Ein Komponist, der bis heute inspiriert
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Ein Komponist, der bis heute inspiriert
Ein Komponist, der bis heute inspiriert KULTUR Der „Schwandorfer Klavierfrühling“ geht derzeit im Oberpfälzer Künstlerhaus dem prägenden Werk Ludwig van Beethovens auf den Grund. ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● VON CHRISTINA RÖTTENBACHER ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● Wenn heute von dem Komponisten Ludwig van Beethoven die Rede ist, reduzieren sich die Kenntnisse des Normal-Klassikkonsumenten auf das kleine, in bester Wiener Klassik komponierte Stück „Für Elise“ und „Beethovens Neunte“. Bereits dieses rudimentäre Allgemeinwissen belegt, dass Beethoven auch nach mehr als zwei Jahrhunderten ein Mythos ist. Ein Mythos, der nicht nur musikalische Gefälligkeiten komponierte und an denen sich Generationen von Klavierschülern versucht haben, dessen „Elise“ als Handy-Klingelton oder Popsong herhalten muss, sondern bis heute von berühmten Pianisten auch immer wieder neu erfasst und interpretiert wird. Diesem Mythos geht der diesjährige „Schwandorfer Klavierfrühling“ derzeit im Oberpfälzer Künstlerhaus auf den Grund, der mit Beethovens letzter Sonate, der „Sonate pour le Piano Forte“ in c-Moll op. 111 seinen Anfang nahm. SCHWANDORF. „Popmusiker“ des Zeitgeistes Es war kein Konzert im klassischen Sinn, das der Initiator des Klavierfrühlings und Musikprofessor Kurt Seibert vor ausverkauftem Haus gab. Zusammen mit dem Schauspieler Erik Roßbander, der Briefe Beethovens sowie von Zeitgenossen, Biografen und Kunstkritikern aus der Zeit des Komponisten und danach rezitierte, entwickelte sich das Psychogramm eines imposanten, selbstbewussten Künstlers, der es verstand, sich als Komponist und Pianist zum „Popmusiker“ des musikalischen Zeitgeistes, der Wiener Klassik, aufzuschwingen. Hintergründig war Beethoven, auch das rezitierte Roßbander eindrucksvoll, ein beneideter, kritisierter, gebrauchter und missbrauchter genialer Komponist. Mit diesem Wissen und den musikalischen Einführungen Seiberts in das Schaffen Beethovens mit Anekdoten, nicht immer haltbaren Überlieferungen und musikalischen Kostproben zeichnete sich für den Zuhörer ein Bild ab, das sowohl den musikalischen und gesellschaftlichen als auch den politischen Zeitgeist Schauspieler und Rezitator Erik Roßbander (links) zusammen mit Musikprofessor Kurt Seibert ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● DIE NÄCHSTEN VERANSTALTUNGEN IM KÜNSTLERHAUS ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ➤ Donnerstag, 14. März, 19.30 Uhr: Klavierduo Minhee Kim und Hyunju Rue spielt die Große Fuge für Klavier zu 4 Händen in B-Dur. ➤ Sonntag, 17. März, 11 Uhr: Pianist Christian Seibert spielt die Sinfonie Nr. 7 A-Dur, Opus 92 (für Klavier bearbeitet ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● Beethovens eindrucksvoll widerspiegelte. Mit diesem vermittelten Wissen war es Seibert ein Leichtes, die gefälligen Jugendwerke Beethovens – das Rondo in G-Dur, Opus 51, bekannt auch als „Wut über den verlorenen Groschen“, das berühmte „Für Elise“ („es haben sich Generationen von Klavierschülern daran abgearbeitet, dabei ist es ein geniales, kleines Stück“) mit Meisterhand zu interpretieren und der in der Neuzeit zur Schnulze gemachten „Elise“ zu ihrem kompositorischen Stellenwert zu verhelfen. Der hier gegebene Vergleich zum Popstar ist gar nicht so frevelhaft. Zeitgenössische Bilder zeigen Beethoven immer wieder inmitten weiblicher Fans, und wie ein heutiger Popstar nutzte auch er die Gunst der Stunde, sich der einen oder anderen Schönen zuzuwenden. Bis heute zeugen Standbilder, Büsten, Postkarten, selbst Comics, Münzen, Gemälde und Karikatu- ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● von Franz Liszt) sowie die Sinfonie Nr. 5 c-Moll Opus 67. (Schicksalssinfonie) für Klavier bearbeitet von Franz Liszt. ➤ Interpretationsseminare „Wege zu Beethoven“ am Mittwoch, 13. März, und Freitag, 15. März, jeweils um 19.30 Uhr zur Vorbereitung auf die Konzerte. Sei● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● Foto: Röttenbacher ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● bert analysiert Beethovens Klavierwerke. Er setzt den Schwerpunkt auf die Rezeptions- und Interpretationsgeschichte sowie die kulturpolitische Bedeutung Beethovens über mehr als 150 Jahre. Junge Pianistinnen spielen dazu beispielhafte Werke. (hcr) ● ● ren von der ungebrochenen Popularität Beethovens. Die das Konzert und die Rezitationen begleitende Bilderpräsentation im Künstlerhaus machte deutlich, dass Beethoven, von Franz Liszt protegiert und von Lenin und Gorki in Russland empfangen, als deutsches Musikgenie vom Freiherr Hans von Bülow am Beispiel der 3. Sinfonie, der „Eroica“, nach dem 1. Weltkrieg selbst für Hiltlers Politik vereinnahmt wurde und das entstandene kulturelle Loch und den politischen Umbruch bewältigen musste. „Warum habt ihr mich verlassen?“ „Unser Fazit lautet heute: Beethoven war der letzte, bedeutende, internationale Komponist“, leitete Seibert zu Beethovens letzter Klaviersonate, der Sonate in c-Moll, Opus 111, über. Sie erinnere in ihrer Intensität stark an die Ölbergszene, erklärte Seibert. „Warum habt ihr mich verlassen?“ sei eine ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● typische Lebenshaltung des gealterten Komponisten gewesen. „Diese Sonate ist nichts Besonderes“, sie zeige die klassische Großform mit langsamer Einleitung und uralter, formaler Zweistimmigkeit. Im zweiten Satz dagegen, so Seibert, gingen die großräumigen Variationen eine Apotheose (Erhebung zum Göttlichen) ein. Und so setzte Kurt Seibert die Sonate auch am Flügel um. Tiefgründig, meisterhaft und in ausdrucksstarker Seibert-Interpretation. Zum Schluss hatte Roßbander noch eine Anekdote parat. Ein Sony-Mitarbeiter ärgerte sich darüber, dass Beethovens 74 Minuten lange „Neunte“ Sinfonie auf keinen Tonträger passte, den man nicht wechseln musste. Er entwickelte die Mini-CD mit 75 Minuten Laufzeit und zwölf Zentimetern Durchmesser, damit sie in die Hemdtasche passte. So inspiriert Beethoven bis heute.