Generationsübergreifend
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Generationsübergreifend
NETZBETREIBER UND -DIENSTE Generationsübergreifend ATM-Funktionalität für multiservicefähige MobilfunkBasisstationen Norbert Heinrici, Brendan McKenna Leitungsgebundene und drahtlose Kommunikationsnetze der Zukunft werden als Multiservicenetze konzipiert, die gleichzeitig mehrere Protokolle wie IP, ATM, MPLS und Time Division Multiplexing unterstützen. Die Entwickler von Ausrüstungen für drahtlose Infrastrukturen haben es jedoch mit schwierigen Rahmenbedingungen zu tun, denn ein Großteil der heute existierenden Netze und Dienste beruht noch auf ATM und TDM. In diesem sich nur langsam verändernden Marktumfeld sind Architektur, Entwicklung und Markteinführung aller ATMFunktionen zu einer entscheidenden Voraussetzung geworden, um mit ATM- und IP-Technik den Übergang zwischen heutigen und künftigen drahtlosen Infrastruktursystemen zu gewährleisten. Norbert Heinrici ist Marketing Manager Telecommunications bei Agere Systems in Unterföhring bei München, Brendan McKenna ist Marketing Manager Telecommunications bei Agere Systems in Allentown (USA) 56 Sollen OEM-Designer Multiservicesysteme mit QoSUnterstützung (Quality of Service) auf mehreren Protokollen realisieren, müssen sie sich mit drei zentralen Techniken auseinandersetzen: Traffic-Ma- Bild 1: Das zukünftige IP-basierte, drahtlose Access-Netz (BTS – Base nagement, Segmen- Transceiver Station, CS – Control Server, SR – Switch Router, MGW – Metation and Reas- dia Gateway, IP-RAN – IP Radio Access Network) sembly (SAR) und ATM (Asynchronous Transfer Mode). schen 2 und 40 Oktetten pro 20-msAufgrund der Komplexität dieser Sprachrahmen. AAL2 schafft die VorTechniken sind die Entwickler von TKaussetzungen dafür, daß derartige vaAusrüstungen auf die Zusammenarriable Pakete einen einzigen ATM Virbeit mit den Halbleiterherstellern antual Circuit (VC) gemeinsam nutzen, gewiesen, die das breite Spektrum was insgesamt bis zu 240 Sprachvervon Herausforderungen sowohl im bindungen ausmacht. Ebenso erspaHardware- als auch im Softwareberen sich die Mobilfunknetzbetreiber reich bewältigen können. Die Spanne mit AAL2 die monatlichen Grundgereicht hier vom Multiservice-Support bühren entsprechend der Zahl der geüber Zuverlässigkeit und Flexibilität bis nutzten VCs, da auf einem VC mehrezur Realisierung eines lückenlosen re User-Flows übertragen werden Funktionsangebotes. Zudem müssen können. Mit Blick auf die Gesamtausdie Anforderungen in bezug auf Leilastung ist es effizienter und wirtstungsaufnahme, Kosten und Marktschaftlicher, einen ATM VC von meheinführungszeit erfüllt werden. reren Lowspeed-Anwendern nutzen zu lassen als beispielsweise für jeden Herausforderungen beim Design Während der Trend zu einer rein IPbasierten Zukunft geht (Bild 1), beruhen die gegenwärtigen 3G/UMTSNetze (Universal Mobile Telecommunication Services) auf ATM und nutzen AAL2 und/oder AAL5 für den Datentransport. AAL2 (ATM Adaptation Layer, Typ 2) regelt dabei die RealTime-User-Informationen mit variabler Bitrate. In dieser Form, d.h. als Echtzeit-Traffic mit variabler Bitrate, wird beispielsweise komprimierte Sprache über heutige Mobilfunknetze übertragen. Der Nutzdatenumfang variiert dabei während des Gesprächs zwi- Das