"Kavallo" - November 2009 - Züchterischer
Transcription
"Kavallo" - November 2009 - Züchterischer
ZUCHT PORTRAIT Chameur und die Pferdezucht du Moulin Züchterischer Dauerbrenner Wie sein prominenter Vater Capitol I ist auch der 1993 für die Schweizer Sportpferdezucht gekörte Holsteiner Chameur mit zahlreichen erfolgreichen Nachkommen im grossen Sport vertreten. Der Stolz der Pferdezucht «du Moulin» der Familie Bertschi in Orsonnes belegt in der Zuchtwertschätzung Springen Jahr für Jahr einen der vorderen Ränge. D en Kopf hoch aufgereckt, die Ohren gespitzt, der Blick ruhig aber wachsam: «Chameur entgeht gar nichts», sagt Nathalie Bertschi, eine von vier Töchtern von Henriette und Otto Bertschi, die heute als Managerin den elterlichen Betrieb du Moulin in Orsonnes leitet. «Ein Schmusetier war Chameur nie, dafür ein hochanständiger, respektvoller Hengst, der stets sehr fein und gut zu handhaben war.» Seit 1999 steht der HolsteinerHengst bei der Züchterfamilie Bertschi im Distrikt Glâne im Kanton Freiburg. Drei Jahre später konnten sie den ausgezeichneten Beschäler übernehmen. Zuvor gehörte der 1990 geborene Chameur dem Dürrenäscher Pferdehändler Hans-Rudolf Gloor, der ihn 1993 auch an der Körung in Avenches vorstellte. Top-Vererber Chameur ist kein «Schmusetier», sondern auch mit seinen 19 Jahren noch ein respektvoller Hengst. 52 Kavallo 11/09 Der Dunkelbraune wurde Zweiter und stach auch bei der Hengstleistungsprüfung I durch sein Springvermögen und seinen Trab mit deutlichen Schwebetritten hervor. Als Vierjähriger in die Zucht Aufgrund einer Verletzung war Chameurs Sportkarriere in Parcours und Viereck nur kurz. Bereits als Vierjähriger wurde er in die Zucht genommen und aus seinem ersten Jahrgang stammt sein bisher bester Nachkomme, die Stute Conchita III CH. Diese gewann unter Rudi Wallerbosch national und international in der Zeit von 1999 bis 2007 ein Preisgeld von insgesamt 73’254 Franken. Vor ihrer Sportkarriere fohlte Conchita im Jahre 1999 den Schimmelhengst Campione CH v. Calido, der unter Werner Muff bisher im internationalen Springsport rund 100’000 Franken verdiente. Züchter der Conchita III CH und des Campione CH ist Hans Schori aus Kriegstetten. Bei der Aufzählung der weiteren siegreichen Nachkommen des Chameur stellt sich die Qual der Wahl. Bei den S-Springpferden stechen der 1997 geborene Excel CH unter Marcel Moser, Chacomo V.M. CH unter Yann Gerber, Percy Tow mit Thomas Järmann, der Sieger Superpromotion Avenches 2007 und Dritter in diesem Jahr sowie Corado M mit Fritz von Niederhäusern durchihre Leistungen heraus. Der dreijährige Chameur HO war 1993 an der Körung in Avenches der zweitbeste Hengst. Bei den Dressurpferden ist der 1997 geborene Chasseur IV CH mit Gilles Ngovan im Sattel der erfolgreichste. Beeindruckend ist der Nachwuchs an jungen und jüngsten Pferden. Cardano CH wurde in Ruswil an der letztjährigen Sportfohlenauktion zum Spitzenpreis von 24’000 Franken zugeschlagen. My Magic CH zählte am diesjährigen Final der 4-jährigen in Avenches zu den Siegern, Caitana II CH war in dieser Prüfung mit einem einzigen Fehler dabei. Cassiopée de la Petite Maison CH belegte an der Swiss Breed Classic 2008 in Avenches den Ehrenplatz, dazu ist sie Prämienzuchtstute. 2008 war Chameur bei der PrämienzuchstutenSchau mit fünf angenommenen Töchtern vertreten. Fidji du Moulin CH, ein zukünftiges Springpferd, klassierte sich dabei als Fünfte. 