oya artikel - Hortus Insectorum

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oya artikel - Hortus Insectorum
martin egbert
permakultur
Vielfalt zu schaffen, ist ein Ziel der Permakultur.
Wiesen bieten ein großes Potenzial, Vielfalt aktiv zu gestalten.
von markus gastl
Bücher zur Pflanzenbestimmung gibt es in großer Auswahl. Jedoch
ist nicht jedes Buch für alle Zwecke gleich gut geeignet. Der Klassiker »Was blüht denn da?« teilt die Pflanzen nach Blütenfarbe und
untergeordnet nach Anzahl der Blütenblätter ein, ein einfaches und
sehr häufiges System, um interessierten Laien schnell das Erfolgserlebnis des richtigen Namens der am häufigsten vorkommenden
Pflanzen zu liefern. Bücher dieser Kategorie sind handlich und gut
geeignet für den Feldeinsatz.
Nachschlagewerke, die nah verwandte Arten in eine Gruppe
stellen, z. B. alle Storchschnabelgewächse oder alle Veilchen auf
einer oder mehreren Seiten, ermöglichen einen Gesamtüberblick.
Nach diesem Prinzip ist der Bildatlas der Farn- und Blütenpflanzen
Deutschlands aufgebaut. Dort ist eine Vielfalt von 4200 Pflanzen
abgebildet. Mit dem Atlas lassen sich verwandte Arten bestimmen
und sicher auseinanderhalten. Die nach Pflanzenfamilien geordneten Bücher sind allerdings schwer, oft mehrbändig und für ein intensives Studium zu Hause ausgelegt.
Für das ökologische Verständnis oder die Bewertung von Standorten sind jedoch Bestimmungsbücher der dritten Kategorie, die
»Lebensraumführer«, am besten geeignet. Hier stehen alle Pflanzen, gleich, zu welcher Familie sie gehören oder in welchen Farben
sie blühen, nach Lebensräumen geordnet in einem Kapitel, so zum
Beispiel im großen »BLV Pflanzenführer«. In sieben Kategorien sind
insgesamt 1500 Blütenpflanzen aufgeführt: 78 Buchseiten gibt es
für Pflanzen, die auf Wegen, Schutt- und Kiesplätzen wachsen, 70
Seiten für Trockenrasen, Magerrasen, steinige Hänge und Mauern,
18 Seiten für Fettwiesen und -weiden, 66 für Gewässer, Moore und
Sümpfe, 120 für Wälder, Waldränder, Gebüsche und Auen, 24 für die
Alpen und 10 für Meeresstrand und -küste. Eindrucksvoll ist eine
Analyse dieser Zahlen. Unser häufigster Lebensraum, die Fettwiesen und -weiden in der hochgedüngten Flur (identisch dazu sind
die Zustände in unseren Gärten), ist durch ein geringes Sortiment
von rund 90 verschiedenen Pflanzen auf nur 18 Seiten dargestellt –
ein niederschmetterndes Ergebnis für die Vielfalt auf Fettwiesen.
Nährstoffarmut schafft Vielfalt
Auffallend sind die 148 Buchseiten einnehmenden ersten beiden Lebensräume mit zusammen rund 740 Arten. Das sind
die Zonen der Vielfalt, hier kreucht und fleucht es sicht- und hörbar! Wenn wir Vielfalt in den Garten holen wollen, müssen wir uns
neben der Gestaltung also verstärkt auf diese wertvollen Lebensraumkomplexe aus Schutt- und Kiesplätzen sowie Trockenrasen,
Magerrasen, steinigen Hängen und Mauern konzentrieren.
Der entscheidende Ansatz für eine artenreiche Wiese heißt
demnach »Nährstoffarmut schafft Vielfalt«. Wenn wir den Energiegehalt einer Fettwiese durch den Abtrag des Humus reduzieren
und diesen vormals artenarmen Bereich durch eine Magerwiese
ersetzen, so gibt es achtmal mehr Pflanzenarten, die sich für die magere Umgebung
interessieren als für die fette. Gestalten wir
zudem eine reichhaltige Hecke, summiert
sich die Zahl der pflanzlichen Liebhaber
dieser Lebensraum-Kombination auf 1340.
Mit der Zahl der Pflanzenarten steigt dann
auch jene der Schmetterlinge, Bienen und
Hummeln.
