Abgrenzung von Eigenkapital und Fremdkapital nach HGB
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Abgrenzung von Eigenkapital und Fremdkapital nach HGB
Abgrenzung von Eigenkapital und Fremdkapital nach HGB und IFRS Darstellung und Würdigung aktueller Entwicklungen unter besonderer Berücksichtigung des ED IAS 32 (2006) Prof. Dr. Henning Zülch ist Inhaber des Lehrstuhls für Rechnungswesen, Wirtschaftsprüfung und Controlling an der Handelshochschule Leipzig (HHL) – Leipzig Graduate School of Management. E-Mail: [email protected] Dr. Mark-Ken Erdmann verantwortet als Senior Vice President die Abteilung Projekte und Grundsatzfragen im Konzernberichtswesen der Bertelsmann AG, Gütersloh. E-Mail: mark-ken.erdmann@ bertelsmann.de Joyce Clark ist Studentin an der TU Clausthal. E-Mail: corinna.joyce.clark@ tu-clausthal.de Henning Zülch, Mark-Ken Erdmann und Joyce Clark Um international vergleichbare und anerkannte Abschlüsse offenzulegen und eine Harmonisierung von internem und externem Rechnungswesen herbeizuführen, sind auch mittelständische Unternehmen vermehrt an einer Umstellung auf IFRS interessiert. Allerdings ergeben sich aus der aktuellen Eigenkapitaldefinition des IAS 32 Financial Instruments: Presentation, welche bereits seit 2005 anzuwenden ist, insbesondere für Personenhandelsgesellschaften unerwünschte Bilanzierungseffekte, die eine Umstellung auf IFRS erschweren können.1 Gemäß IAS 32 liegt Eigenkapital nur dann vor, wenn kein Rückzahlungsanspruch auf das investierte Kapital besteht. Bei Personenhandelsgesellschaften steht den Gesellschaftern jedoch ein gesetzliches Kündigungsrecht zu, was dazu führt, dass die entsprechenden Gesellschafteranteile im Fremdkapital zu erfassen sind. Ziel dieses Artikels ist es, einen zusammenfassenden Überblick über den aktuellen Entwicklungsstand zur „Lösung“ der Abgrenzungsproblematik für Personenhandelsgesellschaften zu geben und eine Einordnung des seitens des IASB am 22. Juni 2006 veröffentlichten Exposure Draft (ED) IAS 32 (2006) in die gegenwärtig in Deutschland geführte Diskussion vorzunehmen. 1. Grundlagen 1.1. Handelsrechtliche Regelungen Die handelsrechtlichen Regelungen basieren auf der funktionalen Abgrenzung von Eigen- und Fremdkapital.2 Das Fremdkapital dient ausschließlich der Außenfinanzierung, während das Eigenkapital weitere Funktionen wie Arbeits- und Kontinuitätsfunktion, Verlustausgleichs-, Gewinnbeteiligungs-, Geschäftsführungs- sowie Haftungsfunktionen zu erfüllen hat.3 Dabei spielt die Haftungsfunktion des Eigenkapitals eine entscheidende Rolle im Hinblick auf den Gläubigerschutz, so dass ihr im Rahmen der Klassifizierung als Eigen- oder Fremdkapital eine besondere Bedeutung beigemessen wird.4 Aufbauend auf der Arbeits- und Kontinuitätsfunktion, der Verlustausgleichssowie der Haftungsfunktion hat das Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V. (IDW) 1994 in seiner Stellung- nahme des Hauptfachausschusses (HFA) 1/1994 Zur Behandlung von Genussrechten im Jahresabschluss von Kapitalgesellschaften vier Kriterien zur Abgrenzung von Eigen- und Fremdkapital definiert.5 Nur die kumulative Erfüllung der Kriterien Nachrangigkeit des über1 2 3 4 5 Vgl. Isert/Schaber, Zur Abgrenzung von Eigenkapital und Fremdkapital nach IAS 32 (rev. 2003) – Teil I, KoR 2005, S. 299; im Folgenden wird die aktuelle Version des IAS 32 (rev. 2003) mit IAS 32 bezeichnet, während der IAS 32 (rev. 2000) entsprechend gekennzeichnet wird; demgegenüber wird die jüngst vorgestellte überarbeitete Version als ED IAS 32 (2006) kenntlich gemacht. Vgl. Kühnberger, Mezzaninekapital als Finanzierungsalternative von Genossenschaften, DB 2004, S. 661. Vgl. Baetge/Brüggemann, Ausweis von Genussrechten auf der Passivseite der Bilanz des Emittenten, DB 2005, S. 2146. Vgl. Küting/Dürr, Mezzanine-Kapital – Finanzierungsentscheidung im Sog der Rechnungslegung, DB 2005, S. 1529. Vgl. Kühnberger, a.a.O. (Fn. 2), S. 661. 