problematik der „Realschule plus“ in Rheinland-Pfalz
verabschiedet.
Diese Resolution wurde an Bundesinstitutionen und Kultusministerien
der Bundesländer verschickt. Aus
Platzgründen können nicht alle Antworten mit den Stellungnahmen ausführlich dargestellt werden. Im Folgenden ist daher nur eine kleine Auswahl kurz zusammengefasst, wobei
deutlich Wert darauf gelegt wurde,
die jeweilige Intention herauszuarbeiten und deutlich darzustellen.
Deutscher Philologenverband
Der Deutsche Philologenverband bezieht sehr deutlich Stellung, indem er
schreibt: „Der Philologenverband unterstützt vorbehaltlos die Position des
BLBS zur Realschule plus.“ Eine
Vermischung allgemein bildender
und beruflicher Schulprofile hält er
für höchst fragwürdig. Noch deutli-
cher nimmt der Verband mit der Aussage Stellung: „Insgesamt gesehen
werden die FOS als Manövriermasse
benutzt, um die Zusammenlegung
von Haupt- und Realschule für die
Realschullehrer mit einem (vor allem
auch berufspolitisch interessanten)
`Trostpflaster´ zu versehen.“
Bundesland Bayern: Bayerisches
Staatsministerium für Unterricht
und Kultus
„In Bayern ist die von Ihnen geforderte Weiterentwicklung des beruflichen Weges zur Hochschulreife ein
Schwerpunkt der gegenwärtigen Bildungspolitik.“, so lautet es im Antwortschreiben eindeutig. Dazu hat
das bayerische Kabinett im März
2008 die Zusammenführung der
Fach- und Berufsoberschule zur Beruflichen Oberschule ab dem Schuljahr 2008/2009 beschlossen.
„Mit der Beruflichen Oberschule
wird ein dreijähriger beruflicher Bildungsgang als gleichwertig Alternative zur gymnasialen Oberstufe geschaffen, in dem Schülerinnen und
Schüler mit mittlerem Schulabschluss und/oder abgeschlossener
Berufsausbildung – abhängig von der
individuellen Vorbildung und dem
angestrebten Abschluss – in ein, zwei
oder drei Jahren zur Fachhochschul-
Resolution des BLBS zur Problematik der
„Realschule plus“ in Rheinland-Pfalz
Vor dem Hintergrund der Schulgesetzänderung in Rheinland-Pfalz verurteilt der Bundeshauptvorstand des Bundesverbandes der Lehrerinnen
und Lehrer an beruflichen Schulen (BLBS) jede Tendenz, das allgemein
bildende Schulwesen zu Lasten der berufsbildenden Schulen zu sanieren.
Insbesondere lehnt der BLBS die Einrichtung zweijähriger Fachoberschulen
an der in Rheinland-Pfalz vorgesehenen „Realschule plus“ ab – ebenso die
Verlagerung von Lehrkräften berufsbildender Schulen an diese Schulart.
Der berufliche Bildungsweg muss mit einem unverwechselbaren Profil als
eigenständiger Weg sichtbar bleiben, wenn er weiterhin eine attraktive,
durchgehende und aufstiegsorientierte Alternative im Bildungsangebot
darstellen soll.
Zugleich fordert der BLBS mit Nachdruck, dass die Vereinbarungen der Kultusministerkonferenz zur Fachoberschule und zum Erwerb der Fachhochschulreife unangetastet bleiben. Sie sind Garant für die Qualität dieser berufsbezogenen Bildungswege und gewährleisten die Studierfähigkeit der Absolventen.
Der BLBS weist die Kultusminister der Länder darauf hin, dass die Auslagerung der Fachoberschulen an allgemein bildende Schulsysteme zu enormen
Doppel-Investitionen führen müsste, was angesichts der Haushaltslage der
kommunalen Schulträger unverantwortlich wäre.
Bundeshauptvorstand des BLBS
Berlin, 6. Mai 2008
299
BLBS-Nachrichten
reife oder Hochschulreife geführt
werden.“ Da damit auch die allgemeine Hochschulreife erworben werden kann, wird die auch vom BLBS
geforderte Durchlässigkeit in Richtung Fachhochschule und Universität
gegeben und für Schüler und Eltern
erheblich transparenter.
Die Berufliche Oberstufe steht offen
für Absolventen der 10. Klasse des
Gymnasiums, der Realschule, der
Wirtschaftsschule, der Hauptschule
(mit mittlerem Schulabschluss) und
für Bewerber mit einer Berufsausbildung oder mehrjähriger Berufserfahrung.
Damit schafft die Berufliche Oberschule ganz im Sinne der Resolution
des BLBS „durch die Verknüpfung
von Fachpraxis, Fachtheorie und Allgemeinbildung für Schülerinnen und
Schüler mit eher praxisorientiertem
Lernzugang ein sicheres Fundament
für ein späteres Studium.“ Bayern
setzt damit – und das ergibt sich somit ganz deutlich – auf die berufliche
Bildung als eigenständige und
gleichwertige Alternative zum Gymnasium. Die im Positionspapier des
BLBS dargestellten Forderungen
sind hier am weitesten umgesetzt
worden.
Bundesland Mecklenburg-Vorpommern: Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur
Mecklenburg-Vorpommern
Im Antwortschreiben wird deutlich
zwischen der Mittleren Reife an der
Regionalen Schule und der Fachoberschule unterschieden. Einerseits ist
die allgemein bildende als berufsorientierende Schule seit 2002 als Regionale Schule konzipiert, führt bis
zur Jahrgangsstufe 10 und vergibt dabei als Abschlüsse: die Berufsreife
bzw. die Berufsreife mit Leistungsfeststellung und die Mittlere Reife.
Andererseits ist die Fachoberschule
nach dem seit 2006 gültigen Schulgesetz eindeutig eine Schulart der beruflichen Schulen. Eine bundesweite
Anerkennung der Abschlüsse erfolgt
auf der Grundlage der Rahmenvereinbarung der KMK aus dem Jahre
2004 und 2007.
Bundesland Niedersachsen: Niedersächsisches Kultusministerium
Die Stellungnahmen zu Resolution
des BLBS sind sehr eindeutig: „Die
Fachoberschule gehört daher konsequent in das berufliche Schulsy300
stem.“ Und auch: „Niedersachsen beabsichtigt aus den genannten Gründen daher nicht, den Erwerb der
Fachhochschulreife im Regelfall an
allgemein bildenden Schulen zuzulassen.“ Begründet werden diese
Aussagen damit, dass eine individuelle Förderung der Schüler nur über
ein differenziertes Schulsystem möglich ist und Länder mit klar gegliedertem Schulsystem bessere Ergebnisse erzielen.
Eine Aufnahme von Hauptschülern
in die Realschule löst das grundsätzliche Problem nicht, da sie als „leistungsschwächere“ Schüler am Ende
der 10.Klasse die Realschule mit dem
Hauptschulabschluss verlassen müssen und dann als Schüler mit einem
solchen Abschluss eine Ausbildung
anstreben.
