Federer und die Kronjuwelen
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Federer und die Kronjuwelen
55 Tages-Anzeiger – Samstag, 8. November 2014 Sport Fragebogen «Fechten mit den drei Musketieren» Max Heinzer, wie sieht Ihr perfekter Tag aus? Ein gelungenes Training ohne Beschwerden absolvieren, einer talentierten Sportlerin bei meinem Job in der Fritz-Gerber-Stiftung weiterhelfen und danach ein ruhiges Nachtessen im Freundeskreis geniessen. Drei Attribute, die zu Ihnen passen? Ich bin schon ziemlich ehrgeizig, aber auch geduldig bei Rückschlägen – und zurückhaltend. Ihr Lebensmotto? Kein Ziel ist unerreichbar. Welchen Sport, Sportler oder Club verfolgen Sie als Fan? FC Luzern – es war schon einfacher. Was ist das Schönste an Ihrem Job? Siegerehrungen. «Say Cheese!»: Selfie der acht besten Tennisspieler dieses Jahres – Federer, Wawrinka, Djokovic, Nishikori, Cilic, Murray, Raonic und Berdych (v.l.). Foto: Reuters Federer und die Kronjuwelen Vor seinem 13. Saisonfinale in Folge stand für den Weltranglistenzweiten in London aktive Erholung an. René Stauffer London Einige Leute dürften nicht schlecht gestaunt haben, als sie am Donnerstag im Tower von London die Kronjuwelen und andere Preziosen der britischen Historie bewunderten: Da stand doch einer in der Schlange, der sah genau aus wie Roger Federer. Der Eindruck täuschte nicht: Er war es auch. «Wir kauften ganz normal Billette und fügten uns in den Strom der Leute ein», erzählte er. «Wenn man einmal drin ist, fällt man auch nicht mehr so auf. Aber es hatte schon extrem viele Leute, ein Wahnsinn.» Interessant sei es gewesen, mit den über 880 000 Keramik-Mohnblumen, die zur E rinnerung an den Ersten Weltkrieg verteilt worden waren, erzählte der Weltranglistenzweite in der O2-Arena, wo morgen das ATP-Finale beginnt und für das er sich zum 13. Mal in Folge qualifizieren konnte. Bereits zum 6. Mal findet das Eliteturnier der acht Jahresbesten in London statt, was ihm geholfen hat, die eng- lische Hauptstadt etwas besser kennen zu lernen. «Während Wimbledon bin ich selten in der Stadt, deshalb habe ich noch Nachholbedarf und kenne London überhaupt nicht gut», so Federer. Die grosse Müdigkeit Der kleine touristische Ausflug passte gut in seine Vorbereitung auf die letzten zwei Wochen der Saison, mit dem gleich darauf folgenden Davis-Cup-Endspiel auf Sandbelag in Lille. «Es ist für mich wichtiger, dass ich geistig frisch ins Turnier starte, als nun möglichst viel zu trainieren», erklärte er. Nach seinem Marathonprogramm mit den Turniersiegen in Shanghai und Basel und dem Viertelfinal in Paris sei er doch enorm müde gewesen. «Zuerst nahm ich drei Tage frei, von Samstag bis Montag. Und weil ich merkte, dass ich immer noch sehr müde war, gönnte ich mir auch am Donnerstag einen weiteren freien Tag.» Am Dienstag und Mittwoch hatte er in London im Queen’s Club trainiert, da die O2-Arena noch nicht spielbereit war. Dabei schaltete er ein zweistündiges Doppeltraining ein, im Hinblick auf einen möglichen Einsatz im Davis-CupDoppel von Lille, verriet er. Ansonsten werde er sich aber nun ganz auf London konzentrieren, «der Davis-Cup steht erst nach London im Mittelpunkt». Wawrinkas Trainingsfleiss ATP-Finale London Gruppe A Novak Djokovic Ser 1 Stan Wawrinka Sz 3 Tomas Berdych Tsch 6 Marin Cilic Kro 8 Erste Spiele Morgen 15.00 Uhr 21.00 Uhr Montag 15.00 Uhr 21.00 Uhr Gruppe B Roger Federer Kei Nishikori Andy Murray Milos Raonic Nishikori Federer Wawrinka Djokovic Federer hat zwar noch immer eine kleine