ICOM Deutschland Mitteilungen 2016

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ICOM Deutschland Mitteilungen 2016
ICOM Deutschland
Mitteilungen 2016
ISSN 1865-6749 | Heft 38 (23. Jahrgang)
Kunst für Flüchtlinge
Was Museen zur Integration beitragen
Kulturgut in Gefahr
Rote Listen gegen illegalen Handel
Jahrestagung ICOM Deutschland
Von der Weltausstellung zum Science Lab
Impressum
Herausgeber: ICOM Deutschland e. V.
(verantwortlich: Dr. Michael Henker, Johanna Westphal M.A.)
Redaktion: Anke Ziemer
Gestaltung: Claudia Bachmann, Berlin, www.besseresdesign.de
Druck: Druckerei Conrad, Berlin
Aufgrund der besseren Lesbarkeit wird oft die männliche Form in
der Bezeichnung von Personen und Funktionen verwendet. Sie gilt
im Sinne der Gleichbehandlung für Männer und Frauen gleicher­
maßen.
Copyrights liegen bei den Autoren und Fotografen. Inhaber von
Bildrechten, die wir nicht ermitteln konnten, bitten wir um Kontakt­
aufnahme.
Namentlich gekennzeichnete Beiträge entsprechen nicht
unbedingt der Meinung der Redaktion oder der Herausgeber.
Großes Titelfoto: Helmut Beier, Ludwig Museum Koblenz
Kleine Fotos v.l.o.n.r.u.: [email protected]; Archäologisches
Landesmuseum Baden-Württemberg; Sasha Coachman, CC BY-SA 3.0;
Boaz Paz; SPK – photothek.net, Florian Gärtner; Staatliches Mu­seum
Ägyptischer Kunst, Marianne Franke; Sven Hauschke; Milano­con­
gressi; Georg Pöhlein, FAU Erlangen-Nürnberg; ICOM
Heft 38 (23. Jahrgang)
Erscheinungsweise: seit 2004 einmal im Jahr
Auflage: 6.500
Gefördert durch die Beauftragte der Bundesregierung
für Kultur und Medien
Berlin, Mai 2016
ISSN 1865-6749
Korrekturhinweis zu Ausgabe 2015, S. 8: Die Autorenzeile muss hei­
ßen: Gastbeitrag von Birte Brugmann, Constanze Fuhrmann und Rolf
Gundlach. Versehentlich wurde Constanze Fuhrmann als Autorin
nicht genannt.
Editorial
An Aktualität nicht zu übertreffen
und auch international das alles
beherrschende Thema ist der Um­
gang mit den Flüchtlingen, die un­
ter dramatischen Umständen in
großer Zahl zu uns kommen. Hier
sind wir als Museumsexperten und
Vertreter von Museen ganz beson­
ders gefordert, einen unverzicht­
baren Teil von Willkommenskultur
sowie Möglichkeiten des Ver­ständ­
nis­ses von und für Kulturen einzubringen. Unsere Ange­
bote dazu werden dringend benötigt. Unsere gesellschaft­
liche Relevanz ist groß, ebenso wie die damit verbundene
Verantwortung. Unsere Mög­lich­­keiten der Mitwirkung
sind vielfältig und entsprechend differenzierte Programme
und Projekte sind denkbar und wünschenswert.
Da die Initiativen in diesem Bereich vielfach schon be­
gonnen haben, berichten wir exemplarisch über das Projekt
„Kunst für Flüchtlinge“ des Ludwig Museums in Koblenz.
Wie aufmerksam solche Projekte auch im Ausland verfolgt
werden, zeigt der Bericht in der New York Times Inter­
national Weekly vom 11. März 2016 über die erfolgreichen
arabisch-sprachigen Führungsangebote von Pergamonmu­
seum, Bode-Museum und Deutschem Historischem Mu­
seum in Berlin. Sie wenden sich speziell an Flüchtlinge,
denen sie zusätzlich die Möglichkeit bieten, sich zu mutter­
sprachlichen Museumsführern ausbilden zu lassen.
Wichtig ist auch die Initiative des Deutschen Kulturrats,
der Integration als langfristige Aufgabe in kulturpoliti­scher
Verantwortung angemahnt und die Adhoc-Arbeitsgruppe
„Bürgerschaftliches Engagement und Geflüchtete“ gegrün­
det hat. Die Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen
in Bayern bietet eine Fortbildung „Willkommenskultur im
Museum – Angebote für Geflüchtete“ an und die Staats­
ministerin für Kultur und Medien Monika Grütters lobt
einen Sonderpreis für Projekte zur kulturellen Teilhabe von
geflüchteten Menschen aus, der am 21. Mai im Deutschen
Historischen Museum verliehen wird.
Tags darauf findet der Internationale Museumstag statt.
So ergänzen sich Ereignisse und Themen in unserem Be­
reich, denn „Museums and Cultural Landscapes“ ist auch
das Thema der ICOM-Generalkonferenz. Ich würde mich
freuen, wenn viele deutsche ICOM-Mitglieder nach Mai­
land kämen.
Die Jahrestagung von ICOM Deutschland findet vom
6. bis 8. Oktober unter dem Motto „Von der Weltausstel­
lung zum Science Lab. Handel – Industrie – Museum“ im
Deutschen Technikmuseum in Berlin statt. Gemeinsam mit
unseren Partnern bereiten wir ein weitgefächertes Pro­
gramm vor, das neben der Zugkraft des Veranstaltungs­
ortes hoffentlich starkes Interesse erregt und zum Besuch
motiviert. Die Mitgliederversammlung, in deren Rahmen
auch die turnusmäßig fälligen Vorstandswahlen abgehalten
werden, findet im Rahmen der Tagung am 7. Oktober statt.
Wie es bei ICOM Deutschland nunmehr gute Tradition
ist, wollen wir unsere Jahrestagung 2017 wieder zusammen
mit benachbarten Nationalkomitees im Ausland abhalten.
Im Sommer 2015 haben wir uns daher mit den Vorstän­
den von ICOM North (Dänemark, Schweden, Norwegen,
Finnland, Island) zu einem ersten Gespräch getroffen und
den Kontakt bei einem Treffen im November in Berlin so­
weit vertieft, dass der organisatorische Rahmen und das
Programm weiterentwickelt werden können. Als Arbeits­titel
haben wir in Abstimmung mit ICOM North „Difficult
Issues at Museums“ gewählt.
Zusätzlich zu diesen Themen haben wir uns stark enga­
giert in den bisherigen Schritten zur Novellierung des Deut­
schen Kulturgutschutzgesetzes. Zur Teilnahme am Inter­
governmental Meeting of Experts im Mai 2015 bei der
UNESCO in Paris, bei dem der Entwurf einer Empfehlung
zu Museen und Sammlungen abschließend diskutiert wur­
de, hat uns die Bundesregierung gebeten. Die UNESCOGeneralkonferenz hat auf ihrer Sitzung am 17. November
2015 in Paris diese Recommendation on the Protection and
Promotion of Museums and Collections, their Diversity
and their Role in Society verabschiedet. Damit wurde
erstmals seit 1960 durch die UNESCO wieder eine inter­
nationale Empfehlung beschlossen, die sich vollständig auf
Museen und Sammlungen bezieht. Diese Fixierung von
Rahmenbedingungen, Leitlinien und Standards wird die
Grundlage zukünftiger Museumspolitik bilden.
Unsere weit fortgeschrittene Planung zur Herausgabe
eines deutschsprachigen Leitfadens zur Provenienzrecher­
che haben wir eingebracht in ein gleichartiges Projekt des
neu gegründeten Deutschen Zentrums Kulturgutverluste.
Das bündelt bestehende Expertise, nutzt und schafft Syner­
gien und ist insgesamt sinnvoll. Die letztgenannten The­
men werden weiterhin im Fokus unserer Arbeit stehen.
„Museen und schwierige Themen“ ist 2017 das Motto
des Internationalen Museumstages und der Arbeitstitel un­
serer Tagung mit ICOM North. Ein Aspekt davon, dem
sich die Arbeit von ICOM Deutschland in den nächsten
Jahren verstärkt widmen sollte, ist die Frage des Umgangs
mit der kontinuierlich steigenden Zahl von Sammler- und
Künstlernachlässen, die seit geraumer Zeit immer dring­
licher nach Antworten verlangt. Es gibt dazu seitens der
Kulturpolitik im Bund und in den Ländern höchstens
punktuell erste Überlegungen. Ich glaube, dass ICOM
Deutschland den Anstoß zu einer qualifizierten Debatte
darüber geben sollte. Auch zu diesem Themenbereich bit­
ten wir Sie um Ihre Unterstützung. Dieses kollegiale Zu­
sammenwirken ist die verlässliche Basis unserer Arbeit,
die international und national beachtet und begrüßt wird.
Dafür danke ich Ihnen herzlich.
Ihr
Michael Henker
Präsident ICOM Deutschland
Foto: ICOM
Foto: Helmut Beier, Ludwig Museum Koblenz
Inhalt
Aktuelles
Rückblick
Kunst für Flüchtlinge
Erfahrungen des Ludwig Museums in Koblenz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4
Verstärkter Kampf gegen illegal
gehandelte Kulturgüter aus dem Irak
Präsentation der Roten Notfall-Liste Irak. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18
Universitätssammlungen als Partner der Museen
Die Koordinierungsstelle für wissenschaftliche
Universitätssammlungen in Deutschland stellt sich vor. . . . . . . . . . 8
39. Internationaler Museumstag
Museums and Cultural Landscapes – Museen und
Kulturlandschaften. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12
Das Museum für alle – Imperativ oder Illusion?
Höhepunkte des Internationalen
Bodensee-Symposiums 2015 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20
Tätigkeitsbericht 2015 des Vorstandes. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27
Protokoll der Mitgliederversammlung 2015. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30
Von der Weltausstellung zum Science Lab.
Handel – Industrie – Museum
Einladung zur Jahrestagung 2016 von ICOM Deutschland. . . . . . 14
Museums and Cultural Landscapes
Building up a Cultural Heritage
Einladung zur 24. ICOM-Generalkonferenz 2016 in Mailand. . . . . 16
Internationale Komitees
ICOM macht sich fit für die Zukunft
Höhepunkte der Juni-Treffen 2015 in Paris. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32
Tagungsberichte
How Global Can Museums Be?
CIMAM – International Committee for Museums and
Collections of Modern Art . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37
Documenting Diversity – Collections,
Catalogues and Context
CIDOC – International Committee for Documentation . . . . . . . . . 38
From Historism to the Multimedia Age.
CIPEG – International Committee for Egyptology . . . . . . . . . . . . . . 39
Vom Sammeln und von Sammlungen
COMCOL – International Committee for Collecting. . . . . . . . . . . . . 40
2 | ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2016
Foto: Boaz Paz
Foto: Martina Krug
Umschau
Literature, Music and Cultural Heritage
ICLM – International Committee for Literary Museums. . . . . . . . . 41
Wenn Museumsobjekte gefährlich werden
Präventive Konservierung und Arbeitsschutz in Museen. . . . . . . . 48
Science and Technology, Innovation:
Museum and Cultural Heritage Security
ICMS – International Committee for Museum Security. . . . . . . . . . 42
Publikationen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50
„Reflets de Venise“ GLASS – International Committee for Museums
and Collections of Glass . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43
Vorstand. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52
Veranstaltungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51
Regional Museums and the Forging of Identities
in a Multicultural Society
ICR – International Committee for Regional Museums. . . . . . . . . . 44
Leadership for a Sustainable Museum
INTERCOM – International Committee
for Museum Management. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45
Museums and Communities:
Diversity, Dialogue, Collaboration
ICME – International Committee for Museums
of Ethnography . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46
www.facebook.com/icomdeutschland
https://twitter.com/icomdeutschland
ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2016
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AK Tuelles
Kunst für Flüchtlinge
Wie kann ein Museum Kindern und Jugendlichen in großer Not helfen, fragen sich
die Mitarbeiter des Ludwig Museums in Koblenz und starteten spontan eine Initia­
tive mit offenem Ausgang. Ein Erfahrungsbericht in fünf Schritten.
Foto: Helmut Beier, Ludwig Museum Koblenz
Beate Reifenscheid-Ronnisch, Marko Sommer
Die Marionettenfigur Pablo erleichtert dem Pädagogik-Team die
Kommu­­ni­ka­tion mit den Kindern.
Der Zustrom an Flüchtlingen hat durch die Öffnung der
Grenzen zumindest in Deutschland zu einem erheblichen
Zuzug an neuen Mitbürgern geführt, die jedoch zunächst
in Auffanglagern untergebracht werden. Aufgrund von
zahlreichen Bestimmungen und organisatorischen Aspekten
(ärztlicher Gesundheitscheck, Datenerfassung, spätere Un­
terbringung in geeigneten Wohnungen, Schulpflicht der
Kinder etc.) leben diese Flüchtlingsfamilien meistens für
mehrere Monate in diesen Camps. Da sie diese am Anfang
nicht verlassen dürfen, entsteht in gewisser Weise ein Va­
kuum der Unproduktivität. Die Familien „leben“ Bett an
Bett mit den ihnen fremden Mitmenschen, die ebenfalls ihre
Heimat fluchtartig verlassen haben. Nicht immer ist der
„Nachbar“ aus dem gleichen Land, nicht immer gehört er
derselben Religionsgemeinschaft an, nicht immer sprechen
4 | ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2016
sie dieselbe Sprache. Nichtverstehen, Barrieren der Kom­
munikation, Einsamkeit, Verlust an Privatheit und Intimi­
tät sind weitere Probleme, denen die Flüchtlinge ausgesetzt
sind. Das sind – bei allem Hilfseinsatz, um buchstäblich
ein Haus über dem Kopf zu haben, ein warmes Bett und
geregelte Mahlzeiten am Tag – Probleme, die Kommuni­
kation und Integration zunächst schwer machen.
Erste Begegnungen
Als im Herbst letzten Jahres eine Welle der Hilfsbereit­
schaft und Willkommenskultur einsetzte, kamen erste Fa­
milien von zumeist syrischer Herkunft in Koblenz an und
wurden in dem sogleich eingerichteten Erstaufnahmelager
in der Turnhalle der Feuerwehr- und Katastrophenschutz­
schule Rheinland-Pfalz untergebracht. Seitens des Ludwig
Museums wurde umgehend die Initiative ergriffen, ein ei­
genes Programm an museumspädagogischen Maßnahmen
aufzulegen, um gezielt für die rund 60 Kinder unterschied­
lichster Altersgruppen Möglichkeiten zu schaffen, sich zu
beschäftigen und dabei gegebenenfalls auch die trauma­
tischen Erlebnisse zum Ausdruck zu bringen. Dazu waren
zahlreiche Vorgespräche mit den unterschiedlichsten Be­
hörden notwendig, auch, um schließlich überhaupt eine
Genehmigung zum Einlass zu erhalten. Beginn der Aktivi­
täten des Pädagogik-Teams war der 23. September 2015.
Das Ludwig Museum war damit eines der ersten Museen
innerhalb der Republik, das sich der neu ankommenden
Flüchtlinge angenommen und Kreativangebote realisiert hat.
Zunächst war das Projekt auf zwei Monate angelegt, da
noch nicht abzusehen war, auf welche Resonanz die Aktion
langfristig stoßen würde – sowohl bei den Flüchtlingsfa­
milien als auch bei der Stadt Koblenz. Feststand allerdings
bereits nach dem ersten Mal, dass es sowohl für die Muse­
umsmitarbeiter als auch für die Menschen in der Flücht­
Ak tue lles
Foto: Helmut Beier, Ludwig Museum Koblenz
Ein syrisches Mädchen zeigt ihr Bild, in dem sie den Krieg und Terror in der verlorenen Heimat verarbeitet.
lingsaufnahmestelle Koblenz eine erfolgreiche Aktion war,
bei der die Kinder viel Spaß an der Malaktion hatten.
Regelmäßig am Mittwochnachmittag von 15 bis 16 Uhr
besuchen zwei bis drei Mitarbeiter des Ludwig Museums
die Kinder und bringen das Museumsmaskottchen, die Ma­
rionettenfigur namens Pablo, mit – ein absoluter Kinder­
liebling. Er sorgt dafür, dass die Kinder zunächst einmal ihre
Hemmschwelle und möglicherweise auch ihre Angst über­
winden und sich spielerisch auf Kommunikation und die
sich anschließende Malaktion einlassen. Unerlässlich ist
jedoch auch immer wieder die Hilfe älterer Kinder oder
gelegentlich auch eines Elternteils, denn deren Unterstüt­
zung in der Kommunikation schafft größere Nähe und Ver­
trautheit. Dem jeweiligen Motto des Nachmittags ange­
passt, werden unterschiedliche Mal- und Bastelmaterialien,
buntes Herbstlaub, Äpfel und andere Dinge mitgebracht.
Anfangs waren es 60 Kinder, nun sind es durchschnittlich 20
bis 25 Kinder im Alter von zwei bis fünfzehn Jahren sowie
zum Teil ihre Eltern und andere Erwachsene, die sich eben­
falls für das schöpferische Malen und Werkeln interessieren.
Flucht in Bildern
Unser museumspädagogisches Ziel ist es, den Flüchtlingen
nicht nur auf spielerische Art ihr Gastgeberland näher­zu
bringen, sondern auch der künstlerischen Auseinander­
setzung mit ihren eigenen, großenteils traumatischen, Er­
lebnissen Raum und Ausdrucksmöglichkeiten zu geben.
Heimatverlust, Flucht und Vertreibung sind extreme Er­
lebnisse für Erwachsene und Kinder, die nicht nur die Zer­
störung ihrer Heimat, sondern auch Brutalität und Tod
erlebt haben. Deshalb empfanden selbst unsere langjähri­
gen Museumsmitarbeiter es ebenso eindrücklich wie belas­
tend, als diese bei ihrer ersten Begegnung mit den Kindern,
deren Eltern und Erwachsenen, die von den überstande­nen
Strapazen noch unmittelbar gezeichnet waren, in fassba­ren
Bildern von ihrer Flucht über das Meer erzählten. Wenn sich
mündliche Kommunikation aufgrund von Sprachbarrie­
ren als äußerst schwierig gestaltet, ist das Kommunizieren
über Bilder die beste Option. Neben den vom museumspä­
dagogischen Team vorgegebenen Apfelstillleben, das zu­
nächst als einfachste Option für eine gemeinsame Aktion
ausgedacht war, malte etwa ein Familienvater Szenen der
Flucht auf dem Schiff über das Mittelmeer. Viele Kinder fin­
gen ebenfalls sehr bald an, in einfachen Bildern ihr Schick­
sal zu skizzieren und zeigten verklärende, idyllische Szenen
vor und katastrophale Zustände nach Beginn des Krieges
und des IS-Terrors. Da finden sich mit Nationalflaggen ge­
schmückte Raketen, dichte Bombenschauer, Panzer, kleine,
wie Spielzeug aussehende und an gefaltete Papierhüte erin­
nernde Schiffe auf einem weiten, blauen Meer unter einer
riesigen, strahlendgelben Sonne, daneben Menschen in den
Wellen und orangerote Rettungswesten auf dem Wasser.
Die Bilder der Kinder erzählen bewegende Geschichten.
Die Kinder gehen dabei relativ unproblematisch miteinan­
der um, trotz der Sprachbarrieren und der Tatsache, dass
hier unterschiedliche Gruppierungen zusammenkommen.
So gewinnt man den Eindruck, dass für sie die Herkunfts­
nationalität aus Pakistan, dem Irak oder aus Syrien keine
Bedeutung hat. Auch ohne zu wissen, ob neben den Mus­
limen auch Christen und Jesiden unter den Asylanten sind,
ist keine Spannung spürbar. Selbst der koedukative Ansatz,
ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2016
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Foto: Helmut Beier, Ludwig Museum Koblenz
Ak tue lles
Beate Reifenscheid-Ronnisch und zwei Kolleginnen des Pädagogik-Teams basteln mit den Mädchen und Buben.
Mädchen und Buben gemeinsam zu betreuen, ergab keine
Probleme. Besonders zu Beginn des Projekts wurde die
Schwierigkeit der Kommunikation ohne einen Übersetzer
deutlich. Mit Englisch oder auch mit Händen und Füßen
kann man sich verständigen, wobei insbesondere die Kin­
der sehr schnell deutsche Wörter lernen und auch stolz vor­
führen, wenn sie z. B. auf Deutsch immer weiter zählen
können. Dennoch musste sich das Team der Museumspä­
dagogik erst einmal darauf einstellen, keine Transferleis­
tungen zu erwarten, sondern vergleichsweise einfache Auf­
gaben mit möglichst verschiedenen Materialien zu stellen
und den Umgang mit verschiedenen Dingen wie teilweise
unbekannten Scheren zu üben.
Mediale Aufmerksamkeit
Ein wichtiger Schritt war es dann, dass über zahlreiche
Medien von der Aktion des Ludwig Museums im Auffang­
lager berichtet wurde. Erstmals ging das Museum zu den
Menschen und nicht umgekehrt. Deshalb war es dann
eine große Erleichterung, dass das Team sehr bald einen
eigenen Raum zur Verfügung gestellt bekam, in dem unge­
stört miteinander umgegangen und gemalt werden konnte.
Über die vergangenen Monate ist das Vertrauen unseren
Mitarbeitern gegenüber enorm gewachsen. Es ist offen­
sichtlich, dass der Besuch für die Kinder, aber auch für die
Mitarbeiter, etwas Besonderes ist. Nach erster Nervosität
und Anspannung ist das Verhalten der Kinder inzwischen
ganz natürlich, relativ ruhig, manchmal auch lebhafter.
Einmal schlief ein kleines Kind am Tisch ein, während die
anderen weiter­m alten. Auch der Zusammenhalt in der
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Gruppe wurde immer besser, so dass die älteren Kinder
auf die jüngeren aufpassen und ihnen helfen. Anders als
Erwachsene leben Kinder ganz in der Gegenwart und stel­
len sich viel schneller und unkomplizierter auf die neuen
Verhältnisse und Gegebenheiten ein und wirken emotio­
nal und psychisch erstaunlich belastbar. Dennoch ist bei
einigen Kindern zu beobachten, dass Angst und Unsicher­
heit ihr bisheriges Leben dominiert haben.
Die Kunst der Verständigung
Mit der Zeit wurden vom museumspädagogischen Team
auch Themen erarbeitet, die unmittelbar Kunstwerke aus
dem Museum behandeln, wie z.B. Die Geburt des Pegasus
des französischen Künstlerehepaars Anne und Patrick Poi­
rier. Das aus der griechischen Mythologie stammende ge­
flügelte Pferd Pegasus war das Kind des Meergottes Posei­
don und der Gorgo Medusa. Die Poiriers stellen Pegasus
in einer schwarzen, antikisierenden Ruinenlandschaft aus
Kohle dar, aus der er als vergoldetes Pferd (nach einem Vor­
bild des Renaissance-Bildhauers Giambologna) hervor­
kommt. Gleich einem Phönix entsteigt Pegasus einer ver­
kohlten und verschollenen Welt. Auch die Flüchtlingskinder
sind aus einer verkohlten und im Bürgerkrieg untergegan­
genen Welt gestiegen und auf einer abenteuerlichen Reise
nach Europa und nach Deutschland geflüchtet. Die an die­
sem Nachmittag entstandenen Pferdezeichnun­gen nehmen
teilweise diesen Aspekt auf, künden aber auch von ganz
normalen, altersgemäßen Träumen vom Reiten, wie ihn
viele Mädchen und Buben haben. Zugleich sind Pferde,
zumal die edlen Araberpferde, in ihren Herkunftsländern
Ak tue lles
Foto: Helmut Beier, Ludwig Museum Koblenz
Die Museumsmitarbeiter engagieren sich mit Herzblut für die Flüchtlingskinder.
ein prestigeträchtiges Statussymbol, das hier erst einmal
in weiter Ferne liegt.
Ein weiteres Werk aus der Koblenzer Ludwig-Sammlung
wurde behandelt, das ebenfalls das Motiv des Reisens
durch die Welt bis hin ins All thematisiert. Das Gemälde
von Jan Voss Remèdes miracle bietet eine reiche narrative
Grundlage zum eigenen Weitererzählen.
Einige dieser Bilder aus dem Projekt, begleitet von Por­
trätfotos der Kinder, werden derzeit im Ludwig Museum
Koblenz ausgestellt. Damit verfolgt es auch die Idee der
Sammler, Mäzene und Initiatoren des Ludwig Museums,
Peter und Irene Ludwig, die Kunst zur Verständigung den
eigenen Besuchern nahe zu bringen und damit ebenfalls die
Kommunikation in die eigene Kultur hinein zu unterstüt­
zen. Möglich wurde die Aktion dank großzügiger Geldund Sachspenden örtlicher Sponsoren und des finanziel­
len Engagements durch den Freundeskreis des Ludwig
Museums, aber auch des Zonta-Clubs Koblenz-RheinMosel und des Inner Wheel Koblenz, mit deren Unter­
stützung mittlerweile zusätzliche Kräfte auf Honorarbasis
finanziert werden können, die den doch erheblichen Zeit­
aufwand von monatlich rund 25 Stunden schultern hel­
fen. Daneben spendeten örtliche Sponsoren wie die Lokal­
zeitung und Koblenzer Kaufleute und last but not least ein
Künstler aus Lahnstein Papier, Bunt- und Bleistifte, Öl­
kreiden und Farben.
Neue Perspektiven
Veränderung steht ab 30. Juni bevor, wenn die Feuerwehr­
schule ihre Halle wieder benötigt und die provisorische
Notlösung beendet wird. Die Unterkunft soll dann in die
ehemalige Hundeschule der Bundeswehr verlegt werden.
Außerdem sind viele Kinder nun schulpflichtig und erhalten
damit auch andere künstlerische Anregung. Auch wenn
aus organisatorischen und vor allem aufenthaltsrechtlichen
Gründen sowie wegen der Einhaltung der Quarantänebe­
stimmungen der Jour fixe bislang im Erstaufnahmelager
stattgefunden hat, rückt nun die neue Perspektive in den
Vordergrund, die Kriegsflüchtlinge und Asylbewerber und
insbesondere deren Kinder an das Ludwig Museum zu bin­
den. Hier können in weit besserem Maße die kunst- und
museumspädagogischen Angebote umgesetzt und gegebe­
nenfalls sogar mit mehr Stunden realisiert werden.
Das Ludwig Museum hat hierfür eine hohe Akzeptanz
in der Bevölkerung sowie seitens der Politik erhalten und
wird diese erfolgreiche Integrationsarbeit fortsetzen. Nicht
zuletzt konnte vorbildlich und exemplarisch belegt wer­
den, mit wie bescheidenen Mitteln jeder an seinem Ort und
nach seinen Möglichkeiten aktiv werden kann.
Professor Dr. Beate Reifenscheid-Ronnisch ist Direktorin des Ludwig
Museums in Koblenz. Sie ist Mitglied im Vorstand von ICOM Deutsch­
land; [email protected].
Marko Sommer ist im Ludwig Museum als Museumspädagoge tätig;
[email protected].
Zum 1. Februar 2016 wurde das Erstaufnahmelager in
eine kommunale Einrichtung umgewandelt. Die nächste
ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2016
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Ak tue lles
Universitätssammlungen
als Partner der Museen
In Deutschland haben Universitätssammlungen lange im Schatten der Museen ge­
standen – zu Unrecht. Denn sie verfügen über einzigartige Sammlungen, sind gut
miteinander vernetzt und bieten vielseitige Kooperationsmöglichkeiten mit anderen
sammlungsbasierten Institutionen. Die Koordinierungsstelle für wissenschaftliche
Universitätssammlungen in Deutschland unterstützt sie in ihrer Weiterentwicklung.
Cornelia Weber
Vernetzen – Erschließen – Forschen: So lautet der Titel der
im letzten Jahr vom Bundesministerium für Bildung und
Forschung (BMBF) ausgeschriebenen Förderlinie „Allianz
für universitäre Sammlungen“. Mit diesem Programm sol­
len universitäre Sammlungen in die Lage versetzt werden,
sich inner- und / oder außeruniversitär zu vernetzen und
Allianzen mit ressourcenstarken Partnern einzugehen.
Eine Fördervoraussetzung ist die Einbindung von mindes­
tens einem Museum. Dahinter steht die Idee, die wissen­
schaftliche Nutzung, Sichtbarkeit, Erhaltung und Pflege
von universitären Sammlungen u.a. durch die Vermittlung
von museologischem Know-how nachhaltig zu begünsti­
gen. Von der Zusammenarbeit mit Museen werden wesent­
liche Impulse in grundlegenden Bereichen wie Sammlungs­
management, Sammlungserschließung und -di­­gi­tali­sierung
sowie Konservierung und Restaurierung erwartet.
Mit diesem Beitrag möchte ich einen Einblick in den
Kosmos der universitären Sammlungen gewähren, Aktivi­
täten vorstellen, die auch für die Museumsarbeit von Be­
deutung sein können, und schließlich Potentiale der Zu­
sammenarbeit von Universitäten und Museen umreißen.