Die Lebensraumführer bieten aber noch
mehr: Wenn eine Pflanze an einem Standort identifiziert ist, kennen wir auf einen
Schlag alle anderen Pflanzen, die an dem
gleichen Standort wachsen können. Die
Entscheidung beim Kauf von Samen oder
Pflanzen für eine gelungene Ergänzung
wird dadurch erleichtert, und wir lernen
über die Pflanzenbestimmung mit der Zeit,
Standorte perfekt zu beurteilen.
Schlagen wir beispielsweise in einem
Lebensraumführer den Giersch auf, um
die weiteren Pflanzen kennenzulernen, die
gerne beim Giersch wachsen, so entdecken
wir viele schöne Gewächse, wie das WaldHasenohr, die Große Sterndolde, das Große
Hexenkraut oder das Weidenröschen.
Abgemagerte Blumenwiesen
Wie also vorgehen, wenn unser Traum
eine Blumenwiese ist? Wenn wir eine
Handvoll schönster Samen auf grünen
Rasen werfen, mögen vielleicht sehr viele
davon keimen. Allerdings werden sich nur
ganz wenige oder gar keine Keimlinge zu
Pflanzen weiterentwickeln und neue Vielfalt erzeugen, denn die bestehende Vegetation hat gegenüber den Keimlingen einen
viel zu großen Vorsprung im Wachstumsprozess. Im Streben nach Wasser und Licht
wird sie die zarten Pflänzlein gnadenlos »im
Keim ersticken«.
Deswegen brauchen wir zur Neuanlage
einer Blumenwiese einen offenen Boden.
Eine gute Idee ist es also, den Boden einfach
umzudrehen, das heißt zu pflügen und zu
eggen. Man erhält eine Rohbodenfläche, auf
die gut ausgesät werden kann. Das Ergebnis
wird eine schöne Wiese sein, die sich aber
mit den Jahren immer weniger reichhaltig
zeigen wird. Einzelne Arten verschwinden
ganz, und wahrscheinlich stellt sich nach
Jahren wieder das monotonere, ehemalige
Vegetationsbild ein.
Standorte lassen sich nicht austricksen
Der Effekt erklärt sich, wenn wir die
Energie im Boden betrachten. Am Energiegehalt im Boden hat sich durch das Pflügen nichts geändert. Wenn der Boden fett
und energiereich war, bleibt er dies auch
nach dem Pflügen und ist nur für etwa 90
Pflanzenarten als optimaler Standort geeignet. Diese Pflanzen werden früher oder
später in ihren Lebensraum zurückkehren
und ihn wieder dominieren. Die zarten Blumen erhalten durch die Neuaussaat nur
einen vorübergehenden Vorteil und werden
wieder verschwinden, da sie nicht in ihrem
bevorzugten Lebensraum wachsen und den
eigentlich hier heimischen Pflanzen auf
Dauer nichts entgegenzusetzen haben.
Blumen sind genügsam und können
auch mit weniger Energie im Boden auskommen. Diesen Vorteil können sie aber
nur auf abgemagerten Flächen ausspielen.
Hier hungern dann hingegen die Fettpflanzen und haben es schwer, sich auf Dauer zu
halten. Welchen Pflanzen wir letztendlich
helfen wollen, können wir über den Energiegehalt des Bodens bestimmen.
Bei der Neuanlage einer Blumenwiese achten wir ganz besonders auf diesen ­Aspekt. Je mehr Energie im Boden
vorhanden ist, desto entschiedener muss
man vorarbeiten und die Energie im Boden vermindern. Das geschieht am effektivsten durch das Abtragen der oberen
Bodenschicht, das Auftragen einer Sand-,
Schotter- oder Kiesschicht oder durch die
Kombination der beiden Möglichkeiten.
In der oberen Bodenschicht steckt die
meiste Energie. Das Wurzelwerk, selbst sehr
energiehaltig, hält außerdem viele Mineralstoffe fest. Die sogenannten Stickstoffzeigerpflanzen wie Löwenzahn, Scharfer
Hahnenfuß, Klee, Brennnessel, großblättrige
Ampferarten und Wiesen-Bärenklau sagen
uns: Hier ist fetter, guter Boden! Übersetzt
bedeutet das: Für andere, bunte Blumen
nicht geeignet!
Den Bodenabtrag (je nach vorhandener
Vegetation bis zu 30 Zentimeter, je mehr,
desto besser) und den Auftrag von bodenfreien Sub­straten (wie Kies, Sand, Schotter
bis zu 30 Zentimeter) machen wir deswegen
abhängig von der gewünschten Wiese.
