Klassenkampf bei Tische - LKH Graz Süd-West

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Klassenkampf bei Tische - LKH Graz Süd-West
Klassenkampf bei Tische
Christian Fleck
Institut für Soziologie
Universität Graz
Übersicht
1. Was heißt Klassenkampf im Jahr 2010?
2. Globale Ungleichheiten
3. Ungleichheit in Österreich
4. „Diskursivierung“
Klassenkampf 2010
Klassenkampf: Ausbeutung bzw. Ungleichheit
zwischen „oben“ und „unten“
Argumente dagegen: Jenseits von Klasse und
Stand, Individualisierung
Argumente dafür: unveränderte soziale
Gegensätze, divergente Lebenschancen, variable
Lebensstile Æ Distinktionsgewinne
v.a. aber „Globalisierung“, Nord-Süd-Konflikt
Globale Gewissensbisse?
Globale Ungleichheiten
Sept. 2000: UNO Millenniums-Entwicklungsziele
u.a.:
• Halbierung der Zahl der hungernden Menschen
1990 bis 2015
• Halbierung der Zahl der Menschen, die keinen
Zugang zu sauberem Trinkwasser haben
Was ist Hunger? Was verursacht Hunger? Wo stehen
wir? Fort-/Rückschritte bei der Zielerreichung?
Hunger
Obwohl es weltweit genug Nahrungsmittel gibt,
hungern Millionen
Hunger = Mangel an Nahrung zeigt sich in
verschiedenen Formen:
• Unterernährung: Kalorienmangel
• Fehlernährung: Protein, Spurenelemente
• Auszehrung: Indikator der Unter- und
Fehlernährung Æ Untergewicht
Wer sind die Hungrigen?
Katastrophen(berichte) lenken unsere
Aufmerksamkeit gelegentlich auf Hungernde
Aber das sind nur rd. 8% aller Hungernden
1 Milliarde Hungernde (= Bevölkerung der USA,
CDN und EU zusammen) aller Altersstufen, die
in Städten, aber auch in Dörfern leben
Vornehmlich in Afrika südlich der Sahara
Was verursacht Hunger und was kann
dagegen getan werden?
Amartya Sen:
(Nur) Demokratie(n) können
Hungersnot erfolgreich
bekämpfen
Jean Ziegler:
Hunger ist das Ergebnis kapitalistischkolonialistischer Ausbeutung:
„Massaker des Hungers“
z.B. Biotreibstoff, Börsenspekulation
Ursachen im
Vergleich
Quelle: Food and Agriculture Organization of the United Nations FAO,
The State of Food Insecurity in the World 2008 , Rom 2008, S. 19
ftp://ftp.fao.org/docrep/fao/011/i0291e/i0291e00.pdf
Sauberes Wasser
Quelle: UNO, Millennium Development Goals Report 2009, New York 2009, S. 48
http://www.un.org/millenniumgoals/pdf/MDG_Report_2009_ENG.pdf
Quelle: UNO, Millennium Development Goals Report 2009, New York 2009, S. 48
http://www.un.org/millenniumgoals/pdf/MDG_Report_2009_ENG.pdf
Nahrungsmittelpreise und globale
Ungleichheit
Quelle: UNO, Millennium Development Goals Report 2009, New York 2