(SAED) in Santiago del Estero
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(SAED) in Santiago del Estero
Abschlussbericht – Praktikum in der SAED, Santiago del Estero, Argentinien August 2010 – Februar 2011 „Um fliegen zu können, muss man nicht nur Flügel haben, sondern sie auch schwingen.“ (Burmesisches Sprichwort) Mal etwas anderes erleben. Eine völlig neue Kultur kennenlernen. Raus aus Deutschland und Europa – rein in die Welt! So ähnlich sind wohl meine Gedanken gewesen vor über einem Jahr, als ich mitten in meinem Hauptstudium steckte und ich mir wohl eher Gedanken über eine gute Examensvorbereitung machen sollte, als über andere Länder und Sitten zu philosophieren. Aber die Hirngespinste blieben standhaft und so begann ich konkreter über eine Auslandserfahrung nachzudenken. Vor allem Südamerika hat mich ganz besonders interessiert, da ich in Deutschland schon einige Südamerikaner oder Deutsche mit Südamerika-Erfahrungen kenne und immer gespannt bei Geschichten über diesen so gigantischen Kontinent zugehört habe, aber nun wollte ich mich auch persönlich davon überzeugen. Aber wie sollte das gehen? Was könnte ich in Südamerika machen? Ein Auslandssemester, einen Freiwilligendienst, ein Praktikum? Viele Optionen standen zur Auswahl. Doch eines Tages erhielt ich eine Email meines ehemaligen Gymnasiums, Studienkolleg Obermarchtal, Baden- Württemberg. Träger dieses staatlich anerkannten Gymnasiums ist die „Stiftung Katholische Freie Schule der Diözese Rottenburg-Stuttgart“. Die in Obermachtal jährlich stattfindenden sogenannten „Interkulturellen Begegnungstage“ beschäftigen sich jedes Jahr mit einem anderen Land und sollen somit den Schülern eine Reflexion des eigenen Standpunktes und eine Sensibilität für andere Kulturen und Lebensformen ermöglichen. Passend zu diesen Tagen gibt es auch eine Abendveranstaltung für Eltern, ehemalige Schüler und Interessierte. Hierzu bekam ich per Mail eine Einladung und das Thema des damaligen Jahres (2009) war Argentinien. BINGO! Voller Vorfreude ging ich zu diesem Abend und stellte schnell fest, dass es nicht nur einfach eine Vorstellung des Landes Argentinien geboten wurde, sondern auch eine Info-Veranstaltung zu dem Austauschprojekt der Partnerschaft zwischen der Diözese Rottenburg-Stuttgart und der Diözese Santiago del Estero in Argentinien. Hier ein kurzer Überblick über die Geschichte dieser Partnerschaft: Die Schulorganisationen der Diözesen Santiago del Estero und Rottenburg-Stuttgart pflegen seit fast zehn Jahren eine immer intensivere Partnerschaft. Die erste Kontaktaufnahme geschah im Jahr 2000, als Bischof Fürst zum ersten Mal die Partnerdiözese in Nordargentinien bereiste. Mit im Gefolge war die Europaabgeordnete Elisabeth Jeggle in ihrer Funktion als Stiftungsratsmitglied der Stiftung Katholische Freie Schule der Diözese Rottenburg-Stuttgart. Die Delegation traf in Santiago auch den Pfarrer Sigmund Schänzle, der von der Diözese Rottenburg-Stuttgart an die argentinische Partnerdiözese „ausgeliehen“ war. Schänzle, heute Dekan in Biberach/Ochsenhausen, war damals unter anderem für die katholischen Schulen in Santiago zuständig. Nach zaghaften und letztlich erfolglosen Versuchen, über Brieffreundschaften zwischen den Schülern Beziehungen aufzubauen, besuchten die Leiterinnen der neuen Zentrale der santiagenischen katholischen Schulen, Silvia Carreras und Cecilia Rafael, 2003 die katholischen Schulen in der Diözese Rottenburg-Stuttgart. Insbesondere deren Erziehungs- und Bildungskonzept, der Marchtaler Plan, stieß bei den Argentinierinnen auf Interesse. 