Das ihr eigene Ziel der Fachoberschule ist die Fachhochschulreife, die
über die Vermittlung einer erweiterten und vertieften fachpraktischen
und fachtheoretischen Bildung erlangt wird. Einblicke in Arbeitsprozesse und Betriebsabläufe erhalten
die Schüler während der Ausbildung.
Damit gehört die Schulart zum beruflichen Schulsystem.
Ein nach dem schulischen Teil der
Fachhochschulreife nachgelagertes
Betriebspraktikum kann die in der
Fachoberschule erworbene notwendige Durchdringung der Theorie und
Praxis nicht ersetzen.
Bundesland Nordrhein-Westfalen:
Ministerium für Schule und Weiterbildung des Landes NordrheinWestfalen
Ziel der Landesregierung ist die bestmögliche Ausbildung der Jugendlichen. Für Realschulerinnen und Realschüler ist das dadurch realisiert,
dass ihnen nach erfolgreichem Abschluss der Klasse 10 alle Möglichkeiten der weiteren Bildung im Berufskolleg, dem Beruflichen Gymnasium sowie in der gymnasialen Oberstufe von Gymnasien und Gesamtschule zur Verfügung stehen.
Bewährt hat sich dieses Anngebot, da
ein differenziertes System beruflicher Bildung angeboten wird. Flächendeckend bietet jedes Berufskolleg ein breites Angebot mit unterschiedlichen beruflichen und schulischen Abschlüssen. Im Sinne des
BLBS wird auch hier dem Gedanken,
die Fachoberschule an die Realschule
zu verlagern, wird eine deutliche Absage erteilt: „Eine Verlagerung der
Fachoberschule an die Realschule ist
daher weder erwünscht noch vorgesehen.“
Bundesland Sachsen: Sächsisches
Staatsministerium für Kultus
Unterstützung erhält der BLBS mit
seinem Positionspapier auch hier:
„Der Ansatz, dass berufliche Bildungswege mit ihren unverwechselbaren Profilen als eigenständige Wege sichtbar bleiben müssen, findet
unsere Unterstützung.“ Die im Schulgesetz verankerte Trennung von allgemeinbildenden und beruflichen
wird daher auch nicht aufgehoben.
Gleichwohl muss überlegt werden,
wie man die Durchlässigkeit weiter
erhöhen kann, wie die Anrechnungsansprüche innerhalb der beruflichen
Bildungswege auch mit vor- und
nachgeschalteten Bildungswegen
auf- und ausgebaut werden können
und wie regionale Netzwerke aller
Schularten weiter gefördert werden
können.
H. P.
Gestaltungsraum
berufliche Bildung
Die Veranstaltung „Gestaltungsraum
berufliche Bildung“ mit dem Untertitel „Qualifizierungsangebote aus
Deutschland auf internationalen
Märkten“ hatte das duale Bildungssystem mit dem darauf aufbauenden
Ausbildungssystem in Deutschland
zum Thema. Der Zentralverband des
Deutschen Handwerks (ZDH) und
die Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (GTZ) hatten dazu geladen, an der für den BLBS der stellvertretende Bundesvorsitzende Hans
Lehmann teilnahm. Für das Bundsministerium für Bildung und Forschung (BMBF) übernahm der parlamentarische Staatssekretär Andreas
Storm die politische Einordnung des
Themas. Ziel war es, die Position im
internationalen Bildungsmarkt darzustellen.
Standortbestimmungen:
Hans-Eberhard Schleyer, Generalsekretär des ZDH
„Gestaltungsraum berufliche Bildung – Qualifizierungsangebote aus
Deutschland auf internationalen
Märkten“ ist für den Generalsekretär
Die berufsbildende Schule (BbSch) 60 (2008) 10
BLBS-Nachrichten
des ZDH „das Thema der Zukunft für
das deutsche Handwerk.“
Schleyer eröffnete seine Rede: „Das
Handwerk ist ein Innovationsmotor!
Denn Investitionen entstehen dort,
wo Kundenwünsche umgesetzt werden. Das Handwerk leistet gerade im
Bereich der innovatorischen Umsetzung neuen Wissens in Produkte,
Dienstleistungen und Verfahren seinen herausragenden Beitrag.“
Sichergestellt wird dies über eine
fundierte Berufsausbildung und eine
moderne Fortbildung. Die Bildung –
respektive die berufliche Bildung –
sei essenziell für die Innovationsdynamik in unserem Land!
Berufsbildungssysteme sind so auszurichten, dass sie festgesetzte Mindeststandards der Berufs- und Arbeitswelt erfüllen und damit zukunftsfähige Beschäftigungsperspektiven eröffnen. Er sprach sich für die
baldige Umsetzung des Europäischen Qualifikationsrahmens (EQR)
und eines Leistungspunktesystems
für die berufliche Bildung (ECVET)
aus.
Hingegen sprach er sich nicht für eine Übernahme „Eins zu Eins“ des
dualen Systems in anderen Ländern
aus. Doch sollten Kernelemente des
dualen Systems, wie die ausgeprägte
praxisorientierte Ausrichtung oder
der Aufstiegsfortbildung überall implementiert werden. „Dual organisierte Berufsausbildung findet in realen
Arbeitssituationen
und
lebensechten sozialen Strukturen
statt und zielt auf die Förderung arbeitsmarktverwertbarer beruflicher
Handlungskompetenz. Das zeichnet
sie gegenüber ausschließlich schulisch organisierten Formen der Berufsausbildung aus.“
Die Rolle der berufsbildenden Schulen im dualen System der Berufsausbildung erwähnte Schleyer mit keinem Wort.
Dr. Bernd Eisenblätter,
Geschäftsführer der GTZ
Die GTZ ist ein weltweit tätiges Bundesunternehmen der internationalen
Zusammenarbeit für nachhaltige Entwicklung. Die Aktivitäten erstrecken
sich auf 120 Länder in aller Welt. Die
GTZ unterstützt die Bundesregierung
bei der Verwirklichung ihrer entwickDie berufsbildende Schule (BbSch) 60 (2008) 10
lungspolitischen Ziele, insbesondere
das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, aber auch andere Bundesressorts.
Dr. Eisenblätter ging in seiner Rede
auf das Thema berufliche Bildung ein
und stellte fest, dass sie seit ihrer
Gründung ein zentrales Feld der Arbeit der GTZ sei. Berufliche Ausund Weiterbildung, verstanden als
Teil lebenslangen Lernens, entfalte
nur Wirkung in enger Zusammenarbeit mit der Wirtschaft und in Verzahnung mit Wirtschafts-, Beschäftigungs- und Arbeitsmarktpolitik.
Berufliche Bildung erlebt weltweit
Konjunktur. Die GTZ kooperiert derzeit weltweit in 74 Vorhaben der beruflichen Bildung und in der Arbeitsmarkt- und Beschäftigungsförderung
in 47 Ländern. Tendenz steigend.
Er erwähnte nicht die Rolle der berufsbildenden Schulen, die „Lehrer
aus berufsbildenden Schulen als Bildungsexperten in die ganze Welt“
versenden.
