Sodom und Gomorrha auf Capitol Hill

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Sodom und Gomorrha auf Capitol Hill
Sodom und Gomorrha auf Capitol Hill
Ein amerikanisches Sittengemälde
Autor: Frank Unger
Datum: 23. Oktober 2006
Es ging auch durch die deutsche Presse: nach neuester Umfrage – diesmal auf
der Basis einer statistisch korrekt durchgeführten Umfrage, in der die Befragten
strikt nach dem Zufallsprinzip ausgewählt worden waren – ist die
überwiegende Mehrheit der US-Bürger gegen den Krieg, sie glauben nicht, dass
Bushs »Krieg gegen den Terror« das Land in irgend einer Weise sicherer mache,
und ungefähr vier von fünf Befragten sind der Meinung, dass die Vereinigten
Staaten ihre Außenpolitik grundlegend und prinzipiell ändern sollten, und zwar
in Richtung auf »mehr diplomatische und ökonomische Mittel«. Es sieht also
intern weiterhin schlecht aus für Bush und die Republikaner, sollte man
meinen. Hinzu kommt, dass die machtvolle Religiöse Rechte – also jenes
Netzwerk von »glaubens-gestützten« Wahl-Managern in Diensten
republikanischer Kandidaten, denen die Cheney/Bush-Clique neben
nachweislicher Wahlfälschungen ihre letzten beiden Präsidentschaften
verdankte – im Begriff ist, ihren Einfluss auf das Wahlverhalten der Großen
Einfalt in den Weiten des Landes zu verlieren. Die »Religious Right« organisiert
ihre Stimmen für die konservative Sache jeweils mithilfe von gezielten
Briefkampagnen an die Mitglieder von Erweckungskirchen und direkter
Ansprache vor Ort, wobei im Wesentlichen der christlich-moralische
Lebenswandel des republikanischen Kandidaten nebst seinem
kompromisslosen Eintreten für die »Familienwerte«(für die christliche Ehe,
gegen Abtreibung und gegen Schwule) in den Mittelpunkt gestellt werden. Das
wird dann kombiniert mit der polarisierenden Charakterisierung der jeweiligen
demokratischen Gegenkandidaten als elitäre Säkularisten, Sozialromantiker,
Pornoliebhaber, Schwulenfreunde und Babymörder, die Latte trinken und
Volvos fahren.Nun haben sich über einige prominente republikanische
Mitglieder des Kongresses in jüngster Zeit Meldungen gehäuft, die dem
christlichen Volk buchstäblich die Schamesröte ins Gesicht getrieben haben;
die Schamesröte darüber, einen derartig geballten Haufen von Ehebrechern,
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Junkies und Sodomisten als Sachwalter und Wortführer der konservativen
Sache vor Augen zu haben. Das hat dazu geführt, dass »konservative Christen«
inzwischen betreten zu Boden blicken müssen, wenn sie von eben jenen
Latte-trinkenden Volvofahrer/innen und anderen »Liberalen« hämisch auf die
sich im Wochentakt publik werdenden neuen moralischen Verfehlungen
prominenter »Konservativer« angesprochen werden. Viele werden sich auch
selbst ertappt fühlen, denn die geheime Kongruenz von moralischen Eiferertum
und persönlicher Depravation, meist in genau eben jener Sache, in der am
stärksten geeifert wird, ist ein geläufiges Phänomen. Nun ist die Geschichte
dieser täuschenden Heuchler unter den Moralaposteln der sogenannten
»konservativen Revolution« eigentlich nichts Neues. Sie datiert zurück in die
Mitte der neunziger Jahre, als noch Präsident Clinton an der Macht war –
allerdings einem mehrheitlich republikanisch besetzten Kongress
gegenüberstand. Bereits ihr Architekt, der ehemalige Sprecher des
Repräsentantenhauses Newt Gingrich, war ein Musterexemplar dieser
konservativen Einheit von Eiferertum und Depravation. Er ließ seine Freundin
als Angestellte des Kongresses bezahlen, während seine krebskranke Frau im
Krankenhaus lag und vergass auch nicht, sich von ihr noch kurz vor ihrem
Ableben endgültig offiziell scheiden zu lassen, nachdem er von seinen eigenen
Leuten zum Rücktritt gezwungen worden war. So brauchte er nicht für ihre
Begräbniskosten aufzukommen. Sein Nachfolger Bob Livingston, ein wahrer
Eiferer, trat unverzüglich zurück, nachdem der »Hustler«- Erfinder und
Porno-Verleger Larry Flint öffentlich mit großem Vergnügen verbreitete, er habe
Tonbandaufnahmen von einem geheimen Treffen Livingstons mit dessen