Universitätssammlungen – verborgene Schätze
Objektbasierte wissenschaftliche Sammlungen existieren
weltweit an nahezu allen Hochschulen und stellen einen
bedeutenden Teil des kulturellen Erbes dar. Seit 2001 wer­
den ihre Interessen von dem International Committee for
University Museums and Collections (UMAC) vertreten.
Zurzeit sind in Deutschland rund 940 Sammlungen an
85 Universitäten bekannt; zusammengenommen kommen
sie auf mehrere Millionen von Objekten. Einen Überblick
über die aktuelle infrastrukturelle Situation geben die
Kennzahlen der Koordinierungsstelle für wissenschaftli­che
Universitätssammlungen in Deutschland.1
Unter Universitätssammlungen versteht man im Allge­
meinen Sammlungen mit gegenständlichen oder audiovisu­ellen Objekten, die zu einer wissenschaftlichen, theo­
logischen oder künstlerischen Hochschule gehören. Dazu
zählen auch Orte, an denen lebende Organismen aufbe­
wahrt werden (z. B. Botanische Gärten oder Aquarien), so­
1 Die Kennzahlen wurden erstmals im Sommer 2015 veröffentlicht:
http://portal.wissenschaftliche-sammlungen.de/kennzahlen [3.2.2016]
8 | ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2016
wie mit der Universitätsgeschichte verbundene Memorial­
einrichtungen. Die Sammlungen werden in Lehre und
For­schung genutzt und erfüllen auch Bildungsaufgaben.
An den Hochschulen gibt es eine große Vielfalt an Ob­
jekten, u. a. Präparate von Pflanzen, Tieren und Menschen,
Gesteins- und Mineralienexemplare, Proben von Drogen
und Farben, Münzen, historische Geräte und Ins­trumente,
Lehrmodelle, jedoch auch Gemälde, Skulpturen und Gra­
fiken. Manche Sammlungsbestände sind einzigartig und
sonst nirgendwo verfügbar. Sie repräsentieren ein breites
Spektrum von Disziplinen. Diese reichen – um einige Bei­
spiele zu nennen – von der Afrikanistik, der Anatomie, der
Archäologie und der Architektur über die Botanik, die
Chemie, die Ethnologie, die Geowissenschaften, die Ma­
thematik, die Medizin, die Numismatik, die Physik, die
Religionswissenschaft bis hin zur Zoologie.
Ein großer Unterschied zu privaten, kommunalen und
staatlichen Museen besteht darin, dass die Bestände in erster
Linie als Gebrauchssammlungen für Forschung und Lehre
genutzt werden. Sie stellen zunächst eine Art Archiv dar, in
dem eine bestimmte Gruppe von Materialien erfasst, er­
schlossen, erhalten, ausgewertet und zugänglich gemacht
wird. Gleichzeitig dienen sie als Labor, in dem man Ob­
jekte beobachten, beschreiben, miteinander vergleichen,
untersuchen und deuten kann. Darüber hinaus werden sie
als Anschauungsmaterial für die Vermittlung von Wissen
genutzt. Das bedeutet mitunter, dass einzelne Objekte ge­
gebenenfalls für spezielle Studien verbraucht oder in der
Lehre von Studierenden genutzt und untersucht werden. Ein
weiterer Unterschied zu den regulären Museen liegt darin,
dass die Sammlungen häufig von Fachwissenschaftlerin­
nen und Fachwissenschaftlern ohne einschlägige Erfahrun­
gen in der Museumspraxis betreut werden, leider vielfach
keine angemessene Infrastruktur zur Verfügung steht und
der größte Teil der Sammlungen nur auf Anfrage zugäng­
lich ist. Nur wenige Universitätssammlungen sind als Mu­
seen oder Schausammlungen organisiert.
Die Koordinierungsstelle
In seinen 2011 veröffentlichten Empfehlungen zu wissen­
schaftlichen Sammlungen als Forschungsinfrastrukturen
hat der Wissenschaftsrat u. a. auf den schwierigen Stand
der universitären Sammlungen hingewiesen, deren Po­
Ak tue lles
Die Zoologische Lehrsammlung am Lehrstuhl für Entwicklungsbiologie
der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg umfasst Präparate
von Vögeln, Schlangen, Insekten, Korallen, Fischen und Wirbeltieren.
Foto: Georg Pöhlein
tential „aus unterschiedlichen Gründen – wie unzureichen­
de Erschließung, Sichtbarkeit, Betreuung, Pflege oder
Unterbringung – nicht angemessen ausgeschöpft werden
kann“. 2
Um die Situation nachhaltig zu verbessern, hat das BMBF
im Jahr 2012 auf Empfehlung des Wissenschaftsrats die
Koordinierungsstelle für wissenschaftliche Universitäts­
sammlungen in Deutschland, auch kurz Koordinierungs­
stelle genannt, als Projekt eingerichtet. Das Projekt ist in
seinen Zielvorgaben einzigartig auf der Welt, es gibt weder
in Deutschland noch im internationalen Raum vergleich­
bare Einrichtungen.
Die Koordinierungsstelle ist am Hermann-von-Helm­
holtz-Zentrum für Kulturtechnik der Humboldt-Univer­
sität zu Berlin angesiedelt, das sich bereits seit Mitte der
1990er Jahre der Erfassung, Erforschung und Präsentation
von Universitätssammlungen widmet. Die Koordinierungs­
stelle fördert bundesweit die Sichtbarkeit und Nutzbarkeit
wissenschaftlicher Sammlungen. Ziel ist es, die Sammlun­
gen unter Beachtung ihrer Vielfalt und ihrer lokalen Be­
sonderheiten als dezentrale Infrastrukturen langfristig für
Forschung, Lehre und Bildung weiterzuentwickeln und zu
vernetzen.
Der Koordinierungsstelle ist es in recht kurzer Zeit gelun­
gen, eine stabile Vernetzung sowie geeignete Initiativen und
Maßnahmen zur Weiterentwicklung universitärer Samm­
2 Wissenschaftsrat: Empfehlungen zu wissenschaftlichen Sammlungen als For­
schungsinfrastrukturen. Drs. 10464-11, Berlin 28. Januar 2011, S. 7.
l­ungen anzustoßen und maßgeblich zu unterstützen. Ne­
ben den Aktivitäten im Netzwerk Universitätssammlungen
konzentriert sich die Arbeit vor allem auf die Arbeitsfelder
Qualitätssicherung und -entwicklung, Kommunikation und
Vernetzung, Digitalisierung sowie auf Weiterbildungs- und
Beratungsangebote. Zudem ist die Koordinierungsstelle
eine wichtige Verbindung zu den Netzwerken im In- und
Ausland, beispielsweise zu dem Arbeitskreis „Präparate
menschlicher Herkunft in universitären Sammlungen“, zu
dem europäischen Netzwerk „Universeum. European
Aca­demic Heritage Network“ oder zu dem ICOM-Komitee
University Museums and Collections (UMAC).
Die Kommunikationsangebote der Koordinierungsstelle
zum Austausch von Informationen sowie zur virtuellen
Vernetzung finden regen Zuspruch – nicht nur innerhalb
der Community. Die Webseite bietet umfangreiche Infor­
mationen zu einschlägigen Publikationen, Projekten in
Forschung und Lehre, Tagungen, Vorlesungsreihen, Aus­
stellungen und Stellenangeboten. Ein Newsletter berichtet
regelmäßig über aktuelle Entwicklungen aus der Koordi­
nierungsstelle und aus den Sammlungen. Das Blog „Sam­
meln. Der Kosmos wissenschaftlicher Objekte“ ist als in­
terdisziplinäre Diskussionsplattform konzipiert und richtet
sich auch an Sammlungsbereiche außerhalb der Universität.
Ein zentrales Ziel der Koordinierungsstelle ist es, die
Sammlungsarbeit stärker zu professionalisieren. Davon kön­
nen auch die regulären Museen profitieren, insbesondere
kleinere Häuser. Beispielsweise bietet die Koordinierungs­
stelle auf ihrer Webseite Handreichungen und Materialien
ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2016
|9
Die anatomische Sammlung am Anatomischen Institut I der Friedrich-Alexander-Universität
präsentiert Modelle sowie Feucht- und Knochenpräparate, von denen einige aus dem
frühen 19. Jahrhundert stammen.
zum Umgang mit Sammlungen an, die kontinuierlich er­
gänzt werden. Bei den Handreichungen handelt es sich um
eigene Veröffentlichungen, die in enger Zusammenarbeit
mit Vertretern wissenschaftlicher Sammlungen an den
Universitäten sowie externen Experten entstehen. Diese –
regelmäßig evaluierten und weiterentwickelten – Hand­
reichun­gen sind zwar auf die Bedürfnisse der Universitäts­
sammlungen abgestimmt, können jedoch in weiten Teilen
von anderen Akteuren genutzt werden.
Bisher wurden folgende Handreichungen veröffentlicht:
Statusbestimmung: Anleitung zur systematischen Erfas­
sung des aktuellen Zustands von Sammlungen,
Qualitätskriterien: Allgemeine Kriterien für die Bewertung
und Evaluierung wissenschaftlicher Sammlungen,
Mindestanforderungen an Sammlungsordnungen: Eine
Samm­lungsordnung regelt den Umgang mit den Samm­
lun­gen auf universitärer Ebene,
Leitfaden Sammlungskonzept und Leitbild,
Leitfaden Universitätssammlungen und Urheberrecht,
Leitfaden zu Besitz- und Eigentumsfragen.
Darüber hinaus hat das Team der Koordinierungsstelle
Leitfäden, Empfehlungen und Informationen anderer Insti­
tutionen zusammengestellt, die thematisch für die Arbeit in
und mit – insbesondere universitären – Sammlungen rele­
vant sein können. Diese Informationen ermöglichen einen
sehr guten Einstieg in die Sammlungsarbeit – auch für
Mitarbeiter von privaten, kommunalen und staatlichen
Museen.
Das Netzwerk Universitätssammlungen mit engagierten
Sammlungsvetretern, Kustoden und Koordinatoren trifft
sich regelmäßig zu Workshops und Tagungen, bei denen
10 | ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2016
Foto: Georg Pöhlein
Ak tue lles
aktuelle sammlungsrelevante Entwicklungen, Projekte und
Fragestellungen vorgestellt und diskutiert werden. Die
nächste und mittlerweile achte Jahrestagung findet im
Sommer 2016 in Hamburg statt. Alle, die an der Arbeit
mit wissenschaftlichen Sammlungen interessiert sind, sind
herzlich eingeladen, daran teilzunehmen.
Potentiale der Zusammenarbeit von Universität
und Museum
Von einer Zusammenarbeit mit Museen profitieren sowohl
die Universitäten als auch die Museen selbst, insbesondere
in den Bereichen Museologie, Forschung, Lehre und Bildung.
MUSEOLOGIE Die Mehrzahl der Sammlungsleiter sind
Fach­w issenschaftler ohne museumspraktische Erfahrung.
Hier trägt eine engere Zusammenarbeit zwischen Muse­
um und Universität dazu bei, die Arbeit in den universi­
tären Sammlungen insgesamt stärker zu professionalisieren.
Die Stiftung Deutsches Hygienemuseum Dresden hat bei­
spielsweise in Kooperation mit Universitätssammlungen,
Museen und Hochschulen ein innovatives Verfahren zur
Konservierung und Restaurierung von Moulagen entwickelt
(KUR-Programm). Das Germanische Nationalmuseum
Nürnberg arbeitet zusammen mit den Sammlungen der
Universität Erlangen-Nürnberg an der Entwicklung einer
virtuellen Forschungs- und Dokumentationsumgebung.
FORSCHUNG Vielen Museen fehlen Ressourcen für die
eigene Forschung oder diese wird zugunsten von Ausstel­
lungen und Begleitprogrammen zurückgestellt. Die Koo­
peration mit einer Universität, insbesondere mit einer uni­
versitären Sammlung, bietet den Museen die Möglichkeit,
Ak tue lles
die Universität Mainz die Tagung „Nicht nur Raubkunst!
Sensible Dinge in Museen und wissenschaftlichen Samm­
lungen“ veranstaltet, wobei es u. a. darum ging, Fachleute
aus Universitäten und Museen in einen Erfahrungsaus­
tausch zu bringen. Im Februar 2016 folgte in Frei­burg die
internationale Forschungs- und Netzwerktagung „museOn
forscht: Museen und Universitäten – Orte des Wissens im
Austausch“. Wenn wir diesen Austausch fortsetzen, wer­
den wir sicher noch viele produktive Partnerschaften zwi­
schen Universitätssammlungen und Museen erleben.
Dr. Cornelia Weber ist Kultur- und Wissenschaftshistorikerin an
der Humboldt-Universität zu Berlin. Seit 2012 leitet sie die Koordi­
nie­­r ungs­s telle für wissenschaftliche Universitätssammlungen in
Deutsch­­­land. Von 2004 bis 2010 war sie Präsidentin von UMAC;
[email protected].
Weitere Informationen:
Koordinierungsstelle für wissenschaftliche Universitätssammlungen
in Deutschland: www.wissenschaftliche-sammlungen.de
Foto: Georg Pöhlein
UMAC: www.umac.icom.museum
Moulagensammlung der Friedrich-Alexander-Universität: Die De­
mons­­trationsobjekte für Haut- und Geschlechtskrankheiten dienen
als Ergänzung einer genauen Beschreibung des Krankheitsbildes.
Foto: Georg Pöhlein
sich aktiv an Forschungsprozessen zu beteiligen. In der Uni­
versität gehört die Forschung zum Alltagsgeschäft. Dabei
werden immer wieder neue Methoden und Techniken ent­
wickelt, die im günstigsten Fall sogar zu neuen, unerwar­
teten Ergebnissen führen können. Dabei können die Re­
sultate umso spannender sein, je weiter man sich bei der
Wahl des Kooperationspartners vom eigenen Fach entfernt
und eine interdisziplinäre Perspektive wählt.
Das BMBF-Programm „Die Sprache der Objekte“ för­
dert eine solche Zusammenarbeit. Eines der Ziele ist es,
„Kooperationen zwischen Hochschulen und Museen zu
stärken, Internationalisierungsprozesse zu vertiefen sowie –
nicht zuletzt – neue Wege zu erkunden, um Forschung öf­
fentlichkeitswirksam zu präsentieren“3.
Es müssen jedoch nicht immer Förderinitiativen sein,
die zur Zusammenarbeit zwischen Universitäten und Mu­
seen führen. Beispielsweise wurde im November 2015 auf
Anregung des Botanischen Museums / Botanischen Gartens
Berlin-Dahlem ein fächerübergreifender Forschungsver­
bund sammlungsbasierter Berliner Institutionen zur Wis­
senschaftsgeschichte gegründet.
LEHRE UND NACHWUCHSFÖRDERUNG Dass sich
das Studium vorwiegend auf die Arbeit mit Schriftquellen
und Abbildungen konzentriert, war allgemeiner Konsens auf
der Tagung „Objekte wissenschaftlicher Sammlungen in
der universitären Lehre“, die die Koordinierungsstelle ge­
meinsam mit der Stiftung Mercator im Mai 2015 veran­
staltet hat. Demnach lernen Studierende nicht, Objekte zu
„lesen“ und zu deuten. Auch der sachgerechte Umgang
mit Objek­ten wird nicht vermittelt. Diese fehlende Quali­
fikation der Studierenden wirkt sich u. a. nachteilig auf die
Forschung aus, denn es gibt zu wenig Nachwuchs für die
Mitarbeit in einschlägigen Projekten sowie in den Samm­
lungen selbst. Objektgebundene Forschungsfragen wer­
den kaum noch diskutiert und fehlen somit im Prozess des
Erkenntnisgewinns. Dieses Nachwuchsproblem betrifft
nicht nur die Universitäten, sondern auch die Museen.
Hochschuldozen­ten und Museumsmitarbeiter sind daher
gefragt, gemeinsam über längerfristige Strategien und Pro­
gramme nachzudenken.
BILDUNG Heute werden Universitätssammlungen zu­
nehmend in der Bildung eingesetzt, z. B. als Materialgrund­
lage für Ausstellungen, die sich an eine größere Öffent­
lichkeit richten. Eine Zusammenarbeit mit Museen vor
Ort bietet sich hier geradezu an: etwa durch gemeinsame
Ausstellun­gen, Besucherprogramme, lokal organisierte
Werbemaßnahmen oder durch den Austausch von Leihga­
ben.
Gemeinsam sind wir stärker
Universitätssammlungen sind keine Konkurrenz für die
Museen. Im Gegenteil: Die Zusammenarbeit stärkt beide
Partner. Darüber hinaus fördern Kooperationen samm­
lungsbasierter Institutionen die Vernetzung und tragen zur
Community-Bildung bei.
Zurzeit können wir einen intensiveren Dialog zwischen
Museen und Universitäten beobachten: Im Januar 2016 hat
3https://www.bmbf.de/de/die-sprache-der-objekte-entschluesseln-1897.html
[3.2.2016]
Die Martius-Pharmakognosie-Sammlung der Friedrich-AlexanderUniversität gibt einen fast vollständigen Überblick über die um 1800
bekannten Arznei- und deren Ausgangsstoffe.
ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2016
| 11
Ak tue lles
39. Internationaler Museumstag
Unter dem Motto „Museen in der Kulturlandschaft – Museums and Cultural
Landscapes“ begeht die deutsche Museums­gemeinschaft am 22. Mai 2016 den
39. In­t ernationalen Museumstag und lädt alle Menschen mit besonderen Aktio­
nen gastfreundlich ein. An vielen Orten feiern die Einrichtungen auch mit einer
Museumsnacht in den Internationalen Museumstag hinein.
Katja Margarethe Mieth
Museen als Ankerpunkte
der lokalen Geschichte
„Kulturlandschaften sind Kulturgüter
und stellen die in Artikel 1 des Über­
einkommens bezeichneten‚ gemeinsa­
men Werke von Natur und Mensch
dar. Sie sind beispielhaft für die Ent­
wicklung der menschlichen Gesell­
schaft und Ansiedlung im Verlauf der
Zeit unter dem Einfluss der physi­schen
Beschränkungen und / oder Möglich­
keiten, die ihre natürliche Umwelt auf­
weist sowie der von außen und innen
einwirkenden aufeinander folgenden
gesellschaftlichen, wirtschaftlichen
und kulturellen Kräfte.“ Mit diesem
Zitat aus den UNESCO-Richtlinien
zur Durchführung des Übereinkom­
mens zum Schutz des Kultur- und Na­
turerbes der Welt vom 2. Februar 2005
wird zugleich partiell so manche Mu­
seums- und Ausstellungskonzeption
mitbeschrieben, denn es sind Museen,
denen die Aufgabe zukommt, diese
gemeinsamen Werke von Natur und
Mensch in ihren Entwicklungen und
aus unterschiedlichen Perspektiven in
ihrer Differenziertheit und gleichzei­
tigen Komplexität zu erschließen und
zu vermitteln. Damit werden Museen
zu wichtigen Ankerpunkten, an denen
Geschichte, Gegenwart und Zukunft
von Kultur und Landschaft vorgestellt,
vermittelt und gemeinsam diskutiert
werden können. Dabei wird die Ko­
operation mit zahlreichen institutio­
nellen Partnern ebenso wie Verbänden
und Vereinen aus ganz unterschiedli­
chen Aktivitätsbereichen eine wachsen­
de Rolle spielen.
Passend zum diesjährigen Motto wird
der Internationale Museumstag (IMT)
verbunden mit dem Auftakt der bun­
desweiten Initiative „Kultur öffnet
Welten“, die den Welttag der kulturel­
len Vielfalt am 21. Mai 2016 zum
Anlass nimmt, um in einer ganzen Ak­
tionswoche, in die sich der IMT gut
integriert, kulturelle Teilhabe zu för­
dern. Gerade für all diejenigen, die in
den letzten Monaten neu in unser Land
gekommen sind, können Museen als
wichtige Kommunikationsorte der in­
ter­
kulturellen Begegnung und des
Aus­t auschs fungieren. Museen sind
Anker­punkte, um lokale, regionale
Geschichte und Geschichten, Kultu­
ren und Landschaften oder landes­
typische Feste und Bräuche besser
kennenzulernen. Sie wirken identitäts­
stiftend, indem sie Verständnis für
historische Zusammenhänge oder kul­
12 | ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2016
turelle Praktiken ebenso fördern wie
die Kenntnis und Wertschätzung des
vielfältigen kulturellen Erbes eines
Ortes oder einer Region. Das diesjäh­
rige IMT-Motto fordert Museen ge­
radezu heraus, weit über die Grenzen
ihrer Behausungen hinaus in den Stadtund Landschaftsraum zu wirken oder,
um die diesjährige Motto-Erläuterung
von ICOM Deutschland und dem
Deutschen Museumsbund (DMB) zum
diesjährigen IMT zu zitieren: „Museen
sind Knotenpunkte in einem weitver­­
zweigten Kulturnetz, das unsere Städ­
te und Regionen prägt. Ihre Sammlun­
gen und Ausstellungen zeugen von den
dy­na­mi­schen kulturellen Entwicklun­
gen, die unsere Kulturlandschaft for­
men. Phä­nomene wie demographischer
Wan­del, Migration, wirtschaftliche und
öko­logische Entwicklungen verändern
(unsere) Kulturen. Museen bilden die­
se Veränderungen ab: Sie schützen,
bewahren und präsentieren kulturelle
Ausdrucksformen, Bilder und Ge­
schichten und machen auf diese Weise
kulturelle Identität und Diversität er­
fahrbar und sichtbar. Dabei endet das
Museum nicht an seinen Mauern oder
Zäunen, sondern überschreitet Gren­
zen – zu anderen Kultursparten, zur
Umwelt, zum Umfeld, zur Region, zu
anderen Ländern und nicht zuletzt zu
den Medien.“
Museumstag in aller Welt
Der Internationale Museumstag wird
vom Internationalen Museumsrat
ICOM seit 1978 jährlich um den 18.
Mai ausgerufen. Seit 1992 wird der
Internationale Museumstag von ei­nem
jährlich wechselnden Motto beglei­
tet. Auf diese Weise möchte er auf das
breite Spektrum der Museumsarbeit
und die thematische Vielfalt der Mu­
seen in aller Welt aufmerksam machen.
Ak tue lles
Foto: Richard-Wagner-Stätten Graupa | KTP
Das Jagdschloss gehört zu den RichardWagner-Stätten in Graupa/Pirna.
Dort wird in Deutschland
der Internationale Museumstag 2016
offiziell eröffnet.
Foto: Richard-Wagner-Stätten Graupa | KTP
Mit ihren Beiträgen stärken alle ICOMMitglieder gemäß der Devise „gemein­
sam statt einsam“ die nationale und
internationale Museumsgemeinschaft.
Der Tag bietet sich an, dass Museen
von ihrer Arbeit berichten und Gäste
quasi hautnah teilhaben lassen.
Im vergangenen Jahr haben sich
welt­weit rund 35.000 Museen in mehr
als 145 Ländern beteiligt, so etwa das
Biodiversity and Environmen­t al Re­
search Center in Nablus, Paläs­ti­nen­
sische Autonomie-Gebiete, oder das
Museo de Artesenia auf Teneriffa,
Spanien. In diesem Jahr wird eine
ähnlich hohe Beteiligung erwartet.
Über eine interaktive Weltkarte, die
auf der ICOM-Webseite bereitsteht,
können alle Museen auf ihre Aktivi­
täten aufmerksam machen.
Museumstag in Deutschland
In Deutschland steht der Internatio­
nale Museumstag unter der Schirm­
herrschaft des Präsidenten des Bundes­
rates. In dieser Funktion, er ist übrigens
der 70. Bundesratspräsident, wird der
sächsische Ministerpräsident Stanislaw
Tillich am Sonntag, dem 22. Mai 2016,
den Internationalen Mu­seumstag in
den Richard-Wagner-Stätten Graupa /
Pirna bundesweit eröffnen. Die Gäste
erwartet ein facettenreiches Programm
in Haus und Hof, das Mu­se(e)nbe­
gabten, San­­­ges­­f reudigen und KulturLandschafts-Liebhabern neben Ein­
blicken in Wagners Welten gemäß der
Mu­se­ums­devise „Keine Angst vor
Wagner – Oper ist ein Erlebnis!“ nicht
nur Bühnenbild-, Masken- und Kos­
tümworkshops anbietet, sondern auch
anlässlich des Geburtstags von Richard
Wagner zum gemeinsamen Singen und
Musizieren auf der Wagner­wiese eben­
so wie zu Spaziergängen auf den Spu­
ren des Komponisten in die sein Werk
prägende Elbtal-Kulturlandschaft ein­
lädt.
Die Umsetzung des Internationalen
Museumstages erfolgt in partner­
schaft­licher Zusammenarbeit mit den
regionalen Museumsverbänden und
den Stiftungen und Instituten der Spar­
kassen-Finanzgruppe. Viele Aktio­nen
auf lokaler Ebene werden in Koope­
ration mit den regionalen Sparkassen
umgesetzt. Die jeweiligen Museums­
beratungsstellen in den einzelnen Bun­
desländern, die in der Konferenz der
Museumsberater der Länder zusam­
mengeschlossen sind, fungieren unter
der Ägide des Deutschen Museums­
bunds als Koordinatoren und wich­
tige Ansprechpartner für Ihre Fragen.
Der Internationale Museumstag in
Deutschland ist seit 2013 auch in den
sozialen Netzwerken Facebook und
Twitter vertreten. Eine rege Betei­li­
gung stärkt die Welt-Museen-Ge­mein­­
schaft.
Katja Margarethe Mieth ist Direktorin der
Sächsischen Landesstelle für Museumswe­
sen an den Staatlichen Kunstsammlungen
Dresden und Sprecherin der Konferenz der
Museumsberater der Länder 2016.
Weitere Informationen:
Internationale Aktivitäten:
www.imd.icom.museum
Nationale Aktivitäten:
www.museumstag.de
Social-Media-Aktion: #PaintMuseum
Konferenz der Museumsberater:
www.kmbl.de
Welttag der kulturellen Vielfalt:
www.unesco.org/new/en/
cultural-diversity-day
Nächste Termine des Internationalen Muse­
umstages in Deutschland: 21. Mai 2017 und
13. Mai 2018
ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2016
| 13
Ak tue lles
Von der Weltausstellung zum Science Lab.
Handel – Industrie – Museum
Welche Ursprünge haben Museen und wohin werden sie sich entwickeln? Vom
6. bis 8. Oktober veranstaltet ICOM Deutschland seine Jahrestagung und Mitglie­
derversammlung 2016. Im Deutschen Technikmuseum Berlin betrachten die Teil­
nehmer die Wurzeln und Entwicklungstrends von Museen.
„Der Zweck dieser Ausstellung ist: durch eine Zusammen­
stellung der Rohprodukte aller Länder, sowie der Indus­
trie-Erzeugnisse aller Nationen, eine Übersicht alles beste­
henden im Gebiete der Industrie zu erlangen, welche für
Künste, Gewerbe, Ackerbau und Handel von großem Vor­
theil zu werden verspricht, in dem im Zusammenhalte von
Preis und Qualität der ausgestellten Produkte die größeren
und geringeren Fortschritte, oder der Standpunkt der In­
dustrie aller Länder anschaulich gemacht wird. Die mit der
Ausführung des Unternehmens in London beauftragten
Commissare haben daher […] an alle Industriellen Auffor­
derung zur Einsendung solcher Gegenstände machen lassen,
welche bezüglich ihres Nutzens, ihrer Neuheit oder Schönheit
als vorzüglich oder ausgezeichnet erachtet werden können“.
Deutsches Technikmuseum Berlin:
Neubau mit dem charakteristischen
Rosinenbomber
Foto: Stiftung Deutsches Technikmuseum Berlin / C. Kirchner
14 | ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2016
Ak tue lles
Louis Haghe, Artfinder.com, via Wikimedia Commons
Königin Victoria eröffnet die Weltausstellung im
Crystal Palace in Hyde Park, London 1851.
Farblithographie, 19. Jh., Victoria & Albert Museum.
So fasst das Programm der am 1. Mai 1851 im eigens dazu
errichteten Crystal Palace in London eröffneten „Great Ex­
hibition of all Nations“ die Motive für dieses Großunter­
nehmen zusammen, das schon bald als Weltausstellung
bezeichnet wurde. Auf dieser internationalen Ausstellung
entstand nach deren Ende das bis heute vorbildliche Vic­
toria & Albert Museum in London. Dieses für Industrie,
Handel und Museumswesen gleichermaßen zentrale Ereig­
nis bietet uns Anknüpfungspunkte zu allen Aspekten des
Themas unserer Jahrestagung „Von der Weltaus­stellung
zum Science Lab. Handel – Industrie – Museum“.
Wir freuen uns, die Detailplanung des Programms in
enger Abstimmung mit dem Deutschen Technikmuseum
dynamisch zu entwickeln. Wir denken an eine Präsentation
in vier Themen-Sektionen: Ausgehend vom Ereignis an sich
soll Sektion 1 Schlaglichter auf die historischen Grundla­
gen, Archetypen und Prototypen der Gattung „Museum“
werfen (z. B. Paris, Brüssel, Wien, Washington, New York),
ebenso wie auf die Entwicklung bis heute (z. B. Science Labs).