227 Bilanzierung und Bilanzpolitik IRZ, Heft 4, November 2006 Bilanzierung und Bilanzpolitik 228 IRZ, Heft 4, November 2006 lassenen Kapitals, Langfristigkeit der Kapitalüberlassung (Nachhaltigkeit), Erfolgsabhängigkeit der Vergütung und Verlustbeteiligung bis zur vollen Höhe führt demnach zu einer Klassifizierung als Eigenkapital.6 Die Nachrangigkeit des Eigenkapitals bedeutet, dass im Insolvenz- bzw. Liquidationsfall zunächst das Kapital der Gläubiger bedient wird und erst anschließend das der Eigenkapitalgeber.7 Die Langfristigkeit der Kapitalüberlassung ist dann gegeben, wenn das Kapital für einen längeren unbegrenzten Zeitraum zur Verfügung steht und während dieses Zeitraums die Rückzahlung beidseitig ausgeschlossen ist.8 Die erfolgsabhängige Vergütung der Eigenkapitalgeber ist auf eine Ausschüttung von nicht speziell geschützten Teilen des Eigenkapitals beschränkt, wobei die Verlustbeteiligung in voller Höhe aber spätestens bei Rückzahlung des Kapitalanteils nachzuholen ist.9 Auch wenn diese Kriterien kontrovers diskutiert und ursprünglich für Kapitalgesellschaften und in Bezug auf die Einordnung von Genussrechten definiert wurden, sind sie für die Abgrenzung von Eigen- und Fremdkapital im Allgemeinen geeignet.10 Bilanzierung und Bilanzpolitik zung von Eigen- und Fremdkapital.15 Dies beinhaltet Identifikationskriterien für Eigen- und Fremdkapital, die über die oben beschriebene Definition hinausgehen.16 Während nach dem alten IAS 32 (rev. 2000) keine größeren Diskrepanzen bei der Abgrenzung von Eigenund Fremdkapital gegenüber der handelsrechtlichen Betrachtungsweise vorlagen, hat sich durch die Veröffentlichung des aktuellen IAS 32 ein neuartiges Abgrenzungsschema etabliert, welches sich insbesondere an der Nachhaltigkeit des überlassenen Kapitals orientiert. Somit wird die funktionale Abgrenzung zwischen Eigen- und Fremdkapital, welche die Haftungsfunktion des Eigenkapitals betont, in den Hintergrund gestellt.17 Gemäß IAS 32 kann ein Finanzinstrument nur dann als Eigenkapital klassifiziert werden, wenn nachfolgende Abgrenzungskriterien kumulativ erfüllt sind: ■ Das Finanzinstrument beinhaltet keine direkte oder indirekte vertragliche Verpflichtung (puttable instrument), (1) flüssige Mittel oder andere finanzielle Vermögenswerte zu übertragen oder (2) einen Tausch von finanziellen Vermögenswerten bzw. Verbindlichkeiten zu nachteiligen Bedingungen durchzuführen. Hinweise zur Abgrenzung von Eigenkapital und Fremdkapital sind im Rahmen der IFRS im Framework (F.), dem IAS 1 sowie dem IAS 32 zu finden. Das Eigenkapital stellt gemäß F.49c eine Residualgröße dar und ergibt sich aus der Differenz von Vermögenswerten und Schulden.11 Durch die definitorische Abhängigkeit von Eigenkapital und Schulden führt diese Begriffsbestimmung im Zuge praktischer Abgrenzungsfragen jedoch nur selten weiter.12 ■ Das Finanzinstrument kann durch eigene Eigenkapitalinstrumente des Unternehmens erfüllt werden, enthält aber (1) keine vertragliche Verpflichtung zur Abgabe einer variablen Anzahl von Eigenkapitalinstrumenten (nicht-derivatives Finanzinstrument) bzw. (2) keine Instrumente, die selbst Verträge über den Empfang oder die Abgabe von Eigenkapitalinstrumenten darstellen (derivatives Finanzinstrument). Gemäß IAS 1.66 sind im Rahmen des Eigenkapitals mindestens das gezeichnete Kapital und Rücklagen auszuweisen; dies kann um weitere Angaben in der Bilanz oder im Anhang ergänzt werden (IAS 1.74).13 Zudem ist festzustellen, dass es keine gesonderten Anforderungen für den Eigenkapitalausweis von Personenhandelsgesellschaften gibt, so dass i.d.R. die nationalen Normen Anwendung finden.14 ■ 1.2. IFRS Regelungen IAS 32 regelt hingegen den Ausweis von Finanzinstrumenten, stellt grundlegende Anforderungen für die Unterteilung der Passivseite und hat damit ebenfalls einen wesentlichen Einfluss auf die Abgren- Sind die Kriterien nicht oder nur teilweise erfüllt, führt dies zu einer Klassifizierung als Fremdkapitalinstrument (IAS 32.16). tal), sondern erfüllen ihre Haftungspflicht durch die beschränkte oder unbeschränkte persönliche Haftung ihrer Gesellschafter18. Dies führt bei Personenhandelsgesellschaften, deren Gesellschaftern gemäß § 131 Abs. 3 Nr. 1 HGB i.V.m. § 738 BGB ein gesetzliches Kündigungsrecht mit Abfindungsanspruch (auch bei Tod des Gesellschafters) eingeräumt wird, dazu, dass das gesamte gesellschaftliche Kapital als puttable instruments eingestuft und gemäß IAS 32.18b i.V.m. IAS 39.19 im Fremdkapital zu erfassen ist.19 Da Fremdkapital ge6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 2. Abgrenzungsproblematik nach IFRS und „Lösungsansätze“ 18 2.1. Abgrenzungsproblematik gemäß IAS 32 19 Personenhandelsgesellschaften verfügen nicht wie Kapitalgesellschaften über eine fest definierte Haftungsmasse (Festkapi- Vgl. Küting/Dürr, „Genüsse“ in der Rechnungslegung nach HGB und IFRS sowie Implikationen im Kontext von Basel II, DStR 2005, S. 940. Vgl. Kühnberger, a.a.O. (Fn. 