TrauerndeHöllenengel - Alter Friedhof Bielefeld und Krematorium

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TrauerndeHöllenengel - Alter Friedhof Bielefeld und Krematorium
NWBielefeld
NR. 5, MONTAG, 7. JANUAR 2013
TrauerndeHöllenengel
800 Hells Angels aus Europa und Amerika verabschieden sich von Bielefelder „President“
VON KURT EHMKE
UND JENS REDDEKER
¥ Bielefeld. Sie demonstrieren
Zusammenhalt. 800 Mitglieder
der berüchtigten Hells Angels
trudeln am Samstag in Bielefeld
ein. Schwere Harleys donnern
über die Brockhagener Straße,
gutbürgerliche Autos, feine Limousinen. Wer aussteigt, trägt
Kutte. Kraftpakete und harte
Jungs: Vielen von ihnen wird kriminelles Handeln vorgeworfen.
Frauen, Drogen, Schutzgeld. Sie
kommen aus Kanada, Slowenien, Norwegen, Spanien. 800
Höllenengel verabschieden einen der ihren: „President Jörg“
Mason ist tot. Gestorben an Heiligabend im Alter von 44 Jahren.
Teilnehmer: 309
Die neue Frage:
Besucherrekord 2012 im
Ice-Dome – sollte der Stadthallen-Anbau auch 2013
zur Eishalle werden?
Stimmen Sie bei uns im
Netz ab!
Geschlossene Gesellschaft. So
nennen es Anzugträger. Bei den
Hells Angels heißt es markig:
„Keine Fragen, keine Antworten.“ Ihr Klubheim, eine Industriehalle an der Erpestraße in
Ummeln, ist Tabuzone für Menschen ohne Kutte. Wachen stehen am Eingangstor, begrüßen
weitgereiste Mitglieder. Und machen jedem deutlich, dass hier
nur Platz für Höllenengel ist.
Die Gäste. Sie steigen oft aus
feinen Autos aus, neueste Mercedes-Modelle sind zu sehen. In
der Halle ist der Leichnam von
Jörg Mason aufgebahrt, Zeit für
den Abschied. Auch Deutschlands bekanntester Hells Angel,
der Hannoveraner Frank Hanebuth, wird gesehen. Frauen sind
nur später auf dem Friedhof zu
entdecken. Eine trägt Schwarz
und eine riesige schwarze Tasche
mit einem Totenschädel – gestickt aus glitzerndem Strass. Der
Ganz fix auch
mit dem Handy
Bekannt als
Türsteher
in Bielefeld
President der Londoner Hells Angels soll anwesend sein, höchste
Ehre. Ein schwarzer Off-Road-Pickup steht vor der Halle, mit Blumenschmuck am Heck. Später
wird auf ihm der weiße Sarg zum
Sennefriedhof gefahren.
Affa. Das steht auf dem Sarg,
das wird später am Krematorium
gebrüllt. „Angels Forever, Forever Angels“. Wer es einmal zum
Höllenengel gebracht hat, bleibt
es – auch vor Gott oder dem Teufel oder wo auch immer.
Jörg Mason. Ein Kumpel sagt,
der President sei „nach langer
Krankheit an multiplem Organversagen“ verstorben. Er galt als
bewährtes Mitglied, soll aus dem
Ruhrgebiet stammen, wo seine
Urne kommende Woche beigesetzt werden soll. In Bielefeld war
er Nachtschwärmern bekannt als
„Nasen-Jörg“; bulliger Türsteher
am Sam’s und am Café Europa.
Seine markanten Gesichtszüge
soll er seiner Leidenschaft, dem
Cage-Fighting, zu verdanken haben – dem im Käfig ausgetragenen Mix aus Karate, Boxen,
Wrestling und anderen Kampfsportarten. „Jörg war vor seiner
Krankheit sehr fit“, sagt Django,
Hells Angel aus Bremen.
Gesperrt. Als der Sarg auf dem
Pickup liegt, stellen sich 100 Hells
Angels auf: Ihre Motorräder fahren hinter dem Leichenwagen
des Löhner Bestatters Rasche her,
die Polizei eskortiert den bedrohlich tuckernden Korso über Nebenstraßen zum Sennefriedhof.
Vorbei an der Gröppelkreuzung
und Goldbeck geht es Richtung
´ 800 Hells Angels bei Beerdigung in Bielefeld.
´ Weihnachtsbaum-Sammeln in den Stadtteilen.
Friedrichsdorfer und Friedhofstraße – die Route ist genehmigt.
Polizei-Einsatzleiter Heinz-Jürgen Flügge: „Unser Ding ist der
Verkehr, es gab einen unproblematischen Ablauf.“
Eingeäschert. Am Krematorium fährt der Sarg ein, 800 Hells
Angels brüllen „Affa“ – ältere Damen suchen das Weite. Dann
stapfen die Höllenengel zum
Parkplatz, dort röhrt und knat-
INFO
Hells Angels in Bielefeld
´ Die Bielefelder Hells Angels
soll es seit 2008 geben.
´ Eine Gründung, so ein Mitglied, soll durch schlichte Willensbekundung von fünf bis sieben Menschen möglich sein –
andere Quellen stellen es eher
so da, dass Hells Angels aus
lange etablierten MotorradKlubs hervorgehen können.
´ In Bielefeld sitzen die Hells
Angels an der Erpestraße 27, bis
mindestens 2007 Sitz der Red
Devils, einem UnterstützerKlub. Ihn soll es noch geben; getrennt von den Hells Angels.
´ 12 bis 15 Mitglieder sollen
die Bielefelder Hells Angels haben, so ein Rocker vor Ort.
´ Während in anderen Städten
Hells Angels oft mit schwerer
Kriminalität in Verbindung gebracht werden, ist in Bielefeld
davon bisher nichts bekannt.
tert es 15 Minuten lang ohrenbetäubend. Vier Hells Angels quetschen sich in einen Maserati aus
der Schweiz: Kuttenträger auf edlem Leder. Motorräder donnern
weg, fünf trauernde Frauen kommen als Gruppe vorbei.
Django redet. Der Parkplatz
ist leer, da spricht ein Hells Angel
doch noch: „Nenn’ mich
Django“, sagt er – und: „Jeder,
der stirbt, kriegt bei uns seinen
letzten Respekt.“ Dass so viele
nach Bielefeld gekommen sind,
habe „nichts mit Ämtern zu tun,
eher damit, wie viele den Toten
kannten“. Wäre Jörg im Sommer
eingeäschert worden, „wären
noch mehr gekommen“. Django,
der als Angels-Pressesprecher für
Deutschland gilt, zum Toten: „Er
hat es erreicht, das große Ziel.
Wer Hells Angel wird, geht einen
Lebensbund ein.“ Einen, den
viele skeptisch sehen.