Sektion 2 soll sich mit der Produktion und dem Handel mit
Artefakten sowie die Kulturgeschichte des Sammelns von
antiken Objekten bis zu den großen Privatsammlungen und
Stiftungen der Gegenwart (Sammlungen Ludwig, Würth,
Brandhorst, Getty etc.) befassen. Sektion 3 wird sich spe­
ziell den Museen der Industrie und des Handels widmen,
vor allem auch vor dem Hintergrund von Ausbeutung und
Kolonialismus. Sektion 4 stellt das Verhältnis von Muse­
um und Arbeit in den Fokus des themati­schen Kontextes.
Im Rahmen des besonderen Formats „Project Slam“
sollen Kurzbeiträge zu allen Aspekten des Tagungsthemas
aus den Reihen der Mitglieder in möglichst vielen Beispielen
aus der Museumspraxis vorgestellt werden. Für die Beiträge
sind jeweils drei Minuten vorgesehen. ICOM Deutschland
lädt Sie dazu ein, bis zum 31. Juli Beitragsvorschläge mit
kurzer Projektbeschreibung in der Geschäftstelle einzurei­
chen.
gemäß der Satzung von ICOM Deutschland der Kassen­
prü­fer/die Kassenprüferin sowie dessen/deren Stellver­tre­
ter(in) gewählt, die nicht dem Vorstand angehören dürfen.
ICOM-Mitglieder, die bereit sind, Verantwortung und
Auf­gaben zu übernehmen, sind herzlich eingeladen, sich
um ein Amt zu bewerben. Es ist wünschenswert, dass sich
im Vorstand des Verbandes die Verschiedenartigkeit der
Museumslandschaft in Deutschland ebenso spiegelt wie
Alter, Geschlecht und kultureller Hintergrund der dort
tätigen Museumsfachleute. Wir bitten alle Bewerberinnen
und Bewerber, ihre Kandidatur bis spätestens zum 30. Juni
der Geschäftsstelle schriftlich mitzuteilen. Wir stützen uns
dabei auf den bei ICOM Deutschland bisher beachteten
Wahlmodus, aber auch auf die Wahlregularien des Inter­
nationalen Museumsrats ICOM. Im August werden die
Kandidatinnen und Kandidaten auf unserer Webseite be­
kannt gegeben.
Bitte beachten Sie, dass Mitglieder bei Nichtanwesenheit
auf der Mitgliederversammlung ihr Stimmrecht auf andere
stimmberechtigte Mitglieder schriftlich übertragen können,
wobei jedes Mitglied zur Vertretung von höchstens zwei
abwesenden Mitgliedern bevollmächtigt werden kann. Eine
Vorlage zur Übertragung des Stimmrechts erhalten Sie in
der Geschäftsstelle.
Mitgliederversammlung und Wahl des Vorstandes
Vorstand von ICOM Deutschland
ICOM Deutschland wird seine diesjährige Mitgliederver­
sammlung im Rahmen der Jahrestagung am 7. Oktober
im Deutschen Technikmuseum in Berlin durchführen.
Dem dreijährigen Turnus von ICOM entsprechend stehen
in der Mitgliederversammlung Wahlen für das Amt der
Präsidentin/des Präsidenten und des Vorstandes für die
Jahre 2017 bis 2019 an. Für die Mitarbeit im Vorstand sind
insgesamt sechs Sitze zu vergeben. Des Weiteren werden
Reisebeihilfen
Im Sinne der Nachwuchsförderung gewährt ICOM Deutsch­
land 15 Reisebeihilfen in Höhe von bis zu 100 Euro. Deut­
sche ICOM-Mitglieder mit dem Status student können bis
spätestens 31. August einen Antrag auf Reisekostenzu­
schuss stellen. Für die Bewilligung ist der Zeitpunkt der
Antragstellung ausschlaggebend.
Wir laden Sie herzlich zur Jahrestagung und zur Mitglie­
derversammlung nach Berlin ein und freuen uns auf die
Begegnung und den gemeinsamen Austausch mit Ihnen!
Weitere Informationen:
Programm, Anmeldung und Call for Papers zum „Project Slam“:
www.icom-deutschland.de
Reisebeihilfen und Kandidatur für Vorstandswahl: Geschäftsstelle
von ICOM Deutschland, [email protected]
ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2016
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Ak tue lles
Museums and Cultural Landscapes
Building up a Cultural Heritage
Die Weltgemeinschaft der Museumsexperten trifft sich vom 3. bis 9. Juli 2016 wieder
einmal in Europa. Der Internationale Museumsrat lädt seine Mitglieder und inter­
nationale Gäste zur 24. Generalkonferenz nach Mailand ein, um über Museen und
ihre Rolle in Kulturlandschaften zu debattieren.
Foto: Jakub Hałun - Eigenes Werk, GFDL
Kultur-Landschaften
Nationalmuseum für Wissenschaft und Technik „Leonardo da Vinci“,
ehemalige Klosteranlage
Mehr als 3.000 internationale Teilnehmer werden in Mai­
land, der Hauptstadt der Lombardei und einer der be­deuten­
den Kulturmetropolen Italiens, erwartet. Als internatio­nal
hochkarätige Gastredner sind eingeladen der Verpackungs­
künstler Christo (USA), der Architekt Michele De Lucchi
(Italien), der Politiker Nkandu Luo (Sambia), der Schrift­
steller und Nobelpreisträger Orphan Pamuk (Türkei), der
Historiker und Philosoph Krysztof Pomian (Polen) sowie
der Kulturökonom David Throsby (Australien).
Denkanstöße
Diese namhaften Gastredner rahmen nicht nur das Haupt­
thema der Konferenz ein, sondern sollen einen Blick über
den musealen Tellerrand gewähren. Ein Zugang aus den
verschiedensten Perspektiven wird sicherlich die Fachdis­
kussion der Museumswelt befruchten und durch die eine
oder andere provokante These den regen Gedankenaus­
tausch stimulieren. Die Beziehung zwischen Museen und
den sie umgebenden und auch beeinflussenden Kulturland­
schaften ist ein zunehmend aktuelles Thema, das nicht
nur in einer Kulturnation wie Italien eine besondere Rolle
spielt. Sammlungen und Museen begreifen sich nicht mehr
als elitäre Musentempel, sondern interagieren mit den sie
umgebenden Gesellschaften und Dynamiken, die von Städ­
ten und ländlichen Regionen ausgehen – dies insbesondere
unter interkulturellen und inklusiven Aspekten.
16 | ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2016
Mit der sogenannten Siena Charter wurde von den italie­
nischen Museumskollegen bereits im Juli 2014 ein erstes
Diskussionspaper zum Thema „Museen und Kulturland­
schaften“ vorgelegt. Wichtige Aspekte darin sind die unter­
schiedliche Wahrnehmung und Definition von „Land­
schaft“, die in den verschiedenen Regionen der Welt eine
ganz eigene Rolle spielt. Zugrunde liegt ein sehr weites
Konzept von „Landschaften“, das kulturanthropologische,
soziale, ökonomische sowie physische, biologische und ge­
ographische Aspekte beinhaltet. Diese sind Teil des Kulturund Naturerbes, das erhalten, interpretiert und in seiner
materiellen und immateriellen Form bewahrt werden sollte.
ICOM möchte durch die Wahl des Konferenzthemas die
soziale und auch regionale Rolle von Museen herausstrei­
chen. Folgende Fragen spielen dabei eine Rolle: Wie können
Museen ihre kulturelle Verantwortung für das vielfältige
Kulturerbe einbringen und zu deren Erhalt beitragen? Wie
können Museen aktuelle Reflektionen über sich selbst und
die sie umgebenen Gesellschaften liefern? Wie können
Museen entsprechendes Wissen vermitteln? Wie können
Museen dazu beitragen, nachhaltige Entwicklung und die
Bewahrung von Landschaften zu unterstützen und gleich­
zeitig die touristischen Kapazitäten auszubauen, ohne das
Kultur- und Naturerbe zu gefährden?
Eine Interaktion von Museen und Kulturlandschaften
kann zu neuen Netzwerken und Partnerschaften führen und
dazu beitragen, interdisziplinäre Konzepte zu entwickeln.
Generell können Museen eine aktive Rolle nicht nur in der
Bewahrung ihrer eigenen Sammlungen, sondern auch des
sie umgebenden materiellen und immateriellen Kultur- und
Naturerbes spielen. All diese Fragen werden in Mailand
diskutiert und sollen ermuntern, neue Perspektiven für die
Selbstdefinition der Museen weltweit zu entwickeln, die
ihre kulturelle sowie soziale Rolle stärker als bisher fokus­
sieren. Das Hauptthema der Generalkonferenz bietet also
gleichermaßen eine Chance, aber auch die große Heraus­
forderung, sich neue Ziele zu stecken und die eigene gesell­
schaftliche Verantwortung zu überdenken.
Tagungen der internationalen Komitees
Neben diesem Austausch im großen Rahmen werden die
insgesamt dreißig internationalen Komitees von ICOM
auch in diesem Jahr ein sehr reiches Programm anbieten.
An vier Tagen treffen sich die Mitglieder der verschiede­
nen Komitees, um die wissenschaftliche Diskussion zu
Foto: Siegfried Weisenburger, CC BY-SA 3.0
Ak tue lles
Castello Sforzesco
den fachspezifischen Themen in kleinerer Runde fortzu­
führen. Ein zusätzlicher Exkursionstag offeriert allen Kon­
gressteilnehmern Ausflüge in die Region, u. a. nach Pavia,
Mantua, Verona oder Parma, und bietet damit die Gelegen­
heit, die Kulturlandschaft Norditaliens kennenzulernen.
einem aus dem 15. Jahrhundert stammenden Kastell im
Zentrum von Mailand, stattfinden. Die Kongressteilneh­
mer haben die Gelegenheit, die Neuaufstellung von so
hochkarätigen Werken wie Michelangelos Pietà Rondanini
und Leonardos frisch restauriertem Fresco im Sala delle
Asse zu sehen. Die verschiedenen Mailänder Museen bieten
zudem Sonderöffnungen, Spezialprogramme oder auch Ein­
blicke hinter die Kulissen. So wird etwa das Nationalmu­
seum für Wissenschaft und Technik „Leonardo da Vinci“,
das größte Naturkunde- und Technikmuseum Italiens, eine
besondere Abendöffnung anbieten, bei der man verschie­
dene Abteilungen inklusive der ehemaligen Klosteranlage
aus dem 16. Jahrhundert besuchen kann. Die Schlussveran­
staltung am 9. Juli wird dann als abschließender Höhe­
punkt im Triennale’s Palazzo dell’Arte stattfinden. Diese
bietet Gelegenheit, das dortige Museum für ange­wand­­te
Kunst, den Park sowie die 21st International Triennial
Exhibition für Architektur, visuelle und dekorative Kunst,
Design, Mode sowie Audio- und Videoproduktionen zu
sehen. Sicherlich ein Höhepunkt im Rahmenprogramm ist
ein Konzert im Mailänder Dom. Insbesondere diese infor­
mellen Veranstaltungen stellen immer wieder einen beson­
deren Reiz der großen ICOM-Generalkonferenzen dar,
bieten sie doch die einzigartige Gelegenheit, Museumskol­
legen aus aller Herren Länder und vor allem mit den un­
terschiedlichsten kulturellen Hintergründen zu treffen.
Gremienwahlen
Als Ergänzung zum Hauptprogramm werden auf der Ge­
neralkonferenz auch die Entscheidungsgremien von ICOM
tagen, namentlich das Executive Council sowie das Ad­
visory Committee, das Delegierte aller Nationalen und
internationalen Komitees von ICOM als Beratergremium
zusammenführt. Turnusmäßig finden im Jahr der ICOMGeneralkonferenz auch die Wahlen für das Executive
Council statt. Es setzt sich aus dem Präsidenten, zwei Vize­
präsidenten, dem Schatzmeister und bis zu elf Mitgliedern
sowie ex-officio dem Vorsitzenden des Advisory Committee
zusammen. So wird z. B. nach sechs Jahren Amtszeit ein
Nachfolger für Hans-Martin Hinz als Präsident von ICOM
gesucht.
Rahmenprogramm
Das reichhaltige Tagungsprogramm wird eingerahmt durch
die große Eröffnungsveranstaltung sowie verschiedene
Abendempfänge und andere Begleitprogramme. Die feier­
liche Eröffnung wird am 4. Juli im Castello Sforzesco,
Reisebeihilfen
Mitglieder von ICOM Deutschland können einen Reise­
kostenzuschuss in Höhe von bis zu 400 Euro beantragen.
ICOM Deutschland wird auch dieses Jahr einen Empfang
für die deutschen Teilnehmer der Generalkonferenz aus­
richten. Bitte melden Sie sich bei uns, damit wir Sie recht­
zeitig über diese Veranstaltung informieren können.
Gabriele Pieke
Vorstandsmitglied von ICOM Deutschland
Weitere Informationen:
Programm, Anmeldung, Gebühren:
www.milano2016.icom.museum
Anfragen zu Reisebeihilfen und Treffen der deutschen Teilnehmer in
Mailand: [email protected]
Die 25. ICOM-Generalkonferenz wird 2019 in Kyoto, Japan, statt­
finden. Titel: Museums as Cultural Hubs: the Future of Tradition
ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2016
| 17
Rückblick
Verstärkter Kampf gegen illegal
gehandelte Kulturgüter aus dem Irak
Foto: SPK – photothek.net, Florian Gärtner
Der Internationale Museumsrat ICOM und die Stiftung Preußischer Kulturbesitz
haben am 14. Januar 2016 die Rote Notfall-Liste der gefährdeten Kulturgüter des Irak
vorgestellt. Rund 120 Fachleute kamen auf Einladung in das Archäologische Zen­
trum der Staatlichen Museen zu Berlin.
Die Rote Liste Irak beschreibt Objektgruppen, die häufig illegal gehandelt werden.
Seit Jahrzehnten muss die Welt einen
fortwährenden Verlust des Kulturerbes
im Irak beklagen. Die anhaltenden
Plünderungen und weitreichenden Zer­
störungen betreffen dabei einzigar­ti­­ges
Kulturgut. „Angesichts der dra ­ma­­ti­
schen Lage in der Region und des Aus­
maßes der Plünderungen hat ICOM
seine bereits 2003 herausgegebene
Emergency Red List of Iraqi Anti­qui­
ties at Risk umfassend überarbeitet und
eine aktualisierte Fassung her­aus­ge­ge­
ben, die nun auch in deutscher Über­
setzung vorliegt“, berichtete HansMartin Hinz, Präsident von ICOM.
Ein internationales Expertenteam
erstellte die Übersicht. Beschrieben
werden Objekttypen und -kategorien,
18 | ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2016
die besonders gefährdet sind, illegal
gehandelt zu werden, obwohl ihre Aus­
fuhr streng verboten ist. Dazu zählen
frühe Keilschriftdokumente, Stempel
und Rollsiegel, Architekturelemen­
te, Tonfiguren und Reliefs, Keramik,
Schmuck, Werkzeuge, Waffen und
Mün­zen aus der Zeit des Alten Meso­
potamien bis in die Zeit der osma­
ni­schen und Mamluken-Herrschaft.
Die­se Übersicht soll Museen, Auktions­
häuser, Kunsthändler und -sammler
sowie Strafverfolgungs- und Zollbe­
hörden darin unterstützen, Kulturge­
genstände aus dem heutigen Irak zu
erkennen, unklare Provenienz zu unter­
suchen und notwendige Vorsichtsmaß­
nahmen zu ergreifen.
Um das Bewusstsein gerade auch in
den Regionen zu schärfen, die vom il­
legalen Handel mit Kulturgütern aus
dem Irak besonders betroffen sind, pu­
blizierte ICOM mehrere Sprachausga­
ben der roten Notfall-Liste des Irak.
Im Juni 2015 wurden in Paris im Bei­
sein der UNESCO-Generalsekretärin
Irina Bokowa die englische, französi­
sche und arabische Fassung vorgestellt,
am 14. Januar 2016 in Berlin die
deutsche Fassung, die mit großzügi­
ger Unterstützung der Stiftung Preußi­
scher Kulturbesitz ermöglicht wurde.
Nach den Worten von Hermann
Parzinger, Präsident der Stiftung Preu­
ßischer Kulturbesitz, seien die Listen
ein wirksames Mittel, um „dem dra­
ma­tischen Schmuggel von geraubten
Kulturgütern“ etwas entgegenzuset­
zen: „Der Westen darf sich nicht mit­
schuldig machen, indem er das IS-Ter­
rorregime indirekt unterstützt. Wir
kennen die Wege des organisierten
Schmuggels, der meist über den Liba­
non oder die Türkei nach Westeuropa
führt. Hier ist es nötig, dass die Ermitt­
lungsbehörden erkennen, was illegal
ins Land kommt.“
Die Staatsministerin und Beauftrag­
te der Bundesregierung für Kultur und
Medien, Monika Grütters, betonte,
dass der Kulturgutschutz ein zentra­
les Anliegen der Bundesregierung sei.
„Mit der Gesetzesnovelle zum Kul­
turgutschutz wird Deutschland einen
längst überfälligen Paradigmenwech­
sel einläuten“, sagte Monia Grütters.
„Wer in Zukunft Antiken nach
Deutschland einführt, braucht für je­
des Stück eine gültige Ausfuhrerlaub­
nis des jeweiligen Herkunftslandes,
das bei Einfuhr vorzulegen ist.“ Hel­
fen können darüber hinaus insbeson­
dere die roten Listen des Internationa­
len Museumsrates. Deutschland ist das
erste Land überhaupt, das die roten
Listen gesetzlich verankert, denn die
Kulturgutschutznovelle sieht erhöhte
Sorgfaltspflichten für Kulturgut vor,
das aus Ländern stammt, für die eine
solche rote Liste erstellt wurde. Mo­
nika Grütters weiter: „Es ist wichtig,
dass die rote Liste für den Irak nun
aktualisiert und auf Deutsch vorliegt,
denn allein der Verdacht, Deutschland
könne sich als eine internationale Dreh­
scheibe für Hehlerware eignen, ist mit
unserem Selbstverständnis als Kul­tur­
nation nicht zu vereinen.“
Michael Reiffenstuel, Beauftragter
für auswärtige Kulturpolitik im Aus­
wärtigen Amt, verlas die Einführungs­
rede der Staatsministerin im Auswär­
tigen Amt, Maria Böhmer, die selbst
nicht anwesend sein konnte. Anschlie­
ßend übergab er an den irakischen Bot­
schafter eine neusumerische Tontafel.
Die Tontafel, die vermutlich aus der
an­tiken Stadt Girsu (heute Telloh)
stammt und um das Jahr 2000 v. Chr.
entstand, wurde im Februar 2014 bei
Ebay zum Verkauf angeboten. Die
Tontafel konnte beschlagnahmt, von
fachlicher Seite zugeordnet und auf
der Veranstaltung an den Irak zurück­
gegeben werden.
„Illegaler Erwerb und Handel von
Kulturgut sind keine Bagatellverge­
hen – umso weniger, seit wir im Irak,
aber auch in Syrien, in Mali oder Af­
ghanistan erleben, dass Kulturbarbarei
zu einer Strategie der Kriegsführung
und neben Drogen- und Waffenhan­
del zur Finanzquelle des internationa­
len Terrorismus geworden ist“, führte
Maria Böhmer in ihrer Eingangsrede
aus. „Gemeinsam mit dem Irak hat
Deutschland in der Generalversamm­
lung der Vereinten Nationen 2015 eine
Resolution eingebracht, die im Kon­
sens aller 193 Mitgliedsstaaten ange­
nommen wurde. Wir haben darin die
Zerstörung von Kulturgütern im Irak
als terroristischen Akt und mögliches
Kriegsverbrechen geächtet und den
illegalen Handel von Kulturgütern auf
das Schärfste verurteilt“, rief sie in
Erinnerung und forderte: „Aus den Be­
schlüssen müssen jetzt Taten werden –
auch in Deutschland!“
Der Botschafter der Republik Irak,
Hussain M. F. Alkhateeb, dankte für
die Übergabe und sagte: „Die heute
stattfindende Präsentation der deut­
schen Fassung der Roten Notfall-Liste
von ICOM zu den gefährdeten Kul­
tur­gütern des Iraks und die in diesem
Rahmen erfolgte Rückgabe eines ira­
kischen Artefakts zeigen das große
Engagement Deutschlands, wenn es
darum geht, kulturelles Erbe in enger
Zusammenarbeit nicht nur mit dem
Irak, sondern auch mit anderen betrof­
fenen Ländern zu retten und zu erhal­
ten.“
Seit dem Jahr 2000 gibt ICOM mit
Unterstützung des US Department of
State für die von Raubgrabungen und
Plünderungen am stärksten betroffe­
nen Regionen der Welt rote Listen he­
raus, bisher insgesamt fünfzehn. Vor
der aktuellen Liste Irak sind die roten
Listen zu Afghanistan, Ägypten und
Syrien erschienen, eine Liste für Libyen
ist ebenfalls jüngst publiziert worden,
in Vorbereitung ist sie für Westafrika
mit Schwerpunkt Mali.
In der anschließenden Diskussion
mit Markus Hilgert, Direktor des
Vorderasiatischen Museums der Staat­
lichen Museen zu Berlin, Hermann
Parzinger, France Desmarais, Direk­
torin der Abteilung Programme und
Part­nerschaften von ICOM, Friede­
rike Fless, Präsidentin des Deutschen
Foto: SPK – photothek.net, Florian Gärtner
Rückblick
ICOM-Präsident Hans-Martin Hinz
Archäologischen Instituts, und Bot­
schafter Hussain M. F. Alkhateeb wa­
ren sich die Experten einig, dass Kul­
turgutschutz nur gemeinsam gelingen
kann. Der Weg ist lang, aber die Rich­
tung ist klar: Ächtung des Handels mit
Raubgut, politischer Wille, jedem Kul­
turobjekt seine ID, Kooperation mit
der Polizei, internationale Zusammen­
arbeit, Open Access und Big Data. Der
internationale Kampf gegen den ille­
galen Handel lohnt sich, Teilerfolge
beweisen es.
Johanna Westphal
Geschäftsführerin ICOM Deutschland
Weitere Informationen:
Rote Notfall-Liste der gefährdeten Kultur­
güter des Irak (Pdf ):
http://icom-deutschland.de/client/media/
568/rote_liste_irak_de_bm_pages.pdf
Übersicht der bisher erschienenen Roten
Lis­ten von ICOM:
http://redlist.icom.museum
ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2016
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Rückblick
Allen Besuchern die Teilhabe zu ermöglichen, ist ein hehrer Anspruch, dem die
Museen gern gerecht werden wollen. Dies belegen zahlreiche Beispiele. Dennoch
bleibt viel zu tun – so das Ergebnis der rund 180 Experten auf dem fünfzehnten
Internatio­nalen Bodensee-Symposium vom 18. bis 20. Juni 2015 in St. Gallen. Denn
Fragen der Nachhaltigkeit, der Sammlungskonzepte und vor allem der Finanzie­
rung sind bislang nicht zufriedenstellend beantwortet.
Klaus Weschenfelder
20 | ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2016
Foto: Historisches und Völkerkundemuseum St. Gallen
Das Museum für alle –
Imperativ oder Illusion?
Foto: Historisches und Völkerkundemuseum St. Gallen
Rückblick
Historisches und Völkerkundemuseum St. Gallen
„Stoppt die Banalisierung“, forderte unlängst der Karlsruher Kunsthistoriker
Wolfgang Ullrich (Die Zeit vom 26. 3. 2015), und beklagte den missionari­schen
Drang von Kunstvermittlern, alle Milieus zu erreichen und dabei so zu tun, als
verlange die Beschäftigung mit der Kunst keine Zugangsvoraussetzungen. Die­
ser Warnung vor einer Verharmlosung von musealen Inhalten steht der ent­
schiedene politische Wille entgegen, Museen zu Instrumenten von Inklusion
und Integration zu machen. Der damalige Staatsminister Bernd Neumann als
Beauftragter des Bundes für Kultur und Medien in Deutschland brachte dieses
Postulat auf den Punkt, als er anlässlich der Eröffnung der Tagung des Deut­
schen Museumsbundes „Alle Welt ins Museum? Museen in der pluralen Gesell­
schaft“ im Mai 2012 in Stuttgart das Fragezeichen im Tagungsthema beanstan­
dete. Auch flankieren längst internationale Konventionen und nationale Gesetze
den Inklusionsgedanken. Bei all diesen aktuellen Tendenzen sollte aber nicht
in Vergessenheit geraten, dass sich Museen auch ohne politischen Auftrag bereits
in den 1970er Jahren mit der Vermittlungsarbeit für Randgruppen befassten,
wovon „alte Hasen“ der Museumspädagogik zu berichten wissen.
„Das Museum für alle – Imperativ oder Illusion“, unter diesem Titel bot das
erfreulich gut besuchte Internationale Bodensee-Symposium 2015 von ICOM
Schweiz (Federführung), ICOM Österreich und ICOM Deutschland in einer
klug strukturierten und mit vielen spannenden Beiträgen ausgestatteten Tagung
die hervorragende Möglichkeit einer aktuellen Standortbestimmung. ICOMPräsident Hans-Martin Hinz erinnerte in seinem Grußwort zum Auftakt daran,
dass in den drei Komitees ein Viertel aller Mitglieder von ICOM organisiert
sind, verwies aber zugleich darauf, dass sich der Weltverband gerade auch dort,
wo die Mitgliedszahlen deutlich geringer sind, um Plattformen für eine quali­
fizierte Diskussion dieser museologischen Fragen bemüht. Für den asiatischen
Raum wurde dafür 2013 gemeinsam mit ICOM China das ICOM International
Training Centre for Museum Studies im Palastmuseum in Peking einrichtet.
Museum für alle: Zwischen Haltung und Handlung
Roger Fayet (von 2009 bis 2015 Präsident ICOM Schweiz) eröffnete die Tagung,
indem er die geläufige chinesische Redewendung „Wenn ein Weiser auf den
Mond zeigt, schaut der Einfältige auf den Finger“ hinterfragte. Welcher Per­
spektive der Vorzug zu geben sei, der Blick in die Ferne oder das Interesse am
Audience Development zwischen
gesellschaftlicher Teilhabe und
Umsatzoptimierung
Matthias Henkel
Museen sind populär.
Museen sind unter Beobachtung.
Museen sind unter Druck.
Museen haben Chancen:
Das Zeitalter der permanenten Verfügbar­
keit macht auch vor den Museen nicht halt.
Der Wettbewerb mit anderen Kultureinrich­
tungen um die knappen Ressourcen Zeit
und Aufmerksamkeit ist zum alltäglichen
Geschäft geworden. Innehalten scheint
angebracht, um nicht im Kosmos der
Beliebigkeit zu entschwinden und um am
Scheideweg zwischen gesellschaftlicher
Teilhabe und Umsatzoptimierung die
richtigen, das heißt werthaltigen und
wertvollen Entscheidungen zu treffen.
Der Vortrag beschreibt die Grat­
wanderung zwischen der Beibehaltung
guter Traditionen und der Implementierung
wünschenswerter Innovationen auf dem
Weg zu Audience 3.0 – auf dem Weg,
Museen zu „Third Places“ (Ray Oldenburg)
zu entwickeln.
Partizipation im Museum und
die Frage der Nachhaltigkeit –
ein Widerspruch?
Elisabeth Tietmeyer
Partizipative Strategien in der Museums­
arbeit sind unabdingbar, wenn das
Museum ein Ort der Diskussion und der
Identifikation sein soll. Gerade ein Museum
der Alltagskultur bietet aufgrund seiner
naturgemäß breiten Ausrichtung
ungeahnte Möglichkeiten dafür.
Die Umsetzung dieses methodischen
Ansatzes führt aber schnell zu der
Erkenntnis, dass partizipative Arbeit Grenzen
hat, denn sie erfordert eine personell
aufwendige, kontinuierliche und systemati­
sche Kooperation mit museumsexternen
Menschen.
Das Museum Europäischer Kulturen –
Staatliche Museen zu Berlin arbeitet seit
fünfzehn Jahren mit partizipativen
Methoden in seinen Projekten und war
dabei mehr als einmal mit der Frage
konfrontiert, ob Inklusion eine Illusion ist.
In dem Vortrag soll über Vorteile und
Grenzen der Partizipation u. a. am Beispiel
dieses Museums gesprochen werden.
ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2016
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Rückblick
Foto: Historisches und Völkerkundemuseum St. Gallen
Blick in die Ausstellung „Heilige Kunst für die Straße. Prozessionsfiguren aus Südindien”
Publikum eines Nationalmuseums
Andreas Spillmann
Das Schweizerische Nationalmuseum will
zu Debatten anregen und ermuntern. Es
will ein lebendiges, das heißt ein offenes
Museum sein, das weder gesellschafts­
politischen Diskussionen ausweicht noch
zu bestimmten Besuchersegmenten auf
Distanz geht. Es ist die Unabhängigkeit
von eingeübten Denkrichtungen und von
memorierten Kulturverständnissen, die
das Nationalmuseum seinem Publikum
gestatten will – vor allem hat es seinem
Publikum aber historische Prozesse gut zu
erzählen und wahrlich zu reflektieren.
