02vom.leben.und.ueberlebt.haben_07-08

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02vom.leben.und.ueberlebt.haben_07-08
Vom Leben und überlebt haben
Janosch Moser
Inhalt
Gedichte I.: „Ewiger Wanderer”
Onkel Gins letzter Besuch
Gedichte II.: „Exzessives“
Internetcommunityprofilerstellungsunentschlossenheit
Gedichte III.: „Cocaethylen“
Kalter Tag
Gedichte IV.: „Worte, Schreie - ungehört“
Querfeldein durch die Fantasyliteratur der letzten Jahrzehnte
Gedichte I.: „Ewiger Wanderer“
Hungerwahn
Tränen – Wörter, die nicht sind, die nichts bedeuten.
Ideen, die verschwimmen und wie Tropfen dunklen Bluts gerinnen.
Gedanken, die nicht sollen sein, die unerwünscht traktieren.
Gespielte Freude peinigt nur mein Sein.
Erdachtes Unheil wirkt auf meine Sinne.
Geschärfte Wahrnehmung behält Kontrolle.
Doch der Trauer edle Konsistenz verheißt Versöhnung
Mit alldem, was mich quält und untergräbt.
Worte einer Tugend, die vermisst wird.
Taten eines Körpers, der sich windet.
Hohle Wut, die einschlägt und verdampft.
Ein kleiner Tropfen Hoffnung, der versickert.
Keine Strömung, die mich mit sich reißen könnte.
Kein Gewitter, das mich zittern ließe.
Keine Gnade, welche ich erhoffte.
Kein Problem, das Lösungen enthielte.
Nichts hat einen Sinn und doch erhellt es meinen Geist.
Nichts sagt wirklich, was gemeint ist – dennoch fährt es fort.
Heute ist wie gestern und auch morgen wird nicht anders.
Die Tage stapeln müde Tat auf Tat.
Ein letztes Rauschen klingt in meinen Ohren.
Das unheilvolle Klirren voller Gläser.
Heiseres Gelächter schallt herbei aus allen Türen.
Und traurig schließt der Landstreicher die Augen.
Träume und ein Hoffnungsschimmer
Ich nahm den Stift und träumte von der Wirklichkeit.
Atmete tief ein und stieß weißen, kalten Rauch aus.
Ein Traum von einer Jugend –
Und wenn du sie nie erlebtest –
So träumst du sie dennoch in grellen Farben,
die selbst die Realität vor Neid erblassen ließen.
Und du dankst Gott für diese himmlischen Visionen!
Ob du überhaupt glaubst, an Gott?
Nein.
Nicht wirklich.
Aber du hoffst auf Gott.
Und ob es nun „Natur“, „Gott“, die „Welt“ oder der „Mensch“ ist –
Du glaubst an ETWAS…
Und ist es nicht das, was zählt?!
Dir egal.
Du glaubst an DICH.
Was nicht heißt, dass du dich für wertvoll hältst…
Vielmehr hältst du dich für das letzte Stück Dreck.
Aber was ist die größere Leistung:
Aus Gold zu überleben??
Oder aus Dreck ein goldnes Leben zu erschaffen!!
Was ist, wenn…
Was ist, wenn du nicht weißt, wer du wirklich bist?
Was ist, wenn du dir jeden Tag die selben Fragen stellst, ohne eine
vernünftige Antwort zu erhalten?
Was ist, wenn du eines Tages dasitzt in deinem Zimmer, und
realisierst, was damals mit dir geschehen ist?
Was ist, wenn du plötzlich nicht mehr weißt, was geschehen ist, und
was nicht?
Was ist, wenn du auf einmal Stimmen in deinem Kopf hörst,
Stimmen, die nicht fremd sind, aber auch nicht vertraut?
Was ist, wenn du trotz aller bisher gewonnener Erkenntnis immer
noch nicht weißt, was alles war?
Was ist, wenn du Angst hast, dass du dein Leben lang nicht die
Wahrheit über dich selbst erfährst?
Was ist, wenn du schon immer in allem das Böse gesehen hast,
und nun damit konfrontiert wirst, dass du gar nicht paranoid bist,
sondern zu großen Teilen Recht hast?
Was ist, wenn du plötzlich siehst, was das wahre Übel ist?
Wirst du von nun an nur noch das beste für die Welt wollen, das
Übel bekämpfen?
Oder wirst du auf alles scheißen, selbst tun, worauf du Lust hast,
ohne Rücksicht auf andere?
Was ist, wenn du tust, was du willst, und irgendwann erkennst, dass
all das falsch war?
Was ist, wenn du erkennst, dass dein eigenes Leben eine Lüge
war?
Was ist, wenn du erkennst, dass niemand dir helfen kann?
Aber was ist, wenn du Unrecht hast, und du nur denkst, niemand
kann dir helfen, und du so alle Chancen vertust, doch noch gerettet
zu werden?
Was ist, wenn alles in deiner Hand liegt, aber du nicht die Kraft
hast, zu tun, was zu tun ist, obwohl du weißt, dass du es tun
solltest?
Was ist, wenn die Familie, die dich mit Füßen getreten hat, doch ab
und an mal was gutes für dich getan hat?
Was ist, wenn du hin und her gerissen bist zwischen Rationalität
und Gefühlen, die sich nicht miteinander vereinen lassen?
Was ist, wenn du krank bist, zwar weißt, was dir fehlt – aber du
einfach nicht genug Mut hast, dir Hilfe zu suchen?
Wird man es von außen erkennen? Wird man dir helfen?
Nein!!
Also rechne nicht damit!
Du bist für dich selbst verantwortlich, also drück dich nicht vor
deinen Pflichten.
Denn was ist, wenn du in zehn Jahren erkennst, dass all das hätte
verhindert werden können,
wenn du die Stärke besessen hättest, dir Hilfe zu suchen,
aber inzwischen schon alles zu spät ist.
Jeder ist für sich selbst verantwortlich, und keiner kann sich
rausreden mit Ausreden.
Auch wenn du das schlimmste erlebt hast – egal!
Dein Leben liegt immer noch in deiner eigenen Hand.
Tu, was du für richtig hältst – mehr kannst du nicht tun.
Aber tu es, und schäm dich für nichts.
Onkel Gins letzter Besuch
Onkel Gin ist gerade mit nem Tetrapack Ananassaft bei mir
vorbeigekommen, und ich bat ihn sogleich auf ein Gläschen herein.
Im Kühlschrank fand ich noch etwas Orangensaft und wir mischten
uns was zusammen.
Nach der ersten Zigarette fing ich an zu reden:
„Mann, is des ne beschissene Welt, in der wir leben, nich wahr?“
Der alte Mann nickte mir nur zu, als wollte er sagen: „Fahr fort, ich
bin ganz Ohr.“
Also holte ich aus, kippte mir noch nen deftigen Schluck Schnapps
hinter die Binde.
„Ich mein, warum peilt nicht jeder, dass das schlimmste Übel auf
Erden dasjenige is, was die Kinder betrifft?“ – „Mmhhm.“ Nuschelte
der Alte in seinen dreckig weißen Bart. Sein Interesse schien sich in
Maßen zu halten. Aber immerhin hörte er zu und unterbrach mich
nicht.
„Ich mein, wie können die nur alle die Augen verschließen vor dem,
was die Psychologie… insbesondere die Psychotraumatologie –
auch ruhig in Verbindung mit den neusten Erkenntnissen aus der
Neurologie oder wie des heißt – also… vor dem, was die da alles
rausfinden und auch – meiner Meinung nach – echt gut beweisen
können – wie könn die vor alldem die Augen verschließen??
Ich mein, für mich isses einfach so was von offensichtlich, dass alle
Menschen, die was WIRKLICH böses machen, alle in ihrer Kindheit
irgendwelche Arten von Traumas erleiden mussten.
Ich mein ich merks an mir selber. Hätt ich bestimmte Sachen nich
erleben müssen, wär ich nie so ein Freak geworden. Ich mein, ich
hätt dann keine verrückten Gedanken, keine Mordfantasien und son
Scheiß. Ich mein, ich kann den Shit ja unter Kontrolle halten, aber
ich kann mir auch sehr gut vorstellen, dass das nicht jeder so gut
gebackn kricht wie ich.
Und hätt ich nicht vor kurzem endlich Klarheit über bestimmte
Sachen erlangt, die mir passiert sind… wer weiß, vielleicht wären
meine inneren Aggressionen so schlimm geworden, dass ich
tatsächlich ausgetickt wär… könnte sein.
Nur, weil ich jetzt endlich weiß, wer meinen Hass verdient hat – und
damit mein ich natürlich jegliche Art von Kinderschändern – nur,
weil ich des jetz endlich gepeilt hab, kann ich meine komischen
Aggressionen in vernünftige Bahnen lenken.
Was is mit all den armen Seelen, die nie ihre Traumas entdecken?
Keiner hilft denen, und weil sie nichts davon wissen, was los is mit
ihnen, können sie sich weder selber helfen, noch Hilfe suchen. Und
dann rasten sie aus, vergewaltigen Frauen, belästigen Kinder, töten
Menschen.“
Ich blickte meinen Onkel an und erwartete irgendeine Reaktion auf
mein Gesagtes, wenigstens einen Blick der deutlich machte, dass
er mir noch zuhörte.
