Wie viel BEWEGUNG darf ein WELPE haben?

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Wie viel BEWEGUNG darf ein WELPE haben?
welpen
Wie viel
Bewegung
darf ein
Welpe
haben?
Auch Welpen brauchen Bewegung. Das ist den
meisten Hundehaltern heute klar. Dass ein Zuviel des
Guten jedoch lebenslange Schäden nach sich ziehen
kann, wissen die wenigsten. Hier einige Tipps,
wie Sie ihr Hundebaby weder über- noch unterfordern
W
eil er gelesen hatte, dass
der Magyar Vizsla viel Bewegung braucht, war Paul
Berger mit seinem vier Monate alten Junghund jeden Tag mindestens
eine Stunde unterwegs. Am Wochenende
sogar zwei oder mehr. Nach ein paar Wochen begann Jamie, vorne zu lahmen. Der
Tierarzt stellte eine Entzündung am Schultergelenk fest. Die Ursache war schnell gefunden: viel zu viel Bewegung.
Rücksicht auf das
Knochenwachstum
Beim Bälle-Bad lernt der
Welpe, dass der Boden
auch schwanken kann.
Da er beim Herumturnen
hin- und hergeschaukelt
wird, fördert das die Koordination der Gliedmaßen
und stärkt die Muskeln
„Es stimmt zwar, dass manche Rassen
sehr bewegungsfreudig sind, allerdings
kann es bei Welpen und Junghunden sehr
schnell zu viel des Guten sein“, meint dazu die Hundetrainerin und -krankengymnastin Stephanie Küster. „Da Hunde zu
den Nesthockern zählen, findet die Knochenentwicklung von innen nach außen
statt. Das heißt, dass die Knochen bei der
Geburt zwar schon als Ganzes angelegt,
aber noch nicht fertig ausgebildet sind.
Erst mit Abschluss des Wachstums sind
die Wachstumsfugen komplett geschlossen und das Kreuzbein verknöchert.“
die expertin
Stephanie Küster mit Maya (M.), Teddy
(l.) und Kimba, der Namensgeberin
Stephanie Küster
Weil ihre Hündin Kimba den Ausschlag
gab, den Beruf der Hundetrainerin zu ergreifen, hat Stephanie Küster ihre Hundeschule nach ihrer Mischlingshündin
benannt. Neben einem reichhaltigen
Erziehungsprogramm bietet die gelernte
Hunde-Krankengymnastin auch Physiotherapie für Hunde jedes Alters an.
▶ KONTAKT: Stephanie Küster
Gniebeler Str. 5
72124 Pliezhausen-Dörnach
Tel. 07127 237720
[email protected]
www.kimbas-home.de
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welpen
Aktive Hunde wie der Luzerner Laufhund müssen in ihrem Eifer
gebremst werden, solange das Knochengerüst noch unreif ist
Da auch die Muskeln und Bänder bei jungen Hunden noch zu
schwach sind, müssen die unreifen Knochen und Gelenke
die Hauptbelastung tragen. So
kann sich das Skelett schnell
verformen. Bleibende Gelenkschäden sind die Folge.
Grundsätzlich sind kleinere
Rassen früher ausgewachsen
als größere. Während das beim
Jack-Russell-Terrier oft schon
mit acht Monaten der Fall ist,
kann sich das bei großen Rassen wie Labrador, Neufundländer oder Dogge bis zu 14 beziehungsweise 18 Monate hinziehen. Die Dauer des Ausflugs
sollte sich also nach dem Alter
des Hundes, aber auch nach
der Rasse richten. Es gibt aber
eine Faustregel, die besagt:
Lebensalter in Monaten mal
fünf Minuten, zwei bis drei
Mal am Tag. Ein Junghund
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mit fünf Monaten sollte also
pro Spaziergang maximal 25
Minuten am Stück laufen. Extrem wichtig sind dazwischen
immer wieder Ruhephasen,
in denen der Hund schlafen,
sich ausruhen und das Erlernte
verarbeiten kann. Ein Spaziergang von einer Stunde ist bei
großen Rassen also frühestens
wird die Tiefensensibilität des
Körpers gefördert. Das Körperempfinden, der Gleichgewichtssinn und die Trittfähigkeit des Welpen verbessern
sich, und außerdem macht das
Training auch noch Spaß. Die
meisten Hundeschulen haben
dieses sogenannte propriozeptive Training im Programm.