Naheliegenden, sollte sich an den Bedürfnissen und der Disposition der Rezi­
pienten orientieren, meinte Fayet. Dadurch könnten Barrieren, bedingt etwa
durch geistige Behinderung, fruchtbar überwunden werden. Eine Überlegung,
die sich ohne weiteres mit einer dreißig Jahre früher, beim Internationalen
Bodensee-Symposium in Lindau 1985 vorgetragenen Analyse des Soziologen
Heiner Treinen in Verbindung bringen lässt: „Die (…) Anziehungskraft auf
Besucher und die Effekte von Museumsbesuchen selbst (…) sind von den Bil­
dungs- und Informations­interessen der Adressaten direkt abhängig.“ Museen,
so Treinen, haben massenmedialen Charakter und verbreiten symbolische In­
halte an ein heterogenes Publikum. Die Multiperspektivität verbietet eine Hi­
erarchisierung der Erkenntnismöglichkeiten potentieller Besucher. Es gibt
wohl aber auch keinen Grund, die fachwissenschaftliche Perspektive, die das
Museum als Instrument der Forschung und des Erkenntnisgewinns seit Jahr­
hunderten vorangetrieben hat, außer Wert zu setzen.
Eine anschließende Podiumsdiskussion mit Vertretern verschiedener Einrich­
tungen, die sich in der Schweiz um die Erschließung der Museen für unterprivi­
legierte Gruppen bemühen, fächerte einen Strauß von Best-Practice-Beispielen
auf. Explizit plädierte Hans-Konrad Schmutz (Naturkundemuseum Winter­thur)
dafür, auch die Reparatur von gesellschaftlichen Defiziten als Museumsaufgabe
anzusehen, und sprach mit Bezug auf museumspädagogische Aktivitäten in der
Ukraine vom Beitrag des Museums zur Stabilisierung von Gesellschaften. Über
die Nutzung des Museums mit Alzheimerpatienten zu therapeutischen Zwecken
berichtete Karin Wilkening (Zentrum für Gerontologie, Zürich). Auf die Fra­
22 | ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2016
Foto: Historisches und Völkerkundemuseum St. Gallen
Rückblick
Thomas Scheitlin, Stadtpräsident von St. Gallen
ge, ob er in seiner Eigenschaft als Vorsitzender der Museumsstiftung St. Gallen
sich Ähnliches in seinen Häusern vorstellen könne, entschlüpfte dem Kantons­
rat Arno Noger die Bemerkung, dass die Finanzierung solcher Projekte durch­
aus auch von der Klinik geleistet werden könne. Damit wurde ein bekanntes
Dilemma sichtbar, das sich wie ein roter Faden durch die Diskussion in der
Museumslandschaft zieht. Von verschiedenen Seiten werden hohe Anforderun­
gen gestellt, die Finanzierung der oftmals personalintensiven Aktivitäten bleibt
meist im Ungefähren.
Grenzen der Partizipation
In einem inspirierenden, mit Blick auf die Markenbildung gehaltenen Vortrag
bot Matthias Henkel (Berlin, Vorstand ICOM Deutschland) eine sinnlichmetaphorische Annäherung an das Thema Audience Development. Er plädierte
für die Entwicklung des Museums als „Third place“ (Ray Oldenburg) in Sinne
eines kuratierten, emotionalen und objektzentrierten sozialen Versammlungs­
ortes zwischen dem Zuhause und dem Arbeitsplatz: Nicht „Kultur für alle“
sondern „Kultur mit allen“. Zugleich hob er die Objektzentrierung als Allein­
stellungsmerkmal des Museums hervor, ähnlich wie Elisabeth Tietmeyer (Mu­
seum Europäischer Kulturen, Berlin). Auf fünfzehn Jahre Erfahrung mit par­
tizipativen Ansätzen in ihrem Haus zurückblickend, betonte sie einerseits deren
Notwendigkeit und Fruchtbarkeit, gerade bei der Herstellung des Gegenwarts­
bezuges im Museum. Andererseits wusste sie neben den Vorzügen auch die
Grenzen aufzuzeigen. So sind in Partizipationsprojekten erworbene Gegen­
stände mitunter kaum in museale Sammlungskonzepte einzuordnen, weil de­
ren subjektiver Objektbezug nur ein Narrativ darstellt. Das Museum kann, so
ihre Einschätzung, nur in gewissem Umfang als Plattform für unterschiedliche
Zielgruppen dienen, die Kernarbeit mit den historischen Sammlungen muss
unter dem Primat der von den Kuratoren vertretenen Fachwissenschaft bleiben.
Auch fehlt es an Nachhaltigkeit, wenn das Partizipationsinteresse der Zielgrup­
pe nicht auf Dauer angelegt ist. Nach Tietmeyers Erfahrung kommen partizipa­
torische Apelle in der Regel aus dem Museum heraus, und weniger vom Publi­
kum. Museen seien gut beraten, bei der Suche nach neuen Zielgruppen ihre
alte Stammkundschaft nicht zu verlieren, diejenigen Besucher, die ins Museum
gehen, um Sammlungsobjekte zu studieren.
Das Internationale Rotkreuz- und
Rothalbmondmuseum: Erfahrungen mit
geistig behinderten Menschen
Catherine Burer
Ein Museum für alle, das war die Heraus­
forderung bei der Renovation des
Internatio­nalen Rotkreuz- und Rot­
halbmondmuseums für seine Neueröff­
nung in 2013. Die Geschichte des
Roten Kreuzes geht alle an, es ist ein
universales Thema.
Das Heft Pas à pas, Schritt für Schritt, ist
ein Projekt, das die Botschaft des Museums
an Menschen mit geistiger Behinderung
vermittelt. Die Besonderheit dieses Heftes
ist, dass es in Zusammenarbeit mit
Menschen mit geistiger Behinderung
entworfen wurde. Wir werden die ersten
Schritte beschreiben, die dazu geführt
haben, das Heft Pas à pas zu gestalten. Das
heißt eine Idee, Begegnungen mit Verei­
nen, der Austausch und die Interaktivität
mit verschiedenen Gruppen, eine Partner­
schaft, ein Konzept und Anpassungen des
Konzepts, damit es funktioniert.
Die Abegg-Stiftung ist für alle da.
Aber sicher!
Regula Schorta
Die Abegg-Stiftung versteht sich als
Forschungsinstitut, das sowohl in­
nerhalb der Kunstgeschichte wie der
Konservierungs­wissenschaften einen
Nischenplatz besetzt. Schaufenster zur
Öffentlichkeit sind die Dauer- und
Sonderausstellungen.
Die Konzentration auf einen kleinen
Ausschnitt von Kunst und Geschichte,
nämlich historische Textilien, und der
kompromisslose Qualitätsanspruch, den die
Abegg-Stiftung an ihre Arbeit stellt, rufen
reflexartig die Reaktion „nur für Spezialis­
ten“ hervor. Warum eigentlich – wo doch
Stoffe immer schon und auch heute noch
eine völlig alltägliche Präsenz genießen,
vom Verbrauchsmaterial bis zum Status­
symbol alles sein können?
ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2016
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Rückblick
Foto: Wladimir Udilow
Die Gründungsidee des Museums
Arbeitswelt entsprang dem Bedürfnis,
der Geschichte der Beschäftigten in der
industriellen Produktion dauerhaft einen
musealen Ort zu widmen.
Seit dreißig Jahren wird das Museum
Arbeitswelt vom Anspruch geprägt,
nachhaltig ein lebendiges Museum zu
sein, das die industrielle Arbeitswelt – von
ihren Anfängen bis in die Gegenwart mit
einem Ausblick in die Zukunft – nicht nur
mit all ihren Dimensionen (Arbeit, Freizeit,
Kultur, Gesellschaft, Wohnen) darzustellen
versucht, sondern auch diese Sphären
den Besuchern erlebbar macht. Anhand
eines Vergleichs der Ausstellungen „Arbeit,
Mensch, Maschine. Der Weg in die Indus­
triegesellschaft“ und „working_world.net –
Arbeiten und Leben in der Globalisierung“
sollen nicht nur Gemeinsamkeiten und
Unterschiede der Narrative und Darstel­
lungen aufgezeigt, sondern auch Lehren
für die Gestaltung einer neuen Ausstellung
gezogen werden.
Foto: Inatura – Erlebnis Naturschau Dornbirn
Attraktion oder Alltag – Wie kann ein
Museum die Geschichte der Arbeit
erfolgreich vermitteln?
Katrin Auer
Inatura – Erlebnis Naturschau Dornbirn: Dauerausstellung
Möglichkeiten der Partizipation
Die Vielfalt der gebotenen Tagungsbeiträge machte deutlich, dass es keine Pa­
tentrezepte gibt. Jedes Haus muss Konzepte entwickeln, die auf den jeweiligen
Museumsauftrag, auf die Sammlung und auf das je unterschiedliche Publikum
reagieren.
Regula Schorta von der Abegg-Stiftung in Riggisberg machte deutlich, dass
ein Museum mit angeschlossenem Forschungsinstitut zwar durchaus offen für
alle sein könne, diese Offenheit aber keineswegs durch Abstriche am Quali­
tätsanspruch erkaufen wolle. Von der Aufstellung von Verkleidungskisten
habe man in dem auf Textilkunst spezialisierten Museum bisher abgesehen.
Das Archäologische Landesmuseum Baden-Württemberg in Konstanz berich­
tete dagegen u. a. von Interpretationen historischer Themen mit Hilfe von
Playmobil-Figuren. Die Ausstellungen seien bei Kindern und Familien äußerst
beliebt, doch könnten bei weitem nicht alle Museumsthemen in diesem Sinne
„barrierefrei“ aufbereitet werden.
Museum Arbeitswelt: Auch eine partizipativ maßgeschneiderte Einrich­
tung, wie das vor fast dreißig Jahren im Zusammenhang mit der oberöster­
reichischen Landesausstellung „Arbeit – Mensch – Maschine“ entstandene
Museum in Steyr muss sich immer wieder neu erfinden, wie Katrin Auer (Mu­
seum Arbeitswelt, Steyr) berichtete. Das Museum war dem Bedürfnis der Be­
schäftigten entsprungen, der Geschichte der industriellen Produktion der Region
dauerhaft einen musealen Ort zu widmen. Bei einem Relaunch mit künstleri­
schen Interventionen unter dem Titel „working_world.net“ war dann der Stall­
geruch der industriellen Arbeiterschaft etwas verloren gegangen. Jetzt reorga­
nisiert sich das Haus unter Einbindung zahlreicher Gruppen mit neuen Zielen,
auch vor dem Hintergrund einer veränderten sozialen Situation mit gestiegener
Arbeitslosigkeit. Die Geschichtserzählung soll bei den Potentialen beginnen,
die ihr innewohnen, um Entscheidungsspielräume sichtbar zu machen. Das
Konzept folgt der Vorstellung der „Lernprovokation“ im Sinne von Oskar Negt
und lässt einen starken (einseitigen) gesellschaftspolitischen Impetus erkennen,
der in der Diskussion auch die Frage nach der notwendigen Neutralität eines
Museums aufbrachte.
Inatura: Eine relativ junge Entwicklung mit erheblichem Mobilisierungs­
potential stellen die neuartigen Natur- und Science-Museen dar. Dazu ge­
24 | ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2016
Foto: Archäologisches Landesmuseum Baden-Württemberg
Foto: Susanne Pöverlein
Rückblick
Archäologisches Landesmuseum Baden-Württemberg: Historische Themen werden durch Playmobil-Figuren interpretiert.
hört die Inatura in Dornbirn, die von Ruth Swoboda vorgestellt wurde. Mit
anschaulichen Darstellungen der Funktionen des menschlichen Körpers, von
Lebenswelten und von physikalischen Gesetzmäßigkeiten, interaktiv und multi­
medial aufbereitet, trifft das Haus auf lebhaftes Interesse von Kindern aller
Altersstufen, die mit der Familie kommen, aber auch mit der Schule. Schulklas­
sen lassen sich wegen des breiten Angebotes zunehmend auch zu Wiederho­
lungsbesuchen motivieren.
Mehrsprachigkeit und leichte Sprache: Die junge amerikanische Museums­
forscherin Sarah Franke (Frankfurt am Main) schließlich ging in ihrem sehr
fundierten Beitrag auf die Thematik der vielsprachigen Museumslandschaft
im Vergleich zwischen den USA und Deutschland ein. Im Zeitalter der Mig­
ration und der Globalisierung, so Franke, sei Mehrsprachigkeit eine grund­
legende Frage der Zugänglichkeit. Doch zielte ihr Ansatz weniger auf die
Verwendung einer lingua franca, wie sie von touristischen Besuchern gerne
ak­zeptiert wird, sondern auf die Einbindung vieler Muttersprachen im Sinne
der Partizipation von Minderheiten. Der Vergleich USA – Deutschland machte
auch die gesellschaftlichen Unterschiede deutlich: Während in den USA nichtanglophone Bevölkerungsgruppen so groß und so zahlreich sind, dass eine
Kommunikation in einer einheitlichen Landessprache kaum noch vorstellbar
erscheint, wird in Deutschland dem Spracherwerb als Mittel der Integration
große Bedeutung beigemessen. Deshalb werden kulturspezifische Programme
für Schulklassen mit hohen Migrantenanteil beispielsweise in Deutsch ange­
boten. Vor dem Hintergrund von Kommunikationsproblemen, die unterschied­
Die multilinguale Museumslandschaft
in den Vereinigten Staaten und in
Deutschland
Sarah Franke
Im heutigen Zeitalter der Globalisierung
und Migration ist die Mehrsprachigkeit
im Museum eine grundlegende Frage der
Zugänglichkeit, Inklusion und Relevanz.
Dieser Vortrag untersucht die aktuellen
Trends der mehrsprachigen Museumspraxis
in Deutschland und den USA.
Gemeinsam diskutieren wir, wie eine
sprachliche Vielfalt der Schlüssel zur
Zukunftsfähigkeit angesichts einer sich
verändernden gesellschaftlichen
Demographie sein kann. Wir werden auch
die emotionalen Aspekte der Mehr­
sprachigkeit beleuchten und wie Museen
diese einsetzen können, um engere
Bindungen zu ihrer Gemeinde aufzubauen.
ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2016
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Rückblick
Obwohl die Inatura von Anfang an als eine
Erlebnis-Naturschau konzipiert und auch
installiert wurde, brauchte es doch geraume
Zeit, um die Museumspädagogik im Hause
zu etablieren. Doch gerade in den letzten
fünf bis sieben Jahren gelang es den
Verantwortlichen in enger Zusammen­
arbeit mit Schulen des Landes und des
Boden­seeraums, langjährige und nach­
haltige Partnerschaften zu festigen.
Die Kunst besteht darin, die Kernaufgabe
der Museumspädagogik, nämlich die
Bereicherung eines Ausstellungsbesuchs,
nicht aus den Augen zu verlieren und
trotzdem der Nachfrage an speziellen
Themen wie Genetik- oder Technik­
workshops gerecht zu werden.
Der Inatura ist das gut gelungen, über
900 betreute Kinder- und Jugendgruppen
bei durchschnittlich 100.000 Besuchern
sprechen für sich.
Das Archäologische Landesmuseum
Baden-Württemberg: offen für alle?
Jörg Heiligmann
Das Archäologische Landesmuseum
Baden-Württemberg verfügt in Konstanz
über das größte archäologische Schau­
fenster der Landesarchäologie. Landesweit
werden durch das Archäologische Landes­
museum die Grabungs- und Forschungser­
gebnisse der Landesarchäologie in sieben
Zweig­museen vermittelt. Ein Schwerpunkt
der Vermittlungsarbeit richtet sich an
Jugend­liche und junge Familien.
Im Zentralen Fundarchiv in der Dienst­
stelle Rastatt werden rund drei Millionen
Fundstücke archiviert, konservatorisch
betreut und für Ausstellungen oder
wissenschaftliche Forschungen zur
Verfügung gestellt. Das Archäologische
Landesmuseum Baden-Württemberg ist
für alle „offen“, für alle attraktiv zu sein,
ist hingegen eine illusorische Forderung.
Foto: Historisches und Völkerkundemuseum St. Gallen
Die Inatura und die Schule: Lehrpläne
als Zwang oder Bereicherung für
Museumsthemen?
Ruth Swoboda
Eingangshalle des St. Galler Völkerkundemuseums
liche Ursachen haben, kann das Konzept „leichte Sprache“ durchaus eine
Möglichkeit sein, Nicht-Muttersprachlern und Gruppen mit Sprachdefiziten
gleichermaßen eine Einstiegschance im Museum zu bieten.
Fazit
Das „Museum für alle“ ist Imperativ und Illusion zugleich. Dem Organi­
sationstalent von ICOM Schweiz und der Gastfreundschaft der Museen aus
St. Gallen, Konstanz und Dornbirn ist es zu verdanken, dass diese Einsicht auf
ebenso spannende wie entspannte Weise gewonnen werden konnte, zusammen
mit einer Fülle von Anregungen und Gedanken im Austausch mit Kolleginnen
und Kollegen. Das mehr als vierzig Jahre bestehende Internationale BodenseeSymposium hat sich wieder einmal bewährt.
Dr. Klaus Weschenfelder ist Direktor der Kunstsammlungen der Veste Coburg.
Von 2009 bis 2013 war er Präsident von ICOM Deutschland;
[email protected].
Weitere Informationen:
Der Tagungsband Das Museum für alle – Imperativ oder Illusion? ist erschienen.
Hinweise dazu auf S. 50 und unter www.museums.ch
Das Internationale Bodensee-Symposium 2018 wird in Deutschland stattfinden.
26 | ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2016
Rückblick
Tätigkeitsbericht des Vorstandes von ICOM Deutschland
für das Geschäftsjahr 2015
Mitgliederstatistik
Die Zahl der Mitglieder von ICOM Deutschland stieg im Jahr 2015
weiter dynamisch an. Zum 31. Dezember 2015 hatte der Verband ei­
nen Mitgliederstand von 5.494, davon 5.268 persönliche, 208 institu­
tionelle und 18 fördernde Mitglieder. Dies bedeutet einen Zuwachs
von 6,9 Prozent gegenüber dem Jahr 2014 mit 5.141 Mitgliedern.
Damit ist ICOM Deutschland weiterhin der mitgliederstärkste Natio­
nalverband im Internationalen Museumsrat ICOM.
Die Prüfung von Aufnahmeanträgen erfolgt von Geschäftsführung
und Vorstand gemäß den vom Weltverband geforderten Kriterien für
museum professionals. ICOM Deutschland versucht dabei, Verän­
derungen und Entwicklungen in den museumsspezifischen Berufs­
bildern und Beschäftigungsverhältnissen Rechnung zu tragen. In
zunehmendem Maße kann die Mitgliedschaft nur befristet ge­währt
werden.
Durch Tod hat ICOM Deutschland im Jahr 2015 folgende Mitglie­
der verloren: Professor Dr. Jean-Christophe Ammann, Alexander Bai­
er, Dr. Wolf-Dieter Dube, Professor Reiner Güntzer, Dr. Karl-Heinz Hering,
Professor Dr. Hans-Jörg Kellner, Heinz Micheel, Professor Dr. Hanns J.
Prem, Dr. Anne Reuter-Rautenberg, Dr. Imke Ristow, Dr. Hans-Joachim
Schalles, Dr. Wolfgang Schulz, Professor Dr. Peter Springer, Dr. Max
Tauch und Dorothea Weiß-Vossenkuhl.
Projekte
Internationaler Museumstag
Im Mai 2015 begingen die Museen weltweit den 38. Internationalen
Museumstag (IMT). Das von ICOM festgelegte Motto für 2015 laute­
te „Museums for a Sustainable Society“. Unter dem Slogan „Museum.
Gesellschaft. Zukunft.” feierten die Museen in Deutschland das Er­
eignis am Sonntag, dem 17. Mai 2015. Planung und Durchführung
des IMT 2015 erfolgte in der langjährig bewährten Zusammenarbeit
von ICOM Deutschland, dem Deutschen Museumsbund und den re­
gionalen Museumsorganisatio­nen sowie mit finanzieller Unterstüt­
zung der Stiftungen und Verbände der Sparkassen-Finanzgruppe.
In einem gemeinsamen Schreiben an die deutschen Museen rie­
fen ICOM Deutschland, der Deutsche Museumsbund und der Deut­
sche Sparkassen- und Giroverband zum Mitwirken am IMT 2015 auf.
In ganz Deutschland beteiligten sich 1.734 Museen mit mehr als
10.000 Angeboten am Aktionstag.
Der IMT 2015 stand in Deutschland unter der Schirmherrschaft
des Präsidenten des Bundesrates, Volker Bouffier, Ministerpräsident
von Hessen. Bei der bundesweiten Pressekonferenz am 12. Mai 2015
in Darmstadt und der zentralen Auftaktveranstaltung am 17. Mai 2015
im Hessischen Landesmuseum vertrat der Präsident Dr. Michael
Henker den Verband mit Pressestatement und Eröffnungsansprache.
Jahrestagung 2015
ICOM Deutschland veranstaltete seine Jahrestagung im Rahmen des
Internationalen Bodensee-Symposiums vom 18. bis 20. Juni 2015 in
St. Gallen, Schweiz. Das traditionelle Bodensee-Symposium, das im
Turnus von drei Jahren als gemeinsame Tagung der ICOM-National­
komitees von Deutschland, Österreich und der Schweiz ausgerichtet
wird, wurde 2015 hauptverantwortlich von ICOM Schweiz organisiert.
Veranstaltungsort war das Historische und Völkerkundemuseum in
St. Gallen.
Das Tagungsthema lautete „Das Museum für alle – Imperativ oder
Illusion?“. Das „Museum für alle“ – gibt es das? Wollen Museen „alle“
oder zumindest „viele“ Bevölkerungsgruppen erreichen, so müssen sie
ihre Arbeit danach ausrichten, möglichst viele Menschen anzuspre­
chen. Barrieren, die bestimmten Menschen den Zugang erschwe­
ren, gilt es abzubauen und zukünftig zu vermeiden. Die Tagung
warf anhand von Fallbeispielen einen realisti­schen, kritischen Blick
auf die aktuelle Praxis mit dem Ziel, aus Erfolgen und Misserfolgen
zu lernen. Vertreterinnen und Vertreter der verschiedenen gesell­
schaftlichen Interessensverbände unter anderem aus den Bereichen
Politik, Soziales und Pädagogik gewährten einen vertiefenden Ein­
blick in die Thematik. Mit Referaten zur Ideengeschichte wurde die
aktuelle Praxis theoretisch und historisch verortet. Im Rahmen der
Tagung fanden Exkursionen zum Archäo­logischen Landesmuseum
Baden-Württemberg in Konstanz und in die Inatura nach Dornbirn,
Österreich, statt.
ICOM Deutschland führte seine Mitgliederversammlung am 20. Juni
2015 im Historischen und Völkerkundemuseum in St. Gallen durch.
Planung der Jahrestagung 2016
Die Jahrestagung 2016 wird vom 6. bis 8. Oktober 2016 im Deutschen
Technikmuseum Berlin stattfinden. Im Rahmen der Veranstaltung wird
auch die Mitgliederversammlung 2016 durchgeführt. Bei einem Vor­
gespräch mit der Museumsleitung am 14. Dezember 2015 hatten
die Geschäftsführerin und Vorstandsmitglied Professor Dr. Elisabeth
Tietmeyer Gelegenheit, die Tagungsräumlichkeiten in Augenschein
zu nehmen und erste organisatorische Absprachen zu treffen.
Kooperation mit den ICOM-Nordic Countries
Am 10. November 2015 trafen sich Vorstand und Geschäftsführung mit
Vertretern der ICOM-Vorstände der Nordic Countries in Berlin zur
Vorbesprechung einer gemeinsam geplanten Tagung im Jahr 2017.
Auf Einladung von ICOM Deutschland nahmen die ICOM-National­
komitees von Island, Norwegen, Schweden, Finnland und Dänemark
teil. Als ein mögliches Thema der Tagung wurde „Difficult Museums“
diskutiert. Für den Veranstaltungsort werden zurzeit die Möglich­
keiten in Malmø und Helsingborg, Schweden, sondiert. Unter Betei­
ligung von ICOM Deutschland gründete sich ein Organization und
Editorial Committee zur weiteren Planung der Tagung. Das nächste
Treffen ist für 21. bis 23. April 2016 in Tampere, Finnland, angesetzt.
BKM-Preis „Kulturelle Bildung“
ICOM Deutschland war berechtigt, für das Jahr 2016 drei Bildungsund Vermittlungsprojekte für den BKM-Preis „Kulturelle Bildung“
vorzuschlagen. Mit diesem Preis honoriert die Beauftragte der Bun­
desregierung für Kultur und Medien, Kulturstaatsministerin Professor
Monika Grütters, hervorragende, bundesweit modellhafte Projekte
der künstlerisch-kulturellen Vermittlung. ICOM Deutschland hat 2015
in den Museen geeignete Projekte sondiert und konnte zwei Pro­
jekte vorschlagen.
Publikationen
Als zentrales Informationsorgan des Verbandes sind die ICOM
Deutschland – Mitteilungen 2015 in einer Auflagenhöhe von 6.500
Exemplaren vorgelegt worden. Sie geben einen umfassenden Über­
blick über die Arbeit von ICOM Deutschland und die Aktivitäten in
den internationalen Komitees. Aktuelle Ergänzungen und Bericht­
ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2016
| 27
Rückblick
erstattung bietet der Newsletter ICOM Deutschland, von dem 2015
drei Nummern an Abonnenten elektronisch übermittelt wurden.
Die Veröffentlichung der Tagungsbeiträge „Museums and Politics“
zur gemeinsam von ICOM Deutschland, ICOM Russland und ICOM
USA vom 9. bis 12. September 2014 in Sankt Petersburg veranstal­
teten Tagung ist als E-Publikation geplant. Die Federführung liegt
bei ICOM Russland. Es stehen noch kleinere redaktionelle Ände­
rungen aus, die Herausgabe ist für das Frühjahr 2016 geplant.
Kulturgutschutz
ICOM gibt für die Krisen- und Konfliktregionen dieser Welt soge­
nannte Rote Listen des gefährdeten kulturellen Erbes heraus. Diese
Roten Listen enthalten Beispiele von Objekttypen und -kategorien,
die Ausfuhrbeschränkun­gen oder Ausfuhrverboten unterliegen und
in besonderer Weise durch illegalen Handel gefährdet sind. Sie er­
scheinen in mehreren Sprachen und in Zusammenarbeit mit ICOM
Deutschland auch in deutscher Übersetzung.
2015 wurde die deutschsprachige Ausgabe der Roten Notfall-Liste
zu den gefährdeten Kulturgütern des Irak erarbeitet, die Anfang 2016 im
Druck erschienen ist und am 14. Januar 2016 im Archäologischen Zen­
trum der Staatlichen Museen zu Berlin in Anwesenheit der Kultur­
staatsministerin Professor Monika Grütters und des Botschafters der
Republik Irak, Hussain M. F. Alkhateeb, der Öffentlichkeit vorgestellt
wurde. Der Präsident von ICOM Deutschland führte ins Thema ein
und stellte die Teilnehmer des Podiumsgespräches vor. ICOM Deutsch­
land lud im Anschluss zu einem Empfang ein.
Ein Hauptthema der Kulturpolitik des Bundes war die Novellierung
des Kulturgutschutzes in Deutschland. ICOM Deutschland wurde von
der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien gebe­
ten, sich am schriftlichen Anhörungsverfahren zu beteiligen, und gab
am 29. August 2014 eine umfangreiche fachliche Stellungnahme
dazu ab. Die mündliche Anhörung von Fachkreisen und Verbänden
erfolgte am 22. April 2015, an der der Präsident und Vorstandsmit­
glied Dr. Gabriele Pieke für ICOM Deutschland teilnahmen. Am 15.
September 2015 wurde ICOM Deutschland gebeten, zum überarbei­
teten Referentenentwurf erneut schriftlich Stellung zu nehmen, dies
erfolgte am 3. Oktober 2015 durch den Präsidenten.
Am 14. November hielt der Präsident an der Universität Heidel­
berg die Festansprache im Rahmen der Jahresfeier des Freundes­
kreises des Kurpfälzischen Museums zum Thema „Wozu Kulturgutschutz?
Überlegungen zur Novellierung des Kulturgutschutzgesetzes in
Deutschland“. In der Ausgabe Februar 2016 erscheint im britischen
Kulturmagazin Apollo ein Beitrag des Präsidenten zum Thema.