Doch er ließ nur ein leises Pfeifen verlauten, während er im
Schaukelstuhl vor sich hin schlummerte.
Ich seufzte tief und trank noch einen Schluck von ihm, sein Blut
floss warm meine Kehle hinunter und ich schmeckte den salzigen
Geschmack von Leid, wie ich es zu oft erfahren hatte.
Ich wischte meinen Mund ab und blickte auf das kümmerliche
Wrack eines Mannes hinab, das vor mir lag, um gefressen zu
werden.
Ich wollte es nicht tun.
Doch mein Hunger ließ mir keine andere Wahl.
Ich nahm also Messer und Gabel, schnitt Stück für Stück von dem
saftigen Steak ab und aß.
Ich aß so gut, wie ich es seit langem nicht getan hatte.
Vielleicht hatte ich sogar noch nie so gut gegessen.
Nachdem ich mein Mahl beendet hatte, griff ich zur Serviette, die so
groß war, wie das Segel eines mittelgroßen Schiffes, und wischte
die Blutkleckse unter dem Tisch weg.
Ich hätte doch geduldiger sein sollen, und das Fleisch nicht blutig
essen sollen.
Aber egal, die Flecken gehen, da sie noch recht frisch sind, leicht
raus und ich werfe die Servietten angeekelt aus dem Fenster.
Ich verfolge ihren Flug zu Boden –
Vom Fenster im 18. Stock aus dauert das schon seine Zeit.
Danach wecke ich den schlafenden Onkel und schmeiße ihn mit
eiserner Miene aus meinem Haus.
Er hat mir oft genug Probleme bereitet, ich will endlich frei sein von
ihm.
Bin ja auch eigentlich gar nicht blutsverwandt mit ihm.
Doch tief in mir drin weiß ich genau, dass er wieder kommen wird.
Und er wird seine Freunde mitbringen, Jim, Jack, Peter und Gabi
und wie sie alle heißen.
Naja, zumindest heute habe ich Stärke bewiesen, oder?
Hmm, immer noch schmeck ich das Blut an meinen Lippen.
Ich sollte mir noch die Zähne putzen, bevor ich schlafen gehe.
Gedichte II.: „Exzessives“
Rohbau Exzess
Man begebe sich in an einen Ort, der gefällt.
Man genehmige sich, was man meint zu brauchen
Dann hofft man auf andere, die du nicht kennst, die das selbe
gemacht haben –
Und dir im falschen Moment über den Weg laufen –
Oder umgekehrt –
Und es geht los
Wushhhh!!
Bamm! Flackern, Prickeln
Knistern, Schreie, Rufe, Lachen - Lautes Lachen
Eey!! Heh! Komm her!! Waaaas??!
Yeeeeah, mann, komm schon!
Bamm, bamm, bamm.
HASSSSSSSS, jaaaaaaaa, Macht! Wuuut!
Mann, den Barhocker!! Flatsch!! „Ahh!!“
Hah!
Schwerer Nebel, bleierner Schleier
Harte Kanten, Keine Schmerzen
Kranke Attacken, Keine Kontrolle
Wo? Wer? Was? Und…
Warum?
Keine zeit zum nachdenken keine zeit zum wahrnehmen
Zeit
Was ist Zeit
Sie zischt an mir vorbei
Heulendes Getöse von fern
Draußen versammelt sich der Mob
Es braut sich was zusammen
Die Ruhe vor dem Sturm.
Klare Gedanken, konkrete Gefühle.
Korrektes Überdenken.
Beschwichtigung, Wärme ausstrahlen.
Retardierendes Moment –
Und dann die Katastrophe:
Blaues Geflacker, Scheinwerferlicht
Beißendes Leuchten blendet meine Sicht.
Verwirrung, Panik, Überdrehtheit, Gefahr!!
Adrenalin pumpt, Herz powert hart, der Kreislauf bebt
Das Hirn pulsiert im Hinterkopf…
und explodiert.
Keine zeit zum nachdenken keine zeit zum wahrnehmen
Alles geht so schnell, ich bin verlorn, Schläge, Tritte, Hiebe
Knie im Rücken, Handgelenke abgequetscht, die Augen bluten
Tränen des Hasses, Schaum vor dem Mund, auf Aggro
Hassrede, Hassworte, Hass auf deinen Staat, Junge!!
Was, sagt mir, WAS hab ich gemacht, dass ihr mich schlagt,
Junge??
WAS HAB ICH GETAN??
Fickt euch ihr Sozialklass…isten…
Denkt mal drüber nach,
ihr „nicht Rass…isten“
In Ketten gelegt, getreten und vergiftet.
Weggesperrt.
Rausgekommen.
Hundesöhne.
Geiler Abend.
Handy raus, Kollegen callen, abchecken, was los war.
Mann, immer das gleiche…
Scheiße.
Exzess
„O, Nacht, ich nahm schon Cocain“ –
So fängt auch dies Gedicht hier an.
„Schon ist die Kehle rau“ –
Doch kein ersehnter Ich-Zerfall.
Gar weniger im Erbe von Benn, Freud oder Trakl.
Als vielmehr im Erbe der Onkelz um Kevin Russel.
Nicht Konsument um konsequent das Dunkle zu erforschen –
Sondern ein Junky, der viel tankt und kokst um sich um nichts zu
sorgen.
Immer Probleme klar, wie jedes „Genie“…
Doch von Innen kommt was raus, was einfach wahr ist.
Drogenkonsum wütet wie eine Epidemie
In Großstädten vor allem, was ja auch klar ist.
Denn auch wenn nicht Drogen – besser wird´s nie.
In einem Land, wo Alkohol legal ist…
Stolz drauf ist keiner, auch wenn er es spielt,
…doch von meinem Motiv wisst ihr gar nichts.
Niemand weiß mehr, als er zulässt zu wissen.
Niemand kann raus aus seiner Haut.
Keiner würde sich selbst vermissen,
wenn er niemanden hat, der ihn braucht.
---@---
Ich nahm also schon Cocain, und ja, es war in Massen.
Ich trank auch Schnaps und Bier – und glaubt mir, nur das Bier in
„Maßen“…
Ich hatte Spaß, is viel passiert, unmöglich alles zu erzählen…
Außerdem, wie immer, mich Erinnerungsverluste quälen…
Doch alsbald geschah es dann, ich kann mich nicht erinnern.
Der Laden tobt und bebt und kocht und fängt schon an zu wimmern.
Das Mobiliar zerfällt zu Staub, die Gläser platzen, Flaschen fliegen,
Unbeteiligte rennen raus und lassen ihre Taschen liegen,
keiner bleibt dabei, der nicht verteilt oder einsteckt…
oder vielleicht höchstens zwei, drei Kleine Kids,
die weiter nix wollen, als mal ne tolle Fetzerei bestaunen –
nix besondres in ner Welt, wo alle Fernsehen schauen.
---@---
Draufgehen, Nehmen wie ein Mann und Geben was du kannst,
nimm zu Hilfe was du brauchst, nur dein Leben zählt im Knast…
Voller Realitätsverlust, Zieh bloß nicht das Messer, Homie,
bitte, Bruder, nein, Mann, versau´s dir nicht, lass stecken, glaub mir.
Top, kurz geregelt, kleine Sache, kurz mal klargekommen.
Fast schon ein großer Fehler, den ich jedoch nicht beachte.
Trotzdem schon zu viel gedacht, sodass ich eine abbekomme,
Der Hass pocht in meinen Ohrn – Ich platze!!
Barhocker, erstes Teil, was ich seh, nehm ich, schlag,
gehe drauf, werde weggerissen und steh wieder auf.
Krieg kaum was ab, Glück heut Nacht – denk ich mal.
Doch der Krieg tobt heftig in der Bar.
---@---
Dann verlagert sich das Grüppchen um mich
Irgendwie im Wirbel bunter Bilder Richtung Ausgang
Weiß nicht warum, kann schon sein, wir warn ja dicht –
Auf jeden weiß ich noch, dass wir dann draußen standen.
Mädchen sogar mischen sich ein, schubsen Männer rum,
Gelächter, überhebliches Gelalle und Gebrüll.
Wir wollen wieder rein, uns diese Penner holen,
Beschmeißen ihre Türe mit Flaschen und mit Müll.
Kurz erblicke ich etwas vertrautes in der fremden Welt
Und fange mich für wenige Sekunden
Stoppe meinen endlos tiefen Fall, als ob mich etwas hält,
doch gleich drauf ist der Engel schon verschwunden.
Weiter also, tiefer sinken, schwarze Decke, mach es dunkel!
Ich will nichts mehr hiervon wissen, morgen, wenn ich zu mir komm.
Wenn ich dann von irgendeiner Wache Richtung U-Bahn humpel,
hoff ich, mein Kopf hat geleistet, was ich nicht mehr hinbekomm…
---@---
Und die Prophezeiung offenbart sich als getroffen,
meine Leute und ich vor der Kneipe, voll besoffen,
schreien nur rum, reden zwar teilweise vom Heimweg,
doch immer noch so voll mit Koks, dass echt nix mehr reingeht.
Plötzlich das, was kommen musste: Blaues Licht, Sirenenschreie
Bremsgequietsche, Türenknallen, Taschenlampenkegel –
Stark verzerrte Worte einer gesichtslosen Gestalt –
Doch keinerlei Interesse meinerseits für ihre Regeln.