Andreas Storm, Parlamentarischer
Staatssekretär im BMBF
Andreas Storm begann seine Rede
zur politischen Einordnung des Themas in die derzeitige Bildungsdiskussion mit einem Lob auf das deutsche
Modell der beruflichen Aus- und
Weiterbildung und stellte es ebenfalls
als ein Erfolgsmodell dar, das international hohes Ansehen genießt. Er
plädierte dafür, den ausländischen
Partnern die Vorzüge dieses Systems
offensiver zu präsentieren und für
entsprechende Angebote zu werben.
„Es gibt weltweit einen großen und
stetig wachsenden Bedarf an Qualifizierungsmaßnahmen, die mit hoher
Qualität auf die berufliche Praxis
vorbereiten. Der Blick ausländischer
Partner fällt dabei immer öfter auf
Angebote der beruflichen Aus- und
Weiterbildung aus Deutschland. So
hat unlängst die indische Regierung
Deutschland um Unterstützung seiner Berufsbildungsreform gebeten.“
Vietnam, China und Singapur zeigen
ebenfalls großes Interesse.
Staatssekretär Storm nannte zwei
Dinge, die das deutsche duale System
so attraktiv machen:
– Zum einen wird die Berufsausbildung ganz wesentlich vom Ar-
beitsalltag in den Betrieben geprägt. In Deutschland gibt es die
einzigartige Kombination aus einem Praxisbezug, der vom ersten
Tage an durch die Einbindung in
das betriebliche Geschehen gegeben ist, und eine qualitativ
hochwertige theoretische Ausbildung in den beruflichen
Schulen. „Um diesen Vorzug beneiden uns viele Länder, die lediglich über das schulische Berufs-Bildungssystem verfügen.“
– Zum zweiten ist es die enorme Innovationsfähigkeit dieses Systems, das er am Beispiel der Entwicklung des Berufsbildes des
Kfz-Mechatroniker erläuterte.
Das System der beruflichen Bildung hat den technischen Wandel
in hervorragender Weise nachvollzogen. Beschäftigungsfähigkeit von Anfang an, Flexibilität
und Leistungsfähigkeit zeichnen
dieses System aus, und dies sind
auch die Pfunde, mit denen es im
Ausland zu wuchern geht.
Kritisch setzte sich der Staatssekretär
mit der Frage der Gleichwertigkeit
von beruflicher Bildung und akademischer Bildung und der mangelnden
Durchlässigkeit zu weiteren Stufen
der Ausbildung auseinander und forderte hier Verbesserungen.
Die Rolle der Politik sieht er vor allem darin, als Türöffner im Dialog
mit den Regierungsstellen anderer
Länder zu fungieren. Er versprach,
dass sich die Politik werbend für das
qualitativ hohe Angebot der deutschen Berufsbildungsanbieter einsetzen wird. Dazu soll eine gemeinsame
strategische Ausrichtung von Maßnahmen erarbeitet werden, zu denen
die Schaffung der statistischen
Grundlagen für den Bildungsexport,
Verbesserung der Passgenauigkeit
von Bildungsangeboten, professionelleres Marketing und mehr Präsenz
vor Ort gehören.
Als Ziel formulierte Staatssekretär
Storm: „Wir wollen Deutschland bis
zum Jahr 2015 zum Berufsbildungsexporteur Nummer 1 machen.“ Dies
sei durchaus ehrgeizig, doch das
deutsche duale System der beruflichen Bildung bringe für dieses Ziel
auch ausgesprochen gute Voraussetzungen mit. Es ist zu schaffen, wenn
Chancen und Potenziale gemeinsam
301
BLBS-Nachrichten
genutzt werden und wenn alle Beteiligten an einem Strang ziehen.
Staatssekretär Storm war der einzige
Redner, der zumindest in Nebensätzen die Wichtigkeit und die Wertigkeit der berufsbildenden Schulen im
Spektrum der beruflichen Aus- und
Fortbildung erwähnte.
H. P.
Auftaktveranstaltung
„JOBSTARTER
CONNECT“
An der Veranstaltung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) und dem Europäischen Sozialfond (ESF) sowie des
Bundesinstituts für Berufsbildung
(BiBB) im Logenhaus Berlin nahm
der stellvertretende Bundesvorsitzende des BLBS, Wolfgang Herbst, teil.
JOBSTARTER CONNECT ist Teil
der Qualifizierungsinitiative „Aufstieg durch Bildung“ und bietet einen
neuen Ansatz für die Ausbildungsund damit auch für die Berufsintegration junger Menschen.
Andreas Storm, parlamentarischer
Staatssekretär im BMBF
Unter Bezugnahme auf die eben erst
zu Ende gegangenen Olympischen
Spiele in Peking sprach der parlamentarische Staatssekretär im
BMBF, Andreas Storm, vor knapp
300 Teilnehmern dem deutschen
Dual Vocational Education System
durchaus Medaillenchancen zu und
verwies auf die erfolgreich zusammenarbeitenden Lernorte Berufsschule und Betrieb.
Allerdings sei die Anzahl junger
Menschen im Übergangssystem vom
allgemein bildenden Schulsystem in
die Berufsausbildung mit ca. 385.000
viel zu hoch, wobei ein harter Kern
von etwa 100.000 Altbewerbern/-innen besondere Maßnahmen zur Eingliederung in den Erwerbsprozess erfordern. Dieser Problematik hatte
sich der Innovationskreis berufliche
Bildung (IBB) im Rahmen des 10Punkte-Programms angenommen
und die Maßnahme „JOBSTARTER
CONNECT“ initiiert, um den Übergang zu verbessern. Ziel des Programms ist es, Lösungen zu finden,
damit junge Menschen, die nicht unmittelbar nach Verlassen der Schule
302
einen Ausbildungsplatz gefunden haben, die Chance bekommen, eine Berufsausbildung abzuschließen. Anwendungsbereiche dieser in Ausbildungsbausteine gegliederten Maßnahme sind:
– Qualifizierung von Altbewerber/innen,
– Schnittstelle Benachteiligtenförderung/betriebliche Ausbildung,
– Schnittstelle schulische (1-jährige
oder vollzeitschulische) Ausbildungen/Ausbildung nach dem
Berufsbildungsgesetz (BBIG)
bzw. der Handwerksordnung
(HwO) und
– der Einsatz von Ausbildungsbausteinen in der Nachqualifizierung.
Das jeweils angestrebte Ziel ist die
Kammerabschlussprüfung, wobei am
Berufsprinzip festgehalten werden
und die Prüfung den Anforderungen
an das bestehende Prüfungswesen
entsprechen soll. Dabei geht es darum, die Ausbildung in ihrer Gänze
anders (also nicht dual) zu absolvieren.
Bildungsträger, die sich für eine solche Art der Ausbildung interessieren,
sollen hierzu bis Anfang Oktober in
einem ersten Schritt tragfähige Konzepte erarbeiten und diese bei der
Jobstarter-Programmstelle
beim
BiBB zur Entscheidung vorlegen.
Der für dieses Programm im BMBF
Verantwortliche, Peter Thiele, betonte, dass es nun um die Möglichkeiten
zur Erprobung der Ausbildungsbausteine gehe. Nun gehe es darum,
„nichtduale Ausbildungsgänge zu
dualisieren“. Vorgesehen sind ca. 70
Projekte, für die 60 Mio. Euro zur
Verfügung stehen. Ein parallel laufendes wissenschaftliches Evaluationsprogramm soll Quantität und
Qualität dieser Maßnahmen sichern.