2), S. 661. Vgl. Baetge/Brüggemann, a.a.O. (Fn. 3), S. 2147. Vgl. Küting/Dürr, a.a.O. (Fn. 6), S. 940. Vgl. Baetge/Brüggemann, a.a.O. (Fn. 3), S. 2147. Gemäß § 272 HGB setzt sich das handelsrechtliche Eigenkapital für Kapitalgesellschaften aus dem gezeichneten Kapital, der Kapitalrücklage, der Gewinnrücklage sowie einer Rücklage aus eigenen Anteilen zusammen und wird in der Bilanz gemäß § 266 Abs. 3 HGB unter Hinzunahme des Gewinnbzw. Verlustvortrages sowie des Jahresüberschusses bzw. -fehlbetrages ausgewiesen. Für Personenhandelsgesellschaften hingegen finden sich mit Ausnahme der §§ 264c und 247 HGB keine kodifizierten Regelungen zur Abgrenzung des Eigenkapitals; vgl. Broser/Hoffjan/Strauch, Bilanzierung des Eigenkapitals von Kommanditgesellschaften nach IAS 32 (rev. 2003), KoR 2004, S. 453. Vgl. Küting/Wirth/Dürr, Personenhandelsgesellschaften durch IAS 32 (rev. 2003) vor der Schuldenfalle?, WPg 2006, S. 69. Vgl. Küting/Wirth/Dürr, a.a.O. (Fn. 11), S. 70. Vgl. Kirsch, IAS-Jahresabschluss für Kommanditgesellschaften, BB 2003, S. 143. Vgl. Broser/Hoffjan/Strauch, a.a.O. (Fn. 10), S. 453. Vgl. Lüdenbach, § 20 Eigenkapital, Eigenkapitalspiegel, in: Lüdenbach/Hoffmann (Hrsg.), Haufe IFRS-Kommentar, 4. Aufl., 2006, Rdn. 1. Vgl. Brüggemann/Lühn/Siegel, Bilanzierung hybrider Finanzinstrumente nach HGB, IFRS und US-GAAP im Vergleich (Teil II), KoR 2004, S. 390. Vgl. Isert/Schaber, Die Bilanzierung von Einlagen in Personenhandelsgesellschaften, Mezzanine-Kapital und anderen Finanzinstrumenten nach IFRS – Ein Vergleich zwischen IAS 32 (rev. 1998) und IAS 32 (rev. 2003) (Teil I), DStR 2005, S. 2050. Vgl. Kanitz, Rechnungslegung bei Personenhandelsgesellschaften – Anmerkungen zu IDW RS HFA 7, WPg 2003, S. 329. Vgl. Lüdenbach/Hoffmann, Kein Eigenkapital in der IAS/IFRS-Bilanz von Personengesellschaften und Genossenschaften?, BB 2004, S. 1042. mäß IAS 32 in Verbindung mit IAS 39 zum Fair Value zu bewerten ist, sind Rückzahlungsansprüche anhand einer Unternehmensbewertung zu bestimmen sowie Ausschüttungen an Gesellschafter als Aufwand zu erfassen. Dabei führt ein höherer Unternehmenswert grundsätzlich zu einer höher anzusetzenden Schuld.20 Insgesamt können die in IAS 32 vorgesehenen Regelungen somit zu einer Reihe unerwünschter Bilanzierungseffekte führen, die in der Breitenwirkung insbesondere auf den Mittelstand ausstrahlen. Im Weiteren sollen daher verschiedene Ansätze zur Lösung der skizzierten Bilanzierungsauswirkungen dargestellt und auf etwaige Eignung überprüft werden.21 2.2. „Lösungsansätze“ de lege lata Eine nahe liegende Lösung, die Umgliederung von Gesellschafter- und Gewinnanteilen ins Fremdkapital zu verhindern, könnte darin bestehen, die Kündigung im Gesellschaftervertrag auszuschließen (Kündigungsausschluss).22 Dies wird jedoch durch § 723 Abs. 3 BGB, der Klauseln in Gesellschafterverträgen, insofern sie Kündigungen ausschließen, für nichtig erklärt, unmöglich gemacht. Auch Modifikationen im Sinne einer Verlängerung der Kündigungsfrist können die Anwendung des IAS 32.18b nicht umgehen, so dass es weiterhin zu einer Klassifizierung der Gesellschafteranteile und Gewinnbeteiligungen im Fremdkapital kommt. Gegebenenfalls könnte der Kündigungsausschluss durchgesetzt werden, wenn eine Kündigung des Gesellschafters durch eine Klausel im Gesellschaftervertrag nicht zum Ausscheiden des Gesellschafters, sondern zur Auflösung der Gesellschaft führt.23 Würde zudem die Fortführung der Gesellschaft ausgeschlossen, könnte gemäß IAS 32.25b eine Abbildung der Anteile im Eigenkapital erfolgen. Allerdings widerspricht dieses Vorgehen dem Going-ConcernGrundsatz des Framework und ist daher als nicht geeignet einzuordnen.24 Ein weiterer Lösungsansatz für den Eigenkapitalausweis von Gesellschafteranteilen an Personenhandelsgesellschaften ist der Gesellschafterwechsel. Hierbei wird der ausscheidende durch einen neuen Gesellschafter ersetzt, welcher die Haftung gemäß § 173 Abs. 1 HGB übernimmt.25 Die Ausgestaltung des Gesellschafterwechsels ist davon abhängig, ob es sich beim ausscheidenden Gesellschafter um einen Kommanditisten oder einen Komplementär handelt. Bereits geleistete Kapitaleinlagen verbleiben beim Gesellschafterwechsel in der Gesellschaft. Allerdings ist ein austretender Gesellschafter nicht gesetzlich verpflichtet, einen Gesellschafterwechsel vorzunehmen, sondern kann, falls er keinen Nachfolger findet, noch immer von seinem Kündigungsrecht mit Abfindungsanspruch