2005 erfolgte der Gegenbesuch des deutschen Stiftungsvorstands, Dr. Berthold Saup und Walter Swacek, in Santiago del Estero, zusammen mit dem inzwischen zurückgekehrten Pfarrer Schänzle. Eine Erkenntnis dieses Seite 1 Abschlussbericht – Praktikum in der SAED, Santiago del Estero, Argentinien August 2010 – Februar 2011 Besuchs war, dass die Begegnung von Mensch zu Mensch die tragfähigste Grundlage für eine Partnerschaft zwischen den beiden Schulorganisationen sei. Im Sommer 2007 startete deshalb der „Pionierjahrgang“ deutscher Praktikantinnen und Praktikanten für ein halbes oder ein ganzes Jahr nach Santiago. Drei Abiturientinnen, eine Erzieherin, eine Diplom-Pädagogin und ein Student arbeiteten an den katholischen Schulen in Santiago als Hilfslehrer mit. Zusammen mit den argentinischen Projektverantwortlichen haben sie die Strukturen für das Praktikumsprogramm entwickelt. Im Sommer 2009 geht schon der dritte Jahrgang nach Santiago und profitiert vom mutigen Einsatz der „Pioniere“. Mit zum Aufgabenbereich gehört inzwischen die Arbeit in den Kirchengemeinden, v.a. in Armenküchen und Katechesegruppen. Die klimatisch benachteiligte Region Santiago del Estero gilt als das „Armenhaus Argentiniens“. Die katholischen Schulen der Diözese bieten vielen Kindern die einzige Möglichkeit, der teilweise extremen Armut zu entkommen, indem sie eine solide Ausbildung erhalten. In vielen Fällen bieten sie den Kindern durch die Schulspeisung auch die einzige Nahrung für den Tag.1 Durch dieses Praktikum würde ich die Möglichkeit erhalten die kulturellen und sozialen Besonderheiten der pädagogischen und sozialen Einrichtungen der Sede Administrativa de Escuelas Diocesanas (SAED) kennenzulernen. Außerdem würde ich zusammen mit anderen Praktikanten wichtige Netzwerke für den Austausch mit Deutschland knüpfen und berufliche Erfahrungen durch die Mithilfe in verschiedenen pädagogischen Bereichen sammeln können. Ein weiteres wichtiges Lernfeld des Programms ist das Kennenlernen und Sich- Einlassen auf eine fremde Kultur und das Zusammenleben in der Gemeinschaft. Konkret würde ich an mehreren Einrichtungen der SAED tätig sein, dies beinhaltet unter anderem die Mitarbeit im Unterricht, Übernahme von Vertretungsstunden, AGs, Projektmanagement (Exkursionen, etc.) sowie die Mitarbeit in der Verwaltung. Nun war mein Interesse natürlich geweckt und nach persönlichen Gesprächen mit Ehemaligen und dem betreuenden Projekt-Verantwortlichen der Stiftung, Herrn Jörg Stein (Vorstandsassistent der Stiftung) an diesem Abend im November 2009 war eine Bewerbung (Motivationsschreiben, Lebenslauf) schnell geschrieben und ich wartete voller Hoffnung auf einen positiven Bescheid. Dieser ließ auch nicht lange auf sich warten und ich wurde zu einem Vorstellungsgespräch nach Obermarchtal eingeladen. Auch dieses verlief positiv und nach nur wenigen Tagen bekam ich schon einen Anruf von Herrn Stein, der mir mitteilte, dass ich mit in der Gruppe sei, die sich im August 2010 auf nach Santiago del Estero machen werde. Bei einem dreitägigen Einführungswochenende (7. Bis 9. Mai 2010) an der Kirchlichen Akademie der Lehrerfortbildung in Obermarchtal Mitte Mai 2010 lernte ich dann auch meine Mitstreiter kennen: vier frisch gebackene Abiturienten, die sich nun ein Jahr lang in Argentinien über ihre Zukunft Gedanken machen wollen, bevor es mit einem Studium oder einer Ausbildung losgeht. Dieses Vorbereitungsseminar wurde neben Herrn Stein auch von zwei ehemaligen Santiago Praktikanten (beide aus dem Pionierjahrgang 2007) geleitet. Programmpunkte dieses langen Wochenendes waren unter anderem: Vorstellung der Partnerschaft, Ziele des Praktikums; Leben in Santiago; Das Schulsystem in Santiago; Organisatorisches, Zusammenleben im „Casa Loca“; Interkulturelle Rollenspiele und außerdem die Mitarbeit in den Kirchengemeinden Santiagos. 