Ziel jeder einzelnen Maßnahme muss
ein erfolgreicher Berufsabschluss mit
Kammerprüfung sein.
Es gibt derzeit 14 durch Ausbildungsbausteine geregelte Berufe.
Aus dem Bereich Industrie und Handel sind dies:
– Kaufmann/-frau im Einzelhandel
– Verkäuferin
– Kaufmann für Spedition und Logistikdienstleistung
– Fachkraft für Lagerlogistik
– Fachlagerist/-in
– Industriemechaniker/-in
– Elektromechaniker/-in für
Betriebstechnik
– Chemikant/-in
Aus dem Bereich des Handwerks
sind es:
– Kraftfahrzeugmechatroniker/-in
– Fachverkäufer/-in im Lebensmittelhandwerk
Irmgard Frank, Abteilungsleiterin
für die Ordnung der Berufsbildung
im BiBB
Bei der Entwicklung der Ausbildungsbausteine hätten von Beginn
BiBB-Fachleute, Arbeitgebervertreter, KMK-Fachleute und die Arbeitnehmervertreter zusammengearbeitet. Es sei immer klar gewesen, dass
die neuen Ausbildungsbausteine
kompetenzorientiert auf der Basis der
bestehenden Ausbildungsordnungen
und Rahmenlehrpläne entwickelt
werden sollten und die Prüfungsregelungen bestehen bleiben. Als Resultat
der intensiven Arbeit sind 14 Ausbildungsberufe, die durch Ausbildungsbausteine parallel zu den bestehenden Ordnungen geregelt sind, als
„lernergebnisorientierte Restrukturierung bestehender Strukturen“ entstanden.
– Anlagenmechaniker/-in für
Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik
– Elektroniker/-in Fachrichtung
Energie- und Gebäudetechnik
– Maler/-in und Lackierer/-in
– Bauten- und Objektbeschichter/-in
Ergebnis aus Sicht des BLBS
Ein Aspekt, der bei dieser Qualifikation weitgehend außer Acht gelassen
wird, ist der Gesamtbildungsansatz
der beruflichen Bildung. Neben dem
Erwerb des Kammerabschlusses
muss nach dem Verständnis des
BLBS auch der Erwerb des Berufsschulabschlusszeugnisses stehen.
Wenn hierauf seitens des BiBB bei
dieser Maßnahme keinen Wert mehr
Die berufsbildende Schule (BbSch) 60 (2008) 10
BLBS-Nachrichten/Nachrichten
gelegt wird, wird man auch bei anderen Maßnahmen auf den „Partner“
Berufsschule verzichten können. Die
Entdualisierung der beruflichen Ausbildung ist kein Schritt in die richtige
Richtung! Es wäre wohl angemessen,
die hochqualifizierten Lehrkräfte der
berufsbildenden Schulen auch in dieser Bildungsmaßnahme ins Boot zu
holen.
H. P.
Deutscher Schulbuchpreis
für Prof. Dr. Antonius
Lipsmeier
Am 30. 11. 2008 bekommt Prof. Dr.
Antonius Lipsmeier, in den Jahren
1997 bis 2005 im BLBS-Bundesvorstand als Lehrerbildungsexperte tätig, für die Herausgabe des Tabellenbuches „Metall- und Maschinentechnik“ (168. Aufl.) angesichts der
modernen und das Selbstlernen fördernden didaktischen Konzeption
den Deutschen Schulbuchpreis verliehen, der jährlich vom Kuratorium
der Gesellschaft „Lernen für die
Deutsche und Europäische Zukunft
e. V.“ gestiftete wird. Das Buch ist
seit Jahrzehnten eines der erfolgreichsten Schulbücher überhaupt
(vgl. Brauer, A.: Deutschlands
meistgelesenes Buch – ein Berufsschulbuch. In: Die berufsbildende
Schule, 1961, S. 9–11).
Prof. Lipsmeier, der eine Maschinenschlosserlehre absolviert und die
Gewerbelehrerausbildung in Saarbrücken (Universität) und Aachen
(Studienseminar) durchlaufen hat,
war an verschiedenen Universitäten
(Darmstadt, Hannover, Kassel,
Münster, Hagen) als Assistent bzw.
als Hochschullehrer tätig, zuletzt
von 1988 bis zu seiner Emeritierung
im Jahre 2005 als Leiter des Instituts
für Berufspädagogik und Allgemeine Pädagogik der Universität Karlsruhe.
Die Verleihung findet im Rahmen
einer Feier am 30. 11. um 11.30 Uhr
im Rathaussaal der Stadt Bielefeld
statt. Die Festrede hält Prof. Dr. Wilhelm Hankel, die Laudatio der Vorsitzende des Bundesverbandes der
Lehrerinnen und Lehrer an beruflichen Schulen, Oberstudiendirektor
Berthold Gehlert. Gäste sind herzlich willkommen.
BLBS
Die berufsbildende Schule (BbSch) 60 (2008) 10
Nachrichten
hen Prüfungsaufwand beanstandet
hatten.
Gestreckte Abschlussprüfung in neuen Handwerksberufen
Die Ausbildungsstrukturen und -inhalte blieben demgegenüber unverändert, sodass die für die Vermittlung
der beruflichen Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten maßgeblichen
Ausbildungsrahmenpläne für die Betriebe sowie die Rahmenlehrpläne für
die Berufsschulen nach wie vor ihre
Gültigkeit behalten haben.
Für gegenwärtig rund 90.000 Auszubildende in neun handwerklichen
Ausbildungsberufen der Metall-,
Elektro- und Kraftfahrzeugtechnik
besteht seit Anfang August Gewissheit, dass sie auch künftig ihre Gesellen- beziehungsweise Abschlussprüfung in zwei zeitlich auseinanderfallenden Teilen durchführen werden.
Nach entsprechenden Vorarbeiten des
Bundesinstituts für Berufsbildung
(BiBB) hat die Bundesregierung die
seit 2003 geltenden und zeitlich befristeten Ausbildungsordnungen, die
der Erprobung der so genannten „Gestreckten Abschlussprüfung“ dienten,
nunmehr in Dauerrecht umgewandelt.
Wesentlicher Bestandteil „Gestreckter Abschlussprüfungen“ ist, dass die
Auszubildenden den ersten Teil ihrer
Abschlussprüfung bereits vor dem
Ende des zweiten Ausbildungsjahres
absolvieren müssen. Dieser erste Teil
kann mit bis zu 40 Prozent in die Gesamtbewertung am Ende der Ausbildungszeit einfließen.
Mit der Umwandlung in Dauerrecht
entspricht die Bundesregierung einem einvernehmlichen Wunsch der
Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen, die die Umstellung der
bislang geltenden Erprobungsverordnungen beantragt hatten. Eine zuvor
durchgeführte Evaluation der neuen
Prüfungsstruktur durch das Bundesinstitut für Berufsbildung hatte insgesamt zu positiven Ergebnissen geführt: die „Gestreckte Abschlussprüfung“ hat sich danach in der Praxis
bewährt und wird auch von den meisten der am Prüfungsgeschehen beteiligten Personen begrüßt.