Gebrauch machen.26 Ebenfalls löst der Gesellschafterwechsel nicht die Abfindungsproblematik im Falle des plötzlichen Todes eines Gesellschafters. Eine entsprechende Klausel im Gesellschaftervertrag, die sowohl bei Ausscheiden als auch bei Tod zu einem Gesellschafterwechsel verpflichtet, ist nicht kohärent mit § 723 Abs. 3 BGB und somit gerichtlich anfechtbar. Damit ist auch die Möglichkeit eines Gesellschafterwechsels als Umgehung des Fremdkapitalausweises als ungeeignet anzusehen. Anstatt eines Gesellschafterwechsels im engeren Sinne wäre ebenfalls eine Übernahme des Gesellschaftsanteils des ausscheidenden Gesellschafters durch die Mitgesellschafter denkbar (Andienung). Allerdings wären die verbleibenden Gesellschafter in diesem Fall gezwungen, den ausscheidenden Gesellschafter abzufinden, was bei fehlendem Privatvermögen der Gesellschafter über Entnahmen getätigt werden müsste.27 Eine Klausel im Gesellschaftervertrag, die bei Ausscheiden eines Gesellschafters einen Gesellschafterwechsel und bei dessen Unmöglichkeit eine Andienung vorsieht, ist mit § 723 Abs. 3 BGB vereinbar.28 Hierdurch könnte ein Fremdkapitalausweis der Gesellschafteranteile vermieden werden. Allerdings sind für eine solche Umgehung der Regelungen des IAS 32.18b umfangreiche Änderungen des Gesellschaftervertrages nötig. Fraglich ist an dieser Stelle zudem, ob ein Abfindungsanspruch gegenüber der Gesellschaft ausgeschlossen werden kann, wenn die Mitgesellschafter zahlungsunfähig sind.29 Kann dieser Abfindungsanspruch nicht ausgeschlossen werden, hat gemäß IDW RS HFA 9 Tz. 47 eine Abbildung im Fremdkapital zu erfolgen. Auch würden Kommanditisten einer KG durch eine Andienung über ihre Kapitaleinlage hinaus finanziell belastet, was dem Grundsatz einer beschränkten Haftung von Kommanditisten widerspricht. Abschließend gibt es prinzipiell die Möglichkeit, das Kündigungsrecht des IRZ, Heft 4, November 2006 229 ausscheidenden Gesellschafters durch eine Umwandlung in eine Kapitalgesellschaft abzugelten. Diese Alternative ist prinzipiell auch in Hinblick auf § 723 Abs. 3 BGB als zulässig anzusehen, stellt aber nur eine Transformation der Beteiligung an einer Personenhandelsgesellschaft in die verpflichtende Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft dar. Selbst wenn dies nicht zu einer weiteren Umklassifizierung der Anteile ins Fremdkapital führen sollte, birgt ein solches verklausuliertes Umwandlungsrecht große Risiken für die Gesellschaft und dürfte aus praktischer Perspektive kaum als zielführend eingestuft werden.30 Bilanzierung und Bilanzpolitik Zülch u.a., Abgrenzung von EK und FK nach HGB und IFRS 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 Zu weiteren sich aus der Abgrenzungsproblematik ergebenden Rechnungslegungsanomalien vgl. Hoffmann/Lüdenbach, IFRS-Rechnungslegung für Personengesellschaften als Theater des Absurden, DB 2005, S. 405–408, sowie Pawelzik, Eigenkapital bei Personengesellschaften nach IAS/IFRS, BBK 2005, Fach 20, S. 2107–2109, zur praktischen Umsetzung und zum bilanziellen Ausweis der Bewertung vgl. Küting/Wirth/Dürr, a.a.O. (Fn. 11), S. 69–79, sowie Berger/Grünewald/Kolb, Zweifelsfragen bei der Abgrenzung von Eigen- und Fremdkapital bei Personenhandelsgesellschaften nach IFRS, PiR 2005, S. 83– 88. Die Ausführungen fokussieren dabei im Wesentlichen die Ebene des Einzelabschlusses; hinsichtlich weiterführender Quellen zur Kapitalkonsolidierung bei Personenhandelsgesellschaften vgl. Hendler/Zülch, Anteile anderer Gesellschafter im IFRS-Konzernabschluss, WPg 2005, S. 1155–1166; Küting/ Wirth/Dürr, Standardkonforme Anwendung von IAS 32 (rev. 2003) im Kontext der konzernbilanziellen Rechnungslegung von Personenhandelsgesellschaften, WPg 2006, S. 345– 355; Meyer/Bornhofen/Homrighausen, Anteile an Personenhandelsgesellschaften nach Steuerrecht und nach IFRS, KoR 2005, S. 285–299 sowie Hoffmann/Lüdenbach, a.a.O. (Fn. 20), S. 405–406. Vgl. Broser/Hoffjan/Strauch, a.a.O. (Fn. 10), S. 457. Vgl. Breker/Harrison/Schmidt, Die Abgrenzung von Eigen- und Fremdkapital, KoR 2005, S. 471. Vgl. Breker/Harrison/Schmidt, a.a.O. (Fn. 23), S. 471. Vgl. Balz, Kommanditkapital nach International Accounting Standards – Ist die GmbH&Co. KG kapitalmarkttauglich?, BB 2005, S. 2761. Vgl. Balz, a.a.O. (Fn. 25), S. 2761. Vgl. Broser/Hoffjan/Strauch, a.a.O. (Fn. 10), S. 458. Vgl. Balz, a.a.O. (Fn. 25), S. 2761. Vgl. Breker/Harrison/Schmidt, a.a.O. (Fn. 23), S. 