Als Alternative zu diesem radikalen Vorgehen für eine Abmagerung kommt allein
das beständige Mähen der Wiese mit Entfernen des Mähguts in Frage. Sie brauchen
dabei vor allem Geduld, denn eine stabile
und artenreiche Blumenwiese stellt sich so
erst nach Jahren, auf überdüngten Flächen
sogar erst nach Jahrzehnten ein.
Ein weiteres Problem stellt die zunehmende Luftverschmutzung dar. Durch
die Verunreinigung der Atmosphäre löst
sich der Luftstickstoff, geht mit dem Niederschlag in gelöster Form auf den Boden
nieder und wird so für die Pflanzen verfügbar. Dieser Energieeintrag in eine Wiese
ist mittlerweile in fünf Jahren so groß wie
durch ein Jahr ohne Mähen und Wegbringen des Aufwuchses. Das bedeutet langfristig den Todesstoß für alle Magerstandorte,
da diese sich so auch bei richtiger Pflege mit
der Zeit über den Niederschlag aufdüngen.
Weiden und eine Vielzahl von Wiesen
Blumenwiesen können sehr variabel in
ihrer Artenzusammensetzung sein. Es
gibt nicht die Standardwiese, sondern sehr
▲ Blumen über Blumen: Eine Wiese im Garten des Autors, gewachsen auf von
Oberboden abgezogener Ausgangsfläche.
▶ Die auf den Rohboden (von Oberboden befreite ehemalige Fettwiese) aufgebrachte Aussaat wird durch leichtes Anrechen vor Tieren geschützt.
▶▶ Diese
energetisch mittlere Wiese wurde drei Jahre gemulcht, alle Blumen
sind in diesem Zeitraum verschwunden. Gut zu erkennen ist der Grasfilz, der
neben der Aufdüngung den Blumen den Garaus gemacht hat.
▶▶▶ So sehen Fettwiesen Mitte Mai aus: Das Gelb ist verschwunden und
Millionen von Samen überschwemmen das Land. Bunt wird diese Wiese nicht
mehr, auch wenn sie die nächsten Wochen nicht gemäht werden sollte.
markus gastl
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permakultur
permakultur
Praxis: Steingärten anlegen
Bei einer Wanderung in den Bergen oberhalb der Baumgrenze können
wir Steingärten der Natur kennenlernen. Wenn wir uns niederlassen,
um die Farbenpracht genauer zu studieren, fällt auf, dass es nur sehr
geringe Humusauflagen gibt und das Gestein stark zerklüftet ist. Damit
haben wir bereits die drei wichtigsten Voraussetzungen für einen künstlichen Steingarten kennengelernt: mageres Substrat, Drainage und
passende Pflanzen.
Diese Kombination lässt sich nach dem Vorbild der Natur recht einfach nachbauen.
Wir fangen mit der Drainage an: Schutt, grobe Steine, Kies, zerschlagene Teller und Dachziegel. Hauptsache, wasserdurchlässiges Material
wird mindestens 30 cm hoch aufgeschichtet. Auf diese Drainageschicht
kommen etwa 10 cm bodenfreies Substrat wie Sand, Kalkschotter
mit der Körnung 0/40 oder feiner Kies. In diese Substratschicht setzt
man Pflanzen der Trockenstandorte wie Hauswurz (Sempervivum, es
gibt 2500 Arten) oder Fetthenne (Sedum, 400 Arten) ein oder bringt
eine Samenmischung aus. Wenn wir nun den Rand noch mit schönen
Steinen befestigen, ist der Steingarten fertig. Nach diesem einfachen
viele unterschiedliche Zusammensetzungen
und dazu noch die sogenannten Weiden. Im
Buch »Pflanzenwelt Mitteleuropas und der
Alpen« lesen wir: »Die Pflanzengesellschaften der Wiesen sind von der menschlichen
Nutzung bestimmt. Die Wiese ist gleichsam ein Zivilisationsprodukt. Die Intensität der Bewirtschaftung, die künstliche
Ertragssteigerung durch Nährstoffzufuhr
und Maßnahmen der Bodenverbesserung
entscheiden über die Naturnähe, die Artenvielfalt und die ökologische Qualität. Innerhalb der Wirtschaftsgrünländer sind alle
intensiv genutzten Wiesengesellschaften
zusammengefasst. Mager- und Trockenrasen hingegen stellen trockene, ungedüngte
und von Natur aus magere Standorte dar,
die heute zu den seltensten Pflanzengesellschaften gehören.«
Fress-Selektion auf Weiden
Weiden unterscheiden sich von Wie
sen durch die Tatsache, dass sie durch
Tiere kurzgehalten werden. Tiere fressen
allerdings immer irgendetwas lieber und
anderes gar nicht gern. Das heißt, eine ständige Beweidung verschafft den Pflanzen
einen Vorteil, die selten gefressen werden.