Sie können aber auch selbst
erfinderisch werden. Lassen
Sie Ihr Hundebaby über unebene Flächen marschieren
wie eine Luftpolsterfolie, eine
Luftmatratze oder Kieselsandbänke. Ein oder mehrere alte
Autoreifen oder ein Sandhügel
Übungen für
Körper & Geist
Natürlich sollte man Welpen
und Junghunde nicht nur in
Watte packen. Denn zum einen
muss die Muskulatur gestärkt
werden, um Knochen und Gelenke zu stabilisieren, zum anderen werden die Grundlagen
für die spätere Geschicklichkeit und Wendigkeit bereits
jetzt gelegt. Mit Übungen
auf instabilen Untergründen
Im Spiel geht es oft drunter und drüber. Seien Sie wachsam
und lassen die Kleinen nicht bis zum Umfallen toben
Balancieren fördert die Geschicklichkeit, ohne zu überfordern
bieten sich zum Drüberklettern an, auch dünne Stangen,
die wie ein Mikadospiel auf
den Boden gelegt werden, Gitterroste und mit Bällen oder
Wasser gefüllte Plastikwannen
sind Herausforderungen, die
Körper und Geist fordern und
fördern. „Auch Baumstämme
zum Balancieren sind eine tolles Trainingsgerät. Bleiben Sie
aber neben dem Welpen stehen
und halten ihn am Brustgeschirr fest. Je langsamer und
ruhiger seine Bewegungen, desto besser. Die Trittsicherheit
beginnt mit dem ersten Schritt,
die Geschwindigkeit kommt
später von alleine“, erklärt
Stephanie Küster. Auch hier
sollten Sie es langsam angehen
lassen. Ein oder zwei Geräte
Bei der Landung wirken viele Kräfte auf den Körper ein (l.).
Hüpfbewegungen sollten beobachtet werden (r., siehe Kasten)
info
Verdächtiges
Symptom
Aufmerksam werden sollten
Sie, wenn Ihr Hundebaby
plötzliche Hüpfbewegungen
des Hinterbeines zeigt.
Er streckt das Hinterbein
plötzlich nach hinten raus
und fußt dann wieder normal
auf. Dieses Symptom kann
auf eine Patellaluxation
hinweisen. Dabei handelt es
sich um eine Erkrankung,
bei der die Kniescheibe aus
der Führung springt. Dies
kann bereits im Alter von
vier bis fünf Monaten auftreten. Da die Kniescheibe für
die Streckung des Hinterlaufes mitverantwortlich ist,
sollten Sie schnell einen
Spezialisten aufsuchen, um
Folgeschäden zu vermeiden.
am Anfang sind genug. Nach
und nach kann wieder ein
neues Gerät dazukommen.
Zu wildes Spiel
ist ungesund
Vorsicht ist auch im Spiel mit
anderen Welpen geboten. Im
Eifer des Gefechts wird gerempelt, aufs Kreuz gesprungen
und getobt bis zum Umfallen,
ohne dass jemand eingreift.
Zu wildes und grobes Spielen
kann besonders in der Hauptwachstumsphase zwischen
dem vierten und siebten Lebensmonat aber zu Prellungen
und im schlimmsten Fall zu
einer Gliedmaßenverkürzung
oder -verkrümmung führen.
Passen Sie also auf, dass es
beim Spielen friedlich und
ruhig zugeht. Natürlich sind
sehr temperamentvolle Rassen
wie viele Terrier-Arten oder
Border Collie & Co. manchmal schwer zu bremsen. Sie
hören nämlich nicht automatisch auf, wenn sie müde oder
überfordert sind. Hier muss
der Mensch eingreifen und
den Hundenachwuchs in seinem Übereifer bremsen.
Eine wichtige Rolle spielt auch
die Ernährung. Stellen Sie zu
Beginn der Junghundephase ab
der zwölften bis vierzehnten
Woche auf normales Futter
um, da der erhöhte Proteingehalt im Welpenfutter zu überschnellem Wachstum führt.
Magyar Vizsla Jamie hatte noch
mal Glück. Sein Herrchen hatte sich vorher zwar nicht über
richtiges Bewegungstraining
informiert, aber er reagierte
sofort auf die ersten Alarmzeichen. Statt abzuwarten, ob die
Beschwerden von selbst verschwinden, ging er vorsichtshalber zum Tierarzt. Daher
konnten Spätschäden gerade
noch verhindert werden.
Saskia Brixner
Kleiner Tipp: Achten Sie
beim Hochheben und
Tragen darauf, dass die
Wirbelsäule gerade ist und
das Hinterteil gestützt wird.
Die Bandscheiben werden
nicht zusammengedrückt
und gut durchblutet
FOTOS: www.animals-digital.de/thomas brodmann (4), juniors, meike böhm/www.c1-photodesign.de, privat
mit einem Jahr erlaubt.
Typische Bewegungen, die
dem Bewegungsapparat von
Welpen schaden und Hunden
später das Leben schwermachen können, sind Ball- und
Zerr- sowie Renn- und Fangspiele oder das Springen über
Hindernisse, selbst wenn diese
niedrig sind. „Beim Springen
kommt es durch das Bremsen mit der Vorderhand und
dem gleichzeitigem Schub der
Hinterhand zu einer Überbelastung der Ellenbogengelenke. Noch extremer sind
die Belastungen beim Fangen
eines Balls oder einer FrisbeeScheibe. Hier kommt zur Belastung durch das Brems- und
Landungsmanöver auch noch
eine Wendung in der Luft dazu. Dadurch kommen extreme
Scherkräfte zur Wirkung, welche die Gelenke mehrfach belasten. Messungen haben ergeben, dass je nach Gangart,
Geschwindigkeit und Gewicht
des Hundes bei Sprüngen 700
bis 1.000 Prozent des Körpergewichts auf die Vorder- und /
oder Hinterhand einwirken“,
klärt die Expertin auf.