1 Zitiert nach der Homepage http://www.schulstiftung.de/index.php?id=302. Seite 2 Abschlussbericht – Praktikum in der SAED, Santiago del Estero, Argentinien August 2010 – Februar 2011 Zu meiner weiteren Vorbereitung habe ich einen Spanisch Sprachkurs an der Ludwig Maximilian Universität München (meinem Studienort) belegt, außerdem habe ich diverse Bücher zu Argentinien/ Südamerika gelesen, wie z.B. Goerdeler, Carl D.: Kulturschock Argentinien, Bielefeld 2010; Bauer, Thomas: Die Gesichter Südamerikas. Eine Abenteuerreise durch Argentinien, Chile, Bolivien, Peru und Kolumbien, Schweinfurt 2010. Natürlich war ich zunächst einmal gespannt darauf, ein neues Land, seine Kultur und Leute aus erster Hand kennenzulernen. Zum anderen habe ich mir vor allem Santiago del Estero mit seiner hohen Armutsrate gar nicht so recht vorstellen können und habe eher gedacht, dass die dort lebenden Menschen nur auf Hilfe von außen angewiesen seien. Gerne wollte ich hierzu in Form schulischer Bildung einen Beitrag leisten und habe mir wohl eher eine Art „Hilfe zur Selbsthilfe“ vorgestellt. In meinem Reisegepäck hatte ich somit auch einfachere Kleidung und wenig Wertvolles dabei. Jetzt nach sechsmonatigem Aufenthalt sehe ich das viel differenzierter. Zum einen ist die Schere zwischen Arm und Reich in Santiago dermaßen groß, dass ich natürlich auch "dicke" BMWs und AUDIs gesehen habe, aber daneben auch Droschken, die von Eseln oder Pferden gezogen werden. Auch die Tatsache, dass man beim Ausessen im Freien jedes Mal von Kindern um Geld angebettelt wird, gehört zu meinen Erfahrungen in Santiago. Natürlich nehme ich an der Armut und an den Problemen der lebenden Menschen in Santiago del Estero Anteil, aber ich habe auch sehr viel von ihnen gelernt. Wie Thomas Bauer sagt, Argentinien ein „Land der Schmerzen und der Lebensfreude“2, man sieht den Schmerz in Form von Armut und geringer Infrastruktur in Santiago, doch die Lebensfreude der Menschen ist derart ansteckend, dass die Schmerzen zugleich gelindert werden. Indem wir andere kennen lernen, lernen wir auch uns besser kennen. Das gilt umso mehr, je „fremder“ uns die Kultur des Anderen vorkommt. In Südamerika zu leben und zu arbeiten, unterscheidet sich sehr stark von unserem Heimatalltag. Und deshalb hat mir mein Praktikum in Santiago del Estero die große Möglichkeit gegeben, ganz andere Lebensbezüge kennen zu lernen, andere Perspektiven einzunehmen, sich selbst und die eigene Lebensplanung zu reflektieren, sowie von der Andersartigkeit des Anderen zu lernen. Auf all diese Erkenntnisse sollte ich während meines Praktikums stoßen… Im August 2010 ging es dann endlich für mich los - auf in das ferne Buenos Aires und von dort aus mit dem Bus weiter nordwestlich ins Landesinnere nach Santiago del Estero, Capital. Dort wurde ich zusammen mit meinen Praktikantenkollegen von unserer Mentorin, Silvia Carreras, sehr herzlich begrüßt und somit begann mein halbjähriges Praktikum in Santiago del Estero, Argentinien. Bedenken hatte ich vor allem bzgl. der Sprache, da ich mich nicht ausreichend vorbereitet fühlte. Jedoch wurde mir dieser Umstand erst hier in Santiago del Estero so richtig bewusst und ich habe mich deshalb auch in den ersten Monaten in Santiago selbst unter Druck gesetzt. Nach und nach wurde die Verständigung besser und irgendwann kam ich an den Punkt, dass ich es jetzt einfach