Zwei Auslandssemester an der University of Arkansas, Fayetteville

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Zwei Auslandssemester an der University of Arkansas, Fayetteville
Zwei Auslandssemester an der
University of Arkansas, Fayetteville, USA
Erfahrungsbericht
Markus Ehrenreich
Anfängliche Wohnungsschwierigkeiten
In der ersten Nacht, in der ich mit meiner Freundin Anfang August 2008 im warmen
Regen und bei einer Luftfeuchtigkeit wie im Regenwald in Fayetteville ankam, sah
unsere von Graz aus reservierte Wohnung – wohl im Schutze der Dunkelheit - gar nicht
so schlecht aus. Bald fiel uns jedoch auf, dass unsere Stifte vom Tisch rollten und man im
Schlafzimmer merklich „bergauf ging“ – die Böden waren so uneben, dass ich mir im
Bett vorgekommen bin wie auf einem abschüssigen Campingplatz. Die einmalige
Wortspende der Dame im Büro des Vermieters: „Well, that is probably because we’re on
a hill here.“ Naja dann, alles klar, oder?
Als dann in den darauf folgenden Tagen unser Badezimmer auch noch mehrmals unter
Wasser stand und die Toilette ihren Dienst quittierte, bestanden wir schließlich doch auf
eine andere Wohnung, die wir dann auch bekamen, und sie war wirklich schön.
Die University of Arkansas
Die University of Arkansas verteilt sich campus-typisch auf viele separate Gebäude.
Meine Kurse liefen im kleineren Rahmen ab, die Teilnehmerzahlen waren streng
beschränkt, und große Vorlesungen, wie wir sie von der Karl-Franzens-Universität
kennen, habe ich noch gar keine erlebt. Dafür herrschte in den Kursen oft eine
persönlichere Atmosphäre. Das Niveau kann von Kurs zu Kurs stark variieren. Das
Gerücht, dass es generell niedriger als bei uns sei, scheint jedoch nicht zu stimmen. Was
aber stimmt, ich fühlte mich manchmal in die Schule zurückversetzt, wenn ich am Ende
jedes Uni-Tages zahlreiche Hausübungen für den nächsten Tag erledigen musste, anstatt
mir die Arbeit selbst einteilen zu können. Wenn uns neben der Uni noch Zeit blieb, waren
wir am Wochenende auch öfters unterwegs. Einer unserer ersten Ausflüge war eine
Kajaktour am Elk River.
Die amerikanische Präsidentschaftswahl
Im Herbst des Jahres 2008 verwandelte der Herbst die zahlreichen Laubbäume in
Arkansas in eine wunderschöne, bunte Blätterlandschaft und dann hieß es Abschied
nehmen von den vielen internationalen Studenten, die nur für ein Semester dort blieben.
Damals ging auch die amerikanische Präsidentschaftswahl über die Bühne, und je näher
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die Wahl rückte, desto euphorischer wurde die Stimmung. Autos und Vorgärten wurden
mit Aufklebern und Schildern der jeweiligen Kandidaten dekoriert, und die Leute
begannen immer mehr, im Alltag über die Wahlen zu diskutieren. Am Tag der Wahl
waren die auf der Uni kostenlos erhältlichen Zeitungen wie die New York Times
innerhalb kürzester Zeit vergriffen.
Die Ausstattung an der University of Arkansas
Bald danach kamen die „midterm exams“ des ersten Semesters auf uns zu. Zusätzlich zu
diesen Prüfungen gab es in vielen Kursen auch regelmäßig schriftliche Wiederholungen.
Vorlesungen, bei denen man ausschließlich auf eine große Prüfung hinlernt, waren nicht
üblich.
Was an der University of Arkansas wirklich beeindruckend war, waren die Ausstattung
und Serviceangebote. Es gab zahlreiche „computer labs“, Drucker konnten gratis benützt
werden, und in den meisten Räumen fanden sich Smartboards (Beamer mit TouchScreen-Leinwänden) Daneben gab es viele Serviceangebote für Studenten, beispielsweise
das „Quality Writing Center“, das Studenten beim Verfassen wissenschaftlicher Arbeiten
unterstützte, oder das „Pat Walker Health Center“, eine Art Klinik, die medizinische
Untersuchungen anbot.