Es Flackert hoch der blanke Hass, Gefühle der Gerechtigkeit
Sie krümmen sich vor Zorn und können nichts tun um Recht zu
schaffen,
Kein Verständnis, warum ich und warum jetzt, als hätt´ ich Zeit…
Hält man mich hier fest wie sie es sonst nur mit Verbrechern
machen.
Hass, Wut, Adrenalin, durchströmt den ganzen Körper
Jede Faser dürstet nach Gerechtigkeit, harte Wörter
Fallen in der Aufgewühltheit, plötzlich bin ich frei,
doch anstatt direkt zu flüchten, schlag ich auf meinen Peiniger ein.
Hab ihn kaum getroffen, doch die Truppe steht bereit.
Brennende Säure, die sich in meine Augen beißt,
Sandgefüllte Handschuhhände treffen mich am Jochbein,
Geh zu Boden, Arme auf den Rücken reißen, rum schreien!!
Augen fühlen sich wie ausgebrannt an und ich sehe nichts,
fluche nur auf unsern Staat, winde, rolle, drehe mich.
Längst die viel zu eng geschnallten Handfesseln am Rücken.
Und als wär´s nicht genug, mit den Knien auf die Straße drücken…
Tritte, mein Gesicht wird auf den Bordstein geschlagen.
Die Staatsgewalt in ihrem Element?
Ich fass es kaum, ich atme kaum, vom Koks in der Nase.
Warum fixiert man mich so vehement??
Ich habe Glück: ersticke nicht, obwohl ich wohl kurz weg war.
Die Fahrt zumindest zum Revier ist komplett verschwunden dann
Ich komm zu mir im Loch – und piss dreimal ins Eck da.
Man zwingt mich dort zu dursten –
Sieben lange Stunden lang.
Internetcommunityprofilerstellungsunentschlossenheit
„Über mich:“ heißt das letzte Feld. „Maximal 999 Zeichen.“ Taa…
was wollt ihr hören? Denkt er sich. Meinen Lebenslauf? Ein
psychologisches Profil? Dann doch am ehesten eine Mischung aus
beidem. Sein Blick gleitet verträumt aus dem Fenster. Gedanken
überfluten seine Nervenbahnen wie der Main seine Ufer bei
Hochwasser. Dann erstarren sie klirrend zu toter Substanz wie die
Elbe im norddeutschen Winter, wenn sie mal wieder von massiven
Eisplatten erdrückt wird. Um die Blockaden zu überwinden zwingt er
sich die Eckpfeiler seines Daseins vors geistige Auge und mit Ach
und Krach gelingt es den Eisbrechern, die gefrorene Schicht zu
sprengen
und
ihr
eisiges
Unteres
zu
entfesseln.
Ich
bin
fünfundzwanzig. Ich bin stets dem gefolgt, was der Staat als
optimalen Bildungsweg vorsieht. Ich steh kurz vor meinem Master in
Psychologie an der Johann-Wolfgang-von-Goethe Universität,
nachdem ich in Hamburg meinen Bachelor in Allgemeiner Linguistik
gemacht habe. Doktortitel ist geplant. Kleine Wohnung. Wenig Geld,
aber es reicht. Alleine die meiste Zeit. Und mehr oder weniger froh
darüber. Eine sanfte Regung auf seinem Gesicht. Das kalte, klare
Wasser erwärmt sich unmerklich. Mit jedem Gedankensprung ein
paar Grad mehr, bis die letzten Eisschollen geschmolzen sind und
die Strömung wieder ihren gewohnt sprudelnden Gang nimmt.
Hass. Sein Leben lang missverstanden. Ignoriert. Belächelt,
vielleicht heimlich verlacht. Wer weiß. Paranoid. Ängstlichvermeidend. Außen hart wie das Leben, das ihn prägte, innen weich
wie die Decke, in die er sich nachts schutzsuchend einwickelt.
Intelligent. Berechnend, fast schon akribisch vorausplanend.
Einsam. Stolz auf sein Leben. Aus Trotz der Welt gegenüber.
Immer ein bisschen angespannt. Vor allem, seit er keine Drogen
mehr nimmt. Jetzt schon seit vier Jahren, drei Monaten und zwölf
Tagen. Immer schon ein Einzelgänger gewesen. Und doch stets
einige wenige gute Freunde gehabt. Oder nicht? Waren es nur
oberflächliche Bekanntschaften, die eher ein Alibi darstellten,
gegenüber dem unverdrängbaren Wissen allein auf diesem Planet
zu sein? Wie auch immer. Die Gedanken graben sich immer tiefer
in sein Seelenleben vor, gewisse Stellen panisch meidend, aber
stetig in Richtung Kern seines Wesens, das er nie begriffen hat oder
begreifen wird. Oder begreifen will. Er weiß schon länger, dass da
mehr als einer in ihm schlummert. Mehr als zwei, mehr als drei,
mehr als zehn. Ja, wahrscheinlich mehr als hunderte. Immer nur
darum bemüht, nach außen gute Miene zum abgrundtief bösen
Spiel seiner Triebe und Visionen zu machen. Stets jedoch mit der
sachten Hoffnung, eines Tages enttarnt zu werden, um endlich die
Wahrheit sagen zu können. Sagen zu müssen. Er zündet sich eine
Zigarette an. Noch immer hat er kein Wort in das Feld getippt. Zu
viel auf einmal, was ihn bewegt, und zu intim, was er hätte
schreiben können. Und wie solle er den Text aufbauen?
Stichwortartig, wie einen Steckbrief seines Charakters? Oder
poetisch
formuliert,
wie
das
Bekenntnis
einer
gepeinigten
Dichterseele? Oder nüchtern, wie die Analyse eines FreudSchülers, selbstreflektierend, wie der Tagebucheintrag eines
nachdenklichen Mannes? Er entscheidet sich für den Steckbrief.
Nachdenklich ist das erste Wort, das er in die Tasten hämmert, mit
dem Stolz, fähig zur Selbstreflexion zu sein. Nachdenklich,
realistisch und abwägend. Aber das gefällt ihm nicht als Einstieg.
Ich bin zu aller erst mal Ich, und stolz drauf. Das ist es, was er
wirklich empfindet. Doch gleich melden sich die quälenden Stimmen
in seinem Hinterkopf. Und wer ist dieser „Ich“, Kollege?- Verdammt,
lasst mich in Ruhe, ihr verdammten Geister meiner selbst!! Die
Hände verkrampfen und der Kiefer spannt sich. Sein leerer Magen
meldet sich grummelnd zu Wort, die Eingeweide ziehen sich
zusammen, dass er fauchend nach Luft ringen muss. Doch, ich bin
stolz, verdammt. Auf was auch immer. Ich lebe noch, das ist doch
was. Kopfschmerzen klirren, ziehen wie ein Peitschenhieb vom
Scheitel in den Nacken. Hinter seinen Augen steigt der Druck und in
der Stirn pocht das Blut durch die Adern. Pulsierender Schmerz
fährt ihm durch die Brust, schnürt seine Lungen zu – er springt vom
Schreibtischstuhl auf, um sich von den Fesseln zu befreien. Die
Knie schlottern in der Erregtheit jeder Faser seines Körpers. Doch
Ruhe kehrt wieder ein in seinen Organismus. Der Kaffee und das
Nikotin und ihre schwindende Wirkung machen sich nach dieser
langen Nacht bemerkbar. Sein Schlafrhythmus ist schon seit
Monaten oder Jahren am Verrücktspielen. Mal schläft er ein
Wochenende praktisch durch, nur um dann wieder 48 Stunden lang
keinen Gedanken ans Hinlegen zu verschwenden. Mal ist er
tagelang müde ohne schlafen zu können, dann ist er wieder topp
fitt, aber nach
wenigen Stunden bricht die Müdigkeit über ihn herein wie ein
bleierner Schleier von unsagbarer Schwere, dass ihn die Trägheit
fast im Stehen entschlafen lässt. Und der Hunger. Er kommt und
geht, unabhängig von jeglicher Nahrungsaufnahme. Manchmal
flattert es ihm in den Ohren, dass er meint, er drehe durch – wenn
plötzlich das Herz in seiner Brust in fremdem Takt schlägt und seine
Lunge zu explodieren droht. Dann wacht er schweißgebadet aus
einem Alptraum auf, nur um festzustellen, dass er gar nicht
geschlafen hat, sondern nur mal wieder von seinen inneren
Mitbewohnern war vertrieben worden für unbestimmbare Zeit.
Schwarze Löcher in seiner Erinnerung. Panikgefühle, die nichts und
niemandem zuzuordnen sind, einfach da sind und wieder gehen, als
ob sie nie existiert hätten. Aber was denk ich wieder viel zu viel
nach – das alles gehört hier sicher nicht hinein! Und er lässt die
Hände, die eben noch nervös sein Gesicht am kneten waren,
während er in seinen unzähligen Ängsten badete, sanft auf die
Tastatur sinken. Vorsichtig beginnt er wieder zu tippen. Vielleicht
ein wenig paranoid – Zwinkernder Smiley. Ironisch bis sarkastisch
im Humor, ein Liebhaber filmischer Kunst, meine Umwelt stets
sorgfältig beobachtend und immer ein Schmunzeln für sie übrig.