auf mich zukommen lassen muss und alles Weitere sich dann schon ergeben wird. 2 Siehe Bauer, Thomas: Die Gesichter Südamerikas. Eine Abenteuerreise durch Argentinien, Chile, Bolivien, Peru und Kolumbien, Schweinfurt 2010, S. 9-11. Seite 3 Abschlussbericht – Praktikum in der SAED, Santiago del Estero, Argentinien August 2010 – Februar 2011 Mein erster Einsatzort war das Institut „Maria Auxiliadora“. Hierbei handelt es sich um eine sogenannte „Secundario“, eine weiterführende Schule, die aus sechs Klassenstufen besteht und mit einer ‚Gesamtschule‘ in Deutschland vergleichbar ist. Das Schulgebäude befindet sich mitten in einem Wohnviertel namens „Los Inmigrantes“, eines der ärmeren Wohngebiete in Santiago del Estero. Man kann sagen, dass es sich bei der Schule MARIA AUXILIADORA um eine Brennpunktschule handelt. Neben der Schule steht die (Gemeinde-) Kirche Maria Auxiliadora. Das Schulgebäude umfasst 10 Klassenzimmer, einen PC-Raum, das Rektorat, das Sekretariat, eine Bibliothek, das Lehrerzimmer; außerdem gibt es einen kleinen Pausenhof. Das Lehrerkollegium besteht aus ca. 30- 40 Lehrern und sogenannten „Preceptores“; Sozialarbeitern, die keinen Unterricht halten, sondern ausschließlich für die Organisation, das Wohlbefinden, die Disziplin und das Arbeitsverhalten der Schüler verantwortlich sind und somit den Lehrern unterstützend zur Seite stehen. Da die Lehrer in Argentinien nur ein Fach studieren, arbeiten viele von ihnen an bis zu fünf verschiedenen Schulen, um ihr Stundendeputat auszufüllen. Die „Preceptores“ allerdings arbeiten nur an einer Schule und sind somit ständiger Ansprechpartner der Schüler. Meine Aufgaben innerhalb der Schule haben aus der Unterstützung der Lehrer in der Vorbereitung, Nachbereitung und Durchführung des Unterrichts und der Betreuung einzelner Projekte bestanden. Vor allem in den Fächern: Geographie, „Catequesis“ (Religionsunterricht), „Ciencias Sociales“ (Geschichte und Politik), „Orientación y Tutoría“ (Vermittlung von Sozialkompetenzen, Besprechung von Problemen innerhalb der Klasse, …) und „Comunicación“ (Kommunikation) konnte ich mich am meisten einsetzen. Innerhalb meines halben Jahres an der Schule Maria Auxiliadora habe ich diverse Projekte (mit-) betreut. Durch die Evaluation einer Klasse habe ich die Möglichkeit bekommen, mehr über die Schüler selbst, ihr soziales Umfeld und ihre Wohnverhältnisse zu erfahren. Ein großes Projekt ist die Mitorganisation eines dreitägigen Klassenausflugs in die benachbarte Provinz Tucumán gewesen. Die Planung umfasste die Gestaltung der Reise und Unterkunft, Kalkulation des Essens, Vorbereitung von Spielen/ Aufgaben für die Jugendlichen, … . Diese kleine Reise war eine sehr bereichernde Erfahrung für mich, da ich hier nicht nur die Schüler in einer gelösteren Umgebung kennenlernen konnte, sondern auch meine Kollegen und Kolleginnen. Weitere Tätigkeiten am Institut Maria Auxiliadora während meines gesamten Praktikums umfassten: Vorbereitung und Durchführung von Gottesdiensten (gemeinsam mit Schülern und Lehrern), Vorstellung des Konzepts „Morgenkreis“ (nach dem „Marchtaler Plan“) sowie die Gestaltung von mehreren Unterrichtseinheiten (in Religion und Geschichte). Gleich zu Beginn meines Santiago-Aufenthalts habe ich überraschenderweise auch noch die Gelegenheit bekommen, Kurse an dem Institut „La Sagrada Familia“, einem sogenannten „Profesorado“ (universitäre Schule für die Ausbildung argentinischer Lehrkräfte), zu besuchen. Hier belegte ich vor allem Seminare der südamerikanischen/ argentinischen Geschichte, welche mir noch zusätzlich einen wissenschaftlicheren