Beeindruckend waren auch die Angebote des „Intramural Recreational Sports Buildings“.
Auf 21.000 Quadratmetern verteilten sich zehn Racquetballplätze, vier Basketballplätze,
eine Laufbahn, ein großes Schwimmbad, eine Kletterwand, Saunas, ein Fitnesscenter und
vieles mehr.
Nun möchte ich aber auch kurz zur Schattenseite dieser zahlreichen „Gratisangebote“
kommen. In Österreich sind wir ja gerne unglücklich über die (inzwischen zur
Abwechslung wieder abgeschafften) Studiengebühren. An der University of Arkansas
müssen amerikanische Studenten etwa 9000 US$ pro Jahr an „Studiengebühren“ zahlen,
sofern sie kein Stipendium erhalten. Viele Studenten nehmen nicht zu unterschätzende
Bankkredite auf, um sich ihr Studium finanzieren zu können. Daher sollte man „gratis“
vielleicht doch eher durch „im Preis inkludiert“ ersetzen.
Die Route 66
Im Dezember des Jahres 2008 begann ich zu recherchieren, ob man Teile der Route 66,
der ersten Straßenverbindung zwischen Chicago und der Westküste, die 1926 erbaut
wurde und bis in die 80er Jahre genutzt wurde, noch befahren könnte. Nachdem meiner
Freundin diese Idee auch gut gefiel, brachen wir kurz vor Weihnachten auf. Unser Plan
war, die Strecke durch Oklahoma, Texas, New Mexico, Arizona und Kalifornien auf der
alten Route 66 zurückzulegen, und die schönsten Sehenswürdigkeiten entlang des Weges
zu besichtigen. Oft war es nicht einfach, den Streckenverlauf zu finden. Alte Highways
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gingen in Staubstraßen über, die im Horizont endeten. Andere Wege mündeten in
sandigen Geländepassagen, wo sich mein Jeep übrigens wirklich bewährte.
Freunde fragten mich nach der Reise, wo es am schönsten war. New Mexico gefiel mir
sehr gut. Der mexikanische Einfluss stellt eine schöne Abwechslung zur amerikanischen
Fastfood- und Walmart „Kultur“ dar. Es gibt dort sogar Häuser mit echten Wänden statt
Pappkarton.
Da wir mitten im Winter unterwegs waren, trafen wir auch bei Attraktionen wie dem
Grand Canyon auf keine Menschenmassen, dafür aber auf reichlich Schnee. Silvester
feierten wir in Flagstaff, einer netten, auf 2100m gelegenen Kleinstadt in Arizona. Ein
weiteres Highlight war sicherlich Oatman, ein altes Goldgräberdorf. Anfang Jänner
erreichten wir nach 13 Tagen unser Ziel in Kalifornien und fuhren dann über Las Vegas
zurück nach Arkansas. Insgesamt legten wir in 17 Tagen 6300km zurück. Es war ein
genialer Roadtrip.
Der Eissturm im Jänner 2009
Ende Jänner hatten wir dann in Fayetteville einen heftigen Eisregen. Die Straßen wurden
spiegelglatt, Äste vereisten zentimeterdick, brachen unter der Last und stürzten auf
Oberleitungen, worauf in der Stadt nach und nach der Strom ausfiel. Straßen waren
blockiert und lagen in vollkommener Dunkelheit. Es sah aus, als wäre in der Stadt ein
Krieg ausgebrochen. Wir realisierten bald, dass wir wohl einige Nächte ohne Strom,
Heizung und Warmwasser auskommen müssten – was bei -7°C natürlich eher
unangenehm ist. Die Uni wurde geschlossen und in der Stadt Notunterkünfte aufgebaut.
Wir entschieden uns trotzdem, zusammen mit einigen anderen Studenten, in der Siedlung
zu bleiben. Wir schliefen mit Haube in Schlafsäcken und Decken und kochten am
Lagerfeuer im Freien. Die Stirntaschenlampe wurde mein größter Freund.
