Der Beginn der Städtepartnerschaft mit Livry

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Der Beginn der Städtepartnerschaft mit Livry
Der Beginn der Städtepartnerschaft mit Livry-Gargan 1967
Von Dr. G. Neumeier
Nach dem Zweiten Weltkrieg hing eine positive europäische Entwicklung in nicht geringem
Ausmaß von einer deutsch-französischen Aussöhnung ab. Nachdem mit der Montanunion
und den Überlegungen zu einer europäischen Verteidigungsarmee erste diesbezügliche
Schritte unternommen worden waren, kam es am 22. Januar 1963 zum Vertrag über die
deutsch-französische Zusammenarbeit in Paris, der von Charles de Gaulle und Konrad
Adenauer unterzeichnet wurde. Der Vertag bedeutete das Ende der „Erbfeindschaft“
zwischen beiden Staaten und sah eine umfassende Zusammenarbeit in den Bereichen
Außenpolitik, Verteidigung sowie Erziehung und Jugend vor. Im Anschluss an diesen
Vertrag etablierten sich in den nächsten Jahren viele französisch-deutsche
Städtepartnerschaften, unter anderem auch die zwischen Livry-Gargan und
Fürstenfeldbruck im Jahr 1967.
Das Prelude
Im Jahr 1965 bereiste der Evangelische Jugendchor von Fürstenfeldbruck (gegründet
1954) mit dem Leiter Horst Stegemann erstmals Livry-Gargan. Der Jugendchor hatte
dabei die Unterstützung von Bürgermeister Willy Buchauer (SPD) und Kulturreferent
Lorenz Lampl (CSU). Im Jahr 1966 fand dann ein erstes Treffen zwischen Buchauer und
Lampl einerseits sowie dem Bürgermeister von Livry-Gargan, Alfred Marcel Vincent, statt.
Nur ein Jahr später bereiste erstmals eine Fürstenfeldbrucker Stadtratsdelegation den
französischen Ort in der Nähe von Paris. Bei dieser Gelegenheit wurde bereits vor allem
ein Schüleraustausch geplant.
Das Zustandekommen der Partnerschaft
Der Partnerschaftsvertrag zwischen Livry-Gargan und Fürstenfeldbruck ist besiegelt (Foto:
Stadtarchiv Fürstenfeldbruck)
In der Stadtratssitzung vom 6. Juni 1967 beriet der Fürstenfeldbrucker Stadtrat die
„Partnerschaft mit einer französischen Stadt“. Nachdem sich der Stadtrat in seiner Sitzung
vom 21. Februar 1967 einhellig dafür ausgesprochen hatte, mit der Stadt Livry-Gargan
Verbindung aufzunehmen „mit dem Ziel, eine Partnerschaft dieser französischen Stadt mit
der Stadt Fürstenfeldbruck einzugehen“. Daraufhin wurde Kulturreferent Stadtrat Dr. Lampl
vom Plenum autorisiert, eine private Reise nach Frankreich zu unternehmen und in LivryGargan Gespräche in dieser Angelegenheit zu führen.
In der Sitzung vom 6. Juni 1967 berichtete Lampl über seinen Besuch in Livry-Gargan. „Er
teilte mit, dass ihm ein sehr ehrenvoller Empfang zuteil geworden sei. Die Leute seien
sehr nett zu ihm gewesen. An einer Partnerschaft mit Fürstenfeldbruck bestehe ein
überaus großes Interesse. Livry-Gargan folge damit dem allgemeinen Zug der
französischen Städte, mit deutschen Städten Partnerschaften einzugehen. Das sei auch
im Interesse der Völkerverständigung, die man nicht nur den Politikern überlassen sollte,
begrüßenswert. Livry-Gargan liege in der Bannmeile von Paris, weise zwar äußerlich
wenig Ähnlichkeit mit Fürstenfeldbruck auf, habe aber so ziemlich dieselben Probleme zu
meistern.
Es gelte vor allem, persönliche Kontakte zwischen den Einwohnern beider Städte
herzustellen, namentlich sollten Freundschaften zwischen Familien begründet werden. Der
Evangelische Jugendchor Fürstenfeldbruck habe hier schon gute Vorarbeit geleistet, als er
in Livry-Gargan zu Gast gewesen war. Es gelte nun nur noch, die Partnerschaft, deren
Zustandekommen sehr erstrebenswert sei, offiziell zu beschließen und sie in einem
angemessenen Rahmen auch in der Öffentlichkeit zu bekunden.
Es sei zu diesem Zweck am 28. Juni 1967 in der Jahnhalle ein Festabend mit Gästen aus
Livry-Gargan geplant“. Daraufhin beschloss der Fürstenfeldbrucker Stadtrat einstimmig:
Die Stadt Fürstenfeldbruck geht mit der französischen Stadt Livry-Gargan eine
Partnerschaft ein. Mit den sich für die Gestaltung dieser Partnerschaft ergebenden Fragen
wird sich zunächst der Ausschuss für Kultur- und Heimatpflege befassen. Auch wurde ein
Fußball-Austauschspiel geplant.