Thema in Kürze Obwohl derzeit noch ATM-basierte Mobilfunknetze genutzt und installiert werden, gehört der reinen IPTechnik die Zukunft. Entwickler von TK-Equipment müssen sich darauf einrichten, daß beide Techniken für eine geraume Zeit parallel genutzt werden. Dabei sind sie gut beraten, mit Chip-Herstellern zusammenzuarbeiten, deren Produkte sowohl ATM als auch IP unterstützen. Hier geht der Trend hin zu sogenannten Plattformen. NET 11/04 Generationsübergreifend User-Flow einen eigenen AAL5 VC zu reservieren (Bild 2). Wenn Flows mit höherer Datenrate (z.B. Multimedia- oder Webdaten) in einem ATM-Netz übertragen werden sollen, kann es sinnvoll sein, einen AAL5 VC für einen User-Flow zu reservieren, da dieser den VC so weit auslastet, daß keine oder allenfalls geringe Bandbreite für die Verwendung durch andere Flows zur Verfügung steht. Allerdings kann auch AAL2 für den Transport von Flows mit mittlerer Datenrate verwendet werden, wenn zusätzlich auf dienstspezifische Convergence-Sub-Layer-Funktionen wie I.366.1 und I.366.2 zurückgegriffen wird. Diese ITU-T-Standards definieren Dienste zur Anpassung von UserFlows innerhalb AAL2 mit Hilfe von CPS Multiplexing (Common Part Sublayer), SS-SAR (Service-Specific Segmentation and Reassembly) und SSTED (Service-Specific Transmit Error Detection). Die ursprüngliche Spezifikation für 3G/UMTS-Netze sah AAL2 und AAL5 als Basis für die Verbindung zwischen Radio Network Controllern (RNCs) und Node-B-Systemen (3G Base Transmission Station/BTS) vor. Der OEM-Designer kann zusätzlich entscheiden, ob er die Unterstützung von Flows mittlerer und hoher Datenrate per AAL2 vorsehen will. Um die Mobilfunknetze stärker an der Weiterentwicklung der IP-Netze (IP – Internet Protocol) auszurichten, müssen künftige Versionen der 3G/UMTS-Spezifikationen den Transport mit Hilfe IPbasierter Übertragungstechniken ermöglichen. Da derzeit ATM-basierte Mobilfunknetze installiert und IP-basierte Netze geplant werden, wird es eine längere Übergangszeit geben, in der die Betreiber beide Netztypen zu unterhalten haben. Gefordert sind deshalb flexible Lösungen und verschiedene Bereitstellungsverfahren wie z.B. Unterstützung von ATM, IP over ATM (mit AAL2 oder AAL5) sowie reines IP einschließlich IP over MPLS (Multiprotocol Label Switching). Ein weiterer Aspekt bezüglich des terrestrischen Transports in Mobilfunknetzen sind die Verfügbarkeit und die Kosten von Übertragungseinrichtungen. In der Regel sind T1/E1-Verbin- NET 11/04 dungen die verbreitetsten und kosteneffektivsten Dienste für Verbindungen zwischen RNCs und Basisstationen (Node-B). Aufgrund der relativ geringen Bandbreite dieser Verbindungen setzt der Transport von mehr Traffic (z.B. durch 3G/UMTS-User- ergibt, ist die schrittweise Einrichtung neuer langsamerer Verbindungen entsprechend dem Bedarf der Anwender für den Mobilfunknetzbetreiber in der Regel kosteneffektiver als die Bereitstellung einer DS3- oder E3-Verbindung (Bilder 3 und 4). Bild 2: AAL2-Transportmechanismus in ATM (a) und CPS-Mux/Demux (b) Flows mit höheren Datenraten) auf langsamen Verbindungen bestimmte Bündelungstechniken voraus. Hierbei werden mehrere physische Verbindungen wie eine logische Verbindung behandelt, deren Übertragungsrate der Summe der Einzelübertragungsraten entspricht. Im