Molas der Kuna

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Molas der Kuna
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Die indigene Volksgruppe der KUNA und ihre MOLA-TRACHT
Die Kuna (Cuna)
Das indigene Volk der Kuna lebt auf Kuna Yala, dem San Blas-Archipel in Mittelamerika, der
seit 1938 ein autonomes Territorium ist, auf dem Festland bei Panama und in Kolumbien.
Ca 360 kleine flache palmenbewachsene Koralleninseln liegen vor der Küste von Panama,
davon sind nur ca 40 von geschätzten 30.ooo Kuna bewohnt. Die Inseln haben Namen wie
Mulatupu, Achutupi, oder Tikantik.
Dieser San Blas-Archipel ist Lebensraum eines Volkes, das einen alten Kuna-Dialekt spricht
und bis heute im Matriarchat lebt. Das heißt, dass die Gruppenzugehörigkeit und die Rechte
eines Kindes durch die Mutter bestimmt werden. Der Vater gilt nicht als blutsverwandt.
Die Frauen haben die Vormachtstellung, ihnen gehören die Hütten, die Kokospalmen und die
Ernte. Wenn eine Frau heiratet, zieht der Mann nach der Hochzeit ins Haus seiner Frau und
deren Mutter. Er ist eine willkommene Arbeitskraft. Als geschieden gelten die Leute, wenn
der Mann seine Sachen nimmt und wieder zu seinen Eltern zieht. Die Kuna feiern sehr
gerne, tanzen und musizieren und trinken dabei den alkoholischen, vergorenen Saft des
Zuckerrohrs. Auf den Molas (Molakana) werden der Alltag und die Feste bildhaft dargestellt.
Tracht der Kuna:
Vor der Ankunft der Weißen (Spanier, Franzosen und Engländer) in dem Gebiet, trugen die
Kunas keine Kleidung, sondern bemalten den Körper mit ornamentalen Formen. Die
Molablusen werden erst seit Mitte des 19. Jhdts.genäht. Die frühen Molas sind größer, nur
zweilagig und ornamental gestaltet, -die Muster entsprechen der ursprünglichen
Körperbemalung. Die Kuna-Frauen tragen auch heute noch eine Tracht, die aus einer MolaBluse, einem bedruckten blauen Rock (sabured) und einem gelben Kopftuch (muswe)
besteht. Das wichtigste Kleidungsstück ist die kompliziert gearbeitete Mola-Bluse, deren
Breite dem Oberkörper der Frau entspricht. Die blauen bedruckten Wickelröcke waren zu
Anfang des 20. Jhdts noch ganz lang und die Bluse reichte über die Hüften, heute sind beide
Teile viel kürzer. Die Frauen sehen mit ihrer bunten Kleidung und ihrem Schmuck sehr
malerisch aus.
Viele Frauen malen einen schwarzen Strich von der Stirn über den Nasenrücken.
In der Nase tragen die älteren Kuna Frauen auch heute noch einen goldenen Nasenring,
Arme und Beine sind dicht mit Glasperlenschnüren (wini) umwickelt, die ein ornamentales
Muster bilden. Ungefähr alle zwei Wochen wird die Wicklung erneuert, wobei die Frauen
zusammenhelfen. Bis vor Kurzem trugen die Frauen Ohrringe und üppigen Goldschmuck um
den Hals. Dieses Familienerbe wurde in den letzten Jahrzehnten meist in Panama verkauft,
um Geld für andere Anschaffungen zu erhalten. Heute tragen die Frauen Ketten aus Samen,
oder auch Plastikschmuck. Die ursprüngliche Lebensform verändert sich zunehmend. Die
Frauen, die in Panama City studieren oder arbeiten, tragen dort seltener ihre Tracht. In den
Schulen müssen die Kinder eine Schuluniform tragen. Aber auf den Inseln selbst ist die
Tracht auch heute die Alltagsbekleidung.
Die Kuna-Indianerinnen sind sehr stolz auf ihre komplizierten Molas oder „Molakana“, auf die
sie sehr viel Zeit und Sorgfalt aufwenden. Für eine gute Mola brauchen sie ca 3 Monate, bei
5 Stunden täglicher Arbeit daran.
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Ab dem Alter von ca 6 Jahren beginnen die Mädchen mit der Molafertigung. Das ganze
Leben lang nähen die Kuna-Frauen Molas für ihre Blusen. Man findet große
Qualitätsunterschiede, je nach Kreativität, Geschicklichkeit und Ausdauer der Näherin. Das
Mola-Nähen ist Frauensache, außer bei Albinos. Das Volk der Kuna hat einen hohen
Prozentsatz an Albinos (ca 5%). Die Albino-Männer, die nur innerhalb der Hütten leben,
nähen besonders feine Molas, die im Handel besonders begehrt sind. Die Frauen, die für die
Kinder und die Nahrung sorgen, verwenden jede freie Minute zum Mola-Nähen, oft in
Gemeinschaft mit anderen Frauen. Beim Anfertigen der Molas sitzen die Kunas am Boden,
oder in einer Hängematte in oder vor der Bambushütte.