Blick auf Land und Leute ermöglicht haben. Zusammen mit den anderen deutschen Praktikanten habe ich zweimal wöchentlich einen Spanisch Sprachkurs besucht, der durch die SEAD organisiert wurde. Seite 4 Abschlussbericht – Praktikum in der SAED, Santiago del Estero, Argentinien August 2010 – Februar 2011 Ab November 2010 habe ich neben den Instituten Maria Auxiliadora (Secundario) und La Sagrada Familia (Profesorado) mein Praktikum auch an dem Institut „Colegio Nuestra Señora de Fatima“ absolviert. Bei diesem Institut handelt es sich um eine sogenannte „Primario“, vergleichbar mit einer Grundschule in Deutschland. Die Lehrer einer Primario heißen in Argentinien Maestros, sie unterrichten kein bestimmtes Fach, sondern unterweisen die Schüler ihrer eigenen Klasse in allen Fächern (Lengua - Sprache, Matemática - Mathematik, Naturales - Naturwissenschaften, Sociales Sozialkunde, Plastica - Kunst, Catequesis - Religion). Nur für die Fächer Musica (Musik) und Educación Fisica (Sport) gibt es spezielle Lehrer. Es hat mich sehr gefreut, während meines Aufenthaltes in Argentinien auch die Möglichkeit zu erhalten, Einblicke in eine Primario zu gewinnen. Hier habe ich vor allem den Maestros helfend zur Seite gestanden, einige Vertretungsstunden übernommen und das Projekt „Brieffreundschaften zwischen Santiago del Estero und Bierlingen“ meines Vorgängers, Fabian Teufel, weitergeführt. Schüler und Schülerinnen der Grundschule Bierlingen (Nähe Rottenburg, Baden- Württemberg) haben Briefe an verschiedene Schüler in Santiago geschrieben, zusammen mit den Schülern aus Fatima haben wir dann den deutschen Kindern Antworten geschickt. Mein Tagesablauf hat somit darin bestanden morgens an den Einrichtungen tätig zu sein und abends, nach der obligatorischen Siesta, entweder das Profesorado oder den Sprachkurs zu besuchen . Dazu kamen die Arbeiten im Haushalt, Einkäufe,… teilnahmepflichtige Schulfeste haben sehr häufig stattgefunden und nicht selten freitagabends. Oft wird man jedoch auch spontan eingeladen und so sind (private) Pläne meistens doch eher flexibel auszurichten. Das Wochenende hat normalerweise zu meiner freien Verfügung gestanden. In meinen zwei letzten Monaten habe ich auch die Möglichkeit eines tieferen Einblicks in die Organisation der Sede Administrativa de Escuelas Diocesanas (SAED) erhalten. Es gibt 46 schulische Einrichtungen der SAED, die in der ganzen Provinz Santiago del Estero verteilt liegen. Alle 46 Einrichtungen unterstehen direkt dem Bischof von Santiago del Estero. Wir Praktikanten durften an den wöchentlich stattfindenden Treffen der SAED teilnehmen und konnten somit noch mehr über die Arbeit, die Projekte und deren Finanzierung erfahren. Darüber hinaus ist es auch unsere Aufgabe gewesen, das Schulkonzept der Stiftung Katholische Freie Schule der Diözese Rottenburg- Stuttgart, den sogenannten „Marchtaler Plan“, vorzustellen. Vor allem in den letzten Wochen meines Aufenthalts habe ich mich verstärkt in der Verwaltung der SAED einbringen können, da die Schulen Ferien hatten. Einmal einer mehr kaufmännischen Tätigkeit nachzugehen, hat mir auch großen Spaß gemacht und mir zudem die Möglichkeit gegeben, noch ein tieferes Verständnis für die SAED und ihre Organisation zu erhalten. Meine abwechslungsreichen Arbeitsbereiche haben mich zumeist ausgelastet und das Gefühl einer Langeweile ist in den sechs Monaten nicht aufgekommen. Die Zusammenarbeit mit den Leuten vor Ort verlief sehr gut. Unsere Mentorin Silvia Carreras kümmerte sich sehr gut um uns Praktikanten, so ist es zum Beispiel auch kein Problem, wenn ein