ATM-Bereich dient das vom ATM Forum definierte Inverse Multiplexing for ATM (IMA) als Verfahren zum Zusammenfassen mehrerer T1/E1-Verbindungen zu einer logischen Verbindung und kann Transportraten von 8,192 Mbit/s (4 x E1) oder 16,384 Mbit/s (8 x E1) erzielen. Serialisierungs-Verzögerungszeiten werden bei dieser Technik vermieden, da jedes Paket so über eine breitbandigere Verbindung (z.B. die IMA-Gruppe) übertragen werden kann, als wenn nur eine einzige E1-Verbindung benutzt würde. Eine entsprechende Technik für IP-basierte Netze ist das Multilink Point to Point Protocol (ML-PPP), das auf ähnliche Weise mehrere physische Verbindungen bündelt. Als Resultat kann ein schneller Datenburst von 2 Mbit/s (bzw. ca. 5.000 Oktette je AirFrame) mit geringer Verzögerung und vergleichsweise kostengünstig über ein IMA-Bundle gesendet werden. Da das Verkehrsaufkommen der Benutzer durch kurze Lastspitzen gekennzeichnet ist und sich bei den Datendiensten mit der Zeit eine Weiterentwicklung Designkonzepte der nächsten Generation Um OEM-Designern beim Entwurf von Multiservice-Equipment der nächsten Generation zu helfen, gehen die Halbleiterhersteller mit ihren Produktlinien von diskreten Chips auf sogenannte Plattformen über. Plattformen sind einheitliche Sets aus Halbleiterchips, Software, Leiterplattendesigns und System-Engineering, die in den unterschiedlichsten Systemen verwendet werden können – häufig mit nur geringen Änderungen. Chips für Plattformlösungen reduzieren in der Regel die höheren Entwicklungsund Testkosten, die entstehen können, wenn Chips verschiedener Hersteller verwendet werden. Hinzu kommen Vorteile auf anderen Gebieten, sei es die Gewährung günstiger Paketpreise oder die Verfügbarkeit erprobter Referenz-Hardwaredesigns sowie zuverlässiger, langzeitgeprüfter und wiederverwendbarer Software. Die Bedeutung der Software in Produkten für die 3G-Mobilfunkinfrastruktur kann nicht hoch genug eingeschätzt werden, denn auf dem Markt ist die Software ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal. Es ist kostspielig und komplex, sie zu entwickeln und sie über die Nutzungsdauer der Hardware hinweg zu pflegen und auf dem neuesten Stand zu halten. 57 Generationsübergreifend Symbolischer Knopfdruck Bild 3: a) TC-Mechanismus (Zuordnung der Zellen im TDM-Rahmen, Zellenübertragungslatenzzeit 276 µs je DS1-Link); b) IMA-Mechanismus (Zellenzuordnung zu mehreren TDM-Rahmen, Zellenübertragungslatenzzeit 138 µs je zwei DS1-Links) bedeuten niedrigere Systemkosten, höhere Equipment-Zuverlässigkeit und eine zügigere Produkteinführung. Noch günstigere Systemkosten ergeben sich, wenn Bild 4: Multi-Link/Multi-Class-PPP-Mechanismus a) PPP/HDLC: Mapping diese reduzierte und Delineating der Pakete in TDM-Rahmen (Zellübertragungslatenzzeit Anzahl von Code276 µs je DS1-Link, HDLC – High-Level Data Link Control) b) ML/MC PPP: zeilen in verschiePakete werden fragmentiert und über mehrere Links übertragen. So werdenen Anlagentyden mehrere „Suspension Levels” erzeugt, um die Paket-QoS zu verbessern pen genutzt werden kann, die aber auf derselben Schließlich spielt die Software meist Plattform beruhen. Die Wiederverauch eine Schlüsselrolle für die Zuverwendung des Codes in vielen unterlässigkeit des Gesamtsystems. Die schiedlichen Anlagen bildet daher die