Alles Stachlige, alles Bittere und alles Aromatische wird von Tieren ungern oder nicht
gefressen und setzt sich mittelfristig durch.
Gehen wir auf einem Kalkmagerrasen, der
intensiv von Schafen beweidet wird, auf
die Knie und probieren wir uns durch die
Vegetation, stellen wir fest, dass das meiste
stachlig, bitter oder sehr aromatisch ist. Das
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Prinzip können wir
ganze Steingartenlandschaften Schritt für
Schritt erstellen oder
Tröge und sonstige Gefäße – die immer Löcher für den Wasserabzug
benötigen – bepflanzen.
Die meisten Steingartenpflanzen haben im Topf genügend Erde, um
damit gut auszukommen. Im Zweifelsfall gibt man einfach eine Handvoll
durchlässige Kakteenerde in das Pflanzloch hinzu. Wichtig ist hier wie
bei Sträuchern, beim Austopfen eventuelle Ringwurzeln kräftig mit der
Kralle zu lockern. Das Anwachsen braucht Zeit, in der wir die neuen
Pflanzen regelmäßig gießen müssen. Wenn aber die feinen Wurzeln weit
genug in die Tiefe vorgedrungen sind, können sie Trockenperioden relativ gut überdauern. Gießen ist erst dann angebracht, wenn die Pflanzen
Anzeichen von Trockenheit zeigen.
In Trögen muss hingegen regelmäßig gegossen werden, da die
Wurzeln der Pflanzen den Trog nicht verlassen können, um sich aus der
Tiefe Wasser zu holen. ◆ UM
sind dann die Heilkräuter. Das Gras wird
von den Schafen gefressen und so im Konkurrenzkampf mit den Blumen deutlich geschwächt. Die Blumen gewinnen an Raum.
Bleibt eine Beweidung aus, beginnt das Gras
gegenüber den Blumen zu dominieren. Auf
eingezäunten Standweiden mit Pferden
oder Rindern erheben sich Disteln oder
Brennnesselhorste aus dem kurzgefressenen Grün und demonstrieren eindrucksvoll
die Selektion durch die Grasfresser, unterstützt durch deren punktuelle Intensivdüngung. Die Beweidungsintensität und
-regelmäßigkeit und der dabei erfolgende
Dungeintrag haben einen deutlich sichtbaren Einfluss auf die Vegetation.
Wiesen haben dieses Problem nicht,
denn der Bauer mäht nicht selektiv, sondern
mit seiner Sense oder dem Mähwerk alles
auf die gleiche Länge. Vorteile haben hier
die Pflanzen, die mit der Mahd besser zurechtkommen; in erster Linie sind das Gräser. Alle Pflanzen, die ihre hauptsächliche
Blattmasse als Rosette am Boden haben, wie
der Löwenzahn oder das Gänseblümchen,
genießen einen entscheidenden Vorteil gegenüber Stauden, die durch die Mahd einen
Großteil ihrer Blätter verlieren. Die Stauden
brauchen lange, bis sie sich erholt und wieder aufgeholt haben. Der Löwenzahn hat
dann schon wieder geblüht und lässt seine
Samen durch den Wind verbreiten.
Wiesen lassen sich also je nach Energiegehalt und Pflanzengesellschaft in Fettoder Magerwiesen unterteilen. Je nach
Häufigkeit der Mahd unterscheidet man
einschürige (im Herbst), zweischürige (im
Frühsommer und im Herbst) und mehrschürige (z. B. die fetten Gras-Hochleistungswiesen, die bis zu fünfmal im Jahr
gemäht werden, oder englischer Rasen, der
manchmal jeden Samstag gemäht wird)
Wiesen. Dazu entscheidet noch der Wassergehalt des Bodens, ob wir uns auf einer
Feucht- oder Trockenwiese befinden.