471. Vgl. Balz, a.a.O. (Fn. 25), S. 2762. Bilanzierung und Bilanzpolitik 230 IRZ, Heft 4, November 2006 2.3. „Lösungsansätze“ de lege ferenda Die in Abschnitt 1.1 beschriebenen funktionalen Abgrenzungskriterien, welche nach HGB Anwendung finden, betonen im Gegensatz zu den IFRS die Haftungsund die Verlustausgleichsfunktion des Eigenkapitals (Nachrangigkeit).31 Die Haftungsfunktion des Gesellschafteranteils reicht nach HGB aus, um einen Eigenkapitalausweis der Kapital- und Gewinnanteile der Gesellschafter zu rechtfertigen.32 Das IDW hat in seiner Stellungnahme IDW RS HFA 7 gegenüber dem IASB vorgeschlagen, eine neue, an den funktionalen Abgrenzungskriterien orientierte Definition des Eigenkapitals in den IFRS zu etablieren und so die Abgrenzungsproblematik für den Eigenkapitalausweis von Personenhandelsgesellschaften zu lösen. Explizit wäre dann eine Eigenkapitalklassifizierung der Anteile vorgesehen, wenn sie zur Deckung von Verlusten zur Verfügung stünden und auch bei Insolvenz oder Liquidation erst nachrangig zu bedienen wären.33 Im Ergebnis würde dadurch den gesellschaftsrechtlichen Gegebenheiten in Deutschland Rechnung getragen und zudem auch international eine betriebswirtschaftlich sachgerechte Eigenkapitalabgrenzung gewährleistet. Allerdings ist dies mit dem bisherigen Eigenkapitalverständnis der IFRS nicht vereinbar und setzt eine entsprechende Überarbeitung des IAS 32 voraus.34 Das Financial Accounting Standards Board (FASB) verfolgte bisher in der Fragestellung der Abgrenzung von Eigen- und Fremdkapital einen vom Vorgehen des IASB deutlich abweichenden Ansatz. Sowohl IASB als auch FASB haben jedoch die bestehende Problematik erkannt und arbeiten aktuell gemeinsam unter der Leitung des FASB an einem langfristig angelegten modifiedjoint-approach-Projekt (liabilities and equity), welches einerseits das Abgrenzungsproblem lösen und andererseits die Konvergenz von IFRS und USGAAP auch in diesem Bereich herstellen soll.35 Für single component instruments, zu denen auch Gesellschafteranteile gehören, hat das FASB im Rahmen dieses Projekts den so genannten ownership/settlement approach vorgesehen und in Form des Liabilities and Equity Milestone Draft veröffentlicht. Für multiple component instruments wie Wandelanleihen soll zudem bald die Veröffentlichung eines preliminary view erfolgen. Bilanzierung und Bilanzpolitik Gemäß des Liabilities and Equity Milestone Draft kommt eine Eigenkapitalklassifizierung besonders für perpetual und direct ownership instruments in Frage. Unter perpetual instruments sind hierbei Finanzinstrumente zu verstehen, die keine vertragliche Abfindungsverpflichtung, außer im Falle der Liquidation des Unternehmens, enthalten und im Falle einer Liquidation einen Anspruch auf einen Anteil des Nettovermögenswertes des Unternehmens verleihen.36 Dagegen verleihen direct ownership instruments dem Inhaber einen unbegrenzten Anspruch auf einen Anteil des Nettovermögens des Unternehmens und werden im Falle einer Liquidation gegenüber anderen Gläubigern nachrangig bedient.37 Anteile an Personengesellschaften stellen zwar keine perpetual instruments dar, können aber bei gegebenem Residualanspruch auf das Nettovermögen des Unternehmens aufgrund der Nachrangigkeit ihres Kapitals ggf. als direct ownership instruments klassifiziert und somit prinzipiell im Eigenkapital abgebildet werden.38 Aufgrund der langfristigen Ausrichtung des gemeinsamen modified-joint-approach-Projekts ist zeitnah jedoch nicht mit einer abschließenden Lösung der Abgrenzungsproblematik zu rechnen. Daher hat das IASB beschlossen, im Hinblick auf die Abgrenzungsproblematik für die Klassifizierung von Gesellschafteranteilen eine kurzfristige Übergangslösung zu entwickeln und IAS 32 anzupassen.39 Die Übergangslösung wurde in Form des Exposure Draft Financial Instruments Puttable at Fair Value and Obligations Arising on Liquidation am 22. Juni 2006 veröffentlicht und war bis zum 23. Oktober 2006 zur Kommentierung freigegeben.40 Inhaber zustehenden Anteils am Nettovermögen (pro rata share of the net assets) am Unternehmen. (b) Das Instrument verleiht dem Inhaber das Recht, vom Unternehmen den Rückkauf oder die Ablösung des Instruments zum Fair Value des anteiligen Nettovermögens zu fordern. (c) Das Instrument verleiht dem Inhaber das Recht auf einen Anteil am Nettovermögenswert des Unternehmens im Falle einer Liquidation. (d) Abgesehen von der aus (b) oder (c) möglicherweise resultierenden