Im Zusammenhang mit der Überführung der Erprobungsverordnungen in
Dauerrecht wurden gleichzeitig auch
die Prüfungsregelungen weiter vereinheitlicht und Prüfungszeiten erkennbar reduziert, um den Prüfungsaufwand zu minimieren und die Prüfungsausschüsse zu entlasten. Damit
wurde einem Anliegen insbesondere
der Kammerorganisationen Rechnung getragen, die den bisherigen ho-
Von der Überführung der Ausbildungsordnungen in Dauerrecht sind
betroffen:
Metallberufe:
– Feinwerkmechaniker / Feinwerkmechanikerin (Hw)
– Metallbauer / Metallbauerin (Hw)
Elektroberufe:
– Elektroniker / Elektronikerin (Hw)
– Elektroniker / Elektronikerin für
Maschinen und Antriebstechnik
(Hw, IH)
– Systemelektroniker / Systemelektronikerin (Hw)
Kraftfahrzeugtechnische Berufe:
– Karosserie- und Fahrzeugbaumechaniker/Karosserie- und
Fahrzeugbaumechanikerin (Hw, IH)
– Mechaniker/Mechanikerin für Karosserieinstandhaltungstechnik
(Hw)
– Mechaniker/Mechanikerin
für
Land- und Baumaschinentechnik
(Hw, IH)
– Zweiradmechaniker/Zweiradmechanikerin (Hw, IH)
Die Ausbildungsordnungen sind im
Bundesgesetzblatt I Nr. 32 vom
30. 7. 2008 und Nr. 33 vom
31. 7. 2008 veröffentlicht worden.
Weitere Informationen über die vom
BiBB durchgeführten Evaluierungen
der „Gestreckten Abschlussprüfung“
unter www.bibb.de/de/5720.htm
www.bibb.de/de/wlk15458.htm
www.bibb.de/de/wlk15470.htm
BiBB
Sehr gute Entwicklung am
Ausbildungsstellenmarkt
Anlässlich der Bekanntgabe der neuen Ausbildungsplatzzahlen einen
Monat vor Ende des Vermittlungsjah303
Nachrichten
res sagte der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesbildungsministerium, Andreas Storm, in Berlin: „Die
Ausbildungsbilanz für dieses Jahr
entwickelt sich sehr erfreulich. Alle
Indikatoren sprechen dafür, dass wir
den höchsten Stand seit der Wiedervereinigung erreichen werden. Damit
zeichnet sich ein Lehrstellenrekord
ab.“ Auch die großen Kammerorganisationen ZDH und DIHK meldeten
mehr Verträge als früher. Ende August standen 128.000 unvermittelten
Bewerbern 73.000 unbesetzte Ausbildungsstellen gegenüber. Die rein
rechnerische Lücke zwischen Angebot und Nachfrage ist damit auf
55.200 gesunken. Ende August 2007
betrug sie noch 75.300. „Damit haben wir die Anzahl der Ausbildungsplätze erheblich gesteigert und erwarten, dass in diesem Jahr 640.000 Ausbildungsverträge abgeschlossen werden“, so Storm.
Zur Entspannung trug bei, dass die
Zahl der Bewerber um 15 Prozent auf
601.100 zurückging. Zudem wuchs
das Lehrstellenangebot um zwei Prozent oder 8.500 auf 466.700.
Gleichzeitig ist laut einer aktuellen
Umfrage festzustellen, dass leistungsschwache Schulabgänger in ihrer Berufsausbildung zunehmend
überfordert sind. So gaben 74 Prozent von 500 befragten Bildungsexperten in Deutschland an, der Einsatz
neuer Technologien würde niedrig
qualifizierte Auszubildende immer
stärker belasten und somit schneller
zu einem Abbruch der Ausbildung
führen. Nach Angaben des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) können etwa 20
Prozent der Schulabgänger nur auf
dem Niveau der Grundschule lesen
und schreiben.
dpa/BMBF/BA
Ausbildungsbonus
Jugendliche, die schon über ein Jahr
die Schule verlassen haben und sich
seitdem erfolglos um eine berufliche
Ausbildung bemüht haben, brauchen
eine Chance. Deshalb können Arbeitgeber, die für diese Jugendlichen zusätzlich einen Ausbildungsplatz
schaffen, rückwirkend ab 1. Juli 2008
einen Ausbildungsbonus erhalten.
Je nach Höhe der Ausbildungsvergütung beträgt der finanzielle Zuschuss
4.000, 5.000 oder 6.000 Euro. Gezahlt wird in zwei Raten: 50 Prozent
nach der Probezeit, 50 Prozent nach
der Anmeldung zur Abschlussprü304
fung. Arbeitgeber müssen den Ausbildungsbonus vor Beginn der Ausbildung bei der Agentur für Arbeit zunächst formlos beantragen. Eine Förderung setzt voraus, dass ein zusätzlicher Ausbildungsplatz bereitgestellt
wird. Zusätzlich ist ein Ausbildungsplatz, wenn bei Ausbildungsbeginn
die Zahl der Ausbildungsplätze einschließlich des neuen Ausbildungsvertrags höher ist als der Durchschnitt
der drei vorhergehenden Jahre jeweils
zum Jahresende.
BA
BAföG-Anhebung
Die Zahl der BAföG-Empfänger ist
im Jahr 2007 im Vergleich zu 2006
nach aktuellen Zahlen des Statistischen Bundesamtes geringfügig zurück gegangen. Der Anteil der mit
dem Höchstbetrag Geförderten stieg
dagegen um einen Prozentpunkt.
Im vergangenen Jahr wurden insgesamt rund 806.000 Auszubildende
mit BAföG gefördert, davon rund
495.000 Studierende und 311.00
Schüler. Der durchschnittliche Förderbetrag ist konstant geblieben (375
Euro bei Studierenden, 301 Euro bei
Schülern).
Weitere Informationen zum BaföG
im Internet unter www.das-neuebafoeg.de
BMBF
Studierende erstmals
zufrieden mit Qualität des
Studiums
Die Studierenden an deutschen Universitäten und Fachhochschulen sind
mit der Qualität des Studiums zunehmend zufrieden. Viele wünschen sich
allerdings noch eine bessere Betreuung im Studium und beim Übergang
in den Arbeitsmarkt sowie mehr Praxisbezug. Das sind die zentralen Aussagen des 10. Studierendensurveys
zur „Studiensituation und studentischen Orientierungen“, den das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) veröffentlichte.
Erstmals überwiegen in der Bilanz
die positiven Bewertungen zu allen
vier Grundelementen der Studienqualität: inhaltliche Qualität, Aufbau
des Studienganges, Durchführung
der Lehrveranstaltungen sowie Beratung und Betreuung durch die Lehrenden . Nach wie vor schneidet die
Betreuung aber weniger gut ab.
Die Ergebnisse des Studierendensurveys basieren auf Antworten von
rund 8.350 Studierenden von Universitäten und Fachhochschulen, die sich
im Wintersemester 2006/2007 an der
Befragung beteiligt haben. Der Studierendensurvey wird von Forschern
der Universität Konstanz durchgeführt und bietet seit 25 Jahren im
dreijährigen Abstand Daten zum sozialen Profil der Studierenden, ihren
Studienerwartungen und -strategien,
bis hin zu den beruflichen Aussichten
und Arbeitsmarktreaktionen.