Chance, Novak Djokovic als Nummer 1 abzulösen, doch wenn der Serbe kommende Woche drei Partien gewinnt, wäre der Kampf für dieses Jahr entschieden, selbst wenn der Baselbieter das Jahr ohne Niederlage beenden sollte. Sz Jap Gb Ka 2 4 5 7 - Murray - Raonic - Berdych - Cilic Liveticker Federers Auftaktpartie tennis.tagesanzeiger.ch Im Gegensatz zu Federer nutzte Stan Wawrinka, der sich zum zweiten Mal für das Saisonfinale qualifizieren konnte, die Zeit seit Paris für intensive Trainings. Er reiste bereits vor einer Woche nach London und übt seither intensiv. Während Federer bereits am Sonntag gegen Milos Raonic startet, seinen Bezwinger von Paris, beginnt der Lausanner am Montag wie vor zwölf Monaten gegen Tomas Berdych, gegen den er die letzten vier Duelle gewonnen hat. «Der erste Match ist für mich enorm wichtig», sagte der Romand, der seit dem Vorstoss in den Davis-Cup-Final dreimal in Folge im Startmatch verlor und lediglich in Paris eine Runde überstehen konnte. Das Manko des dreifachen Olympiasiegers Langläufer Dario Cologna sieht der neuen Saison trotz Problemen gelassen entgegen – und ist überzeugt von der neuen Teamführung. Jörg Greb Davos Das Bild irritierte. Beim Auslaufen auf der 1,4-km-Runde der Flüelaloipe in Davos drehte Dario Cologna einige Runden mit Guri Hetland – Hetland, der einstigen Cheftrainerin, von der sich Swiss-Ski im Frühling getrennt hatte. «Wir hatten uns zwei Monate nicht mehr gesehen», sagte C ologna, «da gab es einiges auszu tauschen.» Vertrauensperson ist die Norwegerin geblieben. Und sie wohnt noch immer in Davos. Als Misstrauens votum gegenüber dem neuen Chef Ivan Hudac ist das aber nicht zu verstehen, im Gegenteil. Cologna sagt: «Neue Impulse innerhalb unseres Teams waren nötig und der Wechsel war darum richtig.» Die Impulse kamen von Hudac. Cologna und seine Teamkollegen haben sich mit ihnen vertraut gemacht. Sie haben einen sehr positiven Menschen kennen gelernt, der gerne lacht, seinen Trainerjob liebt, ihn lebt. Cologna erzählt, wie Hudac eines Nachts bemerkte, dass es zu regnen begonnen hatte. Die für den nächsten Tag geplante Trainingseinheit hätte nicht durchgeführt werden können und Hudac konnte kaum mehr schlafen, bis er eine Lösung gefunden hatte. Neue Trainingskonzepte Nach einem halben Jahr haben die Athleten die neuen Trainingsschwerpunkte verinnerlicht. Der Mikrozyklus besteht aus drei harten Trainingstagen und einem Ruhetag. «So viel Ruhe?», staunten sie anfangs. Doch Cologna und das ganze Team registrierten, dass diese Trainingsmethode Wirkung zeigt. Die Testwerte stimmen zuversichtlich. Und auch die Stimmung untereinander ist gut. Der Teamgedanke spielt unter Hudac eine zentrale Rolle. Doch wie steht es um die Verfassung des Leaders? Cologna spricht von «einem Manko verglichen zur Form vor einem Jahr». Doch das sorgt für keinerlei Irritation. Nach einem guten Aufbau im Sommer erlitt er vor fast genau einem Jahr beim Joggen die verhängnisvolle Bänderverletzung, welche eine Operation nötig gemacht und alles infrage gestellt hatte. Dass daraus «diese unglaubliche Geschichte entstand», die Rehabilitation glückte, er seine Form auf Olympia aufbauen konnte und dort reüssierte, Teamdynamik Neue Philosophie Wieder unterwegs im verschneiten Wald: Dario Cologna in Davos . Foto: Keystone Die Teamkollegen von Dario Cologna bewegen sich in dessen Schatten – das wird wohl auch in Zukunft so bleiben. Aber unter der neuen Trainercrew haben sich die Routiniers Toni Livers und Curdin Perl und hat sich auch die