Beitrag Bube-Sauer (handout)

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Beitrag Bube-Sauer (handout)
Zur pädagogischen Herausforderung der Arbeit mit behinderten und
nicht behinderten Kindern in Kooperation mit einem Hospizdienst
Vorstellung eines Unterrichtsprojekts von Inge Sauer und Martin Bube im Rahmen des
3. Tutzinger Hospizgesprächs (10.12.15) [email protected]
Entwicklung der kindlichen Todesvorstellung
Geburt
Kindergarten
1. und 2. Klasse
ab 3. Klasse
ab 6. Klasse
kein Verständnis, aber intuitives Wissen
ungenaues Vorverständnis, kaum Angst
partielles Verständnis, keine Angst/ Angst vor dem Tod anderer Personen
reifes Todesverständnis, geringe Angst
intensive Beschäftigung, starke Angst
Komponenten eines reifen Todesverständnisses (mit 9-12 Jahren möglich)
Kognitive Seite
Universalität: Der Tod ist unvermeidbar
Irreversibilität: Der Tod ist umumkehrbar
Nonfunktionalität: Der Tod erlischt alle
lebensnotwendigen Körperfunktionen
Kausalität: Der Tod hat verschiedene
Ursachen
Emotionale Seite
Angst, Gleichgültigkeit, Verneinung oder
Akzeptanz bezüglich des eigenen Todes, des
eigenen Sterbens, dem Tod anderer und
dem Sterben anderer
Trauerverhalten bei Kindern
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bereits kleine Kinder zeigen Trauerreaktionen
brauchen aber besonders viel Hilfe
6 Prozesse der Trauerarbeit (nach Therese Rando):
1. Den Verlust erkennen (den Tod akzeptieren)
2. Auf die Trennung reagieren (Schmerzen spüren und ausdrücken)
3. Sich auf den Verstorbenen rückbesinnen und die Beziehung nachempfinden
(Lockern der alten Beziehung)
4. Die alten Bindungen an den Verstorbenen und an die alte angenommene
Welt preisgeben (Loslassen der Beziehung)
5. Sich neu ordnen, um sich anpassungsfähig in die neue Welt zu begeben, ohne
die alte zu vergessen (Verarbeiten des Verlusts durch Anpassen an die neuen
Umstände)
6. Neu investieren (neue Rollen, Ideale und Ziele finden)
Notwendige Voraussetzungen zur Thematisierung
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Beim Personal
o Eigene Haltung zur Thematik entwickeln
o Einfühlungsvermögen
o Rollenwechsel
o Hintergrundwissen
o Methodenwissen
o Elternarbeit
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Bei den Schülern
o Vertrauensvolles Klassenklima
o Interesse am Thema
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Sterben, Tod und Trauer bei einem aktuellen Todesfall
1. Informationsphase
Informationen weitergeben
und für Kinder da sein
- Information einholen
- Tragweite bedenken
- Mit Betroffenen reden
- Organisation planen
- Informationen sachlich
korrekt weitergeben
- Erinnerungen
austauschen und Ängste
thematisieren
- Mit Kindern überlegen:
Was können wir tun?
- Trauerkoffer als Hilfe
2. Trauerphase
Trauer Ausdruck geben und
Abschiedsrituale nutzen
- Trauerfeier mit Fotos,
Musik, Texten
- an der Beerdigung aktiv
teilnehmen (Texte,
Grabbeigaben, Musik,
Blumen)
- kreativ
auseinandersetzen:
Briefe schreiben, Bilder
malen, Luftballons mit
Grußkarten steigen
lassen
- Grab besuchen
- Erinnerungstisch
gestalten (mit Foto,
Blume, Kerze)
3. Erinnerungsphase
Trauer abschließen, in Alltag
zurückfinden, Erinnerung
bewahren
- Feste Orte und Zeiten
der Erinnerung schaffen
(Todestag,
Erinnerungstafel)
- Gestaltung eines
Erinnerungsbuches (mit
Fotos, Todesanzeige,
Danksagung,
Erinnerungsarbeiten der
Mitschüler)
Sterben, Tod und Trauer als Sachthema ohne konkreten Anlass
Mögliche Bausteine:
Abschied und Neubeginn als Grundbedingung des Lebens
 Bildkarten (Jahreszeiten, Pflanzenwachstum, menschliche Entwicklungsphasen und
Lebensereignisse) ordnen und in Kreisform bringen
 Werden und Vergehen im Alltag beobachten (z. B. Kerze, Metall, Müll, Kompost,
Atem, Kleider- und Schuhgrößen)
 Memory der Gegensätze basteln (z. B. Sommer-Winter, Regen-Sonne, Leben-Tod).