2009 waren wiederum fünf «Chameurs» an dieser Stutenschau dabei. Bisher sind 25 seiner Töchter als Prämienzuchtstuten aufgenommen worden. Regelmässig sind Chameur-Nachkommen erfolgreich in den Feldtests, erst kürzlich siegte der 2006 geborene Casimir du Moulin CH an einem solchen in Avenches. Auffallend ist die Farbe seiner Nachkommen: Chameur ist ein reinerbiger Brauner, von ihm gibt es somit keine Fuchsfohlen. Kinder verdienten bis heute weit über vier Millionen Franken auf den Turnierplätzen dieser Welt. Zu seinen erfolgreichsten Nachkommen zählen der 1987 geborene, unter Jos Lansik erfolgreiche Carthago Z, der 1989 geborene Cassini I, der Vater des legendären Weltmeisterpferdes Cumano von Jos Lansik, dann der 1989 geborene Cento, der unter Otto Becker erfolgreich war, sowie die beiden 1990 und 1994 geborenen und auch für die Schweiz anerkannten Hengste C-Indoctro I und C-Indoctro II. Aus Schweizer Sicht interessant sind Andreas Otts 1992 geborener Cassino und natürlich die beiden unvergessenen Springpferde Cartier (*1981) von Ruedi Letter und Corso (*1979) von Willi Melliger. Die Erfolge von Corso trugen wesentlich zur Akzeptanz des Vererbers Capitol I bei. Dank Corso fand der blütenweisse Hengst die Anerkennung der Züchter und diese das Wissen um die passenden Partnerinnen. Capitol I durften keine zu schweren Stuten ohne Blut zugeführt werden. Corso, eines der Lieblingspferde des Springsport-Mäzens Dr. Urs Mühlebach, wies mütterlicherseits Vollblut und Shagya-Araber auf. Einerseits war das Maximus (*1963) v. Manometer xx. Anderseits war das der 1938 geborene Falter, ein Shagya-Hengst, der über die Trakehner-Zucht auch bei den Holsteinern zum Einsatz kam. Ein weiterer Sohn des Capitol I, der von 1995 bis 2002 in der CH-Zucht wirkte, war Josef Schmids Courage (*1990). 2002 Aus bestem Holsteiner-Haus Chameur hat eine hochnoble HolsteinerAbstammung. Sein Vater ist der Ausnahmevererber Capitol I. Mit einem Zuchtwert von 154 Punken liegt er unter den Top Ten der deutschen Springvererber. Seine Chameurs Vater ist der schneeweisse Holsteiner-Spitzenvererber Capitol I. Kavallo 11/09 53 ZUCHT PORTRAIT Zu Chameurs erfolgreichsten S-Springpferden gehören Chacomo V.M. CH unter Yann Gerber (Foto), Excel CH sowie der Superpromotionssieger 2007, Percy Tow. Die unter Rudi Wallerbosch international erfolgreiche Conchita III CH v. Chameur ist die Mutter von Werner Muffs Campione CH. wurde Courage nach Irland exportiert, als Nachfolger des Cavalier Royale HO. Chameurs mütterlicher Grossvater ist ein weiterer prominenter Hengst: Landgraf I (*1966). Seine Grossmutter Siemone (*1980) brachte ebenfalls v. Landgraf I den Sport- und Zuchthengst Latouro (*1998), der mittlerweile mit sieben im Hengstbuch I eingetragenen Söhnen vertreten ist. Pferdezucht du Moulin Otto Bertschi senior, der lange Jahre im Vorstand der Pferdezuchtgenossenschaft Bremgarten aktiv war, zog 1973 mit seiner Familie, zu der sieben Kindern gehörten, vom baslerischen Reinach nach Orsonnens. Auf der Suche nach einem grösseren Betrieb war er dort fündig geworden. Sein Sohn Otto junior hatte die Liebe zum Pferd und zur Zucht von seinem Vater geerbt. Mit Henriette fand der junge Otto Bertschi eine Partnerin, die diese Leidenschaft 54 Kavallo 11/09 Otto Bertschi mit seiner Frau Henriette, Tochter Nathalie (r.) und der Stute Ciena du Moulin CH, dem letzten Fohlen der Paloma du Moulin CH. teilte. Auch auf ihre vier Töchter Nathalie, Christelle, Fabienne und Silvana ist das «Pferde-Virus» übergegangen. Als der Familienvater im Oktober 2007 eine Hirnblutung erlitt und lange im Spital lag, waren die Bertschi-Frauen von einem Tag auf den anderen auf sich gestellt. «Das hat sehr viel Kraft gebraucht, aber wir haben zusammengehalten und es gemeinsam geschafft», erzählt Henriette Bertschi noch immer sichtlich bewegt, obwohl es ihrem Ehemann heute wieder besser geht. Die 