Kurz gesagt: „Ein Fan der Menschheit“ mit all ihrem Wahnsinn, wie
sich schon Al Pacino in „Devil´s Advocate“ in der Figur des
Leibhaftigen höchstpersönlich zu unserer Spezies bekennt. Ein
geselliger Zeitgenosse für die, die sich mir aufgeschlossen zeigen –
und demgegenüber wohl der komischste Kauz für die, mit denen ich
nichts anzufangen weiß. Ein großer Verehrer der Wahrheit, der
Wahrhaftigkeit. Und nicht zuletzt der Gerechtigkeit. Fantasievoll,
kreativ – ohne überheblich wirken zu wollen. Ob schreiben, malen,
singen – ich liebe es, meinen Gedanken Ausdruck zu verleihen, und
wenn sie im Endeffekt keiner nachvollziehen kann oder will. Im
allgemeinen träge, aber hin und wieder Momente spontaner
Motiviertheit zum Ausgefallenen. Gerne mal allein, aber leider auch
oft, wenn dies gerade unmöglich ist. Wenn unausgeschlafen, leicht
reizbar, wenn gut drauf, von nichts aus der Ruhe zu bringen.
Kettenraucher. Dafür seit einem halben Jahrzehnt trocken.
Studierter Philo- und Psychologe. Europäer. Sieben Sprachen
sprechend.
Ein
Musikliebhaber.
Von
Klassik
bis
Turbofolk.
Zufrieden liest er sich das Geschriebene durch. Dann ein
erhabenes Grinsen, zwei Leerzeilen und der letzte Punkt:
Gebürtiger Frankfurter. Punkt. Entspannt lehnt sich Max Pluekk
zurück. Auch sein knurrender Magen stört ihn grade kein bisschen.
Macht er sich halt schnell eine Kleinigkeit. Wie in Trance haut er
drei Eier in die Pfanne, raucht eine, während sie vor sich hin
brutzeln, und verspeist das Omlette gut gepfeffert. Angenehm satt
setzt er sich wieder an den Computer und zündet sich eine weitere
Zigarette an. Noch mal alles durchlesen. Sein Antlitz verharrt in
gemeißelter Starre, als er die Zeilen überfliegt. Die Kippe brennt
runter, ohne dass er groß an ihr zieht – Asche bröckelt zwischen die
Tasten des Keyboards. Er nimmt es kaum wahr. Was ist das für
eine Scheiße… Ein kaltes Lächeln quält sich über sein ungläubiges
Gesicht. Unmerklich schüttelt er den Kopf, als er die noch halbe
Zigarette in den Ascher drückt und sich dabei ohne das geringste
Zucken verbrennt. Die verrußten Finger fahren ihm kopf kratzend
durchs krause Haar und landen beißenden Schmerzes in seinem
linken Auge, als ihn plötzlich wieder Müdigkeit befällt, die er sich auf
diese Weise wegzuwischen gedenkt. Das penetrante Jucken der
Asche auf seiner Netzhaut stört ihn nicht. Er schüttelt nur immer
heftiger den Kopf, während unnennbare Wut in ihm aufsteigt, seinen
ganzen Leib elektrisiert und seine Sinne verdunkelt, sodass er die
altbekannte, so bedrohliche Klarheit wieder wahrnimmt. Zornig
schlägt seine Faust auf den Tisch, die leere Kaffeetasse scheppert.
„Elende Drecksscheiße!!“ Presst er zwischen den Zähnen hervor
und löscht den gesamten Text, den er geschrieben hat. Stattdessen
schreibt er nur einen Satz: Fickt euch doch, ihr Huääänsöhne!!
Dann legt er sich dröhnenden Kopfes ins Bett und wartet auf den
Tod, der nie eintritt.
Gedichte III.: „Cocaethylen“
Eine Verschneite Partynacht
I. Gleißendes Weiß
Im Gleißenden Weiß schreite ich meiner Zukunft entgegen.
In beißendem Schweiß glühend zieh ich durchs Leben.
Alles ist meins, alles offenbart sich mir,
alles will mit mir sein, überall ist hier.
Stunden verkümmern zu Sekunden im Wahn.
Wunden kümmern mich nur der Interesse halber.
Technik verkommt zu durchschaubarem Zauber,
Mein Wissen erscheint mir als Weltengestalter.
Meine Erfahrung kennt keinerlei Grenzen,
keine Gesetze, die jetzt für mich gelten.
Kaum ein Gedanke vergeht ohne Tat.
Taube Gedanken weisen mir meinen Pfad
Durch die Weite der Wüste ins fruchtbare Tal.
Abstrakte Perversion, eiskaltes Bewerten,
kantenlose Emotion, eisenharte Stärke.
Unbegrenzte Energie, das Gesicht betäubt.
Der Blick starr und aufmerksam, innerlich erfreut,
äußerlich aus schwarzem Granit und nichts bereuend.
Ich schnelle grell strahlend engelsgleich empor
kenne keinen Halt mehr,
Durchbreche jedes Tor
Auf meinem Weg zur Quelle des weißen Kristalles.
Auf meinem Weg erwarte und erreiche ich alles.
II. Das eine Paradies
(Paradies? Paradies! Für jeden ganz persönlich.
Und folgendes Bild erscheint so einigen versöhnlich:)
Marschierenden Schrittes auf dem Weg ins Gegröle.
Berauscht von der Nacht bricht man auf Richtung Höhle,
Das Bittre im Mund, Motivation im Gesicht.
Vorbei am Geplapper ins flackernde Licht.
Der Boden schon bebt in der Schwingung des Klanges.
Das Herz führend füllt sich die Breite des Ganges
Mit fröhlichen Liedern, die die Seele erweiten.
Die quietschenden Bässe die Schläge begleiten.
Euphorie – Endorphine und Adrenalin –
Erzwungene Ekstase, Alkohol als Kerosin –
Dopamin durch Kokain oder Amphetamine.
Psychotrope Substanzen sind hier Vitamine.
Alle im Rausch des unendlichen Erlebens –
Zeit ist egal – es zählt nur der Moment.
Alle gut drauf – ein Hinterfragen vergebens.
Versteh´s, oder nicht, wenn die Leidenschaft brennt.
Ein Blumenlichtermeer, dass – violett dominiert,
und nur selten gespickt von verdorbenem Kraut –
Die Geister umfängt, sie gekonnt infiziert
Mit Schönheit, mit gleißendem Glanz auf der Haut.
Schatten um mich rum zucken rhythmisch im Tosen,
Positives in reich ergiebigen Dosen –
Die tanzenden Puppen scheinen nicht zu verbrauchen.
Zu sehen, wie alle immer tiefer eintauchen
(In das Meer aus den süßlich benebelnden Rosen,
Die wir als Befreiung vom Jetzt manchmal brauchen.).
III. Weiße Klarheit
Krampfhafte Stille ruft, sehnt sich herbei,
Kehlige Schreie stöhnen mit letzter Kraft.
Krankhafte Müdigkeit pocht - wie dem auch sei,
konstante Wachheit nährt sich vom bitteren Saft.
Oh, die Sinne geschärft und reizbar, so klar.
Oh, der Blick konzentriert wie ein Laser, zerschneidet
Ohne Hemmung die Realität. Mein Kopf ist gar –
Ohne Spaß – Eine Waffe, die an Kälte sich weidet.
Kühl berechnend, effektiv gestaltet sie das Erleben.
Kontrolliert mich aggressiv, bin ihr heimlich ergeben.
Komischerweise fühl ich mich fast normal,
Klardenkende hingegen würden wohl Einspruch erheben.
So, hell! Der weiße Glanz blendet mich, lässt mich nicht rasten,
Spannt mich an, lässt mich einfach nicht in Frieden.
So was is zu göttlich für Menschen, wer trotzt solchen Lasten?
So ist nun der Körper verbraucht, doch der Geist noch am sieden.
Künstliche Zeit verliert ihre Bedeutung,
Oh, Ruhe erlangt Traumhaftigkeit,
Klarheit stellt längst nur noch Qual dar,
Schlaf dagegen lässt den Himmel erahnen.
Ein verschwitzter Albtraum
I. Dämmerung
Ein Abend endet für mich im Rausch des Vergessens.
Ich verlasse die Gesellschaft,
Besteige einen Zug, der mich fort trägt.
Des Antichrist Ambrosia zeigt sich
In anhaltender Ausweglosigkeit.
Des Schlafes schwarzes Tuch legt sich über meinen Weg.
Ich komme zu mir, im Bahnhof des Erwachens –
Zorn und Trauer verfließen unscharf,
Fremde – Weite – Leere.
Ich schlage mit dem Ellbogen ins Schaufenster mit dem Fahrplan.
Gefühle verlieren ihre Bedeutung zugunsten der Taten.
Unendliche Kraft zerschmettert das Glas.
Das Auge beobachtet mich, obwohl ich es nicht bemerke.
Aber es muss es tun. Es tut es immer.
Es ist mir egal.
Jahre später steige ich in den nächsten Zug.
Am Ende der Welt erwache ich am Bahnsteig.
Schreikrämpfe, Weinen – Ich heule wie ein Kind.
Schluchze vergeblich – keiner vernimmt es.