Praktikant eine Schule wechseln, eine neue Kirchengemeinde kennenlernen möchte etc., man wird von ihr immer unterstützt. Auch alle anderen Mitarbeiter der SAED sind sehr offen und hilfsbereit und stehen einem immer zur Seite. Für meine pädagogische Arbeit an den Schulen konnte ich gerade bei Unterrichtsplanungen auf meine bereits im Studium erworbenen Fähigkeiten und auf bisherige praktische Erfahrungen zurück greifen und sie waren mir auch eine große Hilfe, da ich mich somit mehr auf die spanische Sprache Seite 5 Abschlussbericht – Praktikum in der SAED, Santiago del Estero, Argentinien August 2010 – Februar 2011 für den Unterricht konzentrieren konnte. Gerade in Punkto Gelassenheit, Ruhe bewahren und spontane Unterrichtsgestaltung habe ich in Santiago viel dazu gelernt und werde diese neuen Fähigkeiten hoffentlich für meine spätere Arbeit mit deutschen Schülern beibehalten. Auch dass nicht immer alles so durchstrukturiert und geplant sein muss wie in Deutschland, habe ich hier des Öfteren miterlebt und nun habe ich mich auch schon etwas angepasst und bleibe zunächst einmal bei Unvorhergesehenem ganz typisch santiagenisch tranquila (ruhig). Mein Spanisch hat sich, so denke ich, im Laufe des halben Jahres deutlich gesteigert und ich habe sogar schon die Eigenarten des argentinischen Spanisch angenommen und auch den charakteristischen Dialekt von Santiago del Estero. Somit hoffe ich, durch meine hier gewonnen Sprachkenntnisse, ein Auslandssemester in Valparaiso, Chile - welches ich im März 2011 beginnen werde - sprachlich zu meistern und auch mein Studium der spanischen Sprache als Erweiterungsfach an der LMU erfolgreich fortsetzen zu können. In den SAED Einrichtungen sind mir gegenüber alle Mitarbeiter überwiegend sehr herzlich und offen gewesen und haben es mir leicht gemacht, mich im Kollegium wohl zu fühlen. Zu einigen Lehrerinnen habe ich während meines Praktikums auch freundschaftliche Kontakte aufbauen können und wurde desöfteren von ihnen nach Hause und zu ihren Familien eingeladen. Auch, dass ich gleich als die jeweilige hija (Tochter) oder hermana (Schwester) bezeichnet wurde, hat mir wieder einmal die grenzenlose Herzlichkeit der Argentinier gezeigt. So wurde ich auch selbstverständlich zu Abendaktivitäten eingeladen, konnte somit auch die Freundeskreise meiner Kollegen kennenlernen und wurde auch hier sehr herzlich aufgenommen. Generell kann man sagen, dass an den santiagenischen Schulen die Kollegen wie Freunde oder sogar wie Familienmitglieder gelten, so werden runde Geburtstage oder wichtige Ereignisse auch mal an Wochenenden zusammen mit dem ganzen Kollegium gefeiert. Auch der Umgang zwischen Schülern und Lehrern ist viel familiärer als in Deutschland, so kommen die Schüler zur Planung von Projekten und Abschlussfeiern auch zu den Lehrern nach Hause. Durch die Schuluniformen kann man schwer erkennen, wie die ökonomischen Verhältnisse der einzelnen Schüler aussehen. Daher habe ich Einladungen von Schülern, sie zu Hause zu besuchen, gerne angenommen, um mir selbst ein Bild über ihr Umfeld machen zu können. Die Familie einer Schülerin wohnt beispielsweise weiter außerhalb der Stadt, auf dem „campo“ (Land). Hier gibt es eigentlich nichts außer ein paar vereinzelten Häuser, Kioske und eine lange große Straße, an der gelegentlich ein Bus anhält, der ins Zentrum fährt. Viele der Schüler fahren mit dem Fahrrad zur Schule oder haben einen Roller. Dort ist es ganz natürlich, dass sich zwei Kinder und ihre Eltern nur EIN Zimmer teilen (denn die Hütte besteht meist nur aus einem Zimmer). Doch kann dann in diesem einem Zimmer