Hersteller von Ausrüstungen für MoGrundlage für eine effektive plattbilfunk-Basisstationen tun deshalb gut formbasierte Produktstrategie. daran, mit Zulieferern zusammenzuarJede Plattform für das Design von beiten, deren Plattformen insgesamt Multiservice-Netzausrüstungen muß niedrige Systemkosten garantieren einerseits die gesamte Breite und Tieund deren Software wiederverwendfe der ATM-Features mitbringen und bar ist, anstatt nur auf einzelne Chips andererseits mit den robusten Trafficund maßgeschneiderte Software für Managementfähigkeiten für IP-Protoeine bestimmte Applikation zu setzen. kolle aufwarten. System-Chips, die Diese Strategie paßt außerdem hermit ATM- und Traffic-Managementvorragend zu zwei weiteren 3Gtechnik ausgestattet sind, stellen daTrends: Zum einen müssen neue Sybei die bestmögliche Lösung dar. Agesteme aufgrund der wirtschaftlichen re Systems beispielsweise bietet Chips Rahmenbedingungen von Generation an, die eine entscheidende Verbessezu Generation immer kostengünstiger rung der Kapazität, des Platzbedarfs, entwickelt werden. Zum anderen der Gesamtsystemkosten und der Promüssen die Hersteller ihre Designs auf dukteinführungszeiten existierender einer deutlich geringeren Zahl wiederund künftiger, drahtloser wie leitungsverwendbarer Plattformen gründen, gebundener, TK-Ausrüstungen mit um ihre Hard- und Softwareentwicksich bringen. Gleichzeitig können Serlungskosten weiter zu senken. Die vice Provider mit den damit möglichen Entwickler müssen die Möglichkeit neuen Diensten zusätzliche Einnahhaben, mit weniger Codes auskommen erwirtschaften. (bk) men zu können, denn weniger Codes 58 Im Oktober hat Motorola mit dem i860 bei Nextel Communications, dem Marktführer für Push-to-TalkDienste (www.nextel.com) gepunktet. Das erste Kamerahandy mit Push-to-Talk-Funktion (PTT) im Nextel-Netz sorgt bei den Amerikanern, die seit elf Jahren PTT-Dienste (Direct Connect) anbieten, neuerdings auch für den Nextel Multimedia Messaging Service. Nun soll es den Walkie-Talkie-Dienst für zellulare Netze bald auch in Deutschland geben. T-Mobile macht Der PTT-Dienst bei T-Mobile startet mit den Vorreiter und dem Nokia 5140 hat den kommer(Foto: Nokia) ziellen Start für Ende November in Aussicht gestellt. Doch wo die Reise hingeht bei der Zielgruppenansprache, weiß man in Bonn offensichtlich noch nicht so genau. Denn während die Erstpräsentation auf der Jugendmesse YOU 2004 Anfang Oktober in Berlin – und damit weitab von Business-Anwendern – erfolgte, titelte die Pressemeldung am Eröffnungstag der Systems (18. Oktober) mit „T-Mobile stellt Push-toTalk für Geschäftskunden vor“. Und so spricht einiges dafür, daß dem Diensteangebot wohl auch die Aufgabe eines Markttests zur Kundenakzeptanz zukommt. Einfach ist die Entscheidung für SMS-umsatzverwöhnte Mobilfunkanbieter sicher nicht, den – abgesehen von einer Monatspauschale – im IP-basierten Verkehrsaufkommen nicht tarifierten Dienst einzuführen. Der Gedanke, daß man den Ast absägen könnte, auf dem man sitzt, schwingt bei Push to Talk in Deutschland immer mit. Einstweilen freut sich Nokia gleich zweifach. Erstens, weil die Finnen damit den ersten Auftrag in Europa zu PoC (Push to Talk over Cellular) ergattert haben. Und zweitens, weil vom Start weg das Nokia 5140 zum Einsatz kommt. bac NET 11/04