Der Dachauer Züchter Wolfgang Müller züchtet - KZV
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Der Dachauer Züchter Wolfgang Müller züchtet - KZV
Der Dachauer Züchter Wolfgang Müller züchtet eine seltene Rasse den „ Meißner Widder“ Von Nikola Obermeier Mitten in der Dachauer Altstadt sitzen die schwarz-silbrigen Kaninchen mit den Schlappohren im Auslauf und knabbern am Löwenzahn. Nicht irgendwelche Kaninchen: Der Meißner Widder ist eine vom Aussterben bedrohte Rasse. Der Dachauer Wolfgang Müller ist einer der wenigen Züchter deutschlandweit. Dachau — „Mit der Fruchtbarkeit war es heuer schwierig." Wolfgang Müller seufzt. Er öffnet die Türe eines Stalls, und vier neugierige Hasen mit langen Hängeohren strecken ihm ihre Nasen entgegen. Sie wittern Essbares: einen Kolben Mais. „Normalerweise haben wir spätestens im März oder April Junge, in diesem Jahr war es Ende Mai. Woran: das liegt, weiß niemand so genau. Das Wetter trage .vielleicht seinen Teil dazu bei, so Müller. Die schwarzen Kaninchen, die über den ganzen Körper hinweg gleichmäßig silbrige Haare verteilt haben, knabbern am Maiskolben. Die Tiere werden ganz schwarz geboren, erklärt Müller, der der einzige Züchter dieser Rasse in Dachau ist. Erst im Laufe der ersten Lebenswochen wachsen die weißen Haare die so genannte Durchsilberung. Ein Kaninchen mit Silberfell für die Pelzindustrie zu züchten, daher stammt die Zuchtidee für das Meißner Widderkaninchen vor etwas mehr als 100 Jahren. Wahrscheinlich entstand die Rasse aus der Kreuzung Deutscher Widder mit Kleinsilberkaninchen. Es gibt den Meißner Widder in den Farben havannafarbig, gelb, blau, grau-braun und schwarz, wobei sich Wolfgang Müller auf schwarz festgelegt hat. Obwohl diese Kaninchenrasse attraktiv, genügsam, robust und lebhaft ist, erlangte sie laut der Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter Haustierrassen (GEH) nie mehr als eine bescheidene regionale Verbreitung. In ganz Deutschland gibt es etwa 160 Halter dieser Rasse mit etwa 500 Tieren. Schon seit vielen Jahren steht der Meißner Widder auf der „Roten Liste der gefährdeten Nutztierrassen", heuer ernannte die GEH ihn zur „Gefährdeten Nutztierrasse 2010. Mit vom Aussterben bedrohten Rassen hat der Dachauer Wolfgang Müller beruflich zu tun — allerdings im Rinderbereich. Seit 1996 arbeitet er im Milchviehzentrum 'Achselschwang. Eines Tages erfuhr der Hasenfreund vom Meißner Widderkaninchen — und wurde hellhörig. „Ich habe nicht gewusst, dass es bei den Kaninchen auch bedrohte Rassen gibt", sagt er. Bis dahin hatte Müller schon 30 Jahre lang Hasen gehalten und auch gezüchtet'- „Wald- und Wiesenrassen, irgendwelche Schecken", sagt er. Im Internet machte sich Müller auf die Suche nach den Meißner Widdern und fand das Angebot eines Züchters. Mit zwei Häsinnen und einem Rammler war im Jahr 2001 der Grundstein für seine Zucht gelegt. „Seitdem sind wir auch im Dachauer Kaninchenzuchtverein B 19", sagt Die gesamte Familie ist in die Zucht eingebunden Müller. Mit „wir` meint er seinen Sohn Ferdinand, der inzwischen 15 ist, und sich selbst. Ferdinand weiß bestens Bescheid über die Schlappohren: Er kennt den Tragezyklus der Häsinnen, hat die- Anzahl der Jungtiere der vergangenen Würfe genau im Kopf. Doch eigentlich ist die gesamte Familie in die Kaninchenzucht eingebunden. Mutter Beate übernimmt die Fütterung in der Früh. Der 13-jährige Bernhard teilt zwar nicht die Leidenschaft für die Kaninchenzucht, er tritt aber trotzdem zum Stalldienst an. Ihm gehören nämlich drei Meerschweinchen, die zwischen den Zuchttieren rumwurstelnd. Wiebli und Burli, die aus dem Appenzeller Land": in der Schweiz stammen und Flo werden von ihren langohrigen Gesellen voll und ganz akzeptiert. Elf Jungtiere, Rammler Lea und die alte, zweijährige Häsin Sarah sind derzeit Bestand in der Müllerschen Zucht. Die besten Häsinnen aus der Nachzucht dürfen bleiben, einen Rammler kauft Wolfgang Müller dann jedes Jahr dazu. Und weil der Meißner Widder hierzulande nicht verbreitet ist, „kann es sein, dass ich mal einen Rammler aus Niederbayern oder Württemberg dazukaufe", erklärt Wolfgang Müller. Um die 20 Euro kostet ein junger Rammler, Spitzentiere auf Bundesschauen werden bis zu 100 Euro gehandelt. „Aber so verbissen sind wir ja nicht." Der große Züchterehrgeiz bleibt mit dem Meißner Widder auf der Strecke: Weil die Rasse relativ jung ist, sind die Tiere noch nicht so durch gezüchtet wie andere Rassen. Das bedeutet, dass womöglich von vier Tieren nur eines für eine Ausstellung taugt. „Andere Züchter können all ihre Tiere ausstellen." Das ist auch der Grund, warum die Müllers nur an der Ausstellung des Dachauer Vereins teilnehmen — „alles andere lohnt sich nicht". Mit dieser Rasse ist man eben immer im Hintertreffen. Die Kriterien sind durchaus anspruchsvoll: Gewicht, Körperform und -bau, die Fellart, Kopfform mit Behang, Silberung und Unterfarbe sind genau vorgegeben. „Ein gravierender Fehler wäre beispielsweise, wenn ein Ohr nicht richtig hängt", erklärt Ferdinand. Das war in der Müllersehen Zucht schon der Fall: „Plötzlich hat das Kaninchen sein Ohr aufgestellt und genau da hat die Jury hingeschaut." Punktabzug gibt es auch, wenn die Ohren nicht die vorgegebene Länge zwischen 36 und 42 Zentimetern haben oder die Durchsilberung nicht gleichmäßig ist. „Mit der Rasse haben wir keine Chancen auf vordere Plätze", sagt Vater Müller. Dieses Hobby hat für die Müllers dafür andere Reize: „Im Sommer sind wir viel im Garten und beobachten die Tiere." Die Kaninchen mögen den Kontakt zu ihren Menschen, reagieren auf die Stimmen. Und natürlich bedeute die Kaninchenhaltung auch, sich auf Dauer zu binden, Verantwortung und Kontinuität. Jeden Freitagnachmittag steht die Stallarbeit an. Während die Hasen den Auslauf im Stadtgarten mit Blick zum Mühlbach hinunter genießen, werden die Ställe ausgemistet und frisch eingestreut. Da fällt Wolfgang Müller eine. Anekdote < zum ' Thema Fruchtbarkeit ein: Im Jahrhundertsommer 2003 gab es keinen Nachwuchs, obwohl Häsin und Rammler monatelang zusammen waren. „Bei der Hitze fühlen sich die Hasen einfach unwohl." An Nikolaus waren Häsin und Rammler während der Stallarbeit kurz zusammen im Auslauf — „und am Dreikönigstag hatten wir junge Hasen".