ein großer neuer Fernseher stehen! Die „Küche“ mit Tisch und Stühlen befinden sich draußen und es gibt noch ein extra Toilettenhäuschen mit Wasser aus der Pumpe! Erschreckend für mich war zu sehen, dass hier und da neben einer solchen Hütte eine Wochenend- Finca reicher „Städter“ steht. Während meines Praktikums hatte ich auch die Möglichkeit, eines der ärmsten Wohnviertel Santiagos namens „General Paz“ kennenzulernen, dorthin bin ich von einer Art Stiftung eingeladen worden. Diese „Fundación: Gente en Movimiento“ (Stiftung: Menschen im Aufschwung) ist von einem Arzt namens Dr. Feraud Hugo ins Leben gerufen worden; er, seine Frau und weitere ehrenamtliche Mitarbeiter versuchen den Jugendlichen einen Raum für Aktivitäten zu bieten. Hierbei Seite 6 Abschlussbericht – Praktikum in der SAED, Santiago del Estero, Argentinien August 2010 – Februar 2011 handelt es sich um eine Art Jugendzentrum, in dem die Jugendlichen die Chance bekommen, einen PC zu benutzen, Spiele zu spielen, billigere Tanzkurse zu besuchen und mit Erwachsenen über Themen wie z.B. sexuelle Aufklärung zu reden. Ich wurde sehr freundlich und herzlich aufgenommen. Die Jugendlichen (vor allem Jungs im Alter von 16/17 Jahren) gehen zumeist nicht mehr in die Schule und haben auch keine feste Arbeit. Zu Beginn sind sie sehr schüchtern gewesen (sie konnten mir nicht mal ihren Namen und ihr Alter nennen) aber nach und nach kamen sie dann auf mich zu und ich konnte mich ein wenig mit ihnen unterhalten. Dieses Wohnviertel liegt zwar nur ein paar Kilometer nördlich vom Stadtzentrum, aber dennoch betritt man eine ganz andere Welt: die „Häuser“ sind eher Hütten, es gibt keine richtig gepflasterten Straßen und nachts sollen nicht einmal Einheimische auf der Straße alleine herumlaufen können, da das Gewaltpotenzial zu hoch sei. Diese Begegnungen mit der Armut in Santiago haben mir gezeigt, wie hoch doch unser deutscher Lebensstandart ist und dass dieser keineswegs selbstverständlich ist. Auch aktuelle Diskussionen in Deutschland über etwaige Plagiatsvorwürfe gegenüber Politiker lassen mich unberührt im Vergleich zu den wirklichen Problemen bettelnder Straßenkinder in Santiago del Estero. Die Teilnahme an Treffen Jugendlicher in der Kirchengemeinde „Laura Vicuña“ (La Inmaculada), welche nach der Samstagabendmesse im Gemeindegebäude sattfinden, hat mir die Möglichkeit gegeben, auch Kontakte zu Gleichaltrigen außerhalb der Arbeit zu knüpfen. Das Alter der Jugendlichen liegt zwischen 16 und 25 Jahren, viele von ihnen arbeiten, studieren oder gehen noch zur Schule. Diese Treffen werden zu meist von einer jungen Pastoralreferentin begleitet und zusammen werden kirchliche Feierlichkeiten, z.B. Prozessionen organisiert und vorbereitet. Das Wohnviertel „La Inmaculada“ liegt zwar relativ nah am Zentrum Santiagos, jedoch grenzt es auch an eines der ärmsten und gefährlichsten Wohnviertel der Stadt. Somit kommen viele der Gleichaltrigen auch aus Verhältnissen, die für uns Deutsche kaum vorstellbar sind und meist auch erst durch längere Gespräche mit ihnen herauszufinden sind. Ich habe diese Treffen immer sehr genossen, da mich die Gruppe stets willkommen hieß, ich mich dort sehr wohl fühlte und auch santiagnenische Freunde gefunden habe. Meine Wohnsituation sah wie folgt aus: Ich habe zusammen mit anderen deutschen Praktikanten die für ein ganzes Jahr einen weltkirchlichen Freiwilligendienst „weltwärts“ (mit der Stiftung Katholische Freie Schule der Diözese Rottenburg- Stuttgart als Träger) in Santiago machten, in einer Wohngemeinschaft gelebt. Das Haus lag im Zentrum der Stadt und wir