Die Größe einer Mola hängt vom Körperbau der Frau ab, sie ist also ca 34x40 cm groß. Die
Bluse mit Passe und Ärmeln besteht aus 9 Teilen. Wenn der Blusenstoff schäbig wird oder
ausbleicht, wird die Mola heruntergetrennt und mit neuen Blusenteilen zusammengesetzt.
Molas sind sehr haltbar und werden oft an die Töchter weitervererbt.
Jede Frau besitzt mehrere Molas, die unter dem Dach der Hütte aufgehängt werden. In den
Hütten sind Leinen gespannt, von denen die Molablusen herunterhängen. Jede Frau besitzt
8-10 Blusen. Da sie immer wieder neue anfertigt, kann sie die älteren verkaufen.
Die Lebenssituation der Kuna ändert sich zunehmend, da einige Frauen auf dem Festland
arbeiten, um Geld zu verdienen und nicht mehr so viel Zeit zum Mola-Nähen haben.
Die Kuna-Männer, die keine bunte Tracht tragen, sondern dunkle Hosen und weiße Hemden
mit Krawatte und Hut, arbeiten als Taucher und Fischer, leben vom Verkauf von
Kokosnüssen oder gehen einer anderen Arbeit auf dem Festland nach. Auf den Inseln
treffen sie sich in eigenen Männerhütten, wo sie sich beraten, diskutieren und auch feiern
und trinken.
Fertigung der Molas (Mola-Technik):
Mehrere verschiedenfarbige Stofflagen werden übereinander geheftet, dann werden aus der
obersten Lage Musterformen herausgeschnitten, sodass die nächste Farbe zum Vorschein
kommt. Die Schnittkanten werden eingebogen und mit feinen Saumstichen angenäht.
Danach schneidet man in diese zweite Lage ein, damit die dritte Farbe sichtbar wird usw....In
der Fachliteratur wird die Abfolge der Lagen oft unterschiedlich beschrieben. Die Technik hat
sich offensichtlich in den letzten Jahren weiterentwickelt, da sie mit vielen Unterlegungen,
Applikationsteilen und Stickerei kombiniert wird.
Die Kunas lieben Buntheit, aus dem Grund werden zwischen die Stofflagen häufig noch
kleine andersfarbige Stücke gelegt, sodass die Mola farbiger wird. (mor gonikat heißt viele
Farben)
Einige Molas weisen Zackenlinien auf, die noch mehr Fingerfertigkeit erfordern.
Die Molatechnik selbst ist eine reine Handarbeit, nur die Schulterpasse und die Ärmel
werden mit der Nähmaschine angenäht. Dabei sind die Kuna-Frauen sehr unbekümmert,
was die Kombination von Stoffen angeht. Die übereinanderliegenden Stofflagen der Molas
sind immer aus Baumwolle und sind traditionell schwarz, gelb, weinrot oder orange. Dazu
kommen noch bunte andere Farben, die als kleine Stücke eingelegt werden. Aber der
Blusenstoff dazu ist oft großgeblümt oder aus glitzerndem Lurex, fast immer sind die Passen
und Ärmel völlig aus Synthetikmaterial. Auf neuesten Abbildungen kann man sogar
Kunafrauen mit Blusen aus transparenten Stoffen sehen, durch die ein B-H durchschimmert.
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Auf den verschiedenen Inseln und auf dem Festland findet man stilistische Unterschiede in
Farben und Darstellungen, sodass man einzelne Molas auch regional zuordnen kann. Auch
die Kuna-Indianer in Kolumbien haben ein anderes Musterrepertoire und andere Farben, wie
z.B. die Farben Weiß oder Blau als oberste Stofflage.
Mustermotive der Molas:
Die Mola-Blusen haben vorne und am Rücken eine rechteckige Mola. Beide Teile zeigen
meist ein ähnliches Motiv, nur in einer anderen Farbvariante.
Man findet ornamentale Musterungen, Pflanzen- und Tierformen. Außerdem abstrahierte
Alltagsgegenstände aus dem Leben der Kuna-Indianer, wie z.B. Rasseln, Hängematten,
Boote…
Sehr interessant und vielfältig sind die sogenannten Akkulturations-Motive, die MotivÜbernahmen aus einer anderen Kultur sind. Z.B. wird eine Abbildung aus einer
amerikanischen Illustrierten in Molatechnik umgesetzt. (z.B. Autos, die auf den Inseln ja nicht
vorkommen)
Die Abbildungen auf den Molas kann man deuten, manchmal ist leicht zu verstehen, was
gemeint ist, andere Symbole sind nur im Kulturkreis selbst verstehbar. So sieht man z.B. auf
vielen ornamentalen Molas ein Mäander- oder Pfeilspitzenmotiv. Das sind die sogenannten
Ake- Motive, die Krankheiten heilen sollen. Die verschiedenen Ake-Formen können nach
dem Glauben der Kunas unterschiedliche Krankheiten heilen.