nachfolgende Generation emanzipiert. «Unter Cheftrainer Ivan Hudac hat sich nicht nur eine neue Philosophie breitgemacht, sondern es hat sich auch eine neue Dynamik mit einer exzellenten Stimmung entwickelt», sagt etwa Jonas Baumann. Er spricht von «grösserem Verständnis füreinander und kleinerem Konfliktpotenzial». Und er macht eine zusätzlich gewachsene Motivation aus. Und das, so denkt Baumann, «kann beflügeln, insbesondere, wenn sich auch die entsprechenden Resultate einstellen». (jgg) Ihr grösster Erfolg ausserhalb des Sports? Mein Bachelor in Sportwissenschaften an der Uni Basel. Was ist Ihr grösstes Talent? Für den Gegner schwer berechenbar zu sein. Spielen Sie ein Instrument? Zum Glück für mein Umfeld nicht. Die Musiksammlung welches Interpreten würden Sie auf eine einsame Insel mitnehmen? Die CD mit meinem Mentaltraining. In welcher Geschichte wären Sie gern dabei gewesen? Beim Fechten mit den drei Musketieren. Was lesen Sie regelmässig? Die Zeitung «Bote der Urschweiz». Wie intensiv nutzen Sie Facebook und/oder Twitter? Zu intensiv. Wie belohnen Sie sich? Mit ein paar Stunden Fischen auf dem Zugersee. Wie viel Geld geben Sie monatlich für Kleidung aus? Weniger, seit Nike mich unterstützt. Was ist für Sie Lebensqualität? Ausschlafen an einem trainingsfreien Tag. Was zeichnet die Schweiz aus? Offenheit und Toleranz. Wo würde Ihr Traumhaus stehen? Sicher an einem See. darüber staunt auch er immer noch: «Dass ich dies auch mental hinkriegte, macht mich ein klein wenig stolz.» WM als Saisonhöhepunkt Trotz der zwei Goldmedaillen von Sotschi: Ausgeheilt war der Fuss Anfang Frühling noch nicht. Im März liess sich der 28-Jährige die Metallplättchen herausoperieren, die für die nötige Stabilität gesorgt hatten. Danach ging er in die Ferien, er brauchte Zeit, um abzuschalten, musste Distanz gewinnen. Anfang Mai fühlte er sich bereit für den Wiederaufbau. Da lernte er auch seine neue erste Bezugsperson, Ivan Hudac, kennen. Die Schmerzen im Fuss spürte Cologna bis Anfang August, die Beweglichkeit von einst hat er nach wie vor nicht wieder erlangt – «und das wird auch nie mehr so sein», ist sich Cologna bewusst. Dass er sich derzeit nicht in der Verfassung des Herbstes 2013 befindet, führt er aber primär darauf zurück, dass er zwei bis drei Wochen wegen einer starken Erkältung verlor. «Das ist nicht tragisch, aber auch nicht ideal», sagt er. Welche Folge das verpasste Gletschertraining hat, beschäftigt ihn nicht. Vielmehr streicht er hervor: «Was ich jetzt tun kann, ist, die verbleibenden Wochen bis zum Saisonstart optimal zu nutzen.» Der Weltcup beginnt Ende Monat, der erste Höhepunkt ist für Cologna das Heimrennen Mitte Dezember in Davos. Es folgen die Tour de Ski, der Gesamtweltcup und als Saisonhöhepunkt die WM Ende Februar in Falun (Sd). Was ist Ihr Lieblingsessen? Selbst geräucherte Zuger Rötel. Wenn Sie ein Tier wären, welches wären Sie? Ein Jaguar. Haben Sie eine Tätowierung? Nein, obwohl mein Bruder ein Tattoostudio hat. Welches Geräusch mögen Sie? Das Rauschen der Wellen. Welche Person würden Sie gern treffen? Mit dem Degen den nächsten Gegner – möglichst oft. Was denken Sie, wenn der erste Schnee fällt? Nichts Besonderes, wir fechten sowieso in der Halle. Was bedeutet Ihnen Familie? Viel. Wie sieht Ihr Leben in 20 Jahren aus? Fragen Sie mich in 20 Jahren. (Interview: Monica Schneider) Der Zentralschweizer Max Heinzer (27) gehört seit Jahren zu den besten Fechtern der Welt und will an den Olympischen Spielen in Rio mit dem Team glänzen.