Die vollständige Studie finden Sie
im Internet unter: http://www.
bmbf.de/pub/studiensituation_stu
dentetische_orientierung_zehn.pdf
BMBF
Zusatzqualifikationen und
duale Studiengänge
In der beruflichen Bildung erfreuen
sich Zusatzqualifikationen und duale
Studiengänge einer immer größeren
Beliebtheit. Dies geht aus der erstmals vom Bundesinstitut für Berufsbildung (BiBB) veröffentlichten Jahresbilanz
des
Internet-Portals
www.ausbildungplus.de hervor.
Zusatzqualifikationen und duale
Studiengänge stellen attraktive Ausbildungsangebote dar, mit denen Betriebe zeitnah auf veränderte Qualifikationsanforderungen reagieren
können. Zusatzqualifikationen in
der Berufsausbildung vermitteln ein
spezielles Fachwissen und besondere Fertigkeiten, die über die regulären Inhalte einer Ausbildung hinausgehen. Sie unterstützen damit eine
engere Verzahnung von beruflicher
Aus- und Weiterbildung.Internet:
www.ausbildungplus.de
BiBB
Berufliche Weiterbildung
Weiterbildung ist heutzutage in Arbeit und Beruf unverzichtbarer denn
je. Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen sind ständig gefordert, Fragen
dazu zu beantworten. Antworten auf
viele Fragen enthält die Broschüre
„Checkliste - Qualität beruflicher
Weiterbildung“, die das Bundesinstitut für Berufsbildung (BiBB) in einer
aktualisierten Neuauflage veröffentlicht hat. Im Internet unter:
www.bibb.de/de/ checkliste.htm
BiBB
Die berufsbildende Schule (BbSch) 60 (2008) 10
Hinweis/Diskussion
Ergebnisse der Hochschultage
Berufliche Bildung 2008
in Nürnberg
– Online-Dokumente, Bücher und Multimedia –
Die 15. Hochschultage Berufliche Bildung fanden im Frühjahr 2008 am Lehrstuhl für Wirtschaftspädagogik und
Personalentwicklung der Universität Erlangen-Nürnberg am Hochschulstandort Nürnberg statt.
Das Thema der Tagung „Qualität in Schule und Betrieb“ wurde von etwa 1.500 Teilnehmenden aus Forschung,
Schulen, Unternehmen und Politik in 17 Fachtagungen, 26 Workshops, einer Posterausstellung, zwei Kurzvortragsbänden, einem Dutzend Exkursionen sowie 21 Ausbildungsprojekten bearbeitet. Die Dokumentation der
Hochschultage erfolgt auf verschiedenen Wegen: Zentrale Tagungsdokumentation (Buchhandel oder kostenloser
Download), Tagungsdokumentation in KIBB (Download unter www.kibb.de), Tagungsdokumentation in bwp@
(Download unter ww.bwpat.de), Einzelveröffentlichungen (Nachweis unter www.hochschultage-2008.de),
Hochschultage live (www.hochschultage-live.de), Hochschultage multimedial (www.hochschultage-2008.de).
Alle hier genannten Verweise in das Internet sind zentral von der Webseite www.hochschultage-2008.de
anzusteuern.
Diskussion
Reinhard Zedler
Gute Ausbildung braucht
qualifizierte Ausbilder – zurück zur
Ausbilder-Eignungsverordnung
In der pädagogischen Qualifizierung betrieblicher Ausbilder gibt es neue Entwicklungen, und zwar in der Forschung
wie in der Bildungspolitik. Ausbilder müssen nach dem Berufsbildungsgesetz u. a. über berufs- und arbeitspädagogische Kenntnisse verfügen. Diese Kenntnisse waren über 30
Jahre lang in der Regel durch ein Zeugnis nach der Ausbilder-Eignungsverordnung (AEVO) nachzuweisen. Angesichts der kritischen Ausbildungssituation bestimmte die
Bundesregierung im Mai 2003, dass die AEVO vom 1. August 2003 bis 31. Juli 2008 auf Eis gelegt wird.
Nunmehr hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung festgelegt, dass die Ausbilder-Eignungsverordnung
(AEVO) am 1. August 2009 in modifizierter Form wieder
in Kraft tritt. Es wird ergänzend geregelt, dass die noch geltende Aussetzung auch für Ausbildungsverhältnisse gilt,
die nach dem 31. Juli geschlossen werden, aber vor dem
August 2009 beginnen.1 Damit gibt es für die künftige Qualifizierung von Ausbildern einen gesetzlichen Rahmen.
Auch während der fünf Jahre der Aussetzung der AEVO
haben viele angehende Ausbilder die entsprechende PrüDie berufsbildende Schule (BbSch) 60 (2008) 10
fung absolviert, nachdem sie in entsprechenden Kursen
oder Lehrgängen vorbereitet wurden. Die Stiftung Warentest hat Kurse und Fernlehrgänge von 123 Anbietern zur
pädagogischen Ausbildung der Ausbilder im Jahr 2007 unter die Lupe genommen und kürzlich die Ergebnisse veröffentlicht.2
Wie die Studie der Stiftung zeigt, ist der Rahmenstoffplan
von 1998 für viele Anbieter von Ausbilder-Seminaren maßgebend. Nach zehn Jahren seiner Gültigkeit steht auf der
Tagesordnung der Qualifizierung von Ausbildern, eine
neue Ausbilder-Eignungsverordnung und damit einen neuen Rahmenstoffplan vorzubereiten.
Aussetzung und Erarbeitung
einer neuen AEVO
Bei der Frage, wie es nach der befristeten Aussetzung der
AEVO weiter geht, hatte die Bildungspolitik 2007/2008
zwischen drei Varianten zu wählen:
1. Die AEVO wird auf Dauer aufgehoben. Das forderte
mancher Wirtschaftsverband, der sich zwar für die Qua305
Diskussion
lifizierung der Ausbilder ausspricht, aber ohne Zwang
der gesetzlichen Nachweispflicht.
2. Die AEVO gilt planmäßig nach dem 1. August 2008
weiter, ohne dass es einer gesetzlichen Änderung bedürfte, und wird später reformiert. Das hatte der eine
oder andere Hochschullehrer der Berufspädagogik gefordert.
3. Die AEVO tritt später wieder in Kraft, aber in reformierter Form.
Von diesen und anderen Varianten hat sich die Bildungspolitik also für die letzte entschieden. Es ist gut, dass die AEVO weiter gilt, so jubeln manche Fachleute, die zuvor an
dem Wiedereinsetzen zweifelten. Doch eine realitätsgerechte, pragmatische Politik hatte auch keine andere Wahl.