»Mätresse« in seinem Besitz, die ihm von eben jener gegen Bares zur Verfügung
gestellt worden seien. Soviel über das Ausmaß von Loyalität, Vertrauen und
menschlicher Wärme im Milieu hochgestellter christlicher Ehebrecher! Alle
diese Geschichten, zu denen man noch mindestens ein weiteres Dutzend
hinzuzufügen wären, konnten jedoch im offiziellen Diskurs konservativer
Christen noch als Taten angesehen werden, von der sich die jeweiligen
»Sünder« durch Reue und tätige Abbitte wieder reinwaschen konnten. Wir
wissen doch: Wer von Euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein! In den
letzten Wochen aber sind »Sünden« bekannt geworden, die nicht mehr so
einfach als lässlich abgetan werden können. Sie treffen geradewegs ins Mark
des konservativ-christlichen Selbstverständnisses. Womit wir auch schon bei
der Sache sind: Mark Foley, ein republikanischer Kongressabgeordneter aus
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Palm Beach mit guten Beziehungen zur christlichen Rechten, hat über Jahre ein
Netzwerk von minderjährigen männlichen Kongress-Pagen zur sexuellen
Versorgung von homosexuellen Kollegen organisiert, die ihre politischen
Karrieren zum größten Teil auf gay-bashing, also Anti-Schwulen-Agitation
aufgebaut haben! Die Treffen fanden regelmäßig in Foleys Haus in Washington
statt, und bei der gegenwärtig laufenden Untersuchung vor dem Etics
Committee des Kongresses bekundet ein involvierter jugendlicher Page nach
dem anderen, dass Hastert und andere führende Republikaner in der Fraktion
seit Jahren über Foley und seine Aktivitäten informiert waren.Angesichts
dieses Sodom und Gomorrha auf dem Hügel des Capitol sind die kürzlich noch
zusätzlich ans Licht gekommenen Fälle von gemeiner Korruption, Nötigung,
ungesetzlicher Vorteilsnahme und versuchter Zeugenbeeinflussung nur noch
unwesentliche Zugaben. Die einfältigen Christen sind nicht nur enttäuscht von
ihren einstigen Idolen, sie sind wütend und verärgert mit dem, was aus der
»konservativen Revolution« geworden ist. Hinzu kommen die täglichen
Schreckensmeldungen aus dem Irak und die Kritik an Amerika aus praktisch
dem ganzen Rest der Welt. Daher die für die gegenwärtige Regierung
verheerenden Ergebnisse der jüngsten Meinungsumfragen.Alle Welt und vor
allem alle Amerikaner, die "Stars and Stripes" in den letzten Wochen
gesprochen hat, erwarten deshalb einen massiven Einbruch der Republikaner
bei den kommenden Zwischenwahlen am 7. November. Das Problem dabei ist,
dass eine ganz ähnliche Stimmung im Lande auch vor der letzten
Präsidentschaftswahl 2004 herrschte. Auch damals war eine klare Mehrheit der
amerikanischen Bevölkerung gegen Bush und die Politik seiner
republikanischen Regierung eingestellt. Aber die effektive Arbeit der »Christian
Coalition« bei den Einfältigen des flachen Landes und der dünner besiedelten
Teile des Landes, die durch die Aufteilung der Wahlkreise und den Wahlmodus
massiv begünstigt werden, hat die Republikaner noch einmal gerettet. Viele
Experten warnen deshalb die Demokraten vor übertriebenen Erwartungen,
zumal auch sie bei ihren Positionen zum Irak-Krieg sich nicht allzu sehr als
»peaceniks« aus dem Fenster lehnen, was wieder für eine Menge von
Wahlabstinenzen auf der Linken sorgen wird.Allerdings gab es vor zwei Jahren
noch keine Foley-Affäre. Wenn sie dazu führt, dass unter den Stammwählern
aus dem Bibelgürtel nun aus Abscheu vor dem Abgrund an Unsittlichkeit in der
republikanischen Führungsetage sich eine große Zahl von konservativen
Christen der Stimmabgabe verweigern, dann kann das diesmal sehr wohl dahin
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kommen, dass die Demokraten die beiden Häuser des Kongresse zurückerobern.
Alles kann einem konservativen Christen zugemutet werden, aber niemals die
Duldung von organisierter Homosexualität mit Abhängigen bei ihrer politischen
Repräsentanz in Washington!Prognose von "Stars and Stripes": Die Demokraten
gewinnen zumindest das Repräsentantenhaus zurück, Wahlbeteiligung ca. 25%!
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