Mehr als Wellness: Ayurveda auf Sri Lanka, ein Ölwechsel im

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Mehr als Wellness: Ayurveda auf Sri Lanka, ein Ölwechsel im
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12.02.2012 | Autor: Inge Hufschlag
MEHR ALS WELLNESS
Ayurveda auf Sri Lanka, ein Ölwechsel im Paradies
Ayurveda ist kein Wellness-Vergnügen, sondern eine Heilkunst, die immer mehr Anhänger findet. In Sri Lanka wie in
Deutschland. Ein Testbericht in zwei Teilen.
FOTO: DDP
Eine junge Frau genießt die "Abhyanga Ganzkörper-Synchronmassage" mit warmen
Kräuterölen. Vor jeder Ayuverda-Behandlung steht die Untersuchung durch einen Arzt
Vielleicht liegt es wirklich an den vielen Burn-out-Schlagzeilen – Ayurveda hat Hochkonjunktur. Selbst in der Monsun-Zeit ist das
„Baberyn Reef Resort“, eine der ältesten Ayurveda-Kliniken in Sri Lanka, mit etwa 100 Gästen voll belegt.
Stammgäste, und davon gibt es hier viele, schwärmen noch von alten Zeiten, als hier gerade mal ein Dutzend Gäste gleichzeitig zugegen
war. Doch die Zeiten sind vorbei – viele der auf Ayurveda spezialisierten Hotels in Indien und Sri Lanka sind ausgebucht, belegt vor allem
mit europäischen und amerikanischen Gästen.
Die Heilkunst stammt aus Indien, ist aber auch auf Sri Lanka weit verbreitet. Der Begriff selbst stammt aus dem indischen Sanskrit, er
setzt sich aus den Wörtern Ayus (Leben) und Veda (Wissen) zusammen. Im ist eine Kombination aus Erfahrungswerten und Philosophie,
die sich auf die für menschliche Gesundheit und Krankheit wichtigen physischen, mentalen, emotionalen und spirituellen Aspekte
konzentriert.
FOTO: INFOGRAFIK DWO
Im „Baberyn Reef Resort“ hat man sich voll und ganz darauf spezialisiert. Das in den 60er-Jahren errichtete Hotel wurde vom Tsunami
2004 nahezu zerstört. Inzwischen hat man auf- und angebaut: kein Luxusresort, aber sehr authentisch. Das Gartenzimmer mit Meerblick
beispielsweise ist nicht klimatisiert, man schläft unter einem Moskitonetz und einem trägen Ventilator. Es gibt weder Kühlschrank noch
Fernseher, dafür immer eine Thermoskanne mit warmem Wasser.
Am Anfang einer Ayurveda-Anwendung sollte stets die Pulsdiagnose stehen, so auch im „Baberyn Reef Resort“. Die Ärzte sprechen
Englisch. Sie kennen die Worte für Kopf, Herz, Magen, Leber aber auch auf Deutsch. Die ausgestreckte Zunge ist okay, aber die Augen
brennen nach zwölf Stunden Flug und noch mal drei Stunden auf holpriger Landstraße, die sich der Transfer-Toyota mit Kühen und TukTuks teilen musste.
Der Osten von Sri Lanka soll Urlauber locken
FOTO: DPA-TMN/DPA
Endlich sorglos planschen: An den Wochenenden strömen viele Familien aus ganz Sri Lanka nach Pigeon Island, um auf der unbewohnten Paradiesinsel zu
baden.
Für Neuankömmlinge gibt es deshalb sogleich eine Spezial-Augenbehandlung mit Ghee-Butter, dem klassischen Ayurveda-Allheilmittel.
Manche Gäste kommen mit einer langen Liste von Beschwerden, konkreten und diffusen.
Die klassischen Symptome der weit Gereisten: stechendes Herz oder kaputter Rücken, zu viel Arbeit, zu wenig Anerkennung,
unregelmäßige Mahlzeiten, regelmäßig Alkohol und andere Betäubungsmittel, zu wenig und/oder schlechter Schlaf, dasselbe gilt nicht
selten für Sex.
Vata, Pitta und Kapha
Frauen sind, das zeigt die Erfahrung des Hotels, eher bereit, sich auf die fremdartige Behandlung einzulassen. Sie kommen zur Ruhe
und zu sich selbst, Männer sehen das eher als eine Art TÜV, wenn der Motor nicht mehr rund läuft: Inspektion, Außen- und
Innenwäsche, Auftanken klingt für sie eingängiger als Vata, Pitta und Kapha.
Das sind die drei Doshas, die Grundkräfte des Lebens. Auf diesem Regelsystem basiert nach der ayurvedischen Lehre das
Gleichgewicht der Körperfunktionen. Die Einordnung des Patienten nach diesem Prinzip ist wichtiger Bestandteil der Therapie.
Obendrein tut so ein Ölwechsel im Paradies aber auch einfach gut. Man lernt zwangsläufig, was zu Hause so selten gelingt: sich einfach
mal liegen lassen.
