I II Lied „The Kingdom of God“ (Taizé)

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I II Lied „The Kingdom of God“ (Taizé)
31. Juli 2016, Nydeggkirche
Predigt über Matthäus 13, 44 – 46 „Die Perle entdecken“
Rosa Grädel, Pfarrerin
I
Viel ist es nicht, was wir mit grosser Sicherheit über das Leben von Jesus wissen.
Dass sein Thema aber das Kommen des Gottesreiches war, sogar die verborgene Präsenz des
Himmelreiches, davon kann man ausgehen.
Dabei hat er nicht Predigten darüber gehalten. Er hat beobachtet. Er hat erzählt - Geschichten, wie es ist
und wie es sein könnte. Diese Geschichten haben den Frauen und Männern, die zugehört haben, keine
ewige Wahrheit aufgedrängt. Sie haben die Menschen eher selber nach der Bedeutung in ihrem Leben
suchen lassen. Wir nennen die Geschichten, oder manchmal auch nur kurze Wortbilder, Gleichnisse.
Ich lese ein solches Gleichnis – und Sie suchen selbst nach der Bedeutung in Ihrem Leben.
Mt 13, 44 - 46.
44 Mit dem Himmelreich ist es wie mit einem Schatz, der im Acker vergraben war; den fand einer und
vergrub ihn wieder. Und in seiner Freude geht er hin und verkauft alles, was er hat, und kauft jenen Acker.
45 Weiter: Mit dem Himmelreich ist es wie mit einem Händler, der schöne Perlen suchte. 46 Als er aber eine
besonders kostbare Perle fand, ging er hin, verkaufte alles, was er hatte, und kaufte sie.
II Lied „The Kingdom of God“ (Taizé)
III
Was ist Ihre Perle?
Was ist für Sie so wichtig, dass Sie viel dafür hergeben würden?
Bei den Taufeltern kann ich mir vorstellen, dass sie sagen würden: „Unsere Laura! Manchmal sind wir
immer noch überwältigt, von dem, was wir in ihrem Kommen erlebt haben. Dieses grosse kleine Wunder!
Alles ist da. Die Händchen, die feinen Füsschen. Und wie sie in Beziehung tritt zu uns.“
Ein Schatz!
Man konnte ihn nicht kaufen. Er ist Ihnen geschenkt worden – schon mit Ihrem Zutun, klar. Aber eben doch
geschenkt. Zu diesem Schatz gehören die Liebe, die Zärtlichkeit, das Mitleiden, wenn es ihr nicht gut geht,
der Wille für sie da zu sein.
Ist das ein Hinweis darauf, wie das Himmelreich ist?
Leben, Zärtlichkeit, Liebe, auch Zorn und Angst, wenn das Wehrlose bedroht werden sollte. Ihr ganzer
Einsatz für dieses kleine Leben.
Ein anderes Beispiel einer gefundenen Perle lese ich in der neusten Ausgabe der Zeitschrift reformiert:
Die junge Frau, Ella Fritz hat Matur gemacht. Wie so viele ging sie danach auf Reisen, um dann im
kommenden Herbst das Studium aufzunehmen. Sie ist in Idomeni Griechenland hängen geblieben, hat sich
Aktivistinnen und Aktivisten aus Europa angeschlossen, die lange vor den grossen Hilfsorganisationen die
Flüchtlinge dort mit dem Nötigsten versorgten. Bis zu 10‘000 Mahlzeiten gaben sie täglich aus, informierten
die Leute über die aktuelle Lage, halfen, wo sie konnten.
Die junge Frau ist zurückgekehrt in die Schweiz. Doch sie geht zurück nach Griechenland. Das Studium muss
warten. Einen Grund fürs Zurückkehren nennt sie: den 16jährigen Jugendlichen aus Syrien, der schwer
traumatisiert und allein auf der Flucht ist. Die junge Frau fühlt sich verantwortlich für ihn, er hängt an ihr.
Sie sagt: „Man kann nicht nur rasch vorbeikommen, Beziehungen eingehen und wieder verschwinden.“1
Die Perle:
Dass jemand einen Sinn in seinem Tun findet.
Dass jemand die Kostbarkeit von Beziehung nicht zerstören will.
Ist das ein Hinweis darauf, wie das Himmelreich ist? Was das Himmelreich ausmacht? Dass jemand spürt,
wofür es sich lohnt sich einzusetzen.
1
reformiert. Nr. 8 / August 2016
1
Ich kann mir vorstellen, dass die Eltern der jungen Frau nicht nur entzückt sind. Leichtsinn ist es vielleicht.
Wie der Händler leichtsinnig ist, der alles verkauft, um die eine Perle zu erstehen.
Es heisst nämlich nicht, dass er sie dann viel teurer weiterverkauft, dass es ums Kaufen und Verkaufen geht.
Um die materielle Wertsteigerung.
