Wenn es (wieder) gut werden soll Krankenhaus Schwarzach/AT
Transcription
Wenn es (wieder) gut werden soll Krankenhaus Schwarzach/AT
Architektur Wenn es (wieder) gut werden soll Krankenhaus Schwarzach/AT Man könnte meinen, für erfahrene „Krankenhausarchitekten“ ist der Neubau des Kinder- und Jugendspitals in Schwarzach/AT keine besondere Aufgabe. Doch bedenkt man die logistischen und auch technischen Herausforderungen, so ist solch ein Vorhaben alles andere als trivial. Entscheidend ist stets, Schnittstellen sorgfältig und präzise zu analysieren sowie diese zu begleiten. So geschehen beim Neubau des Spitals im Pongau. wörner traxler richter v.l.n.r.: Stefan Traxler, Petra Wörner, Martin Richter, Christian Strauss Foto: Frank Blümler Der Schwerpunkt des Architekturbüros wörner traxler richter sind Gesundheits- und Forschungsbauten. Die Planung und Realisierung von Wohn-, Hotel-, Verwaltungs- und Kulturbauten ergänzen das Portfolio. Ein Großteil der Projekte wird dabei über Wettbewerbe akquiriert. Geführt von den Partnern und Gesellschaftern Petra Wörner, Stefan Traxler und Martin Richter arbeitet das Büro mit über 140 Mitarbeitern an den vier Standorten Frankfurt, Dresden, München und Hamburg. Christian Strauss ist seit 2011 Geschäftsführer und verantwortlich für das Projekt am „Kardinal Schwarzenberg´schen Krankenhaus“. 36 1531–8 Foto: Christian Börner, Dresden DBZ 7 | 2015 DBZ.de 37 Lageplan, M 1 : 4 000 Kuscheln jetzt auf einmal alle? Das ist eigentlich nicht der übliche Baualltag, der sowohl in der Tages- als auch in der Fachpresse veröffentlicht wird. Ständig hört und liest man von Streit: in Berlin am Flughafen, in Hamburg wegen der Elbphilharmonie-Kosten oder sonst wo. Und nun? Hier, mitten in den Bergen soll die Welt (noch) in Ordnung sein? Egal, ob TV-Berichte, Tagespresse, Gespräche mit der Krankenhausleitung, der Politik und natürlich auch mit den deutschen (!) Architekten – ein jeder will unmissverständlich klar machen, dass die Realisierung dieses Gebäudes durch und durch wünschenswert war. Dieser schon etwas verdächtigen Harmonie muss ein Fachmagazin, wie die DBZ es ist, nachgehen. Das kann doch nicht sein, oder? Grundriss Erdgeschoss, M 1 : 500 38 Der Entwurf von wörner traxler richter wurde beim Wettbewerb mit dem 2. Preis gelobt. Aufgrund des vom ersten Preisträger überschrittenen Kostenbudgets beauftragte der Bauherr dann doch wörner traxler richter Foto: Christian Börner, Dresden Krankenhaus Schwarzach/AT | Architektur Schnittstellen Öffentlichkeit, Patienten und Personal Gut! Die Anfahrt selbst hat etwas von Urlaub: Schon auf der Autobahn weisen Schilder in die bekannten Skigebiete „Zell am See“, „Flachau“ oder „Bad Gastein“. Auch die Kulisse mit hie und da schneebedeckten Gipfeln erzählt von Erholung, Seelebaumeln und Harmonie. Selbst ohne Navi wäre es ein Leichtes gewesen, Schwarzach im Pongau zu erreichen. Und da der Ort recht klein ist, ist auch der Weg zur Klinik ein Kinderspiel. Es scheint, als bestünde der Ort einzig aus der Klinik. Ein Treffen mit dem geschäftsführenden Architekten Christian Strauss von wörner traxler richter am Haupteingang hätte sich allerdings als nicht sehr sinnvoll erwiesen. Er selbst schlug gleich vor, sich in der Caféteria im Neubau zu treffen. Vor Ort