Nach wenigen Tagen sind die meisten eingelullt vom gebetsmühlenartigen Tagesablauf: Synchron-Massagen, Pause im Kräutergarten
mit Päckchen auf Problemzonen, Vogelgezwitscher im Ohr, höllisch heiße Dampf- oder sanfte Kräuterbäder.
Gut zum Entgiften, auch wenn es giftig schmeckt
Wenn man bei den fortwährenden Ölmassagen von oben nach unten, im Kreis oder in Form einer Acht begossen wird, stellt sich schnell
das durchaus angenehme Gefühl ein, als würden verfilzte Nervenenden ausgekämmt. Verbliebene Blockaden werden per Akupunktur
weggepikst.
Eine Reise in das Hochland von Sri Lanka
FOTO: PA/BILDAGENTUR HUBER
Sri Lanka gehört zu den größten Tee-Exporteuren der Welt. Am besten gedeihen die Pflanzen im Hochland, unter anderem rund um Nuwara Eliya.
Bitter sind dagegen die Medikamente. Medizinfläschchen und Päckchen mit Pülverchen, in denen noch mal Pillen versteckt sind. Eine
Brühe heißt Frisch-Fluss – der Name ist Programm, die Farbe nicht, der Geschmack noch weniger. Sei gut zum Entgiften, sagt der
Therapeut, auch wenn es giftig schmeckt.
Alternativ würden sich Einläufe anbieten oder die Einnahme kräftigerer Mittelchen, die für Frisch-Fluss in umgekehrter Richtung sorgen.
Muss man nicht haben. Die Arzneien kommen aus Richard Pereras Hexenküche, er ist der Miraculix des Hauses. 2000 Kräuter kennt er.
Wirken die auch bei modernen Beschwerden, zum Beispiel Burn-out?
Power fürs Gedächtnis
Der Kräuterkenner in vierter Generation lächelt weise. Dagegen mixe er „mental herbs“, zum Beispiel Gotu Kola, das sei Power fürs
Gedächtnis, dazu noch etwas Sandelholz und Aloe vera, das kühlt den Kopf. Ob es hilft, lässt sich kurzfristig leider nicht abschließend
klären, aber die versprochenen Wirkungen klingen verheißungsvoll.
Den legendären Stirnguss Shirodhara gibt es im „Baberyn Reef Resort“ auch: Die Behandlung dauert zwei, drei Tage, an denen man
nicht schwimmen, duschen oder Haare waschen, sich weder Wind, Sonne noch Regen aussetzen darf und bestimmte Speisen meiden
muss. Der durch die Behandlung irritierte Fettkopf braucht Ruhe.
Manche Gäste werden aber auch ganz wuschig davon. Die verlassen das Ghee-Butter-Getto dann mal für ein paar Stunden, was in
gewisser Weise auch der Tiefenentspannung dienen kann. Eine Flussfahrt auf dem Bentota River bietet sich hierfür an. Oder eine
Bustour ins staubig-pittoreske Städtchen Galle.
Die meisten aber bleiben während ihres kompletten Aufenthalts in der Hotelanlage. Sie ist eine Art Arche Noah für Gäste aus 50
Nationen, darunter zwei Schwestern aus Martinique, ein attraktiver Advokat aus Katar, der am liebsten mit seinem Laptop flirtet, zum
Frust der jungen Ärztin aus Köln.
Auf der Suche nach "Spiritual Singles"
Dann sind da noch ein feuriger Spanier und eine österreichische Yogalehrerin aus Schweden, ein halbglatzköpfiger Brite, der im Internet
nach „Spiritual Singles“ surft, die junge deutsche Boxerin, die für Olympia trainiert und hier Tai-Chi übt, sowie eine adlige Dame aus
München, die schon zum elften Mal hier ist und der man nicht ansieht, dass sie drauf und dran ist, dank Ayurveda 100 Jahre alt zu
werden.
Wellness extrem, radikale Erholung auf Bali
FOTO: COMO SHAMBHALA
Nur heiße Steine auf dem Rücken? Das bietet inzwischen ja fast jedes Flughafenhotel. Nein: Auf Bali wird noch richtig Hand angelegt, ...
Nicht zu vergessen die beigefarbene Yoga-Truppe aus dem Schwabenland, die gemeinsam neue Wege gehen will und damit der
Mehrzahl der Einzelgänger oft im Weg ist. Typischer Dialog: „Sag mal Willi, wo war Ayurveda eigentlich besser, in Indien oder Sri
Lanka?“ Willi denkt nicht lange nach: „In Indien. Da dauerten die Massagen länger.“
Der Strand ist bevölkert von Beach Boys und fliegenden Händlerinnen. Die besten Geschäfte macht ein krummbeiniges Männlein mit
einem Korb voll fast frischer Tageszeitungen aus aller Welt, die er reißend loswird und mit denen er – obwohl er selbst nicht lesen und
schreiben kann – mehr verdient als ein Lehrer in diesem Land. Kann gut sein, dass er in wenigen Tagen auch eine Ausgabe dieser
Zeitung feilbietet.
(Die Reise wurde unterstützt von Hotel "Parkschlösschen“)
Lesen Sie hier den zweiten Teil:
Moselfahrt mit Pitta-Tee und Leibeskummer
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