Am 12. und 13. November 2015 fand in Halle/Saale die internati­
onale Tagung der Konferenz Nationaler Kultur­einrichtungen (KNK)
zum Thema „kultur!gut!schützen! Sicherheit und Katastrophenschutz
für Museen, Archive und Bibliotheken“ statt. Fachleute aus Kultur- und
Lehreinrichtungen, Behörden und Verbänden waren der Ein­ladung
gefolgt, um sich über die aktuellen Gegebenheiten des Kulturgut­
schutzes auszutauschen. ICOM Deutschland war durch seine Ge­
schäftsführerin Johanna Westphal und Vorstandsmitglied Professor
Dr. Friederike Waentig vertreten.
Im Rahmen einer Podiumsdiskussion, an der Professor Dr. Friederike
Waentig für ICOM Deutschland teilnahm, wurde die Frage erörtert,
ob Deutschland nach dem Vorbild anderer Länder ein Nationalko­
mitee Blue Shield benötige, um den Kulturgutschutz in Deutschland
stärken und einen wirksameren Beitrag zur Bewältigung von Krisen
und Katastrophen im Ausland leisten zu können. ICOM Deutschland
unterstützt grundsätzlich die Bemühungen zur Gründung eines
deutschen Nationalkomitees Blue Shield.
28 | ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2016
Förderung der Mitglieder in internationalen Komitees
ICOM Deutschland vergab zahlreiche Reisekostenzuschüsse für die
Teilnahme deutscher Mitglieder an den Tagun­gen der internationa­
len Komitees von ICOM. Von den Mitgliedern werden eine aktive Mit­
arbeit und die Anfertigung eines Berichtes für die Veröffentlichung
in den Mitteilun­gen von ICOM Deutschland erwartet.
Des weiteren förderte ICOM Deutschland die vom 1. bis 4. September
2015 in München veranstaltete Jahrestagung von ICOM-CIPEG (Inter­
national Committee for Egyptology) zum Thema „From Historism to
the Multimedia Age. Content – Concept – Design of Egyptian Mu­
seums and Collections“. Die Tagungen der internationalen Komitees
von ICOM können in der Regel nicht ohne Bezuschussung durchge­
führt werden. Daher bietet ICOM Deutschland den in Deutschland
stattfindenden ICOM-Tagungen einen begrenzten Zuschuss für die
Durchführung an. ICOM Deutschland stellt die Gelder in der Regel für
die Bereiche der Tagung zur Verfügung, die den internationalen Cha­
rakter fördern.
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Im Zusammenhang mit dem im Herbst 2014 kontrovers diskutierten
Verkauf von Kunstwerken aus öffentlichem Besitz gab ICOM Deutsch­
land im Januar 2015 im Rahmen einer Pressemitteilung eine Stellung­
nahme ab, die das Thema in Bezug zu den Ethischen Richtlinien von
ICOM stellte und bewertete.
In einer gemeinsamen Pressemeldung vom 12. August 2015 haben
der ICOM-Präsident, Professor Dr. Hans-Martin Hinz, und der Präsi­
dent von ICOM Deutschland, Dr. Michael Henker, ihre Unterstüt­
zung für die Novellierung des Kulturgutschutzes in Deutschland aus­
gesprochen.
Seit Anfang August ist ICOM Deutschland erfolgreich in den sozi­
alen Medien Facebook (www.facebook.com/icomdeutschland) und
Twitter (https://twitter.com/icomdeutschland) aktiv.
Die gemeinsam von ICOM Deutschland, ICOM Russland und
ICOM USA vom 9. bis 14. September 2014 in Sankt Petersburg und
Jekaterinburg veranstaltete Tagung „Museums and Politics“ wurde
von dem Blog „Museums, Politics and Power“ begleitet, der auch
2015 erfolgreich fortgeführt wurde.
ICOM Deutschland war mit einem Informationsstand auf der Ex­
ponatec Cologne, der Internationalen Fachmesse für Museen, Kon­
servierung und Kulturerbe, vom 18. bis 20. November 2015 in Köln
vertreten. ICOM-Mitglieder hatten freien Eintritt zur Messe.
Der Deutsche Museumsbund und der Verband der Res­tauratoren
veranstalteten begleitend zur Messe die Tagung „Mit vereinten Kräf­
ten – Kulturgüter schützen und sichern“, in deren Rahmen Professor
Dr. Friederike Waentig die Publikation Präventive Konservierung. Ein
Leitfaden von ICOM Deutschland vorstellte und mit Andrea Funck,
Deutscher Museumsbund und Landesmuseum Württemberg, in
einem öffentlichen Gespräch dessen Umsetzung in Museen disku­
tierte.
Vorstand und Geschäftsführung
Zum 31. Dezember 2014 war Frau Dr. Franziska Nentwig aus dem
Vorstand von ICOM Deutschland ausgeschieden. Die nötige Nach­
wahl eines Vorstandsmitglieds fand am 20. Juni 2015 bei der Mit­
gliederversammlung von ICOM Deutschland in St. Gallen statt. Ge­
wählt wurde Frau Professor Dr. Elisabeth Tietmeyer, Direktorin des
Museums Europäischer Kulturen der Staatlichen Museen zu Berlin,
Stiftung Preußischer Kulturbesitz.
Rückblick
Der Vorstand hat im Berichtszeitraum insgesamt drei Vorstandssit­
zungen in Berlin abgehalten (23. März, 18. Juni, 9. November).
Vorstandsmitglied Professor Dr. Beate Reifenscheid-Ronnisch
vertrat ICOM Deutschland beim Deutschen Kulturrat und Deutschen
Kunstrat sowie im Fachausschuss Europa des Deutschen Kultur­
rates. Im Fachausschusses Kulturerbe des Deutschen Kulturrates ist
ICOM Deutschland durch den Präsidenten vertreten. Die Vertretung
des Verbandes bei der Deutschen UNESCO-Kommission erfolgte
durch Vorstandsmitglied Dr. Gabriele Pieke. Im Deutschen Spiegel­
ausschuss von T-CEN 346 war Dr. Klaus Weschenfelder als ehema­
liger Präsident von ICOM Deutschland vertreten. Vorstandsmitglied
Katrin Hieke war die deutsche Vertreterin im internationalen BlogTeam „Museums, Politics and Power“.
Der Präsident und die Geschäftsführerin nahmen an Sitzungen
der AG „Internationaler Museumstag“ in Berlin teil sowie an der Jahres­
tagung der Museumsämter und -verbände am 25. Juni 2015 im Institut
für Museumsforschung in Berlin.
Bei den Annual Meetings von ICOM in Paris vom 1. bis 3. Juni 2015
war ICOM Deutschland neben dem Präsidenten und der Geschäfts­
führerin vertreten durch die Vorstandsmitglieder Dr. Gabriele Pieke,
Katrin Hieke und Professor Dr. Beate Reifenscheid-Ronnisch. Diese ver­
traten auch das deutsche Nationalkomitee bei der General Assembly
von ICOM am 3. Juni 2015.
Die Geschäftsführerin traf sich am 8. Oktober 2015 in Berlin mit der
Generaldirektorin von ICOM, Anne-Catherine Robert-Hauglustaine,
um über Möglichkeiten und Per­spek­tiven einer stärkeren Zusam­
menarbeit von ICOM und ICOM Deutschland zu sprechen.
Zu Fragen der Provenienzforschung und der Restitution von Kul­
turgut fanden Gespräche mit in- und ausländi­schen Organisationen
statt, an denen der Präsident und Vorstandsmitglied Dr. Matthias Hen­
kel teilnahmen. Beide nahmen auch teil an der ersten Konferenz
des neu gegründeten Deutschen Zentrums Kulturgutverluste zum
Thema „Neue Perspektiven der Provenienzforschung in Deutsch­
land“, 27. und 28.11.2015 im Jüdischen Museum Berlin.
Zum ersten Mal seit der Konvention von 1970 befasste sich die
UNESCO mit einer neuen recommendation (Empfehlung), die die kul­
turgeschichtliche und gesellschaftliche Bedeutung von Museen und
Sammlungen weltweit zum Gegenstand hat. Der umfangreiche,
in enger Kooperation mit ICOM erarbeitete Entwurf wurde am 27.
und 28. Mai 2015 bei der UNESCO in Paris behandelt. Der Präsident
nahm auf Bitte der Bundesregierung als Experte an den Beratungen
teil. Des weiteren war er Mitglied in dem adhoc gebildeten Unter­
komitee, das sich mit der Hereinnahme von „Sammlungen“ in den
Wirkungsbereich der Empfehlung befasste. Die neue Empfehlung
Recommendation Concerning the Protection and Promotion of Museums and Collections, their Diversity and their Role in Society wurde
am 17. November 2015 von der UNESCO-Generalkonferenz in Paris
verabschiedet.
Darüber hinaus haben Präsident und Vorstandsmitglieder ICOM
Deutschland bei zahlreichen Veranstaltungen durch Grußworte, Vor­
träge, Podiumsteilnahmen vertreten: z. B. Grußwort von Dr. Matthias
Henkel zur Jahrestagung des Museumsverbandes Niedersachsen
am 24. April 2015 in Hildesheim, Grußwort von Professor Dr. Beate
Reifenscheid-­Ronnisch zur Jahrestagung des Museumsverbandes
Sachsen-Anhalt am 1. Juni 2015, Grußwort von Dr. Gabriele Pieke
zur Eröffnung der Jahrestagung von CIPEG am 1. September 2015 in
München, Vortrag über die deutsche Museumslandschaft von Katrin
Hieke im Rahmen der Jahrestagung von ICOM Portugal „Challenges
and Strategies of Museums Facing the Economical Crisis – Featu­
ring National and International Examples“ am 30. Oktober 2015
in Oporto, sowie Grußworte des Präsidenten zur Eröffnung der
Jahres­tagung von IC MEMO am 8. November 2015 in München, zur
Besiegelung der Hochschulpartnerschaft zwischen den Universitä­
ten Würzburg und Kairo am 12. November 2015 in Würzburg und
am 18. November bei der Präsentation von „The Best in Heritage“ im
Rahmen der Exponatec in Köln.
Geschäftsstelle und Personal
Die Geschäftsstelle von ICOM Deutschland befindet sich in 14195
Berlin, In der Halde 1. Dank der Unterstützung der Staatlichen Mu­
seen zu Berlin sind zu günstigen Konditionen Räumlichkeiten im
Institut für Museumsforschung angemietet.
Beschäftigt werden eine Geschäftsführerin in Vollzeit (Johanna
Westphal) und zwei weitere Angestellte in Teilzeit (Beate von Törne:
Finanzen und Assistenz der Geschäftsleitung, 25 Stunden / Woche,
und Juliana Ullmann: Sekretariat und Mitgliederverwaltung, 32 Stun­
den / Woche). Mit der Buchhaltung ist Frau Brigitte Laube auf freibe­
ruflicher Basis beauftragt. Die Administration der Mitglieder-Datenbank
wird von Herrn Jan-Dirk Kluge freiberuflich betreut. Die Prüfung
und Berechnung von Reisekostenabrechnungen für die von ICOM
Deutschland beauftragten bzw. genehmigten Dienstreisen werden
von Frau Ingrid Hiepko auf freiberuflicher Basis durchgeführt.
Der Vorstand, im Februar 2015
ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2016
| 29
Rückblick
Protokoll der Mitgliederversammlung von ICOM Deutschland e. V.
20. Juni 2015
Historisches und Völkerkundemuseum St. Gallen, Schweiz
Leiter der Versammlung: Dr. Michael Henker,
Präsident ICOM Deutschland
Zahl der erschienenen, stimmberechtigten Mitglieder: 63
Anzahl der Stimmen: 72
Eröffnung der Versammlung
Der Präsident von ICOM Deutschland, Dr. Michael Henker, eröffnet
um 9:07 Uhr die Mitgliederversammlung 2015 und begrüßt die anwe­
senden Mitglieder.
TOP 1: Billigung der Tagesordnung
Die Zustimmung der Versammlung zur Tagungsordnung, die zu­
sammen mit dem Einladungsschreiben den Mitgliedern fristgerecht
zugesandt wurde, wird festgestellt. Die Tagungsordnung wird ohne
Änderungen gebilligt.
TOP 2: Benennung der Protokollführung
Auf Vorschlag des Präsidenten führen die Vorstandsmitglieder Pro­
fessor Dr. Friederike Waentig und Dr. Gabriele Pieke das Protokoll.
TOP 3: Bericht des Präsidenten
In einer Schweigeminute wird zunächst der verstorbenen Mitglieder
gedacht: Curt Heigl, Dr. Karl-Heinz Hering, Dr. Frank Martin, Heinz
Micheel, Professor Dr. Hanns J. Prem, Dr. Iris Reepen, Dr. Waldemar R.
Röhrbein, Professor Dr. Peter Springer, Dr. Max Tauch, Dr. Sabine Vogel.
Es folgt der Bericht des Präsidenten, der die Tätigkeiten von ICOM
Deutschland seit September 2014 umfasst (Tätigkeitsbericht 2014
siehe: www.icom-deutschland.de/client/media/555/taetigkeits­­
be­richt_2014.pdf ).
TOP 4: Finanzbericht
Der Finanzbericht 2014 und der Wirtschaftsplan 2015 werden von
der Geschäftsführerin Johanna Westphal vorgetra­gen und erläutert.
TOP 5: Kassenprüfungsbericht
Der Kassenprüfungsbericht wird von der Kassenprüferin Martina
Krug vorgetragen.
TOP 6: Aussprache
Kassenprüfungsbericht
Herr Dr. Kurt Winkler schlägt vor, zukünftig die Bezeichnungen der
Ausgabentitel im Wirtschaftsplan und dem Kassenbericht anzuglei­
chen. Herr Professor Dr. Dr. Markus Walz macht die Anregung, dass eher
unverständliche Kontobezeichnungen besser ausgewiesen werden
sollten.
30 | ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2016
Herr Dr. Bernhard Spies weist darauf hin, dass der unrechtmäßige
Mehrfacheinzug von Mitgliedsbeiträgen im Jahr 2014 nicht ausrei­
chend dokumentiert worden sei. Im Kassenprüfungsbericht würde
der Sachverhalt nicht detailliert erläutert, dies sollte entsprechend nach­
getragen werden. Er unterstützt jedoch die Erläuterungen der Ge­
schäftsführerin und bittet darum, dass diese schriftlich ausgeführt
werden.
Die Kassenprüferinnen erklären, dass sie den vorhandenen inter­
nen Vermerk zum Vorgang sachlich richtig zeichnen und dem Kas­
senprüfungsbericht als Erläuterung beifügen werden.
Frau Petra Rotthoff erkundigt sich nach den eingereichten Taxifahrten,
die laut Prüfbericht nicht ausreichend begründet wurden und gemäß
Bundesreisekostenrecht dem Prä­sidenten somit unrechtmäßig er­
stattet wurden. Herr Dr. Michael Henker erläutert und kommentiert den
Sachverhalt. Im Falle unrechtmäßig eingereichter Taxifahrten sei er
bereit, diese privat zu bezahlen.
Hinsichtlich der finanziellen Ausstattung eines Abend­empfangs
im Rahmen der European Museum Advisors Conference (EMAC)
2014 durch ICOM Deutschland und des im Kassenprüfungsbericht
angemerkten fehlenden inhaltlichen Bezugs zur Arbeit von ICOM
Deutschland sowie fehlenden satzungsmäßigen Beschlusses im
Vorstand dazu macht Herr Spies die Anmerkung, dass, wenn dem
so sei und der Präsident zu dem Empfang eingeladen habe, er
auch zahlen müsse. Eingereichte Taxirechnungen sollten in jedem
Fall gut begründet werden. Falls eine unrechtmäßige Zahlung durch
ICOM Deutschland erfolgt sei, müssten ICOM Deutschland die Kos­
ten erstattet werden.
Herr Henker verweist auf die Satzung von ICOM Deutschland, § 2,
Ziffer 2 a, Absatz 4, demzufolge eine „Förderung des Museumswesen
und internationale Kontaktpflege“ umgesetzt werden konnte. Der
Argumentation der Kassenprüferinnen im Kassenprüfungsbericht, dass
es keinen inhaltlichen Bezug gäbe, könne er nicht folgen.
Frau Katja Mieth, Sächsische Landesstelle für Museumswesen, unter­
stützt die Bezuschussung von ICOM Deutschland zur EMAC-Tagung,
da dies eine gute Veranstaltung gewesen sei. Allerdings wolle sie
keinen Kommentar dazu abgeben, wie Beschlüsse im Vorstand zu­
stande kämen.
Frau Ruth Türnich verweist darauf, dass die EMAC-Tagung sich
durch ein sehr junges Publikum ausgezeichnet hätte und ihrer Mei­
nung nach förderwürdig gewesen sei. Frau Dr. Lieselotte Kugler fragt
nach, ob es für die Förderung der EMAC-Tagung einen Vorstandsbe­
schluss gegeben habe oder dies eine alleinige Entscheidung des
Präsidenten gewesen sei. Falls der Vorstand dies nicht beschlossen
habe, müsse man fragen, warum diese Vorgehensweise gewählt
wurde. Der Präsident antwortet, die Förderung sei eine sehr kurz­
fristige Entscheidung von ihm gewesen, die er in Absprache mit der
Geschäftsstelle vorgenommen hätte.
Frau Karin Kühlung, Kassenprüferin, präzisiert die Kommentierung
im Kassenprüfungsbericht. Die von ICOM Deutschland bezahlte
Rechnung ging über ein Abendessen mit hochprozentigen Geträn­
ken, dazu hätte es im Vorstand keinen Beschluss gegeben. Die Über­
nahme von Bewirtungskosten für andere, nicht ICOM-Tagungen, sei
zuwendungs­rechtlich problematisch.
Herr Spies betont, dass die Haushaltsrichtlinien des Bundes, denen
ICOM Deutschland unterliegt, im jeden Fall einzuhalten seien. Was
nach diesen Richtlinien nicht abzurechnen ist, müsse privat gezahlt
werden. Andernfalls würde ICOM Deutschland seine Bundeszuwen­
dung riskieren, auch das Finanzamt könne mit Forderungen an
Rückblick
ICOM Deutschland herantreten und die Gemeinnützigkeit in Frage
stellen.
Tätigkeitsbericht
Dr. Klaus Weschenfelder bedankt sich beim Präsidenten und weist
auf die Leistungen des Vorstandes hin. Er fragt, warum der Tätigkeits­
bericht 2014 nicht wie bisher in den Mitteilungen abgedruckt wurde.
Dies sei eine gute Möglichkeit, die Mitglieder von ICOM Deutsch­
land zu informieren. Herr Henker antwortet, dass er auf Grund hoher
Arbeitsbelastung nicht rechtzeitig zu einer Einreichung gekommen sei,
die Tätigkeitsbereiche würden aber zukünftig wieder in den Mitteilungen erscheinen.
Publikationen
Frau Christiane Rittner fragt, ob die E-Publikation „Museums and
Politics“ nicht auch in gedruckter Form erscheinen könne. Der Prä­
sident erläutert, dass die Kollegen von ICOM Russland wohl aus politi­
schen Gründen davon abgesehen hätten. Die Möglichkeit für einen
Druck soll aber nochmals überprüft werden.
Frau Türnich erkundigt sich nach der Veröffentlichung der Stel­
lungnahme von ICOM Deutschland zur Novellierung des Kulturgut­
schutzgesetzes in Deutschland. Herr Henker antwortet, dass es ju­
ris­tisch nicht klar sei, ob eine solche Stellungnahme veröffentlicht
werden dürfe. Frau Pieke verweist auf den Artikel in den Mitteilungen
2015, in dem wesentliche Eckpunkte genannt seien.
Bezuschussung von ICOM
Frau Kugler fragt, ob nicht bei der Beauftragten der Bundesregie­
rung für Kultur und Medien (BKM) eine Anfrage zur Zuschusserhö­
hung gestellt werden könne oder dergleichen geplant sei, da ICOM
Deutschland doch seit vielen Jahren eine Erfolgsstory vorzuweisen
habe. Herr Henker antwortet, er würde sich mit diesem Thema be­
schäftigen, jedoch sei dies ein langfristiger Prozess. Man warte derzeit
auf einen Termin bei der BKM. Die Sache werde erschwert, da ICOM
Deutschland und der Deutsche Museumsbund (DMB) identische
Fördersummen erhalten und die BKM dann wohl zwei Verbände im
höheren Maße fördern müsste. Frau Kugler fragt nach, ob der DMB
identische Mitgliederzahlen hätte, worauf der Präsident antwortet,
ICOM Deutschland habe doppelt so viele Mitglieder.
tigen Ausscheiden eines Vorstandsmitgliedes für die restliche Amts­
dauer ein von der nächsten Mitgliederversammlung neu zu wäh­
lendes Mitglied an dessen Stelle.
Frau Professor Dr. Elisabeth Tietmeyer, Direktorin des Museums
Europäischer Kulturen der Staatlichen Museen zu Berlin, ist hierfür
vorgeschlagen und stellt sich kurz vor. Die Wahlliste wird geschlossen,
da keine weiteren Bewerbungen vorliegen.
Mit Zustimmung der Mitgliederversammlung wird Dr. Klaus We­
schenfelder als Wahlleiter und Frau Annegret Ehmann als Wahlbeo­
bachterin bestimmt. Als Wahlhelferinnen stehen die Mitarbeiterinnen
der Geschäftsstelle, Frau Juliana Ullmann und Frau Beate von Törne, zur
Verfügung sowie aus dem Kreis der Mitglieder Frau Linda Reiter und
Frau Anke Bohne.
Die Wahl wird gemäß den Bestimmungen der Satzung schriftlich
und geheim durchgeführt. Der Wahlleiter gibt das Ergebnis der Wahl­
en unter Angabe der jeweiligen Stimmenanzahl bekannt:
Abgegebene Stimmen: 72
Gültige Stimmen: 72
Ungültige Stimmen: 0
Ja-Stimmen: 58
Nein-Stimmen: 3
Enthaltungen: 11
Die Gewählte nimmt die Wahl an.
TOP 9: Verschiedenes
Herr Dr. Meinrad Maria Grewenig präsentiert die Völklinger Hütte
und lädt zur ICOM-Jahrestagung 2016 dorthin ein. Als Generalthema
wird „Industrie und Handel“ angekündigt.
Der Präsident schließt die Mitgliederversammlung um 11.20 Uhr.
Berlin, den 9. November 2015
Professor Dr. Friederike Waentig, Protokoll
Dr. Gabriele Pieke, Protokoll
Dr. Michael Henker, Sitzungsleitung
Herr Dr. Michael Fuhr möchte wissen, warum es keine Zuschüsse für
ICOM Deutschland von den Ländern gäbe. Der DMB bekomme so­
wohl vom Bund als auch den Ländern Zuschüsse. Herr Henker
antwortet, er hätte kurz nach Amtsantritt einen entsprechenden Vor­
schlag im bayrischen Kultusministerium eingebracht, dieser sei dort
aber nicht weiter verfolgt worden.
TOP 7: Entlastung des Vorstandes
Herr Weschenfelder beantragt die Entlastung des Vorstandes. Die
anwesenden Mitglieder (Vorstand und Geschäftsstelle ausgenom­
men) stimmen dem Antrag per Handzeichen mit 59 Ja-Stimmen,
13 Enthaltungen und ohne Nein-Stimmen zu.
TOP 8: Nachwahl eines Vorstandsmitgliedes
Frau Dr. Franziska Nentwig hat zum 31. Dezember 2014 den Vorstand
von ICOM Deutschland verlassen. Satzungsgemäß tritt beim vorzei­
ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2016
| 31
Internationale Komitees
ICOM macht sich fit für die Zukunft
Vom 1. bis 3. Juni 2015 trafen sich in Paris das Executive Council, die Generalver­
sammlung und das Advisory Committee von ICOM zu ihren jährlichen Arbeitssit­
zungen. Die rund dreihundert Teilnehmer befassten sich mit dem übergreifenden
Thema Zukunftsorientierung. Stéphanie Wintzerith fokussiert im ersten Teil des
Berichtes die Frage, wie ICOM das Wissen von siebzig Jahren Verbandsarbeit si­
chern und für künftige Genrationen nutzbar machen kann. Sylvia Wackernagel
berichtet im zweiten Teil über die Debatten zur Zukunftsorientierung der Museen.
Stéphanie Wintzerith, Sylvia Wackernagel
Im Jahr 2015 war die Agenda der JuniTreffen, bei denen sich die ICOM-Fa­
milie in Paris zu den jährlichen Ver­
sammlungen des Vereins trifft, so dicht
wie eh und je. Dabei kreisten viele Ge­
spräche um ein Thema, das zuneh­
mend zu einem wunden Punkt unse­rer
Strukturen avanciert: die Kontinuität.
Archive
Die Teilgruppe International Com­
mittees des Advisory Committee etwa
beschäftigte sich länger mit der Frage
der Archive: Wie und wo sind die Ar­
chive der verschiedenen Komitees auf­
bewahrt, in welchem Zustand und in
welchem Format befinden sie sich?
Was wird behalten, wie wird es von
einer Amtszeit zur anderen weiterge­
führt und weitergegeben? Die Antwor­
ten sind so vielfältig wie die Komitees
selbst. ICOM ist paradoxerweise eine
Organisation, die zwar für das Bewah­
ren des Kulturerbes steht, aber die ei­
genen Erzeugnisse kaum – oder kaum
zugänglich? – archiviert, die eigene
Arbeit wenig dokumentiert, das Wis­
sen um die eigene Geschichte zu wenig
pflegt. Folglich erinnern sich nur we­
nige langjährige Mitglieder daran, was
früher schon diskutiert, beschlossen
oder erreicht wurde. Auch werden Ta­
gungs- und Arbeitsthemen der Komi­
tees teilweise Jahre später von anderen
Komitees erneut aufgegriffen, ohne
dass die Erkenntnisse beziehungsweise
Sichtweisen der Vorgänger in die „neu
aufgelegte“ Arbeit einfließen würden.
Über verschiedene Lösungsansätze
für Komitee-Archive wird nachgedacht:
(1) die zentralisierte Archivierung im
Sekretariat – die zwar schon lange an­
geboten, aber von den Komitees kaum
wahrgenommen wird – stärken, (2)
ein digitales Archiv auf der gemein­
samen Plattform ICOMmunity oder
auf den Komitee-Webseiten anlegen
und pflegen, (3) eine systematische Do­
kumentation der vorhandenen, vor
allem digitalen Fotos vornehmen und
dergleichen. Möglicherweise könnte
sich eine Arbeitsgruppe diesem kom­
plexen Thema widmen und so einen
Teil der Kontinuität der Organisation
gewährleisten.
32 | ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2016
Leitfäden
Wie es die Statuten vorschreiben, wer­
den Präsident und Vorstand – in der
Regel auch in den Komitees – im
Drei-Jahres-Turnus neu gewählt, eine
Wiederwahl in gleicher Funktion ist
nur einmal möglich. Trotz der vielen
Vorteile dieser Regelung leidet die Kon­
tinuität der Organisation darunter.
Der stetige Wechsel in den Gremien –
man denke etwa an das Advisory Com­
mittee, das bei jeder Sitzung neu ge­
wählte Komitee-Präsidenten begrüßt –
kann als Chance genutzt werden, hat
aber leider auch oft zur Folge, dass
gleiche beziehungsweise ähnliche The­
men mehrfach aufgegriffen werden
(müssen). Das Ergebnis ist Wiederho­
lung statt kontinuierlicher Entwick­
lung. Der Vorschlag wurde geäußert,
für jedes Komitee einen Sprecher zu
ernennen, der langfristig als Ansprech­
partner zur Verfügung steht.
Es braucht viel Zeit, die Menschen
kennenzulernen und die Strukturen,
Abläufe und Vorgehensweisen wirk­
lich zu verstehen und effizient ein-
Tagesthemen 26.2.2015
Foto: ICOM
INTERNATIONALE KOMITEES
Foyer vor dem großen Sitzungssaal im UNESCO-Hauptgebäude in Paris
beziehungsweise umzusetzen. Dabei
haben die Präsidenten und Vorstände
oft kaum Gelegenheit, sich diese Er­
fahrung schnell genug anzueignen.
Vorgeschlagen wurde die Entwicklung
von ganz konkreten Leitfäden und
How-to-Guidelines, die z. B. über den
Umgang mit der Mehrwertsteuer oder
die Handhabung der Bankkonten in­
formieren. Dies würde den Vorstän­
den helfen und die Amtsübergaben er­
leichtern, ohne das Rad jedes Mal neu
erfinden zu müssen. Der Blick in die
Rubrik Toolkit auf ICOM­muni­ty wird
wärmstens empfohlen.
Status und Statuten
Des Weiteren schwebt der immer wie­
derkehrende Gedanke in der Luft –
Kontinuität der Themen –, den inter­
nationalen Komitees einen rechtlichen
Status zu verleihen. Ein solcher Status
gäbe den Komitees einen stabilen Rah­
men, in dem sie sich entfalten könnten
und neue Möglichkeiten hätten. Kon­
kret ist in dieser Hinsicht noch nichts
geplant, doch das Bewusstsein, dass
dieses hochkomplexe Thema angegan­
gen werden muss, ist vorhanden.
Indessen befasst sich die Arbeits­
grup­pe Governance mit der Überar­
beitung der Statuten und Regelungen,
wo es nötig erscheint, um auch hier die
Zukunft von ICOM auf eine sichere
Basis zu stützen.