erwies sich dieser Vorschlag als überaus klug, denn einen Haupteingang im klassischen Sinne gibt es zunächst einmal gar nicht. In Schwarzach befindet sich ein in seinen Dimensionen stattlicher Komplex einer gefühlten Megaklinik mit unzähligen Fachbereichen. Und jeder einzelne hat seinen eigenen Eingang. Diese Eingänge wiederum sind nicht eindeutig zuzuordnen, wenn man dem Trampelpfad über die steile Wiese vom Parkplatz aus folgt. Die Caféteria des Neubaus dagegen ist ein Segen für den ganzen Komplex. Ein eindeutig definierter Ort, halböffentlich, der sich allen Passanten (egal, ob Schülern von nebenan, Patienten, Besuchern, Ärzten, Pflegepersonal usw.) gleichermaßen als Orientierungshilfe anbietet. Eher wie ein Wohnhaus mit einer öffentlichen Nutzung im Erdgeschoss mutet der Neubau an. Dies geschah auf Wunsch der Architekten, denen mit dieser Anordnung ein Geniestreich gelungen ist, weil die Schnittstellen zwischen der Öffentlichkeit und allen der Klinik Zugehörigen – egal ob freiwillig oder krankheitsbedingt – sauber voneinander getrennt funktionieren. „Wir sind sehr froh, dass uns die Bauherren in diesem Schritt gefolgt sind“, resummiert Christian Strauss, der langjährige Mitarbeiter von wörner traxler richter, der dort seit 2011 Geschäftsführer ist und schon zahlreiche Kliniken geplant und realisiert hat, „denn jetzt haben alle etwas davon.“ Grundriss 2. Obergeschoss, M 1 : 500 DBZ 7 | 2015 DBZ.de 39 Architektur | Krankenhaus Schwarzach/AT Schnitt AA, M 1 : 500 Foto: Christian Börner, Dresden Die Architekten wären gerne noch einen Schritt weiter gegangen und hätten die städtebauliche Situation mit den vielen unübersichtlichen Eingängen noch landschaftsarchitektonisch aufgewertet. Das aber ist, wenn überhaupt, Zukunftsmusik. So müssen viele Beschilderungen und Wegweiser noch dafür sorgen, dass jeder dort ankommt, wo er gerne ankommen möchte. Foto: Christian Börner, Dresden Der trapezfömige Kern des Krankenhauses fasst die Erschließung, die Nebenräume und die offenen Theken der Stationen. Er ist auf jedem Geschoss nahezu identisch in der Farbgestaltung, so dass Besucher sich leicht orientieren können Die technischen Anforderungen in Österreich liegen höher als in Deutschland, weswegen die Architekten in der Decke weitaus mehr Installationsschächte und Leerrohre für eine mögliche Erweiterung planten 40 Zurückhaltende Gestaltung Die Beschilderungen sind überhaupt sehr auffällig. „Das muss ein österreichisches Phänomen sein“, sagt Strauss mit einem Augenzwinkern. Betritt man die Klinik, sieht man sich mit dem Phänomen „Schilderwald“ ebenfalls konfrontiert. Dabei wäre es im Neubau eigentlich gar nicht nötig gewesen, da die Architektursprache, die Raumaufteilungen und die Lichtführung im Grunde eindeutig sind. Die Gestaltung sämtlicher Stationen hält sich zum Großteil sehr zurück und spricht eine einheitliche Sprache. Egal, ob es die Räumlichkeiten des Kinder- und Jugendspitals sind oder die des interdisziplinären Gefäßzentrums mit einer Intensiveinheit. Tatsächlich war diese Zurückhaltung auch einer der wichtigsten Wünsche seitens der Bauherrenschaft. Bis auf ein paar wenige Farben und einer Sitzbank für Kinder im Foyer, die wie eine riesige grüne Schlange aussieht (damit klar wird, dass hier viele Kinder