 Samen säen und das Reifen und Welken der Pflanze beobachten
 Kompostversuch: ein Terrarium mit Sand füllen, darüber Küchenabfälle (z. B.
Eierschalen, Bananenschalen) streuen, Regenwürmer beigeben und das Ganze
luftdicht verschließen. Beobachten, was passiert.
 Karottenexperiment: das Ende einer Karotte, das noch ein paar grüne Stiele hat etwa
1cm dick abschneiden, auf einen Teller ans Fensterbrett legen und bewässern. Nach
ein paar Tagen bekommt die Karotte neue Blätter.
 Naturexperiment: ein Loch im Schulgarten ausheben und Gemüsereste, Blätter usw.
hineinlegen, mit Erde bedecken, Loch markieren und in gewissen Zeitabständen
kontrollieren, was mit dem Inhalt passiert.
 Abschiedsspiele (z. B. Baer/Bücken: Sag beim Abschied… Spiele, Materialien und
Methoden)
Persönliche Auseinandersetzung mit Sterben und Tod
 eigene erfahrene Abschiede mit Gegenständen und Fotos reflektieren (z. B.
Schnuller, Windeln, Krabbeln, Aussehen).
 Lebensweg mit den wichtigsten bisherigen und zukünftigen Stationen malen
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Mit Requisiten verkleiden und versch. Lebensphasen nachstellen, fotografieren und
damit ein Lebensplakat gestalten
einen eigenen Stammbaum der eigenen Familie aufstellen, seinen Platz darin sehen
Begriffliche Auseinandersetzung mit Sterben und Tod
 Eigene Vorstellung vom Tod malen und Bilder vergleichen
 Lebens- bzw. Todeskriterien kennen und ausprobieren: z. B. Atem spüren, Puls fühlen
bzw. ausdrucksloses Gesicht machen, mit Eispads Haut kühlen
 Zeitleiste mit Lebensalter und Bildern von Lebewesen gestalten
 Lebensdauer-Memory: Welches Tierbild und welche Alterszahl gehören zusammen?
 Philosophieren: „Sterben Steine auch?“, Unterschied zwischen Sterben und Tod
 Wissensquiz: z. B. Was passiert, wenn jemand gestorben ist? Was ist ein Bestatter?
Woran kann ich erkennen, dass jemand tot ist? An was können Menschen sterben?
Muss jeder Mensch sterben?
Sterben und Tod heute
 Ablauf kennen lernen: Was passiert, wenn jemand stirbt? (z. B. Sendung mit der
Maus: Abschied von der Hülle)
 Ablauf bei einem Todesfall in einem Rollenspiel/ mit Spielzeug nachspielen
 Berichte und Bilder aus Zeitungen und Zeitschriften sammeln und daraus eine Collage
zum Thema „Wo begegnen uns Tod und Sterben?“ gestalten
 Text (vor)lesen: z. B. Donelly: „Servus Opa sagte ich leise“  über Bedürfnisse und
Ängste Sterbender nachdenken, Möglichkeiten der angemessenen Begleitung dieser
erarbeiten und im Rollenspiel einüben
 in der Natur ein totes Tier suchen und dieses beerdigen
 Besuch eines Friedhofs, eines Bestattungsunternehmens, eines Krankenhauses, eines
Altenheims oder ein Hospizes
 Befragung eines Experten zum Thema (z. B. Pfarrer, Bestatter, Friedhofsmitarbeiter,
Arzt, Hospizhelfer)
Sinn des Todes
 Gründe überlegen, warum es den Tod gibt
 Texte (vor)lesen und thematisieren: Märchen von der Eintagsfliege und dem Baum in
Neysters/Schmitt: „Denn sie werden getröstet werden“, S. 76f; Hastings/Cartwright:
„Bodkin oder die Geschichte vom ewigen Leben“; Ringtved/Pardi: „Warum, lieber
Tod…?“; Meinderts/ Jekkers/ Grobler: Ballade vom Tod; Geschichte: „Der Tod und
der Gänsehirt“; Geschichte: „Der Schmied von Jüterbogk“  Streitgespräch zwischen
Mensch und Tod inszenieren
Jenseitsvorstellungen
 Jenseitsvorstellungen malen und vergleichen
 Jedes Kind bläst eine Seifenblase und fängt diese auf  „Die Seifenblasen sind zwar
weg, aber die Hand ist feucht. Genauso ist es, wenn Menschen, die wir gerne haben,
tot sind. Sie sind nicht mehr wie früher bei uns, aber wir können uns an sie erinnern
und können die Erinnerung in unserem Herzen behalten.“