waren selbst für die Instandhaltung des Hauses verantwortlich. Auch wenn ich vier Jahre älter bin als meine vier Mitbewohner hat unsere Gruppe super funktioniert und es gab nie ernsthafte Probleme zwischen uns. Geburtstage, Feiertage, wie vor allem das Weihnachtsfest 2010, haben wir gerne zusammen gefeiert und für mich war es als ob ich mit meinen Geschwistern zusammen gewesen wäre. Diese gute Gruppenzusammenstellung habe ich auch den deutschen Betreuer Jörg Stein und seinen Mitarbeiter zu verdanken, die alle Bewerber für das Santiago del Estero Programm der Diözese Rottenburg- Stuttgart persönlich auswählten. Unsere Wohnsituation in Santiago del Estero war für das Erlernen einer neuen Sprache vielleicht nicht ganz so optimal, jedoch war ich sehr froh darüber, da man somit ständig bei eventuellen Problemen einen Ansprechpartner im Haus hatte. Vor allem zu Beginn meines Praktikums war dies für mich persönlich sehr wichtig, da die sprachliche Verständigung mit den Einheimischen noch etwas schleppend funktionierte. Auch über Beobachtungen oder bestimmte Eigenarten der neuen Kultur konnte man sich gleich austauschen. Seite 7 Abschlussbericht – Praktikum in der SAED, Santiago del Estero, Argentinien August 2010 – Februar 2011 Gesundheitlich hatte ich keinerlei Probleme. Die medizinische Vorsorge ist meines Erachtens gewährleistet, wobei die Bedingungen zum Beispiel im öffentlichen Krankenhaus eher bescheiden sind. Ich halte meine Praktikumsstelle für zukünftige Praktikanten geeignet. Die Arbeit an den Einrichtungen der SAED hat mir großen Spaß gemacht, natürlich hängt es auch vom Praktikanten selbst ab, wie viel er bereit ist zu leisten und in was für Projekte er sich selbst einbringen möchte. Auf jeden Fall erhält ein Praktikant hier in Santiago del Estero die Chance eines kulturellen Austausches mit der santiagenischen/ argentinischen Kultur und ihren Gebräuchen. Da auch die Betreuung durch unsere Mentorin und allen Mitarbeiter der SAED sehr gut ist, kann ich diese Stelle also nur empfehlen. Informationen für zukünftige Bewerber bietet die Internetseite der Stiftung Katholische Freie Schule der Diözese RottenburgStuttgart: http://www.schulstiftung.de/index.php?id=302 Ich glaube, ich konnte sehr gut in die santiagenische Kultur "eintauchen". Im Kontakt mit unterschiedlichen Personen (SAED- Mitarbeiter, Lehrerkollegen, Schülern, Gemeinde- Leuten, Freundeskreis,...) kann man auch sehr verschiedene Eindrücke sammeln. Ob bei Diskussionen über Gesellschaft, Politik oder Fußball in einer gemütlichen Mate-Runde oder auf einem Folklore-Festival mit Tanz und Musik –man kann sich dieser Kultur gar nicht entziehen, ohne sie in sich aufzunehmen und wertzuschätzen. Gerade durch die sehr offene und herzliche Art der Menschen hier vor Ort fällt es einem sehr leicht, sich angenommen zu fühlen und sich zu integrieren. Für meinen weiteren Studienverlauf möchte ich die in Santiago gewonnen Erfahrungen nicht missen, denn sie haben mir einen anderen Blickwinkel auf das Leben im Allgemeinen ermöglicht. Vor allem hat mir dieses Praktikum gezeigt, dass der Lehrberuf auch einen Beitrag leisten kann, jungen Menschen eine Perspektive zu bieten, aus der Armut herauszukommen. Diese Erfahrungen möchte ich auch gerne meinen zukünftigen Schülern in Deutschland nahe bringen. Über die finanzielle Unterstützung durch „Student und Arbeitsmarkt“ der LMU und die effektive Betreuung durch Herrn Johannes Hoch möchte ich mich an dieser Stelle auch herzlich bedanken, denn ohne diese Stütze wäre dieses Praktikum für mich persönlich sicher nicht möglich gewesen. Seite 8