II. Verloren
In meiner einnehmenden Einsamkeit, meiner tränenden Trauer
Stößt ein Wesen zu mir.
Es behauptet, es sei Meinesgleichen.
Doch als ich ihm mein Herz ausschütten will,
Versteht es nichts davon.
Das Wesen mag vielleicht allein sein –
Aber einsam bin nur ich.
Zum Glück verschwindet auch der nächste Abschnitt
Im Nebel des goldenen Giftes Wirkung.
So komme ich zu mir mit strömenden Tränen
Im Gesicht, dichter Trauer im Hals –
Doch beinahe am Ziel, meiner guten, alten Heimat.
Ein langer Weg im Regen, Asphalt wird nasser.
Ich weine all den Schmutz aus mir raus.
Ich öffne die Wohnungstür
Und alles ist wie zuvor.
Nur ein Tag ist verloren.
Ich gehe schlafen.
III. Erwachen
Ich wache auf – doch schlafe noch.
Ich liege in meinem Bett und kann mich nicht rühren.
Es ist weder dunkel noch hell um mich herum,
Ich erkenne nichts Wirkliches, doch weiß, wo ich bin.
Aber bin ich?
Ich bemühe mich aus dem Bett zu steigen, aber meine Arme und
Beine
Scheinen in totes Fleisch verwandelt.
Plötzlich will mich das Bett abschütteln,
schwankt, als schwimme es auf wilden Wellen.
Hilflos gleite ich, rutsche ich hinunter,
falle hart auf den glatten, kalten Boden.
Minutenlang liege ich mit dem Gesicht im Staub.
Gelähmt.
Ich schreie.
Niemand hört es, nicht einmal ich selbst.
IV. Finale Erkenntnisse
Ich erlange neue Kraft aus meiner unnennbaren Angst.
Stemme mich hoch, auf die Knie – breche fast erneut zusammen –
Aber schaffe es aufs Bett zu kriechen. Irgendwie.
Kann mich nur kraftlos fallen lassen,
Versinke in verwaschenem Weiß.
Atme kaum noch,
Langsam ersticke ich im riesigen Kissen.
Stille Panik, quälende Hoffnung, grausamer Schmerz.
Zahllose Gedanken – mein kühler Verstand schweigt heiße Tränen.
Das Fieber.
Bunte Bilder in meinem Kopf.
Tote Erinnerung aus den gestorbenen Stunden,
Als des Teufels Punsch mein Erlebtes verschlang.
Verschleierte Teile eines fern erscheinenden Seins
Erwachen erneut
Und zermahlen die Realität meiner Vergangenheit,
Öffnen alle Tore und verwirklichen sich.
Alles kaputt. Alles zerstört.
Alles war anders, alles versteckt.
Alles verdrängt, alles verschlungen, alles war echt.
V. Erwachen 2
Ich erwache aus dem Alptraum, ringe nach nicht greifbarer Luft.
Aber ich atme nur Gedanken. Atme nur in Gedanken.
Es reicht, ich lebe.
Ich danke Gott, ich liebe Gott.
Alles nur geträumt.
Aber hinten in meinem Kopf pocht die heimliche Erkenntnis.
Das unverdrängbare Wissen,
Dass die Wahrheit den Traum überdauert
Egal wann sie begann.
Ich schaue mich im Zimmer um, mein Kopf lässt sich bewegen.
Ich drehe mich vorsichtig zur Seite mit dem ganzen Körper.
Er fühlt sich leicht betäubt an, aber ich erkenne ihn als den Meinen
wieder.
Langsam richte ich mich unter Kopfschmerzen auf.
Schmerzen, die von tief innen kommen, ausbrechen wollen.
Sekundenlang platzt mein Kopf mehrfach, der Schweiß bricht
hervor.
Erneut das Fieber.
Ich sitze auf dem Bett, die nackten Füße am eisigen Boden.
Ich stehe auf.
VI. Unerforschte Krankheit
Der Schlag trifft mich eiskalt und zertrümmert schmerzlos meine
Kniegelenke.
Ich klappe zusammen wie ein erlegtes Jagdwild.
Gefühllos – nur ein dumpfer Aufprall.
Leiche auf Linoleum.
Verrenke mir die Beine und liege gekrümmt am Boden.
Ich kann meinen Oberkörper ein wenig bewegen,
versuche mich zu drehen.
Ich erreiche eine einigermaßen annehmbare Position im Liegen,
Schreie kraftlos nach Hilfe, doch, in meinem eigenen Kopf schon
Verhallt der Klageruf bitter.
Gott war ein Traum,
Der Alptraum real.
Todeswimmern, inneres Schluchzen.
Letzter Wille kann Flügel ersetzen.
Arme beweglich, kaum ein Gefühl.
Taubheit der Muskeln, Taubheit des Hirns.
Alles verschwimmt nur um klarer zu werden.
Ich versuche mit beiden Armen den Boden fort zu drücken.
Kurz gelingt es, dann fällt er mir wieder entgegen.
Mein linker Ellbogen steht dem Druck nicht.
Eine schreckliche, unerforschte Krankheit.
Kataplexie ohne Beispiel, ich bin ein unerforschter Fall.
Nichts in mir ist erforschbar, weder für mich noch für andere.
Ich werde elendig sterben.
Ärgerliche Angelegenheit.
VII. Betrug zwecklos
Aus Unbedachtheit schaffe ich es ohne Probleme zurück aufs Bett.
Doch ich kann mich nicht selbst hinters Licht führen –
Das Bett scheint wieder auf dem stürmischen Ozean unterwegs zu
sein,
Und aus beispielloser Verkrampftheit
Wird die wirkliche Wahrheit wiedergeboren.
Die Muskeln entsagen sich mir wieder. Sie streiken.
Sie kennen die Wahrheit und sind stärker.
Mein Geist scheint geschwächt zu sein, keine echte Gegenwehr
mehr.
Das Fieber hat an meinem angeknabberten Willen gezehrt.
Ich bin hilflos, und im Nichtvorhandensein des Hier und Jetzt
Im Loch der Zeit, ohne Schwerkraft,
ohne Ende und Anfang –
Im endlosen Nichts falle ich samt der Matratze aus dem Bettgestell,
was eine überraschend weiche Landung ermöglicht.
Aber ich bin vollkommen gelähmt.
Nicht nur mein Körper, auch meine Empfindungen sind starr wie in
Eis gemeißelt.
Keine Hoffnung mehr, keine Angst mehr, kein Mut mehr,
Keine Sorgen.
VIII. Hilflos
Ich liege auf der unebenen Matratze dicht über dem staubigen
Kunststoffboden.
Kann mich weder in meine schützende Decke einwickeln,
Auf der ich extrem ungünstig liege,
Noch kann ich mich in eine gemütlichere Position bringen.
Aber ich kann atmen und wieder klar denken.
Ich muss einschlafen. Entschlafen.
Unauffällig den wertlosen Körper verlassen und flüchten.
Hier würde ich keinen Spaß mehr haben,
Hier würde ich nur noch gefangen gehalten.
Ich entspanne mich.
Da ich nichts fühlen kann, stellt dies keine große Herausforderung
dar.
Nur mein Geist muss manuell verschlossen werden.
Ich konzentriere mich auf mein inneres Licht.
Die letzten, aber dennoch wunderschönen, warmen Flammen,
wie sie in göttlichen Farben knistern und ihr Knacken
den Takt meines gedanklichen Zahnrades angibt – aber ganz
zwanglos.
Und immer perfekt.
Ich ergötze mich eine stehengebliebene, endlose Sekunde
An der unermesslichen Geborgenheit meiner gemütlichen Seele.
Das Letzte, was mir noch bleibt. Aber so denke ich nicht.
Stattdessen ist es das Letzte, was ich noch brauche.
Das Wertvollste, was ich je besaß.
Ich entschwinde in die Freiheit des traumlosen Schlafs.
IX. Spielwiese / Erwachen 3
Wieder erwache ich aus dem, was mir wie ein unendlicher Alptraum
erscheint.
Ich liege normal im Bett, vom Sturm auf dem Meer ist nichts mehr
zu spüren.
Die Matratze scheint sich nie bewegt zu haben,
Mein Körper scheint nie tot, nie betäubt gewesen.
Alles ist gut.
Ich stehe auf und gehe raus auf die Wiese.
Der Gang durchs Gemäuer, der Weg um den See,
Bleiben mir erspart – übersprungen im Wahn.
Es ist dunkel, aber die Nacht lebt.
Wie eine grausige Feier eines satanischen Ordens
Wirkt das Besäufnis der Massen an Puppen.
Hunderte Studenten verschiedenster Künste,
Hunderte Seelen von Stoffen getrieben.
Elendes Grölen, bedröhntes Gelächter,
Hektik, Bedrohung, Verwestheit und Stille
Beherrschen gemeinsam den Ort des Vergnügens.
Ich treffe einen Boten des Bösen,
Auf dem Angesicht einen Ausdruck der Apathie.
Ich frage verzweifelt nach Balsam für mein Bewusstsein.
Doch bieten kann er mir nur Kräuter der Hektik,
Tränke der Wollust und Pulver des Größenwahns.
Ich danke verneinend und flüchte.
Die verruchte Versuchung verfolgt mich und ich renne.