Neben den Strukturen ist auch die
fachliche Arbeit langfristig zu sichern.
Zurzeit wird die Beständigkeit der
ICOM-Definition des Museums wie­
der überdacht. In einem Workshop wur­
de deutlich, dass eine Überarbeitung
der jetzt gültigen Definition erwünscht,
gar unerlässlich ist. „Schon wieder“,
meinen einige, aber die meisten sagen
„Endlich!“.
Doch zunächst ist eine kurzfristige
Aktion geplant. Im Jahr 2016 steht
nicht nur die Generalkonferenz in Mai­
land, sondern auch ein Jubiläum an,
das es gebührend zu feiern gilt: Vor
siebzig Jahren wurde der Internationa­
le Museumsrat ICOM gegründet. Drei
Generationen haben mit großem En­
gagement die Belange der Museen ver­
treten und vieles erreicht. Aus diesem
Anlass werden alle Komitees gebeten,
ihre Geschichte zusammenzufassen und
den von ihnen geleisteten Beitrag darzu­
stellen. Ganz im Sinne der Kontinuität!
Zukunftsorientierung
Nachdem der 38. Internationale Mu­
seumstag unter dem Motto „Muse­
ums for a Sustainable Society“, in der
deutschen Fassung „Museum. Gesell­
schaft. Zukunft.“, im Mai 2015 die
gesellschaftliche Rolle von Museen und
ihre Anteile an der Mitgestaltung der
Zukunft in den Fokus gestellt hatte,
war damit die normative Grundlage
für zukunftsorientierte Diskurse auf
den Juni-Treffen 2015 des Internatio­
nalen Museumsrates geschaffen: Mu­
seen des 21. Jahrhunderts regen zum
Nachdenken an, indem sie sich nicht
nur einem einzigen Narrativ hingeben.
Sie stellen Fragen an die Gegenwart
und Zukunft – ohne dabei selbst unbe­
dingt Antworten zu präsentieren. Aus­
tausch, Begegnung, Innovation, Par­
tizipation und Reflexion erscheinen als
immer wiederkehrende Leitgedanken
ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2016
| 33
Foto: ICOM
INTERNATIONALE KOMITEES
Sitzung des Advisory Committee von ICOM
der neuen Museumsära, welche auf den
Juni-Treffen aufgegriffen und weiter­
gedacht wurden.
Museen des 21. Jahrhunderts
In seiner Festrede „Defining the Muse­
um in a New Era” thematisierte Mark
O’Neill Aspekte und Eigenschaften,
die Museen des 21. Jahrhunderts sei­
ner Ansicht nach auszeichnen: Museen
sollten mit Empathie reagieren und
bewusst auf nichtmarktbezogene
Werte setzen, sich mit mehrdeutigen
Sammlungsgeschichten auseinander­
setzen, Besucherinnen und Besucher
in ihren glokalen Kontexten wahrneh­
men und diese auch aktiv beteiligen.
Dabei bezog sich Mark O’Neill in
seinen Ausführungen auf marketing­
technische und kuratorische Aspekte
der Partizipation. Was verstehen die
Besucherinnen und Bescher unter Mu­
seen? Was sei für sie schön? Wie drü­
cken sich Gefühle der Zugehörigkeit
aus?
Mark O’Neill vertrat die These,
dass es einen deutlichen Mehrwert für
Museen bedeuten könnte, wenn sie
noch stärker als bisher mit den Besu­
cherinnen und Besuchern als Co-Ku­
ratorinnen und Co-Kuratoren von Ge­
schichten zusammenarbeiteten. Er
machte ebenso deutlich, dass Museen
als zivilgesellschaftliche Akteure un­
längst zu Instrumenten der Demo­kra­
tie­förderung geworden sind und im­
plizierte, dass sie auch als solche
eingesetzt werden sollten.
An der aktuellen Museumsdefinition
des Internationalen Museumsrats kri­
tisierte er, dass dem eigentlichen Kern
des leidenschaftlichen Engagements
vieler Museumsmitarbeiterinnen und
Museumsmitarbeiter bisher nicht aus­
reichend auf den Grund gegangen wor­
den sei. Woher komme überhaupt die­
se Leidenschaftlichkeit?
offiziell gültige Museumsdefinition des
Internationalen Museumsrats im TopDown-Ansatz formuliert ist, sollte
eine neue Definition diesen durchbre­
chen. Die Öffentlichkeit müsse inzwi­
schen anders von Museen wahrgenom­
men werden, da sie von ihr Wissen,
Ideen und Kreativität erhalten. Die
Arbeitsgruppen befanden außerdem,
dass die Rolle der Museen als Agenten
des gesellschaftlichen Wandels sowie
als Orte der Partizipation und der In­
spiration hervorgehoben werden müs­
se. Museen stünden nicht nur im Diens­
te der Gesellschaft, sondern handelten
auch im Dienste von Communitys:
„… in the service of society and com­
munities.“
Neue Museumsdefinition
Im Zuge der zukunftsorientierten De­
batten, die die Juni-Treffen durchzo­
gen, überraschte es nur wenig, dass
die Wahl des Ausrichtungsortes der
25. ICOM-Generalkonferenz im Jahr
2019 auf Kyoto fiel. Unter dem Motto
„Museums as Cultural Hubs: the
Der thematische Workshop „An Up­
date of the Museum Definition for the
New Era“ verfolgte das Ziel, die Dis­
kussion um eine neue Museumsdefi­
nition zu vertiefen. Während die noch
34 | ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2016
Kyoto 2019
INTERNATIONALE KOMITEES
Kurz und knapp
Foto: ICOM
Suay Aksoy, Vorsitzende des Advisory Committee von ICOM
Future of Tradition” traf die japani­
sche Delegation den Puls der Zeit –
und das mit überwältigender Mehr­
heit. Zentrales Thema wird also die
veränderte Rolle von Museen einst sta­
tischer Institutionen zu interakti­ven
Zentren für ein durch Diversität und
Globalität geprägtes Publikum. Pas­
send dazu erschien „Hyperconnected
Museums: New Approaches, New
Publics“ als richtungsweisendes Mot­
to für den Internationalen Museums­
tag 2018.
Nicht nur die Museen versuchen,
sich neu zu erfinden. Der ICOM-Schatz­
meister Peter Keller lud dazu ein zu
hinterfragen, ob die Grenzziehungen
innerhalb der verschiedenen internatio­
nalen Komitees vor dem Hintergrund
der sich immer stärker überschneiden­
den Spezialisierungen im 21. Jahr­
hundert immer noch Sinn ergeben. Es
war festzustellen, dass der Wunsch
nach Wandel den Internationalen Mu­
seumsrat erreicht hat. Wie dieser aus­
sehen wird, blieb zum Ende der JuniTreffen jedoch offen. Auf dem Treffen
der internationalen Komitees schienen
sich die Mitglieder zumindest einig,
dass ICOM weit mehr tun müsse als
die Anzahl seiner Stipendien zu erhö­
hen.
Dr. Stéphanie Wintzerith ist selbständige
Besucherforscherin. Sie führt Besucherbe­
fragungen und Evaluationen auf nationaler
und internationaler Ebene für Museen und
weitere Kultureinrichtungen durch. Sie ist
Mitglied des Nominations and Elections
Commitee (NEC) und des Vorstandes von
CECA; [email protected].
Sylvia Wackernagel ist seit April 2015 Muse­
umspädagogin am Schlesischen Museum
zu Görlitz. Zu ihren Arbeitsschwerpunkten
gehört die Organisation und Konzeption
von Vermittlungsprogrammen für verschie­
dene Zielgruppen unter Berücksichtigung
des Diversity-Ansatzes. Sie ist Sekretärin
von ICME;
[email protected].
Am 1. Juni 2015 wurde im Louvre die
Neufassung der Emergency Red List of
Iraqi Cultural Objects at Rist präsentiert.
An der Pressekonferenz nahmen u. a.
die UNESCO-Generalsekretärin Irina
Bokowa, der ICOM-Präsident Hans-Martin
Hinz sowie die französische Kulturminis­
terin Fleur Pellerin teil.
Am 2. und 3. Juni 2015 fand die 80. Sit­
zung des Advisory Committee von ICOM
statt, auf der u. a. über den Austragungs­
ort der 25. ICOM-Generalkonferenz ab­
gestimmt wurde. Cincinnati erhielt 28
Stimmen, Kyoto 72 Stimmen.
Am 2. Juni 2015 formulierte der Execu­
tive Council von ICOM auf seiner außer­
ordentlichen Sitzung die Motti für die
nächsten Internationalen Museums­
tage:
· 2017 – Museums and Contested His­
tories: Saying the Unspeakable in
Museums,
· 2018 – Hyperconnected Museums:
New Approaches, New Publics.
Am 3. Juni 2015 fand die 30. Sitzung der
Generalversammlung von ICOM statt,
auf der ICOM-Präsident Hans-Martin
Hinz den Tätigkeitsbericht für das Jahr
2014 vortrug sowie Ausblicke auf die
für 2015 gesetzten Ziele gab.
ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2016
| 35
Die inhaltliche Arbeit von ICOM findet wesentlich in den international organisierten Komitees statt. Sie widmen
sich den Bedürfnissen und Aufgabenstellungen eines bestimmten Museumstyps oder einer museumsverwandten
Disziplin. Derzeit gibt es 30 internationale Komitees, die durch einen Präsidenten, einen Sekretär und einen Vor­
stand vertreten sind. Der Weltverband wünscht sich eine stärkere Beteiligung deutscher ICOM-Mitglieder in den
internationalen Komitees. Auch ICOM Deutschland begrüßt Ihr Engagement sehr. Damit die Professionalität
von ICOM Deutschland gerade in internationalen Fragen gesichert ist, sollte jedes Mitglied von ICOM Deutsch­
land auch Mitglied eines internationalen Komitees sein. Weitere Informationen finden Sie unter www.icom.museum
oder www.icom-deutschland.de.
36 | ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2016
Foto: fotolia – Jonathan Stutz
Tagungsberichte
der internationalen Komitees
INTERNATIONALE KOMITEES
CIMAM – International Committee for Museums and
Collections of Modern Art
How Global Can Museums Be?
Jahrestagung vom 7. bis 9. November 2015 in Tokio,
Japan
Britta Schmitz
Die Jahrestagung 2015 bot eine intensive Plattform für
Diskussionen, Fragen und Herausforderungen mit denen
heute öffentliche Museen für zeitgenössische Kunst welt­
weit konfrontiert sind. Rund zweihundert Teilnehmerin­
nen und Teilnehmer erörterten die Herausforderungen im
Museumsalltag. Besonderes Augenmerk richtete sich da­
rauf, neben anderen Fragen, ob ein einziger Museumsbe­
griff für alle Weltregionen mit seinen ethischen und mora­
lischen Verpflichtungen verbindlich sein kann, ob ein
einziges Narrativ ausreicht, den Diskurs über moderne
und zeitgenössische Kunst zu führen und welche Diskussi­
onen die Arbeit der Museumskollegen in den Kontinenten
der Welt bestimmen.
Die Konferenz war in drei thematische Sektionen aufge­
teilt. Mit der Frage Is the museum still a place for debate?
begann der erste Tag, gefolgt von der Frage How has mo­
dernism been percieved globally?, am dritten Tag wurde
erörtert Is there a global audience?
Der Eröffnungsvortrag von Patricia Falguières aus Pa­
ris, zeichnete die historischen Entwicklungen der Debat­
tenkultur im Museum nach und erläuterte, dass sich erst
nach 1968 mit den Emanzipationsbewegungen die Aus­
einandersetzungen in das Museum verlagerten und die
folgende Institutionskritik einen Umbruch forcierte. Erzie­
hung und Bildung waren zwar historisch mit dem Mu­
seumsbegriff verbunden, aber gesellschaftspolitische De­
batten wurden in Universitäten, Salons, Presse und in der
Politik geführt. Das ist heute grundlegend anders geworden.
Mika Kuraya vom National Museum of Modern Art
(MOMAT) in Tokio machte am Beispiel einer aktuellen
Ausstellung mit dem japanisch-französischen Maler Fouji­
ta Tsuguharu deutlich, wie eine Debatte über den Zweiten
Weltkrieg im Museum angestoßen wird. Seine Bilder hat­
ten im Paris der 1920er Jahre viel Erfolg. Als er während
der Pazifischen Kriege nach Japan zurückkehrte und die
militärischen Anstrengungen der Japaner darstellte, wur­
den die Bilder nach der japanischen Niederlage von der
US-Regierung konfisziert und kehrten erst in den 1970er
Jahren ins Museum zurück. Die Diskussion, ob die Bilder
ausgestellt werden dürfen, wurde bis 2015 geführt. Es
bleibt unklar, ob Foujita den Krieg verherrlichte oder ihn
ablehnte. Durch die öffentliche Ausstellung im MOMAT
hat nun eine rege und fruchtbare Diskussion auch darüber
begonnen, wie die eigenen Bestände der Museumssamm­
lung aufgearbeitet werden können.
Jack Persekian, Direktor des am 15. Mai 2016 eröff­
neten Palestinian Museum in Palästina, berichtete von dem
jahrelangen Kampf, überhaupt ein Museum in Palästina
zu etablieren. Schon die Frage, wer Palästinenser ist und
was in dem Museum überhaupt ausgestellt werden kann,
ist ein nicht abgeschlossener Prozess. Auch wie das Ver­
hältnis zu israelischen Institutionen gelebt werden kann.
Das Museum ist entschlossen, ein Ort der offenen Türen
zu werden, in dem jeder willkommen ist, in dem multiple
Stimmen zu hören sein sollen und der Dialog immer mög­
lich sein wird.
Brook Andrew, ein Künstler mit indigenen Wurzeln aus
Melbourne, arbeitete in gut gewählten Beispielen das do­
minante westliche Narrativ heraus mit dem besonderen Fo­
kus Australien, das im globalen Kunstdiskurs lange eine
Voreiterrolle besetzte.
Shigemi Inaga aus Kyoto eröffnete den zweiten Tag mit
der interessanten Frage, was eigentlich Moderne meint
und was das Globale als etwas Anderes auszeichnet. Er
analysierte in einem philosophischen Vortrag die Dichoto­
mie einer westlichen Moderne und den nicht-westlichen
Traditionen. Eine Ausgrenzung von „The West and the
Rest“ ist demnach nicht mehr zu rechtfertigen.
Weitere Sprecher aus Hongkong, San Diego, Singapur,
Berlin/Eurasia, Cochin und Malaysia legten anhand ihrer
spezifischen lokalen Bedingungen dar, wie wichtig und
weiterführend es ist, die Idee des Museums anzupassen
und zu diskutieren.
Die von unseren japanischen Kollegen so freundlich und
präzise durchgeführte Konferenz bot neben dem offizi­
ellen Austausch in den Sektionen auch Möglichkeiten, ei­
nige staatliche und private Museen zu besuchen, sich zu
begegnen und persönlich auszutauschen.
Dr. Britta Schmitz, Nationalgalerie im Hamburger Bahnhof – Muse­
um für Gegenwart, Berlin, ist zuständig für die Kunst nach 1945 und
globale zeitgenössische Kunst; [email protected].
Weitere Informationen:
Umfangreicher Tagungsbericht:
http://cimam.org/annual-conference/tokyo2015/tokyo-2015
ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2016
| 37
INTERNATIONALE KOMITEES
CIDOC – International Committee for Documentation
Documenting Diversity – Collections,
Catalogues and Context
Jahrestagung vom 5. bis 10. September 2015 in NeuDelhi, Indien
Der Gastgeber der Jahrestagung 2015 war das National
Museums Institute of History of Art, Conservation und
Museology, das im Gebäude des Nationalmuseums behei­
matet ist. Die Tagungsorganisatorin Manvi Sharma arbei­
tete eng mit weiteren indischen Partnern, dem National
Archives of India, dem Indira Ghandi National Center of
Art, dem National Rail Museum, dem Nehru Memorial
Museum and Library und dem benachbarten Vigyan Bha­
wan Complex zusammen. Vor der eigentlichen Konferenz
fand, wie bei CIDOC üblich, ein Pre-Conference-Wochen­
ende mit halbtägigen Workshops, Arbeitsgruppen und
tutorials in den Räumen der National Gallery of Modern
Art statt. Workshops veranstalteten die LIDO- und die
Documentation-Standards-Arbeitsgruppen, ferner tagten
die Arbeitsgruppen zu CIDOC CRM und FBR00++,
Exhibition und Performance Documentation sowie Intan­
gible Cultural Heritage (ICH). Die beiden letztgenannten
Arbeitsgruppen sind noch relativ neu und insbesondere
die Dokumentation des intangible heritage, des immateri­
ellen Kulturerbes, hat sich in Indien als wichtiges Thema
erwiesen, was sich in einer Vielzahl von Tagungsbeiträgen
zu diesem Thema und insbesondere zu storytelling oder der
Dokumentation ethnischer Feste widerspiegelte.
Aus aktuellem Anlass gab es einen Workshop über die
(mögliche) Rolle CIDOCs in internationalen humanitären
Programmen. Der CIDOC-Präsident Nicholas Crofts be­
richtete über Anfragen an das CIDOC-Komitee, dessen
Kompetenz im Rahmen humanitärer Hilfe, beim Wieder­
aufbau nach Katastrophen und Kriegsfällen oder bei der
Bekämpfung von illegalem Handel mit Kulturgut zu nut­
zen. Im praktischen Teil versuchten Teilnehmer des Work­
shops, mögliche Hilfen und Methoden zu skizzieren und
zu erarbeiten.
Nach der Eröffnungszeremonie begannen die Tagungstage
mit Impulsreferaten von Kishor K. Basa, Kamal K. Mishra
und Rajeev Lohan. Ihnen folgten 25 verschiedene Sessions
mit 124 Vorträgen, eingeordnet unter drei Themen­schwer­
punkte: Strategien und Richtlinien für die Dokumentation
der Vielfalt von Kultur, Techniken und Methoden der Doku­
mentation sowie Zugang und Integration – Zusammenarbeit
mit Archiven und anderen Kulturerbe-Institutionen.
Drei Podiumsdiskussionen galten der Rolle der Frau bei
der Dokumentation der Vielfalt in Indien und ihrem Zu­
gang zum Kulturerbe, der Herausforderung, das „zeitge­
nössische Indien“ zu sammeln und der Zusammenarbeit
von Bibliotheken, Archiven und Museen. Einen Sonder­
beitrag leistete Nicolas Merrimans vom Manchester-Mu­
seum, der sich in seinem Vortrag „Campaign for Collecting“
nachdrücklich für eine aktive Sammlungstätigkeit der Mu­
seen einsetzte.
Im Rahmenprogramm fanden Museumsführungen, high
tea auf den Lawn sowie ein Nachmittag im Rhashtrapati
38 | ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2016
Foto: Martina Krug
Martina Krug, Monika Hagedorn-Saupe
Eingangshalle des Nationalmuseums, die aus Anlass der Jahrestagung
mit einem Blütenteppich geschmückt wurde. Das Konferenz-Logo
zeigt in stilisierter Form das im 18. Jahrhundert erbaute Observato­
rium Jantar Mantar in Delhi.
Bhawan Museum mit nachfolgendem Empfang durch den
indischen Ministerpräsidenten statt. Der Exkursionstag
führte nach Agra mit einem Besuch des Tadj Mahals.
An der Tagung nahmen 308 Museumsexperten aus 42
Ländern, darunter 230 Kollegen aus Indien, teil.
Martina Krug leitet das Städtische Museum Hann. Münden. Sie ist
Mitglied im Vorstand von CIDOC; [email protected].
Professor Monika Hagedorn-Saupe ist stellvertretende Leiterin des
Instituts für Museumsforschung, Berlin. Sie ist kommissarische Präsi­
dentin von CIDOC; [email protected].
Weitere Informationen:
Umfangreiche Tagungsdokumentation mit Fotos und Referatstex­
ten: www.cidoc2015.in; CIDOC-Webseite:
http://network.icom.museum/cidoc/arkiv/tidigare-konferenser/
2015-new-delhi/L/11 sowie auf Facebook unter CIDOC Events
Die Jahrestagung 2016 wird im Rahmen der ICOM-Generalkonferenz
in Mailand mit einem gesonderten Veranstaltungstag für CIDOCTeilnehmer in Turin stattfinden.
INTERNATIONALE KOMITEES
From Historism to the Multimedia Age.
Content – Concept – Design of Egyptian
Museums and Collections
Jahrestagung vom 1. bis 4. September 2015 in München
Gabriele Pieke
Nach einigen Jahren fand die CIPEG-Jahrestagung 2015
wieder einmal in Deutschland statt. Für die inhaltliche
Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Aspekten
und Herausforderungen des Kuratierens sowie den vielfäl­
tigen Möglichkeiten der Ausstellungsgestaltung bot das
Staatliche Museum Ägyptischer Kunst – ein Museum, das
erst 2013 in einen architektonisch sehr beeindruckenden
Neubau im Münchner Museumsareal gezogen ist – den
perfekten Rahmen. Der Umzug in neue Räume sowie die
komplette Neuaufstellung einer alteingesessenen und
hochkarätigen Sammlung stellt eine Herausforderung und
gleichzeitig eine besondere Chance für Museumsleitung,
Kuratoren und auch Restauratoren dar. Von daher war es
der Wunsch vieler Mitglieder von CIPEG, im Kontext der
Jahrestagung das Museum zu besuchen, einen Einblick in
die Konzeption von Architektur und Ausstattung sowie
Erfahrungsberichte der Münchner Kollegen zu erhalten.
Eines der Highlights der Tagung war sicherlich der Rund­
gang mit der Direktorin und dem Ausstellungsarchitekten
durch die neuen Sammlungsräume.
Auch andere namhafte Museen waren oder sind größe­
ren Veränderungen unterworfen und berühmte ägyptische
Sammlungen wie etwa in Berlin, Brooklyn, London oder
auch Turin haben in den vergangenen Jahren ihre Dauer­
ausstellungen umgebaut. Insbesondere historische Gebäu­
de bringen dabei mancherlei Zwänge mit sich und können
hinderliche Parameter für die verantwortlichen Kuratoren
darstellen. Sammlungen wie etwa im British Museum oder
dem Brooklyn Museum müssen sich zudem in ihren multi­
diziplinären Häusern der Konkurrenz mit anderen Abtei­
lungen stellen und sind häufig den Marketinginteressen der
Generaldirektion unterworfen. Insgesamt bieten die zahl­
reichen weltweiten ägyptischen Sammlungen eine reiche
Palette an Ausstellungsformen sowie konzeptionellen und
gestalterischen Ansätzen, wobei je nach Standort die Ge­
wichtung der sozialen, kulturellen oder didaktischen Be­
dürfnisse anders in die Ausstellungskonzepte einfließt. Das
reiche Vortragsprogramm der Tagung bot den 54 Teilneh­
mern aus elf verschiedenen Ländern vielfältige Gelegenheit,
Erfahrungswerte auszutauschen, wobei neben Vorträgen
zur Geschichte verschiedener Sammlungen insbesondere
die Präsentationen von Neukonzeptionen und Ausstellungs­
gestaltungen einen spannenden Überblick vermittelten.
Dank der Förderung durch ICOM Deutschland war es
auch möglich, vier zentrale Figuren der derzeitigen Mu­
seums­landschaft in Ägypten einzuladen. Die Vorträge der
Direktoren des National Museum of Egyptian Civilization
sowie des derzeit im Bau befindlichen Grand Egyptian
Museum an den Pyramiden von Giza wurden mit größter
Spannung erwartet und boten Anlass für eine sehr lebhafte
und höchst konstruktive Diskussion. Der fast zeitgleiche
Bau zweier gigantischer Museumsgebäude und die daran
anknüpfende maßgebliche Umstrukturierung der gesamten
Sammlungsbestände des Ägyptischen Museums am TahrirPlatz, dem größten Museum für altägyptische Objekte
weltweit, stellt für die Kollegen in Ägypten eine außeror­
dentliche Herausforderung dar. So wurde erstmalig eine
Neukonzeption für dieses 1902 eröffnete und sehr eta­
blierte Museum vorgestellt, die diesem zentralen Haus eine
neue Perspektive geben soll, auch nachdem der berühmte
Grabschatz des Tutanchamun, die Königsmumien sowie
andere Highlights in die beiden anderen Häuser abgezogen
sein werden. Zudem berichtete die Leiterin der Museums­
abteilung im Antikenministerium über die Neueröffnung
des Suez-Museums und ihre Bestrebungen der Fachausbil­
dung von Kuratoren und Restauratoren, wobei CIPEG
und die internationale Museumsgemeinschaft um aktive
Unterstützung gebeten wurden.
Die CIPEG-Jahrestagung bot erneut ein reiches Diskus­
sionsforum mit vielfältigen Gelegenheiten, sich über neue
Ausstellungskonzepte sowie damit zusammenhängende
Probleme und Herausforderungen auszutauschen. Die von
den Münchner Kollegen organisierten Führungen durch
verschiedene andere Museen der Stadt befruchteten zudem
das Thema und den Blick auf die Inszenierung der eigenen
Sammlungen.
Dr. Gabriele Pieke ist seit 2013 Präsidentin von CIPEG und derzeit
als wissenschaftliche Sammlungsleiterin der Abteilung Altägypten
bei den Reiss-Engelhorn-Museen in Mannheim tätig. Sie ist Mitglied
im Vorstand von ICOM Deutschland; [email protected].
Weitere Informationen:
Abstracts und Präsentationen: http://cipeg.icom.museum
Foto: Staatliches Museum Ägyptischer Kunst, Marianne Franke
CIPEG – International Committee for Egyptology
Staatliches Museum Ägyptischer Kunst, München:
Blick in den Ausstellungsraum Kunst und Form
ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2016
| 39
INTERNATIONALE KOMITEES
Vom Sammeln und von Sammlungen –
Politik und Praxis der gesellschaftlichen,
wirtschaftlichen und intellektuellen
Nachhaltigkeit
Jahrestagung vom 26. bis 28. Oktober 2015 in Seoul,
Korea
Léontine Meijer-van Mensch
Im Januar 2016 veröffentlichte die Firma Larry’s List (Hong­
kong) ihren Bericht über private Kunstmuseen (Private Art
Museums Report), „die erste Studie zur weltweiten Stellung
von privat gegründeten Museen zeitgenössischer Kunst“.
Der Bericht führt 317 Museen dieser Art auf, wovon über
siebzig Prozent nach dem Jahr 2000 gegründet wurden. In
Südkorea befindet sich die größte Anzahl (45) der durch
Privatpersonen gegründeten Museen zeitgenössischer Kunst;
die Hauptstadt Seoul allein beherbergt 13 Museen dieses
Typus und führt damit die Rangliste unter den Städten an.
Das Land hat somit mehr Privatmuseen als die Vereinig­ten
Staaten (43) und Deutschland (42), Länder, die für solche
Museen im Allgemeinen bekannter sind. Ein guter Grund
also für COMCOL, sein Jahrestreffen in Südkorea abzu­
halten und über die nachhaltigen Beziehungen zwischen
Privatmuseen und privaten Sammlern auf der einen Seite
und staatlich finanzierten Museen auf der anderen zu re­
flektieren.
Das Akronym COMCOL steht für Internationales Samm­
lungskomitee (engl.: International Committee for Collec­
ting). Das Ziel des Komitees liegt darin, Kenntnisse in der
Theorie, Praxis und Ethik des Sammelns und der (Weiter-)
Entwicklung von Sammlungen zu verbreiten und den Aus­
tausch in diesen Bereichen zu vertiefen.
Die Jahrestagung 2015 wurde in Koopera­tion mit ICOM
Korea und insbesondere mit dem National Folk Museum
of Korea organisiert. Im Zentrum der Tagung stand das
Thema „Nachhaltigkeit des Sammelns und von Samm­
lungen“, angelehnt an das Thema des Inter­nationalen Mu­
seumstages 2015 „Museum. Gesellschaft. Zukunft“, wo­
bei der Fokus von COMCOL auf Nachhaltigkeit in den
Aufgaben von Museen, privaten Sammlern und deren
Sammlungen lag.