1985 geborene Tochter Nathalie trat in die Fussstapfen ihres Vaters und übernahm die Rolle der Hengsthalterin. «Natürlich hatte ich meinem Vater immer zugeschaut, aber plötzlich selbst für alles verantwortlich zu sein, war nicht so einfach», erinnert sie sich. Heute ist Nathalie Bertschi ausgebildete Landwirtin und die Managerin des landwirtschaftlichen Betriebes mit 33 Hektaren. Sie kümmert sich auch um die Zucht, während ihre Schwestern Fabienne und Christelle die Chameur-Nachkommen in regionalen Prüfungen vorstellen. Auch die jüngste Tochter, die 14-jährige Silvana, startet bereits in Stilprüfungen, selbstverständlich auch mit einem «du Moulin»-Pferd. Der Zuchtbetrieb wurde etwas reduziert, nun werden nur noch Jungstuten und keine Hengste mehr zur Aufzucht genommen. Neben Chameur steht nur noch der Freiberger Lars, der auch zum Fecken gebraucht wird, auf Station. Le Grand Lord ging nach drei Jahren bei den Bertschis zu seinem Besitzer Jörg Röthlisberger zurück. Stammstuten Paloma und Farrah Die Stammstuten der «du Moulin»-Zucht sind Paloma du Moulin CH und Farrah du Vielseitiger Vererber: Chameur brachte auch Dressurpferde hervor, wie Gilles Ngovans Chasseur IV CH. Moulin CH. Paloma du Moulin CH (*1982) v. Peri Sparte xx ist eine Tochter der Milda CH v. Frédéric, eine geglückte Mischung aus Vollblut-Veredler und einer Stute im altmodischen Typ, geeignet zum Reiten und Fahren. Paloma ist das Lieblingspferd von Henriette Bertschi, die mit ihr an Springprüfungen startete. Die vierbeinige Persönlichkeit diente auch als Lehrpferd für die Bertschi-Kinder. Paloma du Moulin war Prämienzuchtstute und mit ihrer Zucht-Leistung von zehn Fohlen auch Elitestute. Ciena du Moulin CH (*2002) vom Franzosen Concerto du Semnoz ist das letzte Fohlen der Paloma, ihre stolze Besitzerin ist Nathalie Bertschi. Nach zwei Fohlen v. Chameur ging Ciena in den Sport, war 5- und 6-jährig am Final in Avenches dabei und klassiert sich nun im RIII. Die zweite Stammstute Farrah du Moulin (*1989) v. Filou ist eine Tochter der Janne de Villard CH v. Astronome und eine rechte Schwester des Zuchthengstes Fabrizio du Moulin CH, der 1993 nach Kanada exportiert wurde. Farrah wird auf du Moulin durch ihre Tochter Kenja du Moulin CH v. Karacondo vertreten, die 4-, 5- und 6-jährig im Final in Avenches dabei war und 5- und 6-jährig zudem auch an die Jungpferde-WM nach Lanaken reiste. Kenja ist die Chefin der «du Moulin»-Herde, startet immer noch in kleinen Parcours und geht auch in der Reitstunde mit. Eines ihrer sechs Fohlen wurde in die USA verkauft: Uragano du Moulin CH startet dort in Hunter-Prüfungen. Text: Elisabeth Weiland Fotos: Elisabeth Weiland, Werner Ernst (1) Die junge Generation: Cardano CH v. Chameur war 2008 die Preisspitze an der Sportfohlenauktion Ruswil. Farrah du Moulin (Foto) und Paloma du Moulin sind die beiden Stammstuten der «du Moulin»-Zucht der Bertschis. Chameur HO Hengst, dbr., 15. April1990, Züchter: Herbert Kammesheidt, Gevelsberg (GER) Capitol l Sch. 1975 Capitano Sch. 1968 Folia b. 1969 Landgraf I Db. 1966 Atlanta III b. 1986 Siemone b. 1980 Besitzer: Eigenleistung: Nachzuchtleistung: Corporal Retina Maximus Vase Ladykiller xx Warthburg Ronald Isabell I Cottage Son xx Gimara Ramzes AA Dolli Manometer xx Stoer Ramzes AA Rappel Sailing Light Lone Beech Aldato Schneenelke Ramiro Adrette SableSkinflintxx Dezernat Otto Bertschi, Le Moulin, Orsonnens 1993 Körung und HLP I Avenches 25 Prämienzuchtstuten Zuchtwertschätzung Springen 2006: 130 mit 0,87 % Genauigkeit Zuchtwertschätzung Springen 2007: 128 mit 0,89 % Genauigkeit Zuchtwertschätzung Springen 2008: 129 mit 0,91 % Genauigkeit Kavallo 11/09 55