Denn die Qualifikationsanforderungen an das Ausbildungspersonal sind gestiegen und die pädagogischen Herausforderungen gewachsen. Daher ist ein Mindestmaß an
berufs- und arbeitspädagogischer Qualifizierung unverzichtbar. In dieser Hinsicht hatte bereits der Innovationskreis berufliche Bildung, den die Bundesbildungsministerin berufen hatte, in der 4. Leitlinie „Zur Modernisierung
und Strukturverbesserung der beruflichen Bildung“ im
Sommer 2007 herausgestellt: „Eine hochwertige Berufsausbildung setzt eine entsprechende fachliche und pädagogische Qualifikation der Ausbilder voraus“.3 Ähnlich hatte
der Verfasser dieses Beitrags schon im Sommer 2006 argumentiert, wenn er auf eine Entsprechung von Qualität der
Ausbildung und Qualifikation von Ausbildern hinwies: „Es
passt politisch nicht zusammen, Qualität für Bildung zu
verkünden und dann keine Qualifikation von neuen Ausbildern einzufordern.“4
Zudem zeigt eine Studie des Bundesinstituts für Berufsbildung, dass eine deutliche Mehrheit der Betriebe in der AEVO einen Beitrag zur Sicherung einer Mindestqualifikation
des Ausbildungspersonals sowie der Qualität der Berufsausbildung insgesamt sieht. In dieser groß angelegten Untersuchung wurden Betriebe auch nach den Nachteilen einer solchen geregelten Ausbilder-Qualifizierung gefragt.
Viele Betriebe sehen in einer solchen Regelung zwar höhere Kosten auf sie zukommen, eine bürokratische Hürde für
die Ausbildung und einen hohen zeitlichen Aufwand; aber
die Zustimmung zu der Akzeptanz und den Vorteilen einer
gesetzlichen Regelung der Ausbildereignung liegen allesamt höher.5 Mit der Wiedereinsetzung der AEVO entspricht die Politik dieser Wertschätzung in der ausbildenden
Wirtschaft. Damit hat sich Qualität durchgesetzt!
Aussetzung der AEVO = mehr
Ausbildungsplätze?
Angesichts des Rückganges an betrieblichen Ausbildungsplätzen in den Jahren 2001 und 2002 fühlte sich die Politik
gefordert, ein Zeichen zu setzen. Deshalb hatte die Bundesregierung am 3. Mai 2003 beschlossen, dass die AEVO
vom 1. August 2003 bis 31. Juli 2008 ausgesetzt wird. Diese Entscheidung wurde damit begründet: „Wer ein Unternehmen führen kann, kann auch ausbilden“. Diese Begründung ist für manchen Experten mit der Auffassung vergleichbar, dass jeder Fachmann unterrichten könne, besonders beispielsweise ein englisch-sprachiger Muttersprach306
ler der beste Lehrer für Englisch als Fremdsprache wäre.
Abgesehen davon sollte Betrieben mit der Aussetzung der
Zugang zum Ausbildungsmarkt erleichtert und zusätzliche
Ausbildungsplätze mobilisiert werden. Es wurde so dargestellt, als wäre die AEVO für ausbildungsbereite Betriebe
eine bürokratische Hürde. Würde dieses angebliche Hindernis fallen, so die Annahme, würden die Betriebe trotz
wirtschaftlicher Schwierigkeiten mehr ausbilden. Ob diese
Hoffnungen eingetroffen sind, wurde in der bereits genannten Studie des Bundesinstituts für Berufsbildung über die
Folgen der Aussetzung der AEVO untersucht.
Demnach hat die befristete Aussetzung der AEVO vielen
Betrieben in den fünf Jahren den Einstieg in die Ausbildung
erleichtert. Die Zahl der Betriebe wird mit rund 7.000 bis
10.000 pro Jahr geschätzt. Überdies hat diese Regelung zu
zusätzlichen Plätzen zwischen 10.000 und 25.000 Plätzen
pro Jahr geführt. Aber dieser Gesamteffekt fällt relativ geringer aus als erwartet.
Bei den quantitativen Effekten der Aussetzung der AEVO
fragt es sich aber, ob die zusätzlichen Plätze – die vor allem
bei kleinen Dienstleistern, im Handel und besonders bei
Betrieben mit ausländischen Unternehmern entstanden –
überhaupt in direktem und ausschließlichem Zusammenhang mit der ausgesetzten Ausbilder-Eignungsverordnung
stehen. Es können auch andere Faktoren gewesen sein, die
zu der Erhöhung beigetragen haben. Angesichts dieser Unklarheit stellt sich die grundlegende Frage: Was sind die
Determinanten bzw. dominierenden Faktoren des betrieblichen Ausbildungsangebotes? Dabei ist von vornherein zu
berücksichtigen, dass die Berufsausbildung im dualen System – im Gegensatz zur schulischen und hochschulischen
Berufsbildung – gleichzeitig Bestandteil des Beschäftigungssystems ist und somit einer Abhängigkeit von den
Rahmenbedingungen unterliegt, die durch das Beschäftigungssystem gesetzt sind.
Ausgehend von dieser besonderen Funktion der dualen Berufsausbildung hat das Bundesinstitut für Berufsbildung in
einer statistischen Analyse herausgefunden, dass in früheren Jahrzehnten die demographische Entwicklung große
Bedeutung auf das Ausbildungsangebot hatte. Während
dieser Faktor sich in letzter Zeit abgeschwächt hat, ist der
Einfluss der Beschäftigungsentwicklung wichtiger geworden. Die Entwicklung der betrieblichen Ausbildung legt für
die Berufsbildungsforscher die These nahe, dass die
schwierige Ausbildungsplatzsituation in den Jahren
2001/2002 wesentlich auf die ungünstige Entwicklung der
Beschäftigung zurückzuführen ist. Fazit der Untersuchung:
„Beschäftigungssystem dominiert zunehmend Ausbildungsstellenmarkt“.6 Angesichts der Dominanz der Beschäftigungsentwicklung für das betriebliche Bildungsangebot ist es vermutlich schwierig, die Effekte zu messen,
welche die befristete Aussetzung der AEVO hatte. Vielleicht liegen diese Effekte allenfalls im Nano-Bereich.
Ähnliche Ergebnisse hat eine empirische Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung über „Betriebliches Ausbildungsverhalten und Geschäftserwartungen“ in
den Jahren 2001 bis 2005 erbracht.7 Demnach erhöht eine
Verbesserung in den Geschäftserwartungen die Wahrscheinlichkeit, dass der Betrieb Ausbildungsverträge abschließt. Dies bedeutet umgekehrt, dass eine VerschlechteDie berufsbildende Schule (BbSch) 60 (2008) 10
Diskussion
rung der Geschäftserwartungen die Wahrscheinlichkeit verringert, dass sich ein Unternehmen für die Ausbildung junger Menschen entscheidet. Offen bleibt auch bei dieser Untersuchung, inwieweit bei der Geschäftserwartung als Determinante des betrieblichen Ausbildungsangebotes bildungspolitische Instrumente, wie die Aussetzung der AEVO, überhaupt eine Rolle spielen. Offensichtlich ist jedoch
Bildungspolitik im besten Sinne auch Wirtschaftspolitik,
welche die Geschäftserwartungen von Betrieben fördert
und damit zur Erhöhung von Ausbildungsplätzen beiträgt.
Ausbilder-Lehrgänge auf dem Prüfstand
Während der Zeit der Aussetzung der AEVO haben viele
tausend Ausbilder ohne den Zwang der gesetzlichen Nachweispflicht trotzdem die entsprechende Prüfung absolviert.