Die Vertragsunterzeichnung
Am 28. Juni 1967 wurde der Partnerschaftsvertrag unterzeichnet. Beide Stadträte, der von
Fürstenfeldbruck und der von Livry-Gargan, hatten das Zustandekommen des Vertrages
befördert und begrüßt. In einer großen Rede umriss Bürgermeister Buchauer die Ziele der
Städtepartnerschaft:
„Bis zum heutigen Tag hatte der 28. Juni im Jahresablauf unserer Stadt keine besondere
Bedeutung, nun aber, mit dieser Stunde wird er in die Analen unserer Gemeinde eingehen
und seinen besonderen Platz für immer behalten. In dieser Stunde wollen wir die seit
vielen Monaten vorbereitete Verbrüderung der Städte Livry-Gargan und Fürstenfeldbruck
feierlich begründen und besiegeln. Damit folgen wir dem Beispiel vieler deutscher und
französischer Städte und Gemeinden.
Diese Verbrüderungen verdanken ihr Entstehen der Erkenntnis, dass es hohe und
höchste Zeit geworden ist, die in der Vergangenheit praktizierten Methoden des
Zusammenlebens der Völker einer gründlichen Überprüfung zu unterziehen, sie zu ändern
oder einen völlig neuen Grund zu legen.
Man hatte endlich aus der Geschichte gelernt, was der Menschheit in dem engen Raum,
der sich Europa nennt, zum Wohle dient und was ihr zum Schaden gereicht. Ersparen Sie
es mir bitte, auf die bitteren Erlebnisse einzugehen, die Jahrhunderte hindurch das
Französische und das Deutsche Volk gegeneinander hetzten, die bitteren Erlebnisse, die
aus Vorurteilen, Irrtümern, Verständnislosigkeit, aus bösem Willen, aus Intoleranz und
nationaler Überheblichkeit entstanden sind.
Die Geschichte beider Völker ist in erschütternder Weise mit dem Blute von Millionen
gezeichnet und belastet. …Erst als unsere Völker vergaßen, dass sie in erster Linie
Europäer waren, zerbrach die Einheit und flammten die Bruderkriege auf. Heute aber ist
die Zeit der Nationalstaaten fast vorbei, die Bedrohung von außen lässt uns
zusammenrücken. Zudem lernen sich die Menschen über alle Grenzen und Vorurteile
hinweg persönlich kennen, schätzen und achten und finden wieder den Bruder im anderen
Land und mit der anderen Sprache…
Und aus solchem gegenseitigen Verstehen der Menschen entsteht die Freundschaft
zwischen den Völkern, eine Freundschaft wie sie sich zwischen unseren eigenen Völkern
angebahnt hat. Ich möchte an dieser Stelle nicht versäumen, der Staatsmänner zu
gedenken, die hier den ersten großen und starken Impuls gaben und selbst vorlebten: des
französischen Staatspräsidenten General de Gaulle und des vor kurzem in die Ewigkeit
heimgegangenen deutschen Bundeskanzlers Konrad Adenauer.
Nicht vergessen darf ich in diesem Zusammenhang des großen Europäers Robert
Schumann. Die über alle böse Vergangenheit hin uns entgegengestreckte Hände haben
wir mit wahrer Freude und Dankbarkeit ergriffen und wollen sie für alle Zukunft festhalten.
Die heute zwischen den Städten Livry-Gargan und Fürstenfeldbruck geschlossene
Freundschaft möge dafür Zeugnis sein und Bestätigung.
Im kleinen Raum haben wir uns zusammengefunden um mit unseren wenigen Kräften das
große Kraftfeld zu stärken, das sich zwischen Frankreich und Deutschland aufbaut und
somit auch beizutragen am großen Werk der Versöhnung, der Befriedung und der
Gestaltung Europas. Sie, unsere lieben Freunde aus Frankreicfh, darf ich bitten, den
Bürgern Ihrer Stadt unsere herzlichsten Grüße zu überbringen.
Und nehmen Sie unser Versprechen mit, dass wir die heute geschlossene Freundschaft
hegen und pflegen wollen mit allen uns zu Gebote stehenden Mitteln. Wer Bürger von
Livry-Gargan ist, soll wissen, dass er hier in unserer Stadt stets eine hilfreiche Hand
finden und eine zweite Heimat haben wird. So möge zum Segen unserer beiden Städte
und unserer Völker diese Verbrüderung leben, blühen und gedeihen!“.
Der weitere Weg
Vom 27.-30.10.1967 besuchte dann eine Delegation des Stadtrates Fürstenfeldbruck die
französische Partnerstadt. Der Empfang in Livry-Gargan war großartig und sehr herzlich.
Seit nunmehr über 40 Jahren wurde und wird die Städtepartnerschaft zwischen LivryGargan und Fürstenfeldbruck gehegt, gepflegt und intensiviert. Vor allem der
Jugendaustausch und die Begegnungen von Sportlern und Vereinen ist eine große
Erfolgsgeschichte. Dies gilt auch für die Partnerschaft mit dem italienischen Cerveteri, die
u.a. auch auf die Initiative von Bürgermeister Vincent zustande gekommen ist. Ad multos
annos!