Veränderungen der Mola-Kultur im Laufe der Zeit:
Seit dem 16.Jhdt. haben die Kunas Erfahrung mit Fremden. Zuerst mit den spanischen
Eroberern, dann mit Piraten, Missionaren, schottischen Siedlern, amerikanischen Händlern
usw. Seit einigen Jahrzehnten kommen kolumbianische Händler auf die Inseln, die Waren
verkaufen und z.B. Plastikgeschirr gegen Molas eintauschen. In den letzten Jahren kommen
auch vermehrt Touristen vom Festland oder oft mit Segelschiffen, die durch den Kauf von
Molas Geld auf die Inseln bringen. Die Kunas haben erkannt, dass Molas ein Handelsartikel
sind und dass die Touristen gut dafür zahlen. Vor einigen Jahren war es noch möglich, den
Frauen ihre eigenen Mola-Blusen abzukaufen, heute werden ältere Molas hergegeben oder
kleinere Molas werden eigens für den Verkauf produziert.
Diese Touristen-Molas sind schlichter, oder weichen von den ursprünglichen Musterungen
ab, weil man sich dem Touristengeschmack anpasst.
Die Mola-Motive haben sich überhaupt im Laufe der Zeit stark verändert. Neuere Molas sind
meist sehr vielfarbig und haben aufapplizierte zusätzliche Stoffteilchen. Viele sind heute
bestickt, um einen noch bunteren Eindruck zu erreichen.
Die Kunas sind also von der ursprüngliche Form der Molas, deren Motive von der
ehemaligen Körperbemalung kamen, nur zweilagig waren und ein ornamentales oder
abstrahiertes Muster zeigten, stark abgewichen. Jetzt sind Molas mehrlagig mit anderen
unterlegten oder applizierten Stoffstücken und zeigen häufig Vögel oder andere Tiere, weil
sich diese Motive besser verkaufen lassen.
Frau Ursula Hartmann, die gemeinsam mit ihrem Mann mehrere Jahrzehnte über die Kunas
geforscht und über deren Kultur geschrieben hat, erwähnt in einem Artikel, dass die frühen
Molas einfacher und gröber sind, die neueren hingegen viel komplizierter und aufwendiger
gearbeitet werden. Es hat eine Art Professionalisierung stattgefunden, ausgelöst durch den
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Wettbewerb der Frauen untereinander, wer die schönsten Molakana näht. Eine künstlerisch
begabte, phantasievolle Kuna-Frau ist in der Gemeinschaft hoch angesehen.
Die Kuna-Frauen haben sich mit den Molas heute einen florierenden Handel aufgebaut. Der
Verkauf der Textilien macht sie finanziell unabhängig. Mit dem Erlös für die Molas werden
neue Stoffe gekauft, das Schulgeld bezahlt, die Schuluniformen, oder z.B. eine Brille.
Frau Hartmann schreibt auch über eine für die Mola-Kultur problematische Entwicklung.
Es gibt auf den Inseln vereinzelt schon Fernseher und sie konnte Kuna-Frauen beobachten,
die vor dem Fernseher sitzen und nicht mehr nähen. Der panamesische Tourismusverband
weiß um die Werbewirksamkeit und präsentiert Molas auf internationalen Tourismusmessen.
Auf Handwerksmessen findet man auch in Europa zunehmend Stände, in denen Molas
verkauft werden. Oft auch von Privatpersonen, die Molas auf den Inseln günstig einkaufen
und am Markt teuer verkaufen. Es gibt auch Produktdesigner, die die dekorativen Molas in
Taschen, Kissen oder Decken einarbeiten.
Mit dem technischen Fortschritt, mit der Schulbildung der Kinder und deren Wegziehen von
den Inseln wird die traditionelle Kulturform der Molas mit der Zeit verschwinden. Man findet
Molas bereits in Museen als eventuell aussterbendes Kulturgut der indigenen Völker und
kann nur hoffen, dass sich die Kunas ihrer besonderen Textilkultur bewusst werden und
diese weiterpflegen.
Literatur zu Molas:
Hartmann, Günther: Molakana. Volkskunst der Cuna. Panama. Berlin 1980
Hartmann, Ursula: Molakana erzählen. Berlin 1986
Hartmann, Ursula: Molakana- textile Grafik der Kuna. In: Textilkunst International 19. 1991
Perrin, Michel: Magnificent Molas. 1999
Parker, Ann und Neal, Avon: Molas. Folk Art oft he Cuna Indians. New York 1977
Legrand, Catherine: Stoffe, Farben, Kleider: Eine Reise um die Welt. München 2008
Flitsch, Mareile: Anders schön in Panama. 2015

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