Viele Autos wurden unter Ästen begraben, woran die meisten Leute aber selbst schuld
waren. Ich weiß wirklich nicht, was die Menschen hier dazu brachte, mitten im Eissturm
immer noch unter Bäumen zu parken. Unterhaltsam war es auch, den Amerikanern beim
Eiskratzen zuzusehen. Manche scheinen davon überzeugt zu sein, dass man auch das
Blech komplett abkratzen muss. Mein persönlicher Favorit war aber ein Autofahrer, der
das Eis mit einem Hammer entfernen wollte und dabei die Scheibe auch gleich entfernte..
Nach drei kalten Tagen und Nächten bekamen wir in unserer Wohnung wieder Strom,
während es in anderen Teilen von Arkansas Wochen dauerte. Rückblickend bin ich froh,
dass wir hier „ausharrten“, das Kochen am Feuer hat ja durchaus auch Spaß gemacht!
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Die letzten Wochen
Kurz vor Ende des Semesters organisierte einer meiner Professoren für uns Studenten
noch einen Ausflug. Unser Ziel war es, ausschließlich mit der Technologie zu leben, die
den Menschen im Jahr 1860 zur Verfügung stand.
Mit zwei Geländewagen machten wir uns auf den Weg zu einer abgelegenen Hütte in den
Bergen. Dort ging’s dann los. Wir verwendeten Öllampen statt Taschenlampen, kochten
am Feuer, und das Geschirr wurde im Fluss gewaschen. Nur beim Schlafen schummelten
wir - ein moderner Schlafsack war erlaubt. Ich übernachtete unter freiem Himmel auf
einem Vorbau der Hütte, etwa drei Meter über dem Boden. Als ich in den Schlafsack
kroch, saßen noch ein paar Leute am Lagerfeuer. Noch bevor ich einschlief, hörte ich
plötzlich zwei Tiere schräg unter mir fauchend durch die Dunkelheit laufen, Richtung
Lagerfeuer. Ich dachte mir noch „Ich bin wohl der Tourist, die Amerikaner werden keine
Angst vor denen haben“.
Das war dann wohl doch nicht ganz so. Sie ergriffen die Flucht und rannten in die Hütte.
Gemeinsam starrten wir dann vom Vorbau in die Dunkelheit, wo der Kampf
weiterzugehen schien. Schließlich kam unser Professor mit einer großen Taschenlampe wir beamten uns also ausnahmsweise kurz in die Gegenwart zurück. Gesehen hab wir
trotzdem nicht viel, wir vermuten aber, dass es zwei Kojoten waren, die da eine kleine
Meinungsverschiedenheit klären wollten..
Kurze Zeit später ging dann das Semester zu Ende und die letzten Wochen waren
natürlich wieder von Tests und Abgabeterminen geprägt. Für mich ging alles sehr gut
aus, ich hab meine Lehrveranstaltungen erfolgreich und mit wirklich guten Noten
abgeschlossen.
Resümee
Rückblickend auf die letzten 10 Monate kann ich nur sagen, es war genial! Meine
Freunde haben mich oft darauf hingewiesen, dass ich die USA so stark kritisiere, und
dazu stehe ich auch. Was sich hier in Bezug auf die Waffenverrücktheit der Amerikaner,
die Polizei oder den Energieverbrauch abspielt, ist unfassbar. Nicht umsonst haben die
USA traurigerweise den weltweit höchsten ökologischen Fußabdruck. Der Rest jedoch meine Freunde hier, die Universität, die Reisen, die Partys - war einfach nur genial. Ohne
die vielen tollen Menschen, mit denen ich hier in der Siedlung gewohnt habe, wären diese
zwei Semester nicht einmal annähernd so toll gewesen. Ich habe hier sicherlich eines der
schönsten Jahre meines bisherigen Lebens verbracht. Auch was eine Fremdsprache
angeht, ist ein Auslandsaufenthalt meiner Meinung nach durch nichts zu ersetzen. Daher
würde ich auch allen Studentinnen und Studenten empfehlen, unbedingt ein oder zwei
Auslandssemester zu absolvieren.
Markus Ehrenreich
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