Sein Griff schraubt sich um meinen Arm
Und ich erstarre vor Kälte zu Stein.
Zum Glück findet die Sucht hier bald leichtere Opfer
Und lässt mich ziehen,
Mit meinen eigenen Sorgen.
Ich komme davon in dumpfer Paranoia.
X. Hilfesuchend
Ich wandle wie ein Geist,
Schweiß überkommt mich schon wieder.
Ich weiß von meiner Krankheit, muss es jemandem sagen.
Allein bin ich verloren.
Meine Sinne verschwimmen immer mehr,
Kaum ein klarer Gedanke – nur: Hilfe.
Irgendeine Person mit Verantwortung.
Einen Wachmann.
Keine weitere Überlegung.
Kein Abwägen, wie gut die Entscheidung sein mag.
Nur die Entscheidung.
Ich finde die Person natürlich sofort –
Als einziger Nüchterner im Suff der letzten Nacht…
Der Wachmann jedoch scheint gebadet zu haben
In den Sünden der Hölle –
Er schreit herum mit rauer Stimme
In dämonisch klingenden Zungen.
Ich will ihm meine Lage verdeutlichen, erklären.
Aber er versteht nicht, kann mich vermutlich nicht mal hören.
Er beginnt mir jetzt selber irgendetwas zu berichten,
Was mich überhaupt nicht interessiert.
Keiner versteht den Ernst der Lage, keiner
Kann mich retten, keiner hilft.
XI. Spiegeltrauma
Und ich sehe in die Fratze dieses Monsters,
Das in Gestalt des Wachmanns vor mir steht.
Und sehe dort das Antlitz des Teufels,
Wie es mir zuzwinkert und irre grinsend nickt.
Mit Bestürzen muss ich erkennen,
Dass es mein eigenes Gesicht ist –
Meine Gestalt in ein paar Jahrzehnten.
Kranke Verzweiflung überkommt mich mit Wucht.
Irre umher, wie ein blinder Fisch im Ozean.
Sehe Leute, die ich kenne oder zu kennen glaube,
Weiche Leuten aus, die ich kenne oder zu kennen glaube.
Ich finde niemand, weiß noch nicht einmal,
Wen ich suchen soll.
Die Hitze drückt mich runter,
Ich muss gebückt meinen Weg schlagen.
Die Hitze dringt in meinen Kopf ein,
Fieber wieder.
Farben, wirre, grellbunte Gedanken in der Stirn,
Direkt hinter meinen niemals blinzelnden Augen.
Ich kann nicht mehr zwischen außen und innen unterscheiden,
Fühle, wie in mir was zusammen bricht –
Und stelle dann fest, dass ich am Boden liege.
Alle Gelenke wieder schwach und fast tot.
Ich schreie um Hilfe, immer lauter und lauter.
Um mich herum wird es stiller und stiller.
Endlich hört man mich und auch ich selbst tu es deutlich.
Ich brülle immer weiter, keine Worte nur Schreie.
Und kurz darauf ist alles um mich vollkommen still.
Ich liege wimmernd am Boden, habe Schmerzen.
Fühle nur Wut auf mich selbst, meinen Körper,
Auf die seelenlosen Hüllen um mich rum, die nichts sehen.
Ich bedaure mein Leben in der Welt voller Toten.
Denn eins ist mir wirklich klar geworden inzwischen:
Ich lebe, die ganze Zeit, ich existiere.
Als einziger Nüchterner unter tausend Vermummten.
Ich muss schlafen.
XII. Erwachen 4
Ich erwache noch ein letztes Mal im Bett.
Alles ist wieder gut – war ja klar.
Ich höre auf dem Flur einen Streit.
Gerade sind alle aus Babylon zurückgekehrt.
Kurzer Besuch in den Gluten des Bösen.
Lauter Tumult auf den Gängen, die Türen
Schlagen rücksichtslos zu in ihrem Suff.
Leben kehrt zurück in das Gemäuer,
In dem ich in den letzten Stunden die Hölle erlebte.
Totes wird lebendig, Lebendiges tot.
Ich rehabilitiere, die Geister verschwinden.
Ein Schüler war in der Nacht von Satans Schlag getroffen worden.
Erstarrt im sündhaften Tanz mit dem Gral.
Im Zittern verkrampft und zu Boden gefallen.
Und dieser Schüler hat das nicht geträumt.
Grenzen setzen.
Besser so.
Kalter Tag
Es war ein kalter Tag. Schnee fiel in wehenden Strudeln, wirbelte im
Wind durch das kahle Geäst der Bäume im Park. Die Farbe weiß
beherrscht die Szenerie. Alles leuchtet nur matt.
Von oben blickt er auf sich hinab, wie er da reglos im Schnee liegt,
auf dem Rücken, die Arme von sich gestreckt.
Sein Atem haucht weißen Nebel in die Luft über sich, sein Brustkorb
bebt und hebt das graue Baumwollhemd in unregelmäßigen
Abständen an. Sein orangefarbener Anorak hängt geöffnet im
Schnee,
der
sich
um
ihn
herum
langsam
zentimeterdick
aufschichtet. Auf seinem Körper aber hinterlassen die über ihm
tanzenden Flocken nur einzelne Kristalle, die innerhalb weniger
Augenblicke schmelzen und sich nur noch als Feuchtigkeitsfilm auf
seiner Kleidung und seinem vor Blässe leuchtenden Gesicht
sammeln. Wie eine Schutzschicht. Seine Wangen tragen ein
sanftes Rot, seine Nase dagegen scheint regelrecht zu glühen - in
einem beinahe lilafarbenen Schimmer. Die Lider, die den Glanz
seiner Augen verdecken, zucken fast unmerklich in zittrigen
Rhythmen, als ob ein lebhafter Traum seinen Geist beherrscht. Kein
schöner Traum - aber auch kein Albtraum. Nur ein sehr seltsamer
Traum, rätselhaft. Ungute Gefühle schürend und deutlich mehr
Fragen aufwerfend als Antworten gebend. Ein Traum, dessen Inhalt
nicht erinnert wird, der nur ein Empfinden von Trauer, von
Beklommenheit - ja vielleicht auch von Sehnsucht hinterlässt. Ein
Traum, der beunruhigt.
Auf der versteinert wirkenden Miene seines Gesichts meint er
dennoch kurz ein befreites Lächeln aufblitzen zu sehen. Mit dem
letzten Schwall von Kondensat, das seinen offenen Mund verlässt,
entsteigt auch der Rest an Leben diesem Leib.
Er steht auf, klopft sich den Schnee von den Hosenbeinen, wischt
sich die Nässe von seiner Jacke und seine taubgefrorene Hand
streicht durchs Haar.
Wie er sie hasste, diese Träume. Wo war er? Er blickt sich
schüchtern um. Er ist allein. Der Sonnenstand deutet auf Vormittag
hin und er erkennt den Park. Hier war er vor Jahren einmal
spazieren gegangen. Allein - wie immer - und hatte nachgedacht.
Damals war es ein heißer Sommertag gewesen.
Er holt tief Luft und macht sich auf den langen Weg nach Hause.
Die Hände in den Taschen, den Blick gesenkt.
Der leblose Körper im Schnee verströmte noch Wärme, aber Kälte
machte sich breit. Der Schneefall wurde stärker und die Flocken
bedeckten den Leichnam langsam mit Zeit. Von weitem hätte man
nur noch das grelle Orange seiner Jacke hier und da durch die
weiße Decke schimmern sehen. Bald würden die Kinder dort auf
dem
Spielplatz
drüben
Schneemänner
bauen,
Schneeballschlachten kämpfen und ... vielleicht auch Schneeengel
in den Boden hampeln. Wie nah doch Gut und Böse, Leben und
Tod, Himmel und Hölle dann und wann beieinander liegen - und
doch so weit voneinander entfernt sind.
Zuhause angekommen blickt er in den Spiegel. Das eisblaue
Leuchten in seinen Augen, das ihn einst relativ hübsch hatte
aussehen lassen, war schon lange verschwunden. Er befreite
seinen bibbernden Körper von den vor Nässe triefenden Kleidern,
schleuderte sie in eine Ecke des Kabuffs. Dann ging er zu Bett und zitterte sich unter dem Weiß seiner Decke in den Schlaf.
Ein traumloser Schlaf. Das Lächeln war wieder da.
Gedichte IV.: „Worte, Schreie - ungehört“
Wozu Reimen?
Wozu Reimen?
Wozu eine Welt, die keine Regeln kennt,
Regeln unterwerfen, die doch nur zu Verdrängung führen?
Wozu ein einheitliches Metrum,
wo doch der Takt deines Alltags allzu oft aus den Fugen gerät?
Oder er dir vorkommt wie ein monotoner, nicht enden wollender
Jambus.
Wozu also Reimen?
Wozu ein Leben, das nie komplett so läuft wie vorausgesagt,
in Worte pressen,
die starr und perfekt glänzend die Wahrheit hinter Gitter sperren.
Die Reime des Lebens sind viel subtiler.
Unsauberer – und doch irgendwie auch schöner.
Und wenn die Schönheit auch so oft verborgen hinter hingerotzten
Worten bleibt –
So fasziniert das Leben uns dennoch
mit seiner kreativen Grausamkeit.
Die Reime der Welt sind kaum zu verschriftlichen.