In ihrer Broschüre Sustainability and museums. Your
chance to make a difference (2008) bespricht die Museums
Association, wie „Konzepte der Nachhaltigkeit das Poten­
tial haben, Museen zu helfen, ihre Arbeit im Dienste der
Gesellschaft zu verbessern, Entscheidungen im Bereich
Sammlungsmanagement zu treffen, eine langfristige finan­
zielle Stabilität sicherzustellen – und, selbstverständlich,
zukünftigen Generationen angemessen zu dienen“. Zum
Thema Sammlungen schlägt die Museums Association vor,
Museen sollten zur Förderung der Nachhaltigkeit „den
Beitrag früherer Generationen anerkennen und der nächs­
ten Generation ein fortentwickeltes Erbe aus Sammlun­gen,
Informationen und Wissen hinterlassen“ sowie „Samm­
lungen auf solch eine Weise verwalten, dass zukünftige
Generationen in ihnen keine Bürde, sondern eine Bereiche­
rung sehen.“
40 | ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2016
Auf der Tagung wollten die Teilnehmerinnen und Teil­
nehmer die Bedeutung des Begriffs Nachhaltigkeit im
Sinne der Zusammensetzung und Ordnung von Samm­
lungen erörtern. Welche spezifischen methodologi­
s chen
Ansätze zur Sammlungsentwicklung sind für ein nach­
haltiges Ergebnis erforderlich? In hervorragenden Bei­
trägen, Podiumsdiskussionen und Exkursionen befass­ten
wir uns u. a. mit den folgenden Fragen: Es heißt, Museen
arbeiten für die Ewigkeit. Akquisitions- und Verkaufs­
grundsätze und deren Umsetzung sind jedoch immer in
ihrer Zeit verankert und das Ergebnis von Entscheidun­
gen, die zu einem bestimmten Zeitpunkt getroffen werden,
dann allerdings langfristige Konsequenzen haben. Wie
können Museen und andere Institutionen des kulturel­
len Erbes verschiedenen – und manchmal widersprüch­
lichen – gesellschaftlichen Anforderungen gerecht werden?
Was bedeutet Nachhaltigkeit für Privatsammlungen?
Welche Rolle spielt die Sammlerin/der Sammler? Wie lange
nach ihrem/seinem Tod sollte der Philosophie der Samm­
lerin/des Sammlers entsprochen werden? Was bedeutet das
für unabhängige Museen, die auf der Grundlage einer Pri­
vatsammlung entstanden sind? Wenn eine Privatsammlung
in eine größere Museumssammlung integriert wird, sollte
die bestehende Zusammenstellung und Ordnung beibe­
halten werden und die Sammlung so eine separate Einheit
bleiben? Vor allem die Besuche der privaten Museen und
der Austausch mit den Kollegen vor Ort waren sehr lehr­
reich und inspirierend.
Diese Konferenz und unsere anschließende Exkursion
wären ohne die Hilfe der Kolleginnen und Kollegen und
des National Folk Museum nicht möglich gewesen, und
ich möchte mich aufrichtig bei allen Beteiligten bedanken.
Es war äußerst interessant, Probleme der Nachhaltigkeit
im räumlichen Kontext des „Wunders des Han-Flusses“
und innerhalb einer Gesellschaft, die sich nachhaltige Ent­
wicklung zur Priorität gemacht hat, zu reflektieren. Hof­
fentlich wird noch in diesem Jahr der Tagungsband in
englischer Sprache erscheinen.
Léontine Meijer-van Mensch ist stellvertretende Direktorin des Mu­
seums Europäischer Kulturen, Berlin, und Präsidentin von COMCOL,
[email protected].
Foto: Danielle Kuijten
COMCOL – International Committee for Collecting
Seoul: Zugang zum Museum für Schlösser, Verschlüsse und Schlüs­
selanhänger
INTERNATIONALE KOMITEES
ICLM – International Committee for Literary Museums
Literature, Music and Cultural Heritage
Jahrestagung vom 25. bis 29. September 2015
in Tiflis, Georgien
Lothar Jordan
Zum ersten Mal fand die Jahrestagung in Georgien statt,
86 Mitglieder und Gäste kamen nach Tiflis, um sich dem
Thema „Literature, Music and Cultural Heritage“ zu
wid­men und einige Museen des Landes kennenzulernen.
Haupt­veranstaltungsort war das Historische Museum des
Georgischen Nationalmuseums, das an der schönen und
lebendigen Rustaweli-Avenue im Zentrum der Hauptstadt
liegt, die nach dem georgischen Nationaldichter Schota
Rustaweli benannt ist. Zu Beginn wurde in diesem Muse­
um eine Ausstellung des Tschaikowski-Museums (Klin,
Russland) eröffnet.
Von den 86 Teilnehmerinnen und Teilnehmern kamen ne­
ben der Präsidentin des ICLM, Galina Alexejewa (Jasnaja
Poljana, Museumsdomäne Leo Tolstoi) weitere 51 aus
Russ­land und 18 aus Georgien. Die meisten der insgesamt
32 Vorträge des reichhaltigen Programms wurden auf Rus­
sisch gehalten, zahlreiche weitere auf Georgisch, jeweils mit
Synchronübersetzung ins Englische. Selbst der deutsche
Sekretär des ICLM, Dr. Bernhard Lauer (Brüder-GrimmMuseum, Kassel) sprach auf Russisch. Er schlug einen
weiten Bogen von Herders Theorien zur sprachlichen und
kulturellen Vielfalt zu den zahlreichen Literaturmuseen in
Mittel- und Osteuropa, die nach dem Ende des Kalten
Krieges die jeweiligen Nationalsprachen und -literaturen
in neuer Freiheit und mit großer Bedeutung für das natio­
nale kulturelle Selbstverständnis in die Museumsarbeit auf­
genommen haben. Ein nicht geringer Teil der Referentinnen
und Referenten verstand das Thema der Tagung als Auf­
forderung, die Geschichte und die Arbeit des je eigenen
Museums darzustellen. So ergaben sich interessante Ein­
blicke vor allem in die mir bis dahin unbekannten georgi­
schen Museen.
Einen anderen Ansatz verfolgte der Vortrag von Gabriella
Gulyás vom Petöfi-Museum, Budapest, dem ungarischen
Nationalmuseum für Literatur. Sie verband hervorragend
eine abstrahierende Reflexion auf die Zielgruppen ihres
Hauses, insbesondere unter didaktischen Aspekten, da­
runter auch Weiterbildung für das eigene Team, mit Beispie­
len aus der eigenen Praxis, wie junge Menschen in konkre­
ten Aktionen für das Lesen, die Literatur und den Besuch
des Museums gewonnen werden können.
Es war interessant, die gute Zusammenarbeit zwischen
den russischen und den georgischen Kolleginnen und Kol­
legen zu beobachten. Und doch gab es eine wiederholte,
ungewöhnlich heftige Diskussion, die zeigte, dass das rus­
sisch-georgische Verhältnis auch im Umgang mit der teils
gemeinsamen Kulturgeschichte noch nicht harmonisch ist.
So etwa eine Diskussion um das „Smirnow-Museum“, ei­
nen Erinne­rungsort prominenter russischer Besucherin­nen
und Besucher, darunter etlicher Schriftsteller vor allem des
19. Jahrhunderts. Es befindet sich in einer jetzt „Kauka­
sisches Haus“ genannten, auch von deutschen Stiftungen
geförderten Einrichtung, die sich kaukasischer Kultur
widmet und auch Flüchtlingen aus Tschetschenien als
Zuflucht diente. Ein kleiner Teil soll, so war dort zu er­
fahren, als Smirnow-Museum im Jahre 2016 wiedereröff­
net werden. Dass es zur Zeit geschlossen ist, wurde von
etlichen russischen Teilnehmern heftig kritisiert. Eine so
hitzige Debatte habe ich in ICLM noch nicht erlebt.
Eine interessante europäische Initiative stellte Adriano
Rigoli, der Präsident der Associazione Nazionale Case della
Memoria (Italien), vor. Das unter dem Schirm der EXPO
2015 entstandene Projekt „Taste in History. Eno-Gastro­
nomy and Culture in Historic Homes“ will Tourismus und
kulturelle Arbeit sinnlicher zusammenbringen. Literatur­
museen und andere Personalmuseen sollen dabei eine wich­
tige Rolle spielen und so sind ICLM und auch DEMHIST
beteiligt.
Die Museumsbesuche, betreut von überwiegend jungen
engagierten Mitarbeiterinnen der Museen und von ICOM
Georgien unter der Leitung der Präsidentin Inga Karaia,
und eine Exkursion nach Kachetien gaben einen guten Ein­
druck von der Vielfalt und der Bedeutung der georgischen
Museumsszene. Besichtigt wurden in Tiflis das Staatliche
Museum für Volksmusik und volkstümliche Instrumente
und das Giorgi-Leonidse-Museum für georgische Litera­
tur. Dessen Nutzen für die ausländischen Teilnehmerinnen
und Teilnehmer hielt sich in Grenzen, da alle erläuternden
Texte nur in Georgisch zu lesen waren. In meinem Referat
habe ich darauf aufmerksam gemacht, dass die Trias der
Sprachenpolitik der UNESCO – Förderung von sprachli­
cher Vielfalt (auch der Nationalsprachen), Mehrsprachig­
keit und Übersetzungen – gerade für Literaturmuseen be­
sonders plausibel ist.
Dr. Lothar Jordan ist seit 2013 Vizepräsident des UNESCO-Programms
Memory of the World (Weltdokumentenerbe). Von 2007 bis 2013
war er ICLM-Präsident und von 2008 bis 2013 Mitglied des Vor­
standes von ICOM Deutschland; [email protected].
Weitere Informationen:
Programm und Fotodokumentation:
http://network.icom.museum/iclm
ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2016
| 41
INTERNATIONALE KOMITEES
Science and Technology, Innovation:
Museum and Cultural Heritage Security
41. Jahrestagung vom 19. bis 23. Oktober 2015 in
Zhengzhou, China
Hans-Jürgen Harras
Die Museumswelt Chinas hat in den vergangenen Jahren
zahlreiche Anstrengungen unternommen, um das Sicher­
heitsniveau in ihren Häusern zu erhöhen. Die dabei erreich­
ten Erfolge und die Erfahrungen beim Einsatz verschie­
dener neuer Technologien war den chinesischen Kollegen
eine Herzensangelegenheit. In China hat sich eine starke
nationale Gruppe von Spezialisten der Museumssicherheit
gebildet, die unter der Führung des Direktors des HenanMuseum, Tian Kai, diese Jahrestagung begleitet und mit­
gestaltet hat. Es kamen insgesamt 130 Teilnehmer, von
denen 57 bereits Mitglieder im ICMS waren.
Aufgrund aktueller Anlässe wurde in mehreren Vorträ­
gen der Fokus auf die Bedrohung durch Terrorismus und
die unterschiedlichen Herangehensweisen zur Gefahren­
erkennung und -abwehr gelegt. Deng Yi aus China erläu­
terte etwa eine neue Videomethode, durch die alle Muse­
umsbesucher per Gesichtserkennung erfasst und in einer
Datenbank gespeichert werden. Dadurch können Besucher
identi­fiziert werden, die das Museum mehrmals besuchen.
Durch die genauere Observation dieser Mehrfachbesu­
cher wird dann analysiert, ob sich hinter den wiederhol­
ten Besuchen eventuell unlautere oder gar gefährliche
Absichten oder Aktionen verbergen. Hinsichtlich des
Datenschutzes ist eine solche Herangehensweise im euro­
päischen Raum sicher auszuschließen.
Bob Combs vom Getty Museum gab in seiner Präsenta­
tion einen Überblick über diverse Vorfälle in Museen wie
Brände, Einbrüche, Diebstähle, Überfälle und andere Be­
drohungen. Dabei ging er auch auf die Hintergründe, Vor­
gehensweisen und ähnliches ein, um all dies als Grundlage
für weitere Risikobetrachtungen nutzen zu können.
Stephen St. Laurent vom Boston Museum of Fine Arts
stellte anhand der in seinem Museum eingeführten OpenSource-Management-Lösung dar, wie durch die Abkehr
von proprietären Sicherheitssystemen und die Hinwendung
zu offenen Systemen in seinem Museum eine wesentlich
bessere Übersicht über die Sicherheitsanlagen bei redu­
zierten Kosten gewonnen werden konnte.
Betty Karanja aus Kenia berichtete über die dortigen Be­
drohungen für die Sammlungen im Nationalmuseum in
Nairobi und den – gegenüber dem europäischen oder auch
chinesischen Herangehen sehr vereinfachten – technischen
und organisatorischen Maßnahmen zur Verbesserung der
Sicherheit.
Neben allen technischen Vorträgen hatten die chinesi­
schen Kollegen auch ein umfangreiches Rahmenprogramm
vorbereitet. Mit großem Stolz führten sie die Tagungsteil­
nehmer zu den übergroßen Buddha-Statuen in Luoyang
(Drachentor-Grotten), die seit 2000 zum UNESCO-Welt­
kulturerbe gehören, sowie zum Tempel der Shaolin-Mönche
in Dengfeng. So lernten wir neben bekannten auch wirklich
neue, interessante Präsentationsformen kennen – wir sahen
42 | ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2016
z. B. in einer Vitrine mittels 3D-Medienstation eine chi­
nesische Oper, die im Raum zu schweben schien. Auch
alte Buchdrucktechniken wie mehrfarbiger Bilddruck in
mehreren handwerklichen Arbeitsschritten wurden vor­
geführt und konnten von den Teilnehmern und Besuchern
selbst ausprobiert werden.
Die ICMS-Mitglieder haben beschlossen, im Jahre 2016
einen Workshop zur Museumssicherheit in Nairobi, Kenia,
mit Vorträgen und auch finanzieller Hilfe zu unterstützen.
Hans-Jürgen Harras leitet das Referat Sicherheit der Staatlichen Mu­
seen zu Berlin, Stiftung Preußischer Kulturbesitz;
[email protected].
Weitere Informationen:
Die Jahrestagung 2016 wird vom 3. bis 9. Juli im Rahmen der ICOMGeneralkonferenz in Mailand stattfinden. Titel: Museums and Cultu­
ral Landscapes Building up a Cultural Heritage
(siehe http://network.icom.museum/icms).
Mitglieder aus Entwicklungsländern können Stipendien beantra­
gen. Die Jahrestagung 2017 wird voraussichtlich in Boston, USA,
stattfinden.
Foto: Barbara Fischer
ICMS – International Committee for Museum Security
Luoyang: Die Longmen-Grotten beherbergen die umfangreichste
Sammlung buddhistischer Statuen in China. Die größte Statue misst
mehr als 17 Meter .
INTERNATIONALE KOMITEES
„Reflets de Venise“
Gemeinsame Tagung mit AIHV – Association
Inter­national pour l’Histoire du Verre – vom 7. bis
14. September 2015 in Fribourg und Romont,
Schweiz
Sven Hauschke
Die ICOM-Glass-Jahrestagung fand im Rahmen der im
dreijährigen Rhythmus ausgerichteten Tagung der AIHV
statt. Ausgangspunkt war die Überlegung, beide internatio­
nale Glasvereinigungen nach langer Zeit wieder einmal zu­
sammenzubringen und neue Mitglieder zu gewinnen. Von
den mehr als 250 Teilnehmern, die aus 33 Ländern stamm­
ten, waren zugleich 24 auch Komitee-Mitglieder. Insgesamt
gab es mehr als 100 Vorträge und 80 Poster. Die Teilneh­
mer kamen aus den Bereichen Museum, Forschung, Uni­
versität, Denkmalpflege, Archäologie, Kunsthandel und
Sammlerwesen. Die Vorträge boten vielfältige Einblicke
in aktuelle Forschungen sowie intensive Diskussionsmög­
lichkeiten. Daneben wurden naturwissenschaftliche Ana­
lysemethoden und ihre Aussagefähigkeit vorgestellt sowie
grundsätzliche Fragen zum Objekttransfer erörtert.
Traditionell liegt der Schwerpunkt der AIHV auf der
Archäologie, doch gab es im Jahre 2015 auch einen Fokus
auf das nachmittelalterliche Glas, insbesondere wegen der
von Erwin Baumgartner organisierten Ausstellung „Reflets
de Venise“ in Romont, die einen Großteil der schweizeri­
schen Bestände der in Venedig oder „a la Façon de Venise“
gefertigten Gläser versammelte. Im Rahmen einer zum Vi­
tro­­musée Romont geführten Exkursion gab es neben einer
Führung durch die Sonderausstellung auch eine Glasbläser­
demonstration von William Gudenrath aus Corning, der
venezianische Gläser fertigte und historische Techniken am
Brennofen vorführte. Die Präsentation von historischen
Objekten in der Sonderausstellung und ihre live zu erleben­de
Nachbildung bot reichlich Anschauungsmaterial und zog
eine lebhafte Diskussion über die unterschiedlichen Her­
stellungsweisen nach sich.
Die zwei Post-Conference-Touren fokussierten sich auf
das archäologische bzw. moderne Glas: Am Samstag ging
es in das größte archäologische Museum der Schweiz, das
Lateni­um in Neuchâtel, und in das römische Museum von
Avanches.
Am Sonntag fuhr eine kleinere Gruppe nach Genf zum
Musée Ariana, dem schweizerischen Museum für Keramik
und Glas. Die Kuratoren Stanislas Anthonioz und Ana
Quintero Pérez führten uns durch die Ausstellungen zum
künstlerisch gestalteten Glas der Glashütte Saint-Prex sowie
zu derjenigen der englischen Künstlerin Anna Dickinson.
Ihre in einer unglaublichen Perfektion ausgeführten Ob­
jekte aus Glas stellen zwar von ihrer Funktion her Gefäße
dar, in ihrer formalen Kraft und der Kombination mit Me­
talleinsätzen sind sie aber Skulpturen. Anschließend fuh­
ren wir nach Lausanne in das Musée de design et d’arts
appliqués contemporains (Mudac), wo uns die Kuratorin
Bettina Tschumi durch die Sammlung und die Ausstellung
zu den Glaserwerbungen der letzten Jahre führte.
Zum Abschluss der Exkursion zeigte uns Stefan Trümpler,
Direktor des Vitromusée Romont, in der Kathedrale von
Lausanne den Zyklus von Glasfenstern des 20. Jahrhun­
derts sowie die vom Musée Romont restaurierten Glasfens­
ter der Rosette im südlichen Querhaus aus dem frühen 13.
Jahrhundert.
Die Post-Conference-Tour des ICOM Glass Committee
konzentrierte sich auf Zürich und normalerweise nicht
zugängliche Bereiche. In Affoltern am Albis führte uns
Christine Keller Lüthi durch das in einem ehemaligen Mi­
litärdepot untergebrachte Sammlungszentrum des Schwei­
zerischen Nationalmuseums. Es ist zugleich Zentraldepot
und Restaurierungszentrum. Beeindruckend waren Tau­
sen­de von Glasfragmenten von Schloss Hallwyl, die zwi­
schen 1910 und 1916 bei der systematischen Ausgrabung
des Wassergrabens geborgen wurden. Die unter dem schwe­
dischen Archäologen Nils Lithberg erfolgte Reinigung, Er­
fassung und teilweise Montage der über einen Zeitraum von
sechs Jahrhunderten gefertigten Funde ist ein historisches
Zeugnis der Archäologie. Momentan werden in einem mehr­
jährigen Projekt, das in einer neuen Dauerausstellung mün­
den soll, die Funde neu erfasst und gereinigt und die Gläser
nach Möglichkeit wieder zusammengefügt.
Am Nachmittag konnten wir das Depot des im letzten
Jahr im Toni-Areal neu untergebrachten Museums für Ge­
staltung besuchen. Franziska Müller-Reissmann zeigte uns
die Glasbestände, deren Schwerpunkt auf dem 19. und
20. Jahrhundert liegt, aber auch aktuelles Studioglas um­
fasst.
Die ICOM-Glass-Jahrestagung bot intensiven Austausch
mit Kollegen aus Deutschland, Europa, Amerika und Asien
und brachte ganz unterschiedliche Bereiche zusammen.
2016 wird das Treffen innerhalb der ICOM Generalkon­
ferenz in Mailand stattfinden und zahlreiche Exkursio­nen
zu den reichhaltigen norditalienischen Glassammlungen
bieten.
Dr. Sven Hauschke ist Leiter der Sammlung Kunsthandwerk und
des Europäischen Museums für Modernes Glas der Kunstsamm­
lungen der Veste Coburg. Er ist Schatzmeister von ICOM Glass;
s.hauschke@ kunstsammlungen-coburg.de.
Foto: Sven Hauschke
GLASS – International Committee for Museums
and Collections of Glass
Glasfragment von Schloss Hallwyl; Montage um 1916
ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2016
| 43
INTERNATIONALE KOMITEES
Jahrestagung vom 19. bis 24. Oktober 2015
in Jerusalem und Tel Aviv, Israel
Otto Lohr
Die Jahrestagung fand auf Einladung von ICOM Israel
statt. Das mit dreißig Beiträgen dichte Vortragsprogramm
beleuchtete das Tagungsthema unter verschiedensten Ge­
sichtspunkten. Zur Einstimmung auf das gastgebende Land
gab Idit Amihai einen Überblick über die Museen in Israel,
das seit 1983 ein Museumsgesetz zur Bewahrung der
Sammlungen hat. Von ungefähr zweihundert Museen, die
sich meist mit Geschichte und Identität Israels beschäftigen,
sind 56 akkreditiert. Nur diese Museen können staatliche
Unterstützung erhalten, sofern sie über eine Mindestfläche
von 1.000 Quadratmetern verfügen. Insgesamt besitzen die
Museen, die jährlich dreihundert Ausstellungen anbieten,
rund 1,25 Million Objekte und ziehen jährlich fünf Millio­
nen Besucher an.
Während in Israel multikulturelle Fragen dominieren,
spie­len sie etwa in Japan mit seinen 5.700 Museen nur eine
geringe Rolle. Mehr Bedeutung haben dort Programme
für Besucher mit körperlichen Behinderungen. In Nepal
fördert die Politik das Miteinander der mehr als hundert
ethnischen Gruppen im Land. Das Tharu-Kulturmuseum
und das Narayanhiti-Palastmuseum in Katmandu sowie
zahlreiche ethnische Museen, verteilt im ganzen Land, neh­
men sich dieser Aufgabe an. Eindrucksvoll waren Birendra
Mahatos Bilder von Gebäuden und Museen vor und nach
dem jüngsten Erdbeben in Nepal. Liang Min vom Shaanxi
History Museum beschrieb die Bedeutung der Museen für
die gesellschaftliche Erziehung in einem multiethnischen
Land wie China. Ihr Museum bemüht sich besonders da­
rum, jüngere Studenten frühzeitig auf traditionelle Werte
zu lenken. Die Geschichte verschiedener ethnischer Grup­
pen und Minderheiten Mexikos zeigte Blanca Gonzales
am Beispiel eines Kochbuchs auf. Shakes Shamir wies am
Beispiel der Wanderausstellungen des Design Centers in
Australien auf die Bedeutung der Kulturvermittlung an
multikulturelle Gruppen in den Regionen hin. Said Abu
Shakra sprach von seiner Vision, in einem Haus im Dorf
Umm el-Fahem die Kunst von Palästinensern und Israelis
mit internationaler Kunst zu vereinigen, aber auch von sei­
ner Befürchtung, dass das Angebot scheitern könnte. Die
Bedeutung der Regionalmuseen im 21. Jahrhundert für Be­
sucher mit verschiedenem kulturellem und sozialem Hin­
tergrund betonte Goranka Horjan, Mitglied des Executive
Council von ICOM. An Best-Practice-Beispielen verschie­
dener europäischer Museen, die mit internationalen Preisen
ausgezeichnet wurden, schilderte sie deren Anstrengun­gen,
der Aufgabe gerecht zu werden.
Das Vortragsprogramm wurde abgerundet durch Ex­kur­
sionen. Besucht wurden das Joe Alon Center mit dem Mu­
seum zur Kultur der Beduinen, Yad Vashem und das L.A.
Mayer Museum für islamische Kunst, das Museum des
jüdischen Volkes Beit Hatfutsot sowie in Jaffa das IlanaGoor-Museum.
44 | ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2016
Dr. Otto Lohr arbeitet in der Landesstelle für die nichtstaatlichen
Museen in Bayern, München, dort ist er verantwortlich für die kunstund kulturhistorischen Museen in Mittelfranken und der Oberpfalz
sowie für die jüdischen Museen; [email protected].
Weitere Informationen:
http://icr.icom.museum
Foto: Eva Adamek
Regional Museums and the Forging of
Identities in a Multicultural Society
Auch 2015 hatte ICR ein Reisestipendium für einen jun­
gen Kollegen ausgeschrieben, das an Birendra Mahato aus
Nepal vergeben wurde. Am Rande der Tagung, die unge­
fähr siebzig Teilnehmer besuchten, wurde die neue ICRPublikation Regional Museums and Local Gastronomic
Heritage vorgestellt.
Foto: Eva Adamek
ICR – International Committee for Regional Museums
Jaffa: Ilanan-Goor-Museum
INTERNATIONALE KOMITEES
Leadership for a Sustainable Museum
Jahrestagung vom 28. bis 31. Oktober 2015
in Washington, USA
Katharina Bechler
Das internationale Komitee INTERCOM, das sich Fragen
des Managements widmet, hatte für die Konferenz folgen­
des Programm zusammengestellt: An erster Stelle standen
strategische, kommunikative und betriebswirtschaftliche
Qualifikationen von Museumsdirektoren, u. a. plädierte
John Wetenhal, Direktor des Textile Museum in Washing­
ton, im Sinne eines verantwortlichen Umgangs mit perso­
nellen und finanziellen Ressourcen für die Führung eines
Museums nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen.
Beim Thema „Entwicklung von langfristig brauchbaren
Organisationsstrukturen“ erläuterte Tony Butler, Direk­
tor des Derby City Council Museum, den behutsamen und
strukturierten Umgestaltungsprozess bei der Umstruk­
turierung der Museumslandschaft in Derby, Großbritan­
nien.
Spannende Perspektiven bot die Thematik „Zielgruppen
und Communitys, wer sind unsere Zielgruppen, was sind
ihre Bedürfnisse, wie dienen wir Ihnen, und wem dienen
wir nicht?“ Hier stellte Rich Harwood, Harvard University,
die Krisenkommunikation nach einem Amoklauf an einer
Schule zum Wiederaufbau von Vertrauen bei Lehrern,
Schülern und in der betroffenen Kleinstadt in den Vereini­
gten Staaten vor. Der von Harwood moderierte Kommu­
nikationsprozess bot – auf anderer Ebene – inspirierende
Anregungen für systematische Kommunikation zwischen
Museen und dem Gemeinwesen in ihrer Umgebung.
Zum Themenbereich „Kunst und internationale Bezie­
hungen“ wurden drei Projekte vorgestellt: ein Workshop
für pakistanische Migranten der Philipps Collection,
Washington, in Zusammenarbeit mit der George Washing­
ton University, Ausstellungen im Dienst einer strategi­schen
„Museums-Diplomatie“ sowie ein dänisches Programm
zur internationalen kulturellen Zusammenarbeit; die Re­
ferenten waren Klaus Ottmann, The Philipps Collection,
Washington, Jette Renneberg Elkjær, Kulturattaché der
Königlich Dänischen Botschaft in Washington u. a. Zu
„Open Data von Museen“, stellte Eleanor E. Fink, Uni­
versity of Southern California, aktuelle Forschungs- und
Arbeitsergebnisse der American Art Collaborative Partners
für die Vernetzung von museumsrelevanten Daten einer
Gruppe von dreizehn prominenten Museen und Archiven
in den Vereinigten Staaten vor.
Einige Vorträge hatten das Thema Rewriting the Narra­
tives of Cultural Heritage. Lonnie Bunch, Gründungsdi­
rektor des zukünftigen National Museum of African Ameri­
can History and Culture, plant, die Geschichte Amerikas
als eine optimistische Erzählung zu amerikanischer und
afrikanischer Geschichte zu präsentieren. Das Museum
soll demzufolge Amerika besser machen und Menschen
Vertrauen und Mut geben. Der zukünftige Museumsdi­
rektor präsentierte bereits die konkrete Raum- und The­
menplanung. Noch viel beeindruckender waren sein En­
thusiasmus und die Vision für das Museum, das nahe dem
Washington-Denkmal in Washington entstehen wird.
Eine andere Facette der Thematik bot der Vortrag zur
Hanauer Museumskonzeption mit Aspekten der Hanauer
Migrationsgeschichte. Unter anderem soll der Transfer von
französischen Märchen durch Hanauer Hugenottenfami­
lien und ihre Verbreitung durch die Brüder Grimm mit der
Schaffung einer Brüder-Grimm-Erlebniswelt in Schloss
Philippsruhe vermittelt werden. Ziel ist u. a. eine verstärkte
kulturelle Bildung für junge Menschen, insbesondere Mi­
granten- und Flüchtlingskinder.
Die Tagung wurde von Museen in Washington und dem
Lehrstuhl Museum Studies an der George Washington
University durchgeführt. Gastgeber waren das George
Washington University Museum / Textile Museum, das
National Building Museum, das National Museum of
Women in the Arts, das National Museum of the American
Indian, das Hirshorn Museum und die Philips Collection.
Resümee: Eine Tagung mit einer Vielfalt an interessanten
und ungewöhnlichen Strategien zum Thema Nachhaltig­
keit in Museen.
Dr. Katharina Bechler ist Direktorin der Städtischen Museen Hanau;
[email protected].
Weitere Informationen:
Fotodokumentation:
www.facebook.com/Intercom-2015-1465235117100049
Foto: Michael Barnes / Smithsonian Insitution
INTERCOM – International Committee for
Museum Management
Das National Museum of African American History and Culture in
Washington, D.C. plant seine Eröffnung für den 24. September 2016.
ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2016
| 45
INTERNATIONALE KOMITEES
ICME – International Committee for Museums
of Ethnography
Museums and Communities: Diversity,
Dialogue, Collaboration
Jahrestagung vom 22. bis 26. Oktober 2015 in Hanoi,
Vietnam
Lydia Icke-Schwalbe
Erstmalig fand eine ICME-Jahreskonferenz in Südostasien
statt. Die Mitgliedschaft jener Länder in UNESCO-Ar­
beits­gruppen ist vergleichsweise jung. Sie mussten zunächst
die Folgen und Auswirkungen langer kolonialer Überfrem­
dung, von Kriegen und politischer Teilung überwinden.
Hanoi beherbergt heute rund neun Millionen Einwohner
in einem von Delta-Armen des Roten Flusses umschlossenen
Siedlungsgebiet. Die ICME-Gruppe war vom Direk­tor des
neuen Vietnam Museum of Ethnology (VME), Vo Quang
Trong, zusammen mit dem Direktor des Cultural Heritage
Department, Nguyen The Hung (Präsident von ICOM Viet­
nam), eingeladen worden. Mit Hilfe der UNESCO und
vielfältiger ausländischer Unterstützung konnten moderne
Kultur- und Bildungsstätten in Nord-Vietnam errichtet wer­
den, darunter das VME und das Vietnam Women’s Muse­
um. Drei ausdrucksstarke Gebäudeteile bilden den Komplex
des VME in einem ausgedehnten Hanoier Neubauviertel.
Im sogenannten Bronze-Trommel-Bau sind die histori­schen
ethnographischen Samm­lungen ausgestellt sowie verschie­
dene Lernorte eingerichtet. Ein Open-Air-Architekturgarten
zeigt die typischen, aufwendigen Holzhauskonstruktio­nen
der ethnischen Gemeinschaften Vietnams beziehungsweise
Südostasiens frei zugänglich aufgebaut. Die ICME-Konfe­
renz fand im jüngsten Gebäudeteil, dem sogenannten KiteBau, der ausschließlich den Völkern Südostasiens gewid­
met ist, statt.
Klugerweise war diesmal die Exkursion den Konferenz­
runden im Raum vorangestellt. Sie führte durch die sumpfi­ge
Landschaft des Red-River-Deltas bis hin zu den markan­
ten Felsen-Inseln der Halong-Bucht. Die vietnamesischen
Begleiter nutzten die Busfahrt, um uns in Geschichte, Land­
wirtschaft – ausgedehnter Nassreisanbau mit Wasserbüf­
feln in gemeinsam wirtschaftenden Großfamilien und
Dorfgemeinschaften – Handwerk und Handel entlang der
Straßen, soziales Brauchtum wie Bestattung oder Heirat
einzuführen. In lebhaften Gesprächen und ausgewählten
Besichtigungen wurde uns die regionale sozial-politische
Gegenwart der sozialistischen Republik Vietnam seit Ho
Chi Minh kompetent erläutert.
Insgesamt waren etwa 45 Teilnehmer angereist. An zwei
intensiven Arbeitstagen nahmen zwanzig Sprecher zu spe­
zifizierten Themen Stellung wie „Stimmen, Dialoge und
Ausstellungen“, „Identität, Ethnizität und Objekte“ oder
„Schwierige Geschichte, Nationen und Ideologien“. Ein­
leitend gaben der Direktor des Ethnologischen Museums
Vietnam sowie die Leiterin des Frauen-Museums eine kon­
zeptionelle Übersicht über ihre Aufgaben, Wege und Ziele
musealer Gestaltung in der Gegenwart. Vorausgegangen
waren Dialoge-Rundgänge durch die jeweiligen Ausstel­
lungsräume und Häuser. Es wurde betont, dass beide Mu­
46 | ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2016
seen mit den ethnischen Gemeinschaften des Landes im
Fluss-Delta sowie in den nördlichen Bergregionen eng zu­
sammenarbeiten. In Vietnam leben 54 ethnische Gemein­
schaften, die fünf verschiedenen Sprachfamilien angehören.
Aus allen Sprachfamilien wurden Gruppen ausgewählt, die
ihre Kultur, Traditionen, Besonderheiten und Wirtschafts­
formen mit eigenen Produkten und Objekten im Museum
darstellen sollten, mit konventioneller Ausstellungstechnik
wie auch mit modernsten Medien, wo es angebracht er­
schien. Die materielle und immaterielle Kultur der Berg­
siedlungen in Richtung des chinesischen Grenzgebietes, die
für Fremde schwer oder nicht zugänglich sind, werden so­
mit sehr anschaulich. Auch Phi-Chun Chang aus Taiwan
betonte das ethnographische Museum als Sammelbecken
des nationalen Erbes, das die Vergangenheit mit der Ge­
genwart verbindet und die Zukunft mit eigener Identität
staatsbildend vorbereiten kann. Multikulturelle Perspektiven
basierten auf neuer Ethnizität und interkultureller Praxis.
In diesem Sinne präsentierte Kennedy Atsuke aus Ghana
ein neues Museum, Cape Coast Castle, das sich der Ge­
schichte der Sklaverei in seinem Land widmet. In der letz­
ten Abteilung seines Museums wird das Leben der gegen­
wärtigen Gemeinschaften in Ghana in Handwerk, Handel
und Ritualen mit Objekten vorgestellt, die von den Men­
schen selbst zusammengetragen und beigebracht werden.
Dies sei eine ganz junge afrikanische museale Initiative als
Bildungsprojekt für die jüngeren Generationen.
Über die neue Arbeit ethnisch-nationaler Gruppen ge­
meinsam mit und in ethnographischen Museen berichtete
auch Tone C. Karlgard aus Oslo. Die mehr als 3.000 Ob­
jekte des Museums für Kulturgeschichte der Universität
Oslo werden gegenwärtig mit Hilfe der kongolesischen An­
siedler neu studiert und identifiziert. Die Museumssamm­
lung bilde eine wertvolle Basis für Erziehung und Bildung
der in Norwegen lebenden kongolesischen Gemeinschaf­
ten, derzeit über 12.000 Menschen. In Zusammenarbeit
mit der Demokratischen Republik Kongo werden Ausstel­
lungen von Kongolesen in Oslo kuratiert, um das kultu­
relle Profil der Menschen in der Fremde zu bewahren und
ihre Identifizierung mit dem Heimatland zu erhalten.
Im Tenor vieler Beiträge wurde die notwendige interkul­
turelle Arbeit mit den historischen Sammlungen ethnogra­
phischer Museen herausgestellt. Auf der Basis des bewahr­ten
kulturellen Erbes der Völker der Welt kann die mensch­
heitsgeschichtliche Vielfalt ebenso wie der Wertebeitrag der
Einzelnen vorgestellt werden. Im 21. Jahrhundert bedeutet
diese Arbeit, bewusstseinsbildend zur gegenwärtigen Ent­
wicklung der Staaten und Nationen zu wirken. So könnten
einerseits die globalen humanitären Verknüpfungen, aber
auch die Unterschiede in Kultur und Lebensweise als indi­
viduelle Stärke erkannt werden.
Die offenen, von wechselseitigem Respekt getragenen
Aussprachen und Begegnungen kennzeichneten erneut den
stimulierenden Charakter der ICME-Tagungen. Leider
werden sie von Ländern Mitteleuropas mit den ältesten
musealen Sammlungen immer weniger wahrgenommen.
Dr. Lydia Icke-Schwalbe war viele Jahre im Staatlichen Museum für
Völkerkunde in Dresden tätig; [email protected].
Foto: fotolia, kasto
Foto: fotolia, Wolfgang Jargstorff
Foto: Milanocongressi
24. Generalkonferenz von ICOM – International Council of Museums –
vom 3. bis 9. Juli 2016 in Mailand, Italien
In diesem Jahr das weltweit größte Treffen der Museumsexperten,
auf dem Sie Kontakte knüpfen, Brücken bauen und Neues entdecken
können unter dem Motto:
Museums and Cultural Landscapes Building up a Cultural Heritage
Anmeldung: www.milano2016.icom.museum
UMSCHAU
Wenn Museumsobjekte gefährlich werden
Maßnahmen der präventiven Konservierung sollen Objekte schützen und dürfen
Mitarbeitern nicht schaden. Daher wird Arbeitsschutz in Museen immer wichtiger.
Elise Spiegel, Boaz Paz, Wigbert Maraun
In den vergangenen Jahrzehnten wur­
den zum Erhalt und Schutz von Samm­
lungsobjekten auch gesundheits- und
materialgefährdende Substanzen ein­
gesetzt. Die verwendeten Wirkstoffe –
vor allem die Biozid-Wirkstoffe zur
Vermeidung von Schädlingsfraß so­
wie Pilz- und Schimmelbefall – führen
bis heute zu einer hohen Schadstoff­
belastung auf den Oberflächen der
Sammlungsobjekte. In Abhängigkeit
von der Flüchtigkeit der Substanzen
befinden sich diese auch im Staub und
in der Raumluft.
Museumsmitarbeiter werden daher
immer wieder mit der Frage der Be­
las­tung von Objekten und Innenräu­
men konfrontiert. Die präventiven
Maßnah­men zum Erhalt des Kultur­
gutes mittels insektizider und fungizi­
der Chemie­produkte stellen ein ernst­
zunehmendes Gefährdungspotential
für die Museumsbeschäftigten dar,
insbesondere wenn ein direkter Kon­
takt mit dem be­lasteten Kulturgut er­
folgt. Damit werden einzigartige
Kunst­werke zu einer Ge­fahrenquelle
für Mensch und Umwelt.
Aus arbeitsrechtlicher Sicht ist hier
ein dringender Handlungsbedarf ge­
geben. Grundsätzlich hat der Arbeit­
geber zu ermitteln, in welcher Form
seine Mitarbeiter durch ihre Tätigkei­
ten gefährdet und welche Maßnahmen
des Arbeitsschutzes erforderlich sind.
Im Rahmen einer ganzheitlichen
Schad­stoffberatung wird die Schad­
stoff­exposition am Arbeitsplatz unter
Berücksichtigung der Schadstoff­kon­
zen­tration und der jeweiligen Tä­tig­
keiten beurteilt.
Dank eines voranschreitenden Be­
wusstseins für den Arbeitsschutz im
musealen Bereich beschäftigen sich
auch Verantwortliche und Entschei­
dungsträger immer häufiger mit folgen­
den Fragen: Wie sind kontaminierte
Museumsobjekte und Arbeitsberei­che
in Museen, Depots, Archiven und Bib­
lio­theken zu bewerten? Welche gesetz­
lichen Regelungen gelten? Welche Kon­
sequenzen hat dieses für den Umgang
mit den kontaminierten Objek­ten?
Rechtskreise
Relevant für Museen sind das Arbeits­
stättenrecht und das Gefahrstoffrecht.
Das Arbeitsstätten­recht spricht dem
Mitarbeiter eine gesundheitlich zuträg­
liche Atemluft am Ar­beits­platz zu und
geht hierbei von einem unbeabsichtig­
ten Umgang mit Gefahrstoffen aus,
wobei für die qua­li­t a­ti­ve Bewertung
„In­nen­raum­werte“ (In­nen­raum­richt­
wer­­te, Orien­­tie­rungs­­­­werte) heran­ge­zo­­
gen wer­den.1 Für den beab­sichtigten
Um­gang mit Gefahr­stof­fen gelten
hin­gegen die Ar­beits­platz­­g renz­werte,
wo­bei rechts­for­m al alle Tä­­t ig­keiten
mit Gefahrstoffen durch die Gefahr­
stoff­verordnung ge­regelt wer­den.
48 | ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2016
In Museen, Depots, Archiven und
Bibliotheken wird in der Regel nicht
mit Gefahrstoffen gearbeitet, sondern
mit Objekten, die mit Gefahrstoffen,
z. B. Arsen oder Quecksilber, behandelt
wurden und als kontaminiert bezeich­
net werden. Die Exposition der betrof­
fenen Personen erfolgt nicht nur über
die Raumluft, sondern auch durch Kon­
takt mit den kontaminierten Objekt­
oberflächen sowie sekundär belaste­
ten Materialien und angereicherten
Stäuben.
Ob der Umgang mit kontaminierten
Objekten gemäß der Gefahrstoffver­
ordnung einer Tätigkeit mit Gefahr­
stoffen gleichzusetzen ist oder ob der
Arbeitsplatz im Museum im Sinne
eines klassischen Innenraumarbeits­
platzes gemäß der Arbeitsstättenver­
ordnung bewertet werden muss, war
bislang nicht eindeutig geklärt. Die
Schwierigkeit bei der Beurteilung der
vorliegenden Arbeitsbedingungen lag
in der Abgrenzung zwischen Gefahr­
stoffrecht und Arbeitsstättenrecht.
Neu ist, dass Tätigkeiten mit konta­
minierten Objekten gefahrstoffrecht­
lich relevant sind, sie werden bei der
Beurteilung der Arbeitsplatzbedingun­
gen denjenigen Tätigkeiten gleichge­
stellt, bei denen ein Umgang mit Ge­
fahrstoffen erfolgt.
Laut der Gefahrstoffverordnung ist
eine Tätigkeit mit Gefahrstoffen jede
Arbeit mit Stoffen, Gemischen (Zu­
Umschau
Foto: Elise Spiegel
bereitungen) oder Erzeugnissen, ein­
schließlich Herstellung, Mischung,
Ge- und Verbrauch, Lagerung, Auf­
bewahrung, Be- und Verarbeitung,
Ab- und Umfüllung, Entfernung, Ent­
sorgung und Vernichtung. Zu den
Tätigkeiten zählen auch das innerbe­
triebliche Befördern sowie Bedien- und
Überwachungsarbeiten. Mit Gefahr­
stoffen behandelte Museums­objekte
werden nun, laut schriftlicher Mittei­
lung 2 von Robert Kellner (Deutsche Ge­
setzliche Unfallversicherung, DGUV),
gefahrstoffrechtlich als Erzeugnisse
angesehen.
Konsequenzen
Eine verbindliche Zuordnung der gel­
tenden Rechtskreise (Arbeitsstätten­
recht/Gefahrstoffrecht) erfolgt durch
eine individuelle Beurteilung, bei der
die Tätigkeiten genau definiert wer­
den. Die Fotodokumentation von Ob­
jek­ten dient als Beispiel: Das reine
Fotografieren von Objekten in den
Schau­räumen ist laut DGUV keine Tä­
tigkeit im Sinne der Gefahrstoffverord­
nung. Werden die Objekte im Rahmen
der Fotodokumentation aber bewegt,
angefasst oder aufbereitet, so liegt eine
Tätigkeit mit Gefahrstoffen vor.
Dieses hat weitreichende Folgen,
denn es gelten die Anforderungen der
Gefahrstoffverordnung, die dem Arbeit­
geber die Durchführung einer Gefähr­
Kontaminierte Objekte einer
Privatsammlung
dungsbeurteilung sowie die Festlegung
von Schutzmaßnahmen auferlegen.
Darüber hinaus ist der Arbeitgeber
bei Tätigkeiten mit ausgewählten Ge­
fahrstoffen angehalten, eine Pflicht­
vorsorge für seine Mitarbeiter zu ver­
anlassen. 3
Um einen optimierten Personen- und
Objektschutz gewährleisten zu kön­
nen, bedarf es eines ganzheitlichen
Beratungsansatzes. So lassen sich Ar­
beits- und Objektschutz zu einer Winwin-Situation im musealen Bereich
vereinen.
Wozu Gefährdungsbeurteilungen?
Dr. Elise Spiegel ist Geschäftsführerin von
Care for Art; [email protected].
Dr. Boaz Paz ist Geschäftsführer der Paz Labo­
ratorien für Archäometrie; [email protected].
Dr. Wigbert Maraun ist Geschäftsführer des
ARGUK Umweltlabor; [email protected].
Sie kooperieren im Verbund Museumsschad­
stoffe und erstellen für Museumseinrich­
tungen u. a. Konzepte zur Gefahrenbeurtei­
lung und Schutzmaßnahmenermittlung.
Gefährdungsbeurteilungen dienen der
Einhaltung des Arbeitsschutzes der
Beschäftigten und sind gemäß Arbeits­
schutzgesetz vorgeschrieben.
Nur über eine Analyse der Arbeits­
platzsituation unter Berücksichtigung
des Tätigkeitsprofils der Mitarbeiter
(Res­tauratoren, wissen­­schaftliches Per­­
sonal, Wachpersonal, Reinigungs­kräf­
te, Betriebsdienst) und der Aufenthalts­
dauer der exponierten Personen in den
betroffenen Räumlichkeiten kann
eine Gefährdungsbeurteilung mit de­
finierten Gefährdungsmerkmalen er­
folgen. Diese bildet die Grundlage für
die Ableitung von Schutz­maßnahmen.
Museen, Depots, Archive und Bib­­
lio­
t heken stellen bei der Gefähr­
dungsbeurteilung und der Schutz­maß­
nah­men­ermittlung eine besondere
Her­ausforderung dar, denn die Schutz­
maßnahmen sollen nicht nur der Ge­
sundheit der Mitarbeiter dienen, son­
dern auch der Erhaltung der Objekte,
im Sinne präventiver Konservierungs­
strategien.
1 Für Büroräume existieren jedoch keine eigenstän­
digen Innenraum-Richtwerte. Die Arbeitsplatz­
grenz­werte (AGW) für den gewerblich-industriel­
len Bereich können für Büroräume nicht zugrunde
gelegt werden, da es sich hierbei um die Überwa­
chung bekanntermaßen freigesetzter Substanzen
handelt.
2 Dr. Robert Kellner, schriftliche Mitteilung vom
16.12. 2015. Er ist Vertreter im Koordinierungs­
kreis Gefährliche Arbeitsstoffe (KOGAS) der
DGUV.
3 Eine Pflichtvorsorge ist bei Tätigkeiten mit be­
stimmten Gefahrstoffen, die im Anhang Teil 1 der
Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge
aufgelistet sind, wie z. B. Arsen, Quecksilber oder
CMR-Stoffen der Kategorie 2, zu veranlassen, (a)
wenn eine wiederholte Exposition nicht ausge­
schlos­sen werden kann und/oder (b) der Stoff haut­
re­sorptiv ist und eine Gesundheitsgefährdung
durch Hautkontakt nicht ausgeschlossen werden
kann. Beides ist in der Regel bei Tätigkeiten im
musealen Bereich der Fall.
ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2016
| 49
Umschau
Rote Notfall-Liste der gefährdeten
Kulturgüter Libyens
Deutsche Fassung, ICOM, 2016, 8 Seiten
Seit Beginn dieses Jahres liegt die
Rote Notfall-Liste der gefährde­
ten Kulturgüter Libyens, die deut­
sche Fassung der Originalausgabe
Emergency Red List of Libyan Cul­
tural Objects at Risk, vor. ICOM
möchte damit die Museen, Kunst­
sammler, Auktionshäuser sowie Zoll­und Polizeibehörden
der deutschsprachigen Länder unterstützen, eventuell ge­
raubte oder illegal gehandelte Kulturgüter Libyens zu iden­
tifizieren und zu schützen.
Die Broschüre enthält Objektkategorien, deren Handel
und Aus­­­fuhr durch nationale und internationale Gesetz­
gebung eingeschränkt bzw. gänzlich verboten sind. Dazu
gehören etwa Skulpturen, Reliefs, Architekturelemente,
Gefäße, Accessoires und Münzen aus der Zeit vom 5. Jahr­
tausend v. Chr. bis zum 16. Jahrhundert. Museen, Samm­ler,
Händler und Auktionshäuser sind angehalten, derartige
Objekte nicht zu erwerben, ohne zuvor deren Herkunft und
Unterlagen sorgfältig geprüft zu haben.
Übersicht aller 15 roten Listen von ICOM:
http://icom.museum/resources/red-lists-database
Countering Illicit Traffic in Cultural
Goods. The Global Challenge
of Protecting the World’s Heritage
Herausgegeben von France Desmarais.
Paris: ICOM 2015, 196 Seiten.
Täglich verschwinden Kulturgü­
ter, entweder weil sie aus Museen,
oder aber aus archäologischen Gra­
bungs­stätten gestohlen werden, und
ge­lan­gen dann in den illegalen An­
ti­ken­handel. Die ICOM-Informa­
tionsstelle Observatory on Illicit Traffic in Cultural Goods
ist gegründet worden mit dem Ziel, die Täter zu identifizie­
ren, die Pfade der Objekte nachzuzeichnen und den illega­
len Handel möglichst zu unterbinden.
Die vorliegende Publikation fasst die Erkenntnisse der
ersten drei Jahre Arbeit zusammen. Sie enthält Essays 14
internationaler Experten aus verschiedenen Disziplinen
(Archäologen, Kuratoren, Rechtsanwälte, Journalisten),
die mit ihrer breiten Palette an Erfahrungen unterschied­
liche Aspekte des illegalen Handels mit Kulturgütern be­
leuchten. Anhand von Fallstudien zeichnen sie die Wege
des illegalen Handels nach, diskutieren die Relevanz und
Wirkung möglicher Gegenmaßnahmen und bieten Anre­
gungen für das zukünftige Handeln des Observatory on
Illicit Traffic in Cultural Goods.
Open-Source-Publikation: https://issuu.com/internationalcouncilof­
museums/docs/book_observatory_illicit_traffic_ve
Das Museum für alle – Imperativ
oder Illusion?
Herausgegeben von ICOM Schweiz –
Internationaler Museumsrat. Zürich:
ICOM Schweiz 2016, 96 Seiten
Globalisierung, Migrationen und
demographischer Wandel stellen
grundsätzliche Fragen nach der
Zugänglichkeit von Museen. Zu­
gänglichkeit aber hat viele Facetten, die sich etwa in der
Aufarbeitung schwieriger Themen durch Betroffene und
für Betroffene manifestieren. Die Annäherung an das The­
ma Audience Development zeigt die Entwicklung des Mu­
seums zum sozialen Versammlungsort der „Kultur mit
allen“. Überwindung von Barrieren, Multiperspektivität
und heterogenes Publi­kum spielen demnach eine immer
wesentlichere Rolle. Können Museen all ihren Ansprüchen
gerecht werden?
Der vorliegende Band versammelt die Referate des In­
ternationalen Bodensee-Symposiums 2015 in St. Gallen und
gewährt einen Einblick in die Möglichkeiten und Grenzen
einer Orientierung der Museen hin zur Inklu­sion – zur
Öffnung, wenn nicht für alle, so doch für möglichst ver­
schiedene Menschen. Wie das Symposium, so bietet auch
die Edition der Akten eine Fülle an Anregun­gen und Denk­
anstößen.
www.museums.ch/publikationen/empfohlene-publikationen
Bestellung: ab 1. Juni bei ICOM Deutschland möglich, siehe S. 51
Museumszukünfte.
Wir haben die Wahl
Herausgegeben vom Verband der
Museen der Schweiz. Zürich 2016,
13 Seiten.
Wie könnte eine Zukunftskultur für
Museen aussehen und wie können
sich Museen zu diesen Zukunfts­
fragen verhalten? Museen sind seit
jeher in das Spannungsfeld zwi­
schen Herkunft und Zukunft eingebunden. Als Orte der
Sammlung, Dokumentation und Konservierung von Ob­
jekten und Beständen haben sie einen bewahrenden und
bestandssichernden Charakter. Als Orte der Präsentation,
Forschung, Valorisierung und Vermittlung haben sie einen
zukunftsorientierten, bildenden Charakter.
Anhand der drei großen Spannungsfelder Inhalte und
Publikum, Rahmenbedingungen und Finanzierungsmodel­
le sowie Arbeits­mo­delle und Organisationsstrukturen wer­
den mögliche Konsequenzen der globalen Megatrends auf
den Museumssektor herausgearbeitet. Dabei ist entschei­
dend, dass die Konsequenzen nicht eindeutig sind, son­
dern vielmehr Fragen aufwerfen, die von den Museen eine
Haltung einfordern und zu einer Positionierung aufrufen.
www.museums.ch/publikationen/empfohlene-publikationen
50 | ICOM Deutschland – Mit te ilung e n 2016
UMSCHAU
Veranstaltungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sonntag, 22. Mai 2016
Internationaler Museumstag
Museen in der Kulturlandschaft – Museums and Cultural Landscapes
www.museumstag.de
network.icom.museum/international-museum-day
3. bis 9. Juli 2016, Mailand, Italien
24. Generalkonferenz von ICOM
Museums and Cultural Landscapes Building up a Cultural Heritage
www.milano2016.icom.museum
2017
Sonntag, 21. Mai 2017
Internationaler Museumstag
Museums and Contested Histories
Die deutsche Übersetzung des Mottos
wird demnächst bekannt gegeben.
www.museumstag.de
network.icom.museum/internationalmuseum-day
22. bis 24. September 2016, Dubrovnik, Kroatien
The Best in Heritage 2016
www.thebestinheritage.com
6. bis 8. Oktober 2016, Berlin
Jahrestagung ICOM Deutschland
Von der Weltausstellung zum Science Lab. Handel – Industrie – Museum
www.icom-deutschland.de
10. bis 12. November 2016, Leipzig
MUTEC
Internationale Fachmesse für Museums- und Ausstellungstechnik
www.mutec.de
Aktuelle Termine der Tagungen
der Internationalen Komitees:
http://icom.museum/calendar.html
bitte abtrennen
Bestellung | Hiermit bestelle ich folgende Publikationen von ICOM Deutschland aus der Liste der lieferbaren Schriften:
Stk. Das Museum für alle – Imperativ oder Illusion? Tagungsband des Internationalen Bodensee-Symposiums 2015.
Hrsg. von ICOM Schweiz – Internationaler Museumsrat. 2016. 96 Seiten. ISBN 978-3-906007-25-0, 12,00 €*
Stk. Waentig, Friederike u. a.: Präventive Konservierung. Ein Leitfaden. Berlin: ICOM Deutschland. 2014. 96 Seiten (Beiträge zur
Museologie, Bd. 5). ISBN 978-3-00-046939-8. (Gratis)
Stk. Zur Ethik des Bewahrens. Tagungsband der Jahrestagung von ICOM Deutschland 2013. Hrsg. von ICOM Deutschland. 2014.
148 Seiten (Beiträge zur Museologie, Bd. 4). ISBN 978-3-00-045736-4, 15,00 €*
Stk. 60 Jahre ICOM Deutschland. Ein Rückblick auf die deutsch-deutsche Geschichte von ICOM Deutschland 1953 bis 2013.
Hrsg. von ICOM Deutschland. 2013. 56 Seiten. (Gratis)
Stk. Die Ethik des Sammelns. Tagungsband der Jahrestagung von ICOM Deutschland 2010. Hrsg. von ICOM Deutschland. 2011.
176 Seiten (Beiträge zur Museologie, Bd. 3). ISBN 978-3-00-034461-9, 15,00 €*
Stk. Museen und Denkmäler – Historisches Erbe und Kulturtourismus. Tagungsband des Internationalen Bodensee-Symposiums 2009.
Hrsg. von ICOM Deutschland. 2010. 176 Seiten (Beiträge zur Museologie, Bd. 2). ISBN 978-3-00-028961-3, 15,00 €**
Stk. Definition des CIDOC Conceptual Reference Model. Hrsg. und übersetzt aus dem Engl. von K.-H. Lampe, S. Krause, M. Doerr.
2010. 208 Seiten (Beiträge zur Museologie, Bd. 1). ISBN 978-3-00-030907-6, 10,00 €
Stk. Ethische Richtlinien für Museen von ICOM. Hrsg. von ICOM Schweiz, ICOM Deutschland und ICOM Österreich. Dt. Fassung.
2., überarb. Aufl. 2010. 32 Seiten. ISBN 978-3-9523484-5-1, 4,00 €
Stk. Wissenschaftskommunikation – Perspektiven der Ausbildung – Lernen im Museum. Hrsg. von ICOM Deutschland,
ICOM Frankreich und Deutsches Technikmuseum. 2009. 166 Seiten. ISBN 978-3-631-58095-0, 15,00 €*
Stk. Das Museum als Global Village. Versuch einer Standortbestimmung am Beginn des 21. Jahrhunderts. Internationales Symposium
am Bodensee 2000. Hrsg. von Hans-Martin Hinz. 2001. 162 Seiten. ISBN 3-631-37692-8, 15,00 €
Stk. Museen unter Rentabilitätsdruck. Engpässe – Sackgassen – Auswege. Bericht zum internationalen Symposium am Bodensee 1997.
Hrsg. von Hans-Albert Treff. 1998. 279 Seiten. ISBN 3-00-002395-X, 20,00 €
Stk. Reif für das Museum? Ausbildung – Fortbildung – Einbildung. Bericht zum internationalen Symposium am Bodensee 1994.
Hrsg. von Hans-Albert Treff. 1995. 258 Seiten. ISBN 3-87023-050-9, 10,00 €
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Katrin Hieke, [email protected]
Dr. Gabriele Pieke, [email protected]
Professor Dr. Beate Reifenscheid-Ronnisch, [email protected]
Professor Dr. Elisabeth Tietmeyer, [email protected]
Professor Dr. Friederike Waentig, [email protected]
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Beate von Törne M.A.
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