vertraglichen Verpflichtung, enthält das Instrument keine (weitere) vertragliche Verpflichtung, flüssige Mittel oder einen anderen finanziellen Vermögenswert an ein anderes Unternehmen abzugeben oder finanzielle Vermögenswerte oder finanzielle Verbindlichkeiten mit einem anderen Unternehmen zu potenziell nachteiligen Bedingungen auszutauschen, und ist kein Vertrag, der in Eigenkapitalinstrumenten des Unternehmens erfüllt wird oder erfüllt werden kann, wie in Unterparagraph (b) der Definition von fi31 32 33 34 35 36 Der Neuentwurf soll den bisherigen IAS 32 dahingehend ändern, dass künftig kündbare Finanzinstrumente als Eigenkapital ausgewiesen werden können, wenn der Rückzahlungsanspruch dem Net Fair Value des anteiligen Nettovermögens des jeweiligen Unternehmens entspricht. Um dies umzusetzen, werden financial instruments puttable at fair value aus der Definition von Fremdkapitalinstrumenten des IAS 32.11 ausgeschlossen.41 Unter einem financial instrument puttable at fair value ist dabei ein Finanzinstrument zu verstehen, das nachfolgende Bedingungen kumulativ erfüllt: 37 38 39 40 (a) Der Ausgabepreis des Instruments entspricht dem Fair Value des dem 41 Vgl. Baetge, Neue Bilanzregeln können Eigenkapital vermindern – dem Mittelstand droht eine weitere bilanzielle Verringerung ohnehin knapper Eigenmittel, Handelsblatt vom 22.02.2006, S. b11. Vgl. Kanitz, a.a.O. (Fn. 18), S. 329. Vgl. IDW (Hrsg.), IDW RS HFA 7 – Zur Rechnungslegung bei Personenhandelsgesellschaften, WPg 2002, Rdn. 14. Vgl. Broser/Hoffjan/Strauch, a.a.O. (Fn. 10), S. 457. Vgl. Pawelzik, a.a.O. (Fn. 20), S. 2112 sowie Breker/Harrison/Schmidt, a.a.O. (Fn. 23), S. 474. Vgl. FASB (Hrsg.), Liabilities and Equity Milestone Draft. Proposed Classification for Single-Component Financial Instruments and Certain Other Instruments, July 2005, abrufbar unter http://www.fasb.org/project/ l&e- milestone-draft.pdf;, Rdn. 19, (Stand: 14.08.2006). Vgl. FASB (Hrsg.), a.a.O. (Fn. 36), Rdn. 20– 22. Vgl. Breker/Harrison/Schmidt, a.a.O. (Fn. 23), S. 475. Vgl. IASB (Hrsg.), Exposure Draft of proposed Amendments to IAS 32 Financial Instruments: Presentation and IAS 1 Presentation of Financial Statements – Financial Instruments Puttable at Fair Value and Obligations Arising on Liquidation, London 2006, S. 5, Rdn. 5 (abrufbar unter www.iasb.org). Vgl. IASB (Hrsg.), a.a.O. (Fn. 39), S. 1. Vgl. IASB (Hrsg.), a.a.O. (Fn. 39), S. 14, Rdn. 11. nanziellen Verbindlichkeiten dargelegt ist.42 Dabei wird davon ausgegangen, dass ein Finanzinstrument, welches dem Inhaber Rechte an dem pro rata share of the net assets eines Unternehmens verleiht, wie folgt charakterisiert ist: (a) Das Instrument gehört zu der Klasse von Instrumenten, deren Recht auf einen Anteil am Nettovermögenswert des Unternehmens als letztes bedient wird (nachrangigste Kapitalklasse). (b) Im Falle einer Liquidation verleiht das Instrument dem Inhaber das Recht auf einen proportionalen Anteil am Residualvermögenswert des Unternehmens (d.h. nach Abzug aller anderen Ansprüche). (c) Umgekehrt gewährt das Finanzinstrument keine bevorzugte Berücksichtigung bei der Liquidation des jeweiligen Unternehmens. (d) Das Recht auf einen Anteil am Nettovermögenswert des Unternehmens ist weder vor noch während einer Liquidation nach „oben“ oder „unten“ begrenzt.43 Dieses neuartige Klassifikationsschema rückt das Kriterium der Nachrangigkeit von Eigenkapital und somit auch die Haftungsfunktion als Abgrenzungskriterium wieder in den Vordergrund. Dabei wird deutlich, dass sowohl das IASB als auch die modified-joint-approach-Projektgruppe in den jeweiligen Überarbeitungen im Ergebnis zu sehr ähnlichen Resultaten kommen. D.h. ähnlich wie der ED IAS 32 (2006) betont auch der Liabilities and Equity Milestone Draft bei der Definition von direct ownership instruments den Gedanken des Residualanspruchs sowie die Nachrangigkeit des überlassenen Kapitals.44 Anders als ED IAS 32 (2006) sieht die modified-jointapproach-Projektgruppe allerdings zusätzlich eine Ausnahme von der FairValue-Bewertung der direct ownership instruments vor, insofern kein aktiver Markt für die Anteile vorhanden ist oder die Anteile ausschließlich an den Emittenten zurückgegeben werden können.45 Eine entsprechende Ausnahmeregelung ist dem ED IAS 32 (2006) nicht zu entnehmen.46 3. Kritische Würdigung des ED IAS 32 (2006) Für Personenhandelsgesellschaften ist im Vorfeld einer möglichen IFRS Umstellung zunächst