Denn Worte werden immer nur gehört, wenn man sie ausspricht.
Ich lass es mit dem Reimen.
Ich seh es nicht ein.
Weshalb sollte ich die Wahrheit hinter anmutigen Schleiern
Verstecken und schützen, was die Täter verräte…
Doch wenn ich mich selbst nicht verleugne,
Gedanken die Chance geb, zu leuchten
Aus ihrer eigenen Kraft heraus –
Ohne sie zu schminken und verkleiden –
Dann kann ich das, was verdrängt ist besiegen,
und Kraft aus den schrecklichen Bildern erlangen.
Macht entsteht, wo Schwächere vorhanden sind.
Also warum schwächer sein?
Kinder, die es schwer hatten, können später Täter werden,
oder aber den neuen Kindern Helfer und Rächer sein.
Wozu soll ich Reimen, wenn die Aussage auch anders wirkt?
Endlich bin ich frei von diesen unsichtbaren Fesseln!
Keiner wird mich je wieder in Ketten legen können!
Ich feiere den Sieg übers Vergessen!
Kinder dieser Welt, was auch immer euch passiert –
Überlebt!!
Überlebt, verdammt!
Und macht das Beste draus!
Wir glauben an euch!!
Wir, die wir bis heute überlebten.
Der Schrei
Ich ging um die Ecke und da schrie jemand.
Schockschwere Not!
Wie ging es dann weiter?
Ich weiß es nicht.
Ich blickte in den Spiegel und sah einen Mann.
Einen Mann, den ich meinte zu kennen.
Ich sah um die Ecke und hörte den Schrei,
als es ausbrach aus meinem Innern.
Ich dachte den Tod als schon der Morgen hereinbrach.
Abstrakt, kompliziert schlief ich ein.
Verwirrt dann vom gestrigen Tag wach ich auf –
Und erkenn´ was mich weckte: Ein Schrei.
Menschenkind
„Oh, Menschenkind, spalte dich ab,
verlasse deinen Leib und schwing dich auf gen Himmel!
Ein andrer wird solang deinen Platz einnehmen,
einer, der dich schützt vor der Realität.“
So sprach Gott wohl zum ersten Geschöpf,
das im zarten Kindesalter schon das Grauen erfuhr.
„Du wirst es nicht leicht haben, Leben ist hart,
doch wenn du überlebst, wartet Stärke auf dich.
Du wirst dich erinnern, verstehen, bekämpfen,
und letztendlich Kultur erschaffen.
Du wirst Aggressionen beherbergen, denken,
und lange nicht wissen, was dir widerfuhr.“
Gott wird hier dem armen Ding den Kopf getätschelt haben,
um dann mit einer wehmütigen Bitte fortzufahren:
„Oh, Menschenkind, es tut mir Leid,
doch bitte, werde nie wie die,
die dir das Leid zufügten –
denn du bist nicht wie sie.“
Gott kann uns nur bitten, selbst besser zu sein.
Die Macht dazu liegt in jedem von uns.
Also stell dich nicht auf die Seite deiner einstigen Peiniger,
Oh, Menschenkind!
In dir allein liegt die Macht.
Regen
Wieder einmal versinke ich in gähnender Leere
Kälte klirrt in meinem Kopf wie grausiges Gewimmer
Draußen tobt der Sturm, in dessen Mitte ich gern wäre –
Doch stattdessen sitz´ ich einsam in meinem Zimmer.
Die Gedanken quälen meinen Geist mit unsäglicher Schwere –
Also hör ich auf zu denken – und ich hoffe, für immer.
Doch natürlich weit gefehlt! Die Bilder dringen wieder ein
In meine Stirn und lassen mich nur stumm um Hilfe schreien.
Der Schwall an Fetzen von Gedachtem schwemmt mich hinfort,
überkommt mich mit Wucht, zwingt mich wieder an den Ort
des Geschehens, das mich vor Jahren innerlich zerfraß –
An den Ort, an dem nebst Kontrolle auch die Vernunft versagt.
Ich höre noch den himmlischen Klang von Musik, die ich hörte,
als ich eben den Verstand verlor, das Trauma mich zerstörte
Die Mondscheinsonate, ein erhabenes Stück –
Doch verzerrt durch all das Leid klingt es nur noch entrückt.
Verrückt, wie die Momente, die ich denke, doch nicht halten kann,
verrückt – aber auch durchaus interessant.
Durch starkes Konzentrieren auf die Klänge des Klaviers
Erlange ich einen Zustand von göttlicher Benommenheit
Entziehe mich den Schlägen des Erlebten, dem Hass in mir –
Und fasse mich in erfrischender Besonnenheit.
Die fünfte Sinfonie beginnt, die Lebenslust erwacht in mir!
Der Regen trommelt ungeniert, die Blitze flackern, Donner poltert –
Es schüttet wie aus Kübeln da draußen.
Und mich befällt plötzlich ein Drang,
meinen Körper dem Regen zu stellen –
und ich fange die Tropfen mit der Hand!
O nein, ich tat es schon wieder –
mich den Reimen unterwerfen,
den Mustern anzugleichen, den Regeln zu stellen.
Ich erlag der Versuchung, dazu zu gehören –
Auch wenn es nicht gelang, so hab ich es doch probiert.
Die Zeilen gequält, und den Sinn halt verbogen,
verdreht, was nicht passte und so praktisch gelogen.
Ich schäme mich zutiefst für meine Schwäche für Ästhetik.
Ich weiß nicht was über mich kam, aber – es quält mich,
zu lesen, was ich schrieb ohne Achtung vor der Wirklichkeit.
Und selbst wenn ich jetzt tausendfach Besserung gelobe,
versuche noch zu retten, was ich vormals hab versaut,
versuch´ zu bezahlen, für das, was ich hab verbrochen –
so hilft es doch nichts, weil ich mich für Lob habe verkauft.
Ich saß in meinem Zimmer und verschlang mich selbst mit Worten.
Ich schrieb sie auf ein Blatt und ertrank in meiner Trauer.
Verlor den Sinn für Zeit und wollte nur noch, dass es aufhört –
Das Sein in seinem Leid, wie es mich in den Wahnsinn treibt
Ich gab auf – gab mich schrecklichen Bildern hin,
dachte und dachte immer weiter und fiel tiefer.
Keine Ahnung was geschieht, und kein Interesse es zu sehen.
Einfach nur verschwinden – in Wolken empor schweben
Denken ohne ständig umzudenken, ohne Grenzen denken können
–
Ohne programmierte Gesetze, die mich lenken könnten.
Der Regen also brachte die Erlösung, die Katharsis.
Ich saß betrübt am Fenster, blickte raus.
Draußen tobte überall der Himmel auf Erden,
Die Nacht vorm November lud ein zum Vergnügen.
Aber ich für meinen Teil kann mich nicht überwinden,
kann mich nicht durchringen, teilzunehmen.
Festgefroren auf dem Schreibtischstuhl – ich schreibe nur.
Denke wieder einmal viel zu viel nach – ich weiß es,
nur kann ich nichts dagegen tun.
Kann weder ruhen, noch vernünftig wach sein.
Ich kann nur immer weiter die Gedanken auf mein Blatt schreiben.
Fasziniert von der Einsamkeit als menschliche Daseinsform
Kombiniert mit tief sitzender Trauer und null Wagemut.
Vor-sich-hin-Vegetation in ihrer reinsten Form –
Versuchen, noch das beste rauszuholen –
ja, ist schon ´ne schöne Vorstellung.
Doch in Wahrheit nur Selbsttherapie
für den verlorenen Sohn.
Allem Anschein nach
Es ward einst ein einfacher kleiner Dentist
Mit Talent und gewiss auch dem nötigen Biss
Für das doch recht harte und durchwucherte Biz
Von Katastra, einer Stadt, die dich irgendwann frisst.
Doch bis dahin tut ein jeder schlicht nur das,
was im Wahnsinn dieser Stadt hier noch klappt.
Und bis zu dem heutigen Tag
War ja unser besagter Zahnarzt
Auch stets mit sich zufrieden – und vollkommen satt.
Er lebte gar zufrieden in den Tag hinein.
Er tat seinen Job, zahlte Rechnungen brav –
er hätte nie geahnt, dass das alles hier ein
schnelles Ende nimmt,
wenn der nächste Patient
durch die Tür tritt und sich
in den Behandlungsstuhl setzt –
sich besser gesagt in ihn hineinfallen lässt…
Und dann Großkotzig Loshustend sagt was er gern hätt´:
„Ch-Chmm!!“ räuspert er sich.
„GudnMorgn, Häaa Dokktah, die Schmäahzn krojjzijen mich!
Hällwn se mijjaa, ´ch tsaal ihn wasse wolln!“
Oh, wie der Arzt sie hasste – die ganzen Prolls,
die Geld mit irgendwelchen Illegalitäten machten,
und sich bei ehrlich schuftenden dann überheblich gaben…
Doch was will man machen, Patient ist Patient.
Der Arzt griff nach hinten hinter sich auf seinen kleinen Tisch,
um sich eine Beruhigungspille zu genehmigen.
Er musste klar sein, denn Wurzeln ziehen
Verlangt, dabei bei Verstand zu sein.
Er lachte bei diesem Gedanken in sich hinein.