sind), kommt der Neubau mit sehr wenig gestalterischen – oder besser gesagt, dekorativen – Elementen aus. Das tut auch dem Gesamtbild gut, denn neben dem Schilderwald ist hier auch eine Art „Schalterwald“ vorzufinden. „Es klingt eigentlich unglaublich, wenn man bedenkt, dass wir das Jahr 2015 schreiben“, sagt Strauss, „es aber bislang keinen Schalterhersteller gibt, der mit einem einzigen Schalter oder Display auskommt, von dem aus sämtliche Steuerung für Türkommunikation, Belüftung, Belichtung oder dergleichen geregelt werden können.“ Fast schon entschuldigt er sich dafür, dass seine angenehm geradlinigen Wände und Decken von immens vie- Foto: Christian Börner, Dresden Tiefe Fensterbrüstungen ermöglichen den Blick in die Umgebung. In der Kinder- und Jugendpsychiatrie gestalten die Architekten die Einzel-, Doppel- oder Dreibett-Räume hell. Vor der Sonne schützen außenliegende, feststehende Holzlamellen len Schaltern, Schächten, Chip-Lesegeräten oder ähnlichem „geziert“ sind. Sicherlich muss eine Klinik solche Steuerungen haben, aber die Kompatibilität der Schalter untereinander gibt es offenbar nicht. Und so freut sich Strauss immerhin über die gelungene Deckengestaltung. „Die Patienten liegen ja meist in Betten und blicken dann zur Decke“, gibt er zu bedenken. „Deshalb wird dem Deckenspiegel im Krankenhausbau stets mehr Aufmerksamkeit zuteil als bei anderen Gebäudetypen.“ So sind beispielsweise die Technikauslässe in den abgehängten Decken exakt mittig angelegt. Vorbildliche Abstimmungen im Planungsprozess Nicht nur jetzt, im laufenden Betrieb, ist das Krankenhauspersonal sehr engagiert, sondern auch schon während der Planungsphase. Es gab im Vorfeld zahlreiche Abstimmungen zwischen den Nutzern, den Bauherren und den Architekten. Aufgrund dieser sehr professionellen und – wie Strauss bestätigt – überaus freundlichen und positiven Abstimmungen funktioniert das Gebäude so, wie es sich alle erwünscht und erhofft hatten. „Es ist zwar bei jeder Krankenhausplanung üblich, dass es solche Abstimmungstermine gibt“, erklärt Strauss, „aber ich kann mich nur wiederholen, dass diese Termine hier im Pongau stets von Anerkennung und Respekt geprägt waren.“ Er stellt gegenüber, dass es beispielsweise in Deutschland, wo wörner traxler richter schon viele Kliniken geplant haben, sich durchaus anders verhält. „Der Umgang ist bei anderen Bauvorhaben dieser Art viel mehr von einem gegenseitigen Ringen zwischen Projektsteuerung und Architekten um Kosten und Termine geprägt.“ Interessanterweise – und das ist die wohl beste Nachricht – gab es neben dem exakt eingehaltenen Budget nach der Fertigstellung des Klinikneubaus im Pongau im Juni 2014 keinerlei Mängelanzeigen oder Kostenstreitereien. „Sowas habe ich zuvor noch nie erlebt“, sagt Strauss. Hätte er einen Wunsch frei, dann „immer mit so einem Team zusammenzuarbeiten.