die Frage nach dem bilanziellen Ausweis des Gesellschafterkapitals zu beantworten. Im Rahmen des derzeit gültigen IAS 32 gibt es keine zufrieden stellende Lösung, um den Fremdkapitalausweis der Gesellschafteranteile sowie die sich daraus ergebende Bewertungs- und Ausweisproblematik zu umgehen. Daher war eine Überarbeitung der entsprechenden Regelungen des IAS 32 erforderlich, wobei u.a. eine Erweiterung der Eigenkapitaldefinition um das nach HGB gebräuchliche Nachrangigkeitskriterium und die damit verbundene Haftungsfunktion zu konstatieren ist. Dies allein reicht jedoch nicht aus, um das Problem des Eigenkapitalverlusts bei Personenhandelsgesellschaften in voller Breite zu lösen. Die zwei wesentlichen Schwachpunkte des ED IAS 32 (2006) lassen sich wie folgt zusammenfassen:47 Fair Value Abfindung Wie oben gezeigt, setzt ED IAS 32.11 bei der Klassifizierung des Eigenkapitals von Gesellschafteranteilen die Fair Value Abfindung des zugrunde liegenden Finanzinstruments voraus. Isoliert betrachtet ist diese Bedingung durch eine entsprechende Ausgestaltung der Gesellschaftsverträge (wenn auch teilweise nur nach genauer Prüfung und ggf. umfangreicher Überarbeitung) in mehrheitlichem Falle sicherlich zu erfüllen. Gleichzeitig sind jedoch die durch ED IAS 32 (2006) in IAS 1 geänderten Ausweisvorschriften zum Eigenkapital zu beachten: „For financial instruments puttable at fair value classified as equity, an entity shall disclose [...] c) the fair value of that class of financial instruments in a way that permits it to be compared with its carrying amount; and d) information about how fair value was determined [...]“ .48 „Selbst wenn also die Gesellschaftereinlagen von Personenhandelsgesellschaften gemäß ED IAS 32 (2006) prinzipiell im Eigenkapital ausgewiesen werden können, ziehen die in IAS 1 vorgesehenen Änderungen – ähnlich wie die im aktuellen IAS 32 in Bezug auf die Behandlung von financial liabilities vorgesehenen Regelungen49 – prinzipiell zu jedem IRZ, Heft 4, November 2006 Bilanzstichtag eine Unternehmensbewertung nach sich, mit dem Ziel, dem jeweiligen Abfindungsanspruch einen fairen Zeitwert beimessen zu können. Hinzu kommt, dass die Methode bzw. Vorgehensweise der Fair Value Ermittlung offen zu legen ist. Als Erleichterung für nicht kapitalmarktorientierte Unternehmen sieht ED IAS 32.AG14A allerdings die Alternative vor, den Fair Value auf Basis einer Approximation zu ermitteln, wobei auch eine Buchwertformel zur Bewertung des anteiligen Nettovermögens verwendet werden kann, vorausgesetzt der Buchwert und Fair Value des zugrunde liegenden Nettovermögensanteils fallen nur unwesentlich auseinander. Dieses bedeutet, dass die Vereinfachungsregel im Grunde nur dann zum Zuge kommen kann, wenn bereits gesicherte Informationen über den Fair Value vorhanden sind, um auf dieser Basis ein geeignetes Approximationsschema für künftige Abschlüsse zu ermitteln. Dementsprechend ist eine initiale „volle“ Fair Value Bewertung der Gesellschafteranteile von Personenhandelsgesellschaften unter der aktuellen Fassung des ED IAS 32 (2006) auch bei nicht kapitalmarktorientierten Unternehmen in vielen Fällen wohl kaum zu vermeiden. Inwiefern die zusätzlichen Ausweisvorschriften am Ende tatsächlich die Informationsfunktion des Abschlusses verbessern, sei dahingestellt. Nachrangigkeit Einzelabschlussebene: ED IAS 32.11 stellt im Zusammenhang mit der Ausklammerung von zum Fair Value kündbaren Anteilen aus der financial liabilityDefinition explizit auf das Kriterium der 42 43 44 45 46 47 48 49 Vgl. ED IAS 32.11 Bedingungen a) – d) zur Definition des Begriffs „financial instruments puttable at fair value“. Vgl. ED IAS 32.11 Bedingungen a) – d) zur Definition des Begriffs „pro rata share of the net assets“. Vgl. Breker/Harrison/Schmidt, a.a.O. (Fn. 23), S. 475 sowie Pawelzik, a.a.O. (Fn. 20), S. 2112. Vgl. FASB (Hrsg.), a.a.O. (Fn. 36), Rdn. 20a Vgl. IASB (Hrsg.), a.a.O. (Fn. 39), S. 1–53. Zu weiteren Kritikpunkten siehe Schmidt, Eigenkapital nach IAS 32 bei Personengesellschaften: aktueller IASB-Vorschlag und Aktivitäten anderer Standardsetzer, BB 2006, S. 1565. IAS 1.124D i.d.F. des ED IAS 32 (2006). Vgl. Erdmann/Wünsch/Meyer: Auswirkungen ausgewählter IFRS Änderungen auf die Unternehmenssteuerung (Teil 1), KoR 2006, S. 338. 