Extremismus der Mitte

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Extremismus der Mitte
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Extremismus der Mitte
Linke Gewalttäter können auf Unterstützung von Politik und Medien zählen, sobald es
„gegen Rechts“ geht
Hans-Hermann Gockel
Je heftiger Kollegen die Moralkeule schwingen, desto kritischer sollte man ihnen begegnen.
Schon aus Prinzip. Empörungs-journalisten sind nicht selten große Heuchler. Nur ein
prominentes Beispiel dafür ist Anja Reschke. Die Leiterin der Abteilung Innenpolitik beim
NDR und Moderatorin des Polit-Magazins „Panorama“ hat gerade verkündet: „Ich würde den
Kommentar von vor einem Jahr genauso wieder sprechen.“
Die Frage ist nur: Warum macht sie das nicht? Noch einmal zur Erinnerung: „Dagegenhalten.
Mund aufmachen. Haltung zeigen. Öffentlich an den Pranger stellen!“ Das waren ihre Worte
im Spätsommer 2015. Reschke brandmarkte die „Haßkommentare“ im Internet gegen die
Flüchtlingspolitik der Kanzlerin. Ihr Appell mündete in der Forderung nach einem „Aufstand
der Anständigen“. Wohlfeile Sprüche, die ihr sogar den Titel „Journalistin des Jahres“
einbrachten.
Heute werden Autos von AfD-Politikern abgefackelt. Deren Häuser und Büros mit Säure und
Farbe beschmiert. Auf Menschen, die der Merkelschen „Willkommenskultur“ widersprechen,
wird mit Holzlatten und Eisenstangen eingedroschen. Und Gastwirte und Hotelbesitzer trauen
sich kaum noch, der AfD Räumlichkeiten zur Verfügung zu stellen. Weil sie davon ausgehen
können, daß ihnen gewalttätige Linksextremisten noch am selben Tage die Scheiben
einschlagen.
Es gibt also genügend Gründe, auch heute – im Spätsommer 2016 – dagegenzuhalten, den
Mund aufzumachen, Haltung zu zeigen und die Kriminellen an den öffentlich-rechtlichen
Pranger zu stellen. Zumindest könnte man von einer „Journalistin des Jahres“ einen
gepfefferten Kommentar erwarten.
Da es aber die falschen Täter sind, wird das schwierig. Also macht man lieber das Schweigen
zum Programm. Bei manchen Kollegen spürt man sogar eine klammheimliche Freude, wenn
die Antifa zuschlägt. An einen „Aufstand der Anständigen“ ist gar nicht erst zu denken.
Stattdessen wird ein Politiker hofiert, der es wie kein zweiter versteht, sich als Moralapostel
zu inszenieren. Die Rede ist von Heiko Maas, unserem Bundesjustizminister. Eines seiner
Lieblingswörter ist „widerlich“, wobei er das „i“ genüßlich in die Länge zieht. Das Wort
benutzt er regelmäßig, wenn es um die AfD geht. Heiko Maas ist der Tausendsassa des
öffentlich-rechtlichen Fernsehens. Immer erreichbar – immer präsent. Vom ARDMorgenmagazin bis hin zum ZDF-„Donnerstalk“ der Dunja Hayali. Doch Heiko Maas mag
sein „widerlich“ noch so sehr dehnen: Er ist und bleibt ein politischer Falschspieler.
Wenige Tage vor der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern gibt es in Anklam ein
Open-Air-Konzert, bei dem auf das übelste gegen die AfD gehetzt wird. „Danke“, jubelt der
Justizminister und bescheinigt der linksextremistischen Band „Feine Sahne Fischfilet“: „Ein
tolles Zeichen gegen Fremdenhaß und Rassismus.“ Daß deren Texte geradezu vor Haß und
Rassismus triefen, stört den Mann nicht. Es ist ja der Rassismus gegen Deutsche:
„Deutschland ist scheiße. Deutschland ist Dreck. Deutschland verrecke. Das wäre
wunderbar.“ Die Band ruft offen zur Gewalt gegen Polizisten auf: „Wir stellen unseren
eigenen Trupp zusammen / Und schicken den Mob dann auf euch rauf / Die Bullenhelme –
sie sollen fliegen / Eure Knüppel kriegt ihr in die Fresse rein.“ Später will Heiko Maas uns
weismachen, die Jubelarie, die unter seinem Namen und unter seinem Konterfei über Twitter
und Facebook verbreitet wurde, hätte er gar nicht verfaßt. Seine Mitarbeiter seien es gewesen.
Doch damit stellt sich Maas als Verantwortlicher in doppeltem Sinne ein armseliges Zeugnis
aus; zum einem als schlechter Chef, der sich nicht vor seine Angestellten stellt, zum anderen
als jemand, der als Behördenleiter nicht einmal seine engsten Mitarbeiter im Griff hat.
Wie peinlich sich ein Minister im Einzelfall benimmt, ist allein dessen Sache. Es sei denn, es
geht ums Grundsätzliche. Das ist hier der Fall. Das unsägliche Verhalten deutscher
Spitzenpolitiker – aber auch etlicher Medien –, die allesamt ihre klammheimliche Freude
kaum noch verbergen können, sobald Hetzer und Kriminelle in ihrem Sinne agieren, läßt
einen um unsere Demokratie angst und bange werden.
Es beginnt mit Worten – und endet mit Taten. Was soll man von einem Bundespräsidenten
halten, der angetreten war, um „für alle Bürger da zu sein“, der aber heute die Wähler der
AfD ohne mit der Wimper zu zucken als „Dödel“ bezeichnet? Was soll man von einem
Bundesaußenminister halten, der von „geistigen Brandstiftern“ schwadroniert und auf die
Politiker der AfD zeigt? Was soll man von einem Justizminister halten, für den die AfD eine
„Schande für Deutschland“ ist – der aber gleichzeitig den Hetzern auf der Bühne in Anklam
applaudiert. Und was soll man von einer Kanzlerin halten, die zu alledem schweigt?
Für „Feine Sahne Fischfilet“ ist das Lob aus dem Justizministerium eine prima Legitimation.
Wie ernst deren Jünger es meinen, bekamen Berliner Polizisten erst kürzlich zu spüren.
Schauplatz war die Rigaer Straße, nur ein paar Kilometer vom Sitz des Bundesjustizministers
entfernt. Bei einem Polizeieinsatz gegen ein von Linksautonomen besetztes Haus dröhnte der
Song der Band aus den Fenstern des Gebäudes. Bei dem Einsatz wurden 123 Polizisten
verletzt. Drei von ihnen schwer. Im Netz feierten sich die Autonomen danach mit Sätzen wie
diesen: „Mögen es beim nächsten Mal 234 verletzte Schweine sein. Unsere Ziele sind
bekannt.“
Justizminister Maas wird also auch in Zukunft viel zu beklatschen haben. Während wir noch
lange auf den „Aufstand der Anständigen“ warten können.
Hans-Hermann Gockel ist Journalist und Buchautor und war Nachrichtenmoderator bei
Sat.1 und N24