“ Melanie Seifert, München DBZ 7 | 2015 DBZ.de Funktionsschemata, o. M. 41 Foto: Christian Börner, Dresden Foto: Christian Börner, Dresden Die Architekten planten individuelle Räume, in die sich die Jugendliche zurückziehen können – „Wohlfühl-“, „Timeout-“ (s. o.) und „Internet-Oasen“. Dort können jüngere Patienten bspw. via neue Medien Kontakt zu ihren Freunden halten Das Krankenhaus Schwarzach/AT ist das erste in Österreich mit einem Schwerpunkt für Jugendmedizin. Die Architekten nehmen in ihrem Raumprogramm und Gestaltungskonzept Rücksicht darauf Projektablauf LPH1 LPH2 LPH3 LPH4 08|2010 01|2011 04|2011 Vertragslösung mit 1.Preisträger Beauftragung wörner traxler richter als 2.Preisträger Entwurfs- und Genehmigungsplanung Bauantragsstellung 11|2009 Wettbewerb Beauftragung 1. Preisträger Bauherr, Architekt Projektmanager, Wettbewerbsjury 42 Vorplanung 1. Preisträger Bauherr, Architekt Projektmanager Tragwerksplaner TGA-Planer Bauherr, Architekt, Projektmanager, Tragwerksplaner, TGA-Planer, Medizintechnikplaner Bauherr, Architekt Projektmanager Tragwerksplaner TGA-Planer Medizintechnikplaner Bauphysiker Bauherr Architekt Projektmanager Krankenhaus Schwarzach/AT | Architektur Baudaten Projektdaten Objekt: Kardinal Schwarzenberg´sches Krankenhaus Schwarzach/AT Grundstücksgröße: 25 000 m² Neubau: Kinder- und Jugendspital und Interdisziplinäres Gefäßzentrum GFZ: 1,97 Standort: Kardinal-Schwarzenberg-Str. 2–6, 5620 Schwarzach im Pongau/AT NF: 5 740 m² Bauherr: Kardinal Schwarzenberg´sches Krankenhaus Betriebsges. m.b.H. BGF: 11 230 m² Architekten: BRI: 44 000 m³ wörner traxler richter planungsgesellschaft mbH, Dresden; www.wtr-architekten.de Mitarbeiter: Ulrike Theobald (Projektleiterin), Ingo Börner, Angelika Haase, Solveig Krauspenhaar, Falk Leinert, Eric Puchta, Jana Schieche, Stefan Steiner, Robert Vaupel, Angela Weber Baukosten Bauleitung und Projektmanagement: Gesamt netto: 35,5 Mio. € Gesamt brutto: 42,6 Mio. € (20 % Mwst. Österreich) Jastrinsky GmbH & Co Kommanditgesellschaft, Salzburg; www.jastrinsky.at HNF netto: 180 €/m² Bauzeit: Januar 2011 – Juni 2014 (Neubau) bzw. 2015 (Umbau Bestand) BRI netto: 807 €/m³ Landschaftsarchitekt: Rehwaldt Landschaftsarchitekten, Dresden; www.rehwaldt.de Energiebedarf Fachplaner Jahresheizwärmebedarf: 46,3 kWh/m²a Tragwerksplanung: Ingenieurbüro Herbrich Ziviltechnikergesellschaft mbH, Salzburg; www.herbrich.at Techn. Gebäudeausrüstung: Energiekonzept Gebäudehülle: Wagner & Partner Ziviltechniker Ges.m.b.H., Linz; www.ztz.at Medizintechnikplanung: mtp Planungsgesellschaft für Medizintechnik mbH, Dresden; www.mt-planung.de Bauphysik: Ingenieurbüro Rothbacher GmbH, Zell a. See; www.rothbacher.com Konstruktionsart: Stahlbetonskelettbau mit massiven Fassadenbauteilen (Lochfassade); EG: Pfosten-Riegel-Fassade U-Wert Geschossdecke zw. beheizten Räumen (24 cm) = U-Wert Außenwand mit WDVS = U-Wert Fassadenpaneel = U-Wert Bodenplatte = U-Wert Dach = Uw-Wert Fenster = Ug-Wert Verglasung = 0,72 W/(m²K) 0,14 W/(m²K) 0,17 W/(m²K) 0,34 W/(m²K) 0,14 W/(m²K) 0,80 W/(m²K) 0,79 W/(m²K) Bauteile/Materialien: WDVS, Holzfenster, bewegl. Alu-Sonnenschutzlamellen, feststehende Holz-Fensterläden LPH5 LPH6+7 LPH4 LPH8 09|2011 05|2011 01|2012 07|2013 6|2014 Baugenehmigung Werk-/Detailplanung Vergabe Fördermittelbescheid Realisierung Point of No Return Baubehörde Bezirkshauptmannschaft St. Johann im Pongau DBZ 7 | 2015 DBZ.de Architekt Tragwerksplaner TGA-Planer Medizintechnikplaner Bauphysiker Bauherr, Architekt, Projektmanager, Baufirmen Landessanitätsdirektion (Ministerium für Gesundheit und Soziales) Bauherr, Architekt Örtliche Bauaufsicht (Bauleitung und Projektmanagement), Baufirmen, Bauherr 43