 Texte (vor)lesen und thematisieren: Hubka/ Hammerle: „Wo die Toten zu Hause
sind“; Ommen: „Lakritzbonbons“; Müller: „Auf Wiedersehen, Oma“
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Trauer und Trauerbegleitung
 Gefühle auf Fotos beschreiben und pantomimisch nachstellen
 Erinnern an Situationen, in denen man selbst traurig war  Möglichkeiten der
Trauerbewältigung überlegen, in Standbild darstellen und fotografieren  auf Plakat
aufkleben
 Beschreiben oder Bemalen von Postkarten mit hoffnungsvollen Sprüchen für
Trauernde, hilfreiche Trostgegenstände sammeln und damit eine Trostkiste für
traurige Zeiten füllen
 eine Träne aus Pappe ausschneiden, Situationen hineinmalen/schreiben, in denen
man schon mal getrauert hat
 eine Blume als Gedenken an jemand Verstorbenen gestalten: In der Mitte steht der
Name des Toten und in die sieben Blütenblätter schreiben oder malen die Schüler
jeweils dessen Aussehen, Interessen, Eigenschaften, Aufgaben, Fähigkeiten sowie die
gemeinsamen schlechten und schönen Erinnerungen hinein
Was Kinder brauchen, um rechtzeitig mit dem Tode leben zu lernen (vgl.
Student: Trauer über den Tod eines Kindes):
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Kinder brauchen das sichere Gefühl, dass ihre Fragen ehrlich beantwortet werden.
Sie sollen Gelegenheit bekommen, zu lernen, wie man trauert.
An kleinen Verlusten in ihrem Leben kann dies erfahren werden.
Sie müssen über Todesfälle in der Familie oder bei Bekannten informiert werden.
Kinder müssen lernen, die Endgültigkeit des Todes zu begreifen.
Sie müssen die Möglichkeit zum Abschied nehmen bekommen.
Ihre Gefühle brauchen Raum und Zeit einen Verlust zu bewältigen.
Kinder benötigen die Sicherheit, dass Erwachsene gut genug auf sich selbst achten,
um für sie lange genug am Leben zu bleiben.
Kinder sollen wissen, dass bisweilen auch Kinder sterben können.
Kinder müssen ermuntert werden, ihre Gefühle zu zeigen.
Hilfreiche Literatur
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Amuat, R. (Hrsg.): Last minute – Der Tod macht auch vor der Schule nicht Halt. Zürich 1999.
Bosch, E.: Trauern, um wieder lieben zu können. Tod und Sterben im Leben von Menschen mit einer
geistigen Behinderung. In: Geistige Behinderung 1/2006 (S. 34-48).
Brumann, U./ Knopff, H.-J./ Stascheit, W.: Projekt Tod. Mühlheim an der Ruhr 1998.
Bube, M.: Sterben und Tod als Unterrichtsthema für Schüler mit geistiger Behinderung. Disserta-Verlag
2012.
Bundesvereinigung Lebenshilfe (Hrsg.): Bäume wachsen in den Himmel. Marburg 2003.
Franz, M.: Tabuthema Trauerarbeit. München 2002.
Hinderer, P./ Kroth, M.: Kinder bei Tod und Trauer begleiten. Münster 2005.
Hospizbewegung Düren-Jülich e. V. (Hrsg.): Hospiz macht Schule. Wuppertal 2010.
Institut für Schulqualität und Bildungsforschung (Hrsg.): Hospiz und Schule. Abschied, Sterben, Tod
und Trauer als Thema für Schule und Unterricht. München 2014.
Itze, U./ Plieth, M.: Tod und Leben. Donauwörth 2002.
Jennessen, S./ Gabauer, A./ Feller, F.: Mehr als Faktenwissen - Existentielle Fragen als Thema der
Förderschule. In: Zeitschrift für Heilpädagogik 9/2006 (S. 322-331).
Luchterhand, Ch./ Murphy, N.: Wenn Menschen mit geistiger Behinderung trauern. Weinheim 2001.
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Pisarski, W. & A.: Das Sterben ins Leben holen. Kinder beim Trauern begleiten. Bayreuth 1997 .
Tausch, D./ Bickel, L.: Wenn Kinder nach dem Sterben fragen. Freiburg 2015.
Themenheft „Abschied, Tod und Trauer“. Lernen konkret 1/2009.
Willi will´s wissen: Wie ist das mit dem Tod? (DVD)
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