Es geht um die Freude, das Glück, die er erlebt. Er hat gefunden, wonach er sich sehnt.
IV
Man kann das Gleichnis auch radikal vom Verzicht her deuten (und nicht vor allem von der Freude über das
Finden der Perle).
45 Mit dem Himmelreich ist es wie mit einem Händler, der schöne Perlen suchte.
46 Als er aber eine besonders kostbare Perle fand, ging er hin, verkaufte alles, was er hatte, und kaufte sie.
Es gibt Menschen, die genau so radikal alles aufgeben, was sie haben, um sich für das Himmelreich
einzusetzen.
Da kommen einem doch gleich Selbstmordattentäter in den Sinn. Für ihren Gott, für ihr Kalifat geben sie ihr
Leben hin. Und das vieler anderer. Der Zweck heiligt die Mittel.
Dass es nicht das ist, was Jesus meint, ist klar. Jesus ist ja gerade wegen seiner subversiven Gewaltlosigkeit
und wegen seiner übergrossen Menschenliebe ans Kreuz geschlagen worden.
Es gibt radikale Formen in den Fusspuren von Jesus.
Mein Lieblingsheiliger ist Franz von Assisi. Er gleich dem Perlenhändler in der Geschichte. Sohn eines
reichen Stoffhändlers. Verwöhnter Sunny Boy. Doch dann die Wende in seinem Leben. Er verkauft Stoff
seines Vaters, um mit dem Erlös die Hungrigen der Stadt zu speisen. Er wird verstossen von seinen Eltern.
Er wählt die Armut. Er wählt die Gewaltlosigkeit. Er gewinnt Schwester Erde und Bruder Sonne. Er lernt es,
auf die Vögel im Himmel und den Wolf im Wald zu hören.
Er findet den Schatz, der ihm mehr als alles andere bedeutet.
Leichtsinnig. Quer zu den herrschenden Vorstellungen von Erfolg und Sicherheit. Radikal.
Beglückt vom Reichtum des Lebens, verbunden mit Himmel und Erde.
Ist so das Himmelreich?
V
Die wenigstens von uns würden so radikal alles aufgeben. Die meisten von uns backen kleinere Brötchen.
Ich verstehe Jesus auch nicht so, dass das Alles-Aufgeben, der springende Punkt ist.
Aber das Aufgeben, was dem Leben im Weg steht, das ist eine Bedingung, wenn man dem Schatz auf der
Spur ist. Das aufgeben, was das Leben hindert, mein Leben und das der Anderen.
Es geht darum, den Dingen im Leben den richtigen Platz zu geben, und um den Mut, darauf zu achten, was
mit Glück und Leben erfüllt, was Menschen gut tut.
Bei Jesus ist das klar:
Es ist das Lieben und das Aufrichten, das Sättigen von Hungernden, das Feiern mit den Ausgeschlossenen.
VI
So einfach soll das sein mit dem Himmelreich?
Ja auch – aber nicht nur. Wobei das ja manchmal ganz und gar nicht einfach ist.
Wenn Jesus vom Himmelreich spricht, ist da immer ein Pendeln zwischen Gegenwart und Zukunft. Da und
noch nicht da.
So erleben wir das ja auch: Erleben Liebe und leiden unter ihrem Ausbleiben. Schaffen Frieden und kennen
den Hass.
In der Gegenwart sind Spuren des Himmelreiches zu entdecken wie Perlen. Aber diese
Gegenwartserfahrungen weisen immer über sich hinaus: So kann es sein – so soll es werden, versprechen
sie.
2
VII
Das Gleichnis, das Jesus erzählt, sagt etwas darüber aus, wie wir mit dem Himmelreich verhängt sind.
Der Händler hat diese grosse Sehnsucht. Die Perle ist da, aber er muss sie suchen. Ohne seinen Einsatz geht
es nicht.
Wir sind beteiligt am Himmelreich. Es ist nicht einfach so, dass Gott es irgend einmal über uns
hereinbrechen lässt. Wir sind beteiligt daran mit den Gaben, die Gott uns dafür gegeben hat:
Mit unserer Sehnsucht, die wir so oft zum Schweigen bringen.
Mit unserer Phantasie, Schritte zum Frieden zu finden.
Mit unserem Mut, zu sagen, wenn die Dinge ungerecht sind.
Mit unserer Fähigkeit zum Mitfühlen und Mitleiden...
Klar, wir tun das nicht immer. Wir pflegen diese Gaben nicht immer. Wir sind eben noch nicht dort
angelangt, wo Gott alles in allem sein wird, darum bitten wir im UnserVater ja auch:
Dein Reich komme… vergib uns unsre Schuld … mach uns frei von dem, was uns hindert.
Aber wir können Himmelreich-Perlen im Alltag suchen und den Dingen, die uns daran hindern, den
richtigen Platz geben.
Amen
3