Allerdings ist in den Jahren von 2003 bis 2006 die Zahl der
bestandenen Prüfungen bundesweit zurückgegangen: Hatten 2002 noch 47.562 Teilnehmer die Prüfung bestanden,
waren es im Jahr 2006 noch 30.087. Trotz dieses Rückganges hatten allein in den vier Jahren der Aussetzung von
2003 bis 2006, über die derzeit im jeweiligen Berufsbildungsbericht Daten vorliegen, insgesamt 136.523 Teilnehmer die Prüfung bestanden. Dies bedeutet: Während die
Bildungspolitik die pädagogische Prüfung für neue Ausbilder kurzfristig abgeschrieben hatte, hat diese Ausbilderprüfung in den über 30 Jahren ihres Bestehens nach wie vor ihren Stellenwert in Wirtschaft und Gesellschaft.
Die Teilnehmer werden zumeist in Lehrgängen auf die Prüfung vorbereitet. Bisher fehlte eine systematische Evaluation dieser Angebote. Deshalb war man auf die lange angekündigte Studie der Stiftung Warentest gespannt, in der solche Lehrgänge von Anbietern im Jahr 2007 ausgewertet
wurden (Vgl. Anmerkung 2). Da der Markt der Anbieter regional verschieden ist, aber die Stiftung an bundesweiten
Angeboten interessiert ist, standen besonders 12 Fernlehrgänge von 123 Anbietern im Focus der Analyse. Von diesen
Lehrgängen wurde einer mit „sehr gut“ bewertet, zwei jedoch waren „mangelhaft“ wegen veralteter Lehrmaterialien
und der fehlenden Präsenzphasen. Da Teilnehmer von Fernlehrgängen aus Sicht des Verfassers nur eine relativ kleine
Gruppe unter den Prüfungsteilnehmern ausmachen, wird
auf diese Analyse nicht weiter eingegangen.
Wichtiger sind die Ergebnisse der Studie über die 253 untersuchten Ausbilder-Lehrgänge, in denen der überwiegende Teil der Prüfungsteilnehmer qualifiziert wird. Laut dieser Studie werden Ausbilder-Seminare größtenteils von den
Industrie- und Handelskammern sowie Handwerkskammern angeboten. Die Kurse orientierten sich inhaltlich an
den Vorgaben des vom Hauptausschuss des Bundesinstituts
für Berufsbildung empfohlenen Rahmenstoffplans von
1998 und seien damit gut miteinander vergleichbar. Einige
Anbieter kritisierten zwar, dass dieser Plan sehr theoretisch
angelegt sei und teilweise an den Bedürfnissen der Teilnehmer vorbeigehe. Aber für die Stiftung „verschafft die weitgehende Orientierung an diesem Plan potenziellen Teilnehmern Vergleichsmöglichkeiten bei der Wahl eines Kurses“(Vgl. Anmerkung 2, S. 3).
Interessierte für einen Ausbilder-Lehrgang können unter einem breiten Spektrum an Kursen auswählen, die sich nicht
nur im Preis und der fachlichen Ausrichtung unterscheiden,
Die berufsbildende Schule (BbSch) 60 (2008) 10
sondern auch in der zeitlichen Struktur. Demnach würde
die Lehrgangsdauer der untersuchten 253 Lehrgänge zur
Ausbildung der Ausbilder wie folgt differieren:
– 80 bis 99 Unterrichtseinheiten: 31 Prozent
– 100 bis 119 Unterrichtseinheiten: 18 Prozent
– über 120 Unterrichtseinheiten: 51 Prozent; dabei entspricht eine Unterrichtseinheit üblicherweise 45 Minuten.
Aber diese Aufstellung ist für den Verfasser nicht nachvollziehbar. Denn nach seiner Beobachtung des Marktes hat die
Mehrheit der Lehrgänge nicht über 120 Einheiten, sondern
weniger – bei manchen Anbietern sogar viel weniger. Dieser Trend ist damit begründet, dass in Wirtschaft und Gesellschaft Zeit immer mehr ein knappes Gut ist, und deshalb in der betrieblichen Praxis gefordert wird, die Qualifizierung der Ausbilder sollte sich nicht über längere Zeit erstrecken.
Außerdem wird in der Studie die methodische Gestaltung
der Lehrgänge zu wenig beleuchtet. Die These, „dass die
didaktische Gestaltung der Seminare in der Regel eher traditionell und von einem frontalen Unterrichtsstil geprägt
ist“, wird nicht begründet. Dabei wird weder differenziert
erfasst, wie der Unterricht oder Lehrgang abläuft – Frontalunterricht ist nicht gleich Frontalunterricht – ,noch wird geklärt, welches methodische Verfahren bei welchen Inhalten
und welchen Adressaten angebracht ist. Überdies werden
didaktische Neuerungen, wie sie bei einigen Anbietern in
Gruppenarbeit oder Selbstlernphasen bestehen, außer Acht
gelassen. Nicht zuletzt werden die Zusammenhänge zwischen Lehrgangsdauer, Größe der Gruppe, Prüfungserfolg
und Lehrpersonal ausgeblendet. Wie Untersuchungen des
Bundesinstituts für Berufsbildung über die Qualität der
Weiterbildung von Migranten belegen, kommt es aber gerade auf die didaktische Kompetenz des Lehrpersonals und
die Kursgestaltung an. Wegen dieser und anderer Fragen
fehlt weiter eine systematische Evaluation der AusbilderLehrgänge. Gerade diese Evaluation könnte für die gerade
anstehende pragmatische Modernisierung und Neuausrichtung der Ausbilder-Eignungsverordnung wertvolle Anregungen geben!
Anmerkungen:
1
2. Verordnung zur Änderung der Ausbilder-Eignungsverordnung vom 14. Mai
2008. In: Bundesgesetzblatt, Teil I, Nr. 19 vom 26. Mai 2008, S. 854.
2
Stiftung Warentest: Zurück auf die Schulbank. In: http//
www.test.de/themen/bildung – soziales/weiterbildung/test/-Ausbildung-derAusbilder/1667979/1667979/1639118/
3
Bundesministerium für Bildung und Forschung (Hrsg.): Innovationskreis berufliche Bildung. Bonn 2007, S. 7.
4
Reinhard Zedler: Qualifizierte Ausbilder braucht das Land. In: Cramer/Schmidt/Wittwer (Hrsg.): Ausbilder-Handbuch, Köln 2006, 85. Erg.-Lieferung, S. 8.
5
Bundesinstitut für Berufsbildung (Hrsg.): Mehr Ausbildungsbetriebe – mehr
Ausbildungsplätze – weniger Qualität? In: BIBB-Report, Nr. 3, Bonn 2007,
S. 7.
6
Klaus Troltsch/Günter Walden: Beschäftigungssystem dominiert zunehmend
Ausbildungsstellenmarkt. In: Berufsbildung in Wissenschaft und Praxis,
36 (2007) 4, S. 5–9.
7
Hans Dietrich/Hans-Dieter Gerner: Betriebliches Ausbildungsverhalten und Geschäftserwartungen. In: Sozialer Fortschritt, 57 (2008) 4, S. 88–93.
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