„Wie bei Mathe und so´nem Scheiß…“
Und was er in diesem Moment nicht weiß,
ist dass es kein Sedativum war, nein!
Sondern ein anderes Mittelein,
das seinen Verstand erst so richtig „befreit“,
was er da eben in seinen Schlund hinein
hat gepfeffert in seiner Unbesonnenheit…
Doch bei der Geschichte geblieben!
Der Arzt griff nach dem Lachgas.
Er würde ihn anästhesieren,
lokal – und ihn dann ziehen,
den kariesbefallenen Backenzahn
Hässlich quoll des Prolos Zunge betäubt aus seinem Maul hervor
Verbreitend einen Dunst von Verwesung – Der Arzt schaudert nur
Als er den ekelhaft und schon rußfarbenen Zahn sieht,
an dem schon der Ansatz zum Kieferknochen blank liegt.
Sein Hass auf diesen armen Gammler wuchs stetig.
Mit jeder Sekunde, die er gezwungen war,
diesem Flegel zu helfen, angenehmer zu leben.
Viel lieber – würd er ihm eine Wunde schlagen.
Eine tiefe Wunde zufügen im Rachen!
Auf dass er dann kaum noch vernünftig zu atmen
Vermag und in Atemnot klagt, wie´s ihn plagt!
Ja, das war es, was den Arzt jetzt bewegte,
als er aus Spaß ein Skalpell an seines Patienten Hals anlegte.
Der wiederum merkte von dem merkwürdigen Getue
Des Doktors rein gar nichts, war wie in einer Trance.
Den Mund weit aufgerissen, die Augen ebenso,
Die Zunge im Mundwinkel klebend und rot,
Die Nase entzündet vom Koks und geschwollen,
Das Gesicht scheint förmlich aus dem Kopf herausgequollen –
Ekelerregend dieser armselige Anblick.
Der Arzt beschließt, sein Opfer nun komplett zu betäuben.
Er stellt die Lachgaszufuhr auf Einhundert Prozent.
Setzt sich währenddessen gemütlich hin und pennt
Fünf Minuten um dann anzufangen – den Kerl zu häuten.
Er nimmt wieder das Skalpell, fuchtelt damit in der Luft herum.
Und dann fällt es ihm zu Boden – da kuckt er dumm.
Er will sich schwungvoll bücken, es aufheben,
doch kommt dabei mit dem Arm auf einen Knopf drauf, der den
Festinstallierten und auf halber Höhe hängenden
Bohrer anstellt, worauf der Dentist
sich ausgesprochen heftig erschreckt,
in seiner Panik auf dem Skalpell auf dem Boden
ausrutscht und in betont hohem Bogen
auf den Bohrkopf fällt…
und auch noch zuerst
aufkommt mit dem empfindlichen Hosenboden.
Er schreit nur in Qual: „Was tut hier passiern??
Was ist diese Pein, die mich quält, dass ich hier
So ein Pech hab und nicht nur mein Job verlier,
sondern womöglich in Zukunft nichma weiterexistier…“
Das kann doch nicht sein, denkt sich unser Herr Doktor
Und springt auf unter Geschrei!!
Er stürzt sich auf seinen Patienten, der schläft,
und reißt ihn aus dem Behandlungsstuhl.
Der wird dadurch wach und ist ziemlich verwirrt,
und außerdem vom Lachgas noch ganz schön beduselt…
Er lacht nur vor sich hin, er weiß noch nicht mal was geschieht,
doch die Krämpfe durchzucken seine Gesichtsmuskeln tief.
Er kann nichts dagegen machen, er muss einfach laut lachen,
er sieht nicht mal, was um ihn passiert ist. Der Arme.
Der Arzt nämlich stürzt sich auf ihn und erleidet
Ein Schädeltrauma übelster Sorte,
als er sein Opfer verfehlt und stattdessen
nur mit dem Kopf auf den Boden knallt.
Der arglose Patient kann nur weiterhin kichern
Und grölen und kreischen und donnern vor Lachen.
Er kriegt sich nicht ein, und ist nicht mal bereit
Zu peilen, dass bei ihm eine blutende Leiche liegt.
Die Polizei erreicht den Tatort,
Nachbarn der Praxis meldeten Schreie.
Vorfinden tun sie einen Geisteskranken,
der den netten Dr. Beugsam gemeuchelt hat.
Sie nehmen ihn mit, sperrn ihn in ein Verlies,
und noch am drauffolgenden Tag
wird er ohne gehört zu werden verurteilt,
und auf dem Marktplatz ans Kreuz geschlagen,
der Mörder!!
Querfeldein durch die Fantasyliteratur der letzten Jahrzehnte
„Die Wette vom zwanzigjährigen Krieg“ von „Jan Essmoor“
Angespornt vom jüngst wieder erstarkenden Fantasyhype um Harry
Potter und co. beginnt der in diesem Buch als höchster Gott
fungierende „AUTOR“ den Aufstieg eines jungen Zauberers zu
erzählen – nur um nach einigen Kapiteln festzustellen, dass sein
dissozialer Protagonist so ganz und gar nicht den Vorraussetzungen
eines Kinderfantasybuch-Titelhelden entspricht, und er kurzerhand
noch mal von der „guten“ Seite aus anfängt, wobei er den
erstgenannten Helden einfach augenzwinkernd als kleinen
„Unruhestifter“ einbaut, der „dauernd versucht die Weltherrschaft an
sich zu reißen“…
So unorthodox sich dies anhört erscheint auch das
Inhaltsverzeichnis des Romans, wenn es von ganzen fünf Prologen
kündet, bevor die eigentliche Geschichte um den 17-jährigen Magier
Gyözö beginnt, welcher wiederum als Sohn des berühmten Kriegers
Gábor Kovács den idealen Held für so ein vor Ironie triefendes Werk
Schundliteratur darstellt.
Gegeben sei ein Schwarzmagier namens Fürst Occidescu, der die
Welt terrorisiert, und ihm gegenüber die „Tarschaschag“, die
Regierung, die ihm mit aller Kraft Einhalt zu gebieten versucht. Weil
nun Gábor Kovács herausgefunden hat, dass nur ein
Blutsverwandter des dunklen Fürsten den Krieg mit diesem beenden
kann, und Gábors ermordete Frau, Gyözös Mutter, eine solche
Blutsverwandte war, wird Gyözö mit einigen weiteren jungen
Blutsverwandten unter strenggeheimen Bedingungen zum
Megmentö, einem Kämpfer der Tarschaschag ausgebildet, auf dass
er, wenn es soweit ist, bereit sei für das Duell mit dem finsteren
Bösewicht.
Was sich so zusammengefasst wie ein schnörkelloser Plan der
Guten gegen das Böse anhören mag, entpuppt sich jedoch beim
Lesen als langwieriger Prozess des Erwachsenwerdens, vom
jugendlichen Großmaul mit den Interessen eines Heranwachsenden
zum verantwortungsbewussten Träger des Schicksals der gesamten
Welt. Und dass nebenbei der Krieg der Erwachsenen weiter vor sich
hin plätschert, seine Opfer fordert und zwischenzeitlich bekannt
wird, dass der Fürst einen Sohn in Gyözös Alter hat, macht die
ganze Geschichte auch nicht leichter für den jungen Helden.
Aber zum Glück zeugt ja bereits der Titel des letzten Kapitels von
„Occidescus Sturz“, sodass man sich nicht allzu große Sorgen um
den Verbleib der Fantasiewelt des „Reißstromplaneten“ machen
muss – dann doch eher um den Verbleib der eigenen Zeit, die
man damit zubringt, eine Geschichte zu konsumieren, deren
Ausgang von Beginn an völlig klar zu sein scheint.
Aber wer sich dennoch entschließt, sich durch den teilweise etwas
die Nerven strapazierenden Mittelteil des Romans zu kämpfen, auf
den wartet in den letzten Kapiteln dann noch einmal eine ordentliche
Portion (pseudo-)philosophischer Erkenntnisse, garniert mit reichlich
selbstironischen Kommentaren des Autors und zu guter letzt die
Aufdeckung
einer Wette, die selbst der Gott aus Goethes „Faust“ nicht mit
Mephisto eingegangen wäre, hat sie doch schlussendlich einen
zwanzigjährigen Krieg zur Folge…
Abschließend bleibt zu erwähnen, dass man sich nicht wundern
sollte, wenn man während der Lektüre über altbekannte Phänomene
wie Star-Wars-typische Lichtschwertduelle, eine fußballähnliche
Zauberersportart oder Weltanschauungen à la Terry Pratchett
stolpert – der junge Autor „Jan Essmoor“ hat mit seinem
Debütroman nämlich vor allem eine satirische Hommage an die
Fantasywerke seiner Jugend geschaffen, die er in eine für das
Genre typisch wendenreiche Handlung einbettet. Leider wird die an
sich schöne Storyline hier und da durch einen etwas holprigen
Schreibstil gestört, was das Lesevergnügen unter Umständen
dämpfen kann. Für Fans des ein wenig subtileren Humors, die
außerdem etwas mit fremden Welten voller Magie anfangen können,
sicherlich ein durchaus empfehlenswertes Stück klischeebeladener
Schwarzweißmalerei – Hochliterarischen Ästhetikfetischisten
dagegen ist dringend vom Konsum abzuraten.