231 Bilanzierung und Bilanzpolitik Zülch u.a., Abgrenzung von EK und FK nach HGB und IFRS IRZ, Heft 4, November 2006 Bilanzierung und Bilanzpolitik Nachrangigkeit ab („most subordinated class of financial instruments“). Gerade bei Personenhandelsgesellschaften in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG stellt sich dabei unmittelbar die Frage nach der Einordnung des Kommanditkapitals im Verhältnis zum Komplementärkapital. Während Letzteres unbestritten zur Klasse der most subordinated financial instruments gezählt werden dürfte, ist bei strikter Auslegung des in ED IAS 32 (2006) vorgesehenen Wortlauts im Falle des für die meisten Personenhandelsgesellschaften betragsmäßig relevanteren Kommanditkapitals die Klassifizierung als Eigenkapital auch weiterhin gefährdet. kreis eines Konzerns Personenhandelsgesellschaften, an denen Minderheitsgeschafter, z.B. als Kommanditisten, beteiligt sind, ist der entsprechende Gesellschafteranteil entgegen der allgemeinen Ausnahmeregelung von ED IAS 32.11 weiterhin als financial liability auszuweisen. Dieses ist in zweierlei Hinsicht problematisch. Zum einen steht die differenzierte Behandlung von Mehr- und Minderheitsgesellschaftern im Widerspruch zu jüngsten Entwicklungen im Bereich der Goodwill-Behandlung51, die eine deutliche Hinwendung zu einheitstheoretischen Überlegungen erkennen lässt: „Bei dieser Konzerndarstellungstheorie stehen nicht Gesellschafterstämme im Fokus der Konzernaktivitäten. Vielmehr steht die Darstellung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der fiktiven Einheit Konzern im Mittelpunkt, und die Gesellschafterstämme werden undifferenziert als Eigenkapitalgeber aufgefasst“.52 Zum anderen führt die Einstufung von Minderheitsanteilen auf Konzernebene als Verbindlichkeit zu einem schwer nachvollziehbaren konzeptionellen Ungleichgewicht, da dieselben Anteile im Rahmen des Einzelabschlusses auf Basis des ED IAS 32.11 grundsätzlich als Eigenkapital ausgewiesen werden können. Inwiefern diese Regelung die Nachvollziehbarkeit der Ab- Konzernabschlussebene: Hinsichtlich des Konzernabschlusses ist zudem zu berücksichtigen, dass ED IAS 32 (2006) eine Sonderregelung für von Minderheitsgesellschaftern gehaltene Finanzinstrumente vorsieht: „In the consolidated financial statements, the financial instruments held by minority interests are not in the group’s most subordinated class of instruments. This is because, if the group were to liquidate, the claims of minority interest holders to the net assets of the subsidiary have to be satisfied before the parent’s share [...].“50 Mit anderen Worten: Befinden sich im Konsolidierungs- www.vahlen.de Der einfache Weg zum aktuellen Wirtschaftswissen. VERLAG VAHLEN MUNCHEN schlussinformationen insgesamt verbessert, ist mehr als fraglich. Im Ergebnis ist der kürzlich veröffentlichte ED IAS 32 als „ein Schritt in die richtige Richtung“ zwar grundsätzlich positiv zu bewerten. Zugleich ist allerdings festzuhalten, dass die eingeschlagenen Lösungswege derzeit nicht in ausreichendem Maße auf das spezifische Problem deutscher Personenhandelsgesellschaften eingehen. Zu hoffen bleibt daher, dass es dem nationalen Standardsetter (DRSC bzw. DSR) gelingt, einen alternativen Klassifizierungsvorschlag zu entwickeln und möglichst kurzfristig in den Standardisierungsprozess des IASB einzubringen.53 50 51 52 53 Vgl. ED IAS 32.AG29A. Vgl. z.B. Erdmann/Wünsch/Meyer: Auswirkungen ausgewählter IFRS Änderungen auf die Unternehmenssteuerung (Teil 2), KoR 2006, S. 386 f. Küting/Elprana/Wirth: Sukzessive Anteilserwerbe in der Konzernrechnungslegung nach IAS 22/ED 3 und dem Business Combinations Project (Phase II), KoR 2003, S. 478. Vgl. Schmidt, a.a.O. (Fn. 47), S. 1566; Barckow/Schmidt, Abgrenzung von Eigenkapital und Fremdkapital – Der Entwurf des IASB zu Änderungen an IAS 32, WPg 2006, S. 952; hinsichtlich eines innovativen Vorschlags vgl. auch jüngst Baetge/Kirsch/Leuschner/Zerzembek, DB 2006, S. 2133-2138. Das bietet Ihnen Vahlen.de: · Das komplette Verlagsprogramm tagesaktuell und mit vielen zusätzlichen Informationen, wie z. B. Inhaltsverzeichnissen, Rezensionen und Downloads · Leseproben zu vielen aktuellen Werken · Monatlicher Newsletter mit aktuellen Programminformationen · Internet- und E-Mail-Adressen zu unseren Autoren · Das Zeitschriftenportal u. a. mit den Inhaltsverzeichnissen und Editorials aus »Controlling«, »WiSt«, »Marketing« und »IRZ – Zeitschrift für Internationale Rechnungslegung« · E-Archiv mit ausgewählten vergriffenen Titeln als kostenloser pdf-Download B/116781 Bilanzierung und Bilanzpolitik 232