Außerdem gibt es sogenannte einjährige Wiesen, die von Pflanzen geprägt werden, die innerhalb einer Vegetationsperiode
zur Blüte kommen und Samen auswerfen,
um diesen Zyklus im Frühling wieder von
vorn zu beginnen. Blumen mit dieser Eigenschaft dominieren die Getreideäcker, sofern
diese nicht totgespritzt werden. Es handelt
sich dabei um den roten Klatschmohn, die
blaue Kornblume, die gelb-weiße Ackerhundskamille und, schon deutlich seltener,
den blauen Ackerrittersporn und die hellviolette Kornrade. Die Samen brauchen jeden
Frühling Rohboden, der auf Äckern durch
das herbstliche Pflügen vorhanden ist. In
einer Wiese können sich diese Blumen mittelfristig nur halten, wenn offener Boden
jedes Jahr neu entsteht oder in weiten Bereichen offen bleibt. Bei sich schließender
Vegetationsdecke übergeben sie ihren Platz
an Stauden, die dann die mehrjährigen Wiesen ausmachen.
Der Energiehaushalt einer Wiese
Jede Maßnahme, die den Energiegehalt
der Wiese erhöht, ist zu vermeiden, will
man Blüten- und Artenreichtum erhalten.
Es sollten also weder Dünger noch Mist oder
sonstige Zuschläge und Bodenverbesserer
eingebracht werden. Mulchen sollte unterbleiben, da gemulchtes Material früher oder
später verwittert und die gespeicherte Energie wieder an den Boden zurückgibt. Ähnlich wirkt das Unterlassen der Mahd oder
Liegenlassen des Mähguts.
Jede Wiese muss gemäht und das Mähgut komplett entfernt werden, am besten
einschürig im Herbst, ansonsten zweischürig Ende Juni und dann im Herbst, sonst
verschwindet die Vielfalt.
Sag mir, wo die Blumen sind
Früher blieb keine Vegetation lange ste
hen. Neues Gras und Kräuter fanden
ihre Abnehmer, sogar an Straßenrändern
und auf Magerwiesen. Kleinbauern ohne
Land, aber mit einer Kuh oder einer Ziege,
haben diese Flächen gemäht und so eine
Energieanreicherung verhindert. Als Grünfutter oder Heu an Nutztiere verfüttert,
blieb die Vielfalt auf diesen Flächen so unbeabsichtigt, aber zuverlässig erhalten. Zu
dieser Zeit war der Landwirt noch Vielfaltbewahrer.
Heute entsorgt die Landwirtschaft in
großer Menge Gülle auf alle Grünlandflächen. Wo nicht gegüllt wird, wird massiv
mineralischer Dünger verstreut. Die Landwirtschaft ist heute der Vielfaltzerstörer
Nummer eins, knapp gefolgt vom Gartenbesitzer, der ähnlich wirtschaftet, oft sogar
mit noch höherem Gifteinsatz.
Blumenwiesen und Permakultur
Überall, wo Nahrungsmittel erzeugt
werden sollen, ist guter, fetter Boden
notwendig. Eine dauerhafte, artenreiche
Blumenwiese mit entsprechender tierischer Vielfalt benötigt jedoch magere Bedingungen. Sinnvoll ist hier eine räumliche
Trennung der nährstoffarmen von den
nährstoffreichen Flächen. Der reichhaltige
Boden der zukünftigen Wiese kann abgetragen und auf das Gemüsebeet verbracht
werden. So entsteht eine Verlagerung der
Energie zugunsten des Gemüsebeets und
der zukünftigen Wiese.
Die Blumenwiese sollte von der Weide
abgezäunt sein, so dass keine Tiere selektiv fressen oder punktuell düngen und auf
diese Weise die Vegetation beeinflussen. Die
Wiese muss mindestens einmal im Jahr gemäht werden, das Heu kann dann als Tierfutter oder als Mulchmaterial verwendet
werden.
Wenn die zur Verfügung stehende
Gartenfläche intensiv für Gemüseanbau
genutzt wird, bleibt manchmal die Möglichkeit der Anlage einer Wiese auf einem
Dach als Dachbegrünung. Die geringe
Substratauf­lage erlaubt dann die Ansiedlung sehr spezieller, hitze- und trockenheitsresistenter Pflanzengesellschaften.
Sonstige Flächen, die keinem Anbau
dienen, können als Steingärten oder Trogbepflanzungen ausgefüllt werden.
Samen und Mischungen
Samentüten aus dem Baumarkt sind in
der Regel einjährige Mischungen mit
einem hohen oder kompletten Anteil an
Pflanzen, die bei uns nicht heimisch sind.
Für den schnellen Erfolg mögen sie nützlich
sein – echte Blumenwiesen, die nicht im
nächsten Jahr verschwinden und die den
einheimischen Insekten nützen, lassen sich
mit diesem Material aber nicht anlegen.
Wenn keine detaillierte Artenliste beigelegt
oder auf der Tüte kalifornischer Mohn abgebildet ist, stellt man die Packung besser
zurück ins Regal und wundert sich nicht
mehr über den billigen Preis.
Samenkauf ist Vertrauenssache und
kostet Geld. Das Ernten von Samen ist je
nach Pflanze ein schwieriges Unterfangen.
Es gibt jedoch Betriebe, die sich auf einheimisches Saatgut spezialisiert haben und
manchmal bis zu 300 verschiedene Arten
anbieten. Dabei gibt es spezielle Mischungen für unterschiedliche Standorte. Eine
Kalkmagerrasen-Mischung säen Sie selbstverständlich nicht auf Feuchtboden aus,
eine nährstoffreiche Krautflur-Mischung
wächst nicht so gut auf abgemagerten, sandigen Flächen.
Mischungen werden mit oder ohne Gräser angeboten. Optimal, jedoch teurer, sind
die Mischungen, die ausschließlich Blumen
enthalten, denn Gräser können die Flächen
schnell dominieren.
Teure Einzelsaaten können gezielt in
kleineren Verpackungen zugekauft und
dann in kleinen Töpfen mit normaler Blumenerde vorgezogen werden. Wenn die
Pflanzen groß genug sind, können sie direkt in die betreffenden Flächen ausgesetzt
­werden.
Aussaat und weitere Pflege
Samen sind hochenergetisch und werden von allerhand Tieren geschätzt.
Vögel etwa picken sie schnell auf, Mäuse
kommen in der Nacht und vertilgen den
Rest. Deswegen sind Samen nach dem Aussäen auf die vorbereitete Rohbodenfläche
leicht einzurechen und möglicherweise
anzutreten. Alternativ kann man nach der
abgeschlossenen Aussaat mit einer Schaufel im Schwung etwas Sand auftragen. Die
Samen sind dann bedeckt und für die Tiere
viel schwieriger aufzuspüren. Die beste Zeit
für eine Aussaat ist dann, wenn auch natürlicherweise die Samen zu Boden fallen:
Spätsommer. Etliche Samenstände knicken
aber erst über den Winter um und die Samen fallen dann im zeitigen Frühjahr zu
Boden. Auch zu dieser Jahreszeit ist eine
Aussaat möglich, solange garantiert ist, dass
die Samen aus Ihrer Tüte noch ein paar
Frosttage abbekommen.
Samen, die aus einheimischen Pflanzen
gewonnen werden, sind sehr stabil und mit
einer gewissen variablen Keimhemmung
ausgestattet. Auf diese Weise können wetterbedingte Verluste von Keimlingen durch
ein späteres Auflaufen der restlichen Samen
leicht aufgefangen werden. Das Abdecken
mit Mulch oder Kompost empfehle ich
nicht, da wir ja jeden Energieeintrag tunlichst vermeiden wollen.
Da die Keimlinge stark durch Schneckenfraß gefährdet sind, sollte jegliche
Bewässerung, die einen Wohlfühl-Faktor
für die Schnecken darstellt, gut überlegt
werden und in der Regel unterbleiben.
Einheimische Samen sind gut an hiesige
Verhältnisse angepasst. Sie nutzen den
morgendlichen Tau und die Restfeuchte im
Boden.
Wenn die Pflanzen dann einmal angewachsen sind und die Wiese blüht, können
wir uns über die bunte Vielfalt und zahlreiche Insektenbesuche freuen. Markus Gastl (43) ist nach siebenjähriger
Weltreise davon überzeugt, dass die Vielfalt Hilfe
braucht. Er begleitet als Führer Menschen durch
die Natur seines Gartens und darüber hinaus.
www.hortus-insectorum.de
Hier lernen Sie mehr über Lebensräume von Pflanzen:
literatur
Dietmar Aichele, Margit und Roland Spohn: Was blüht denn
da? Kosmos-Verlag, 2008 • Henning Haeupler, Thomas Muer:
Bildatlas der Farn- und Blütenpflanzen Deutschlands. UlmerVerlag, 2004 • Thomas Schauer, Claus Caspari: Der große BLV
Pflanzenführer. BLV-Verlag, 2004 • Peter Mertz: Pflanzenwelt
Mitteleuropas und der Alpen, Handbuch und Atlas der Pflanzengesellschaften. Nikol Verlag, 2002
saatgut oder pflanzen gibt es hier
www.appelswilde.de, www.hof-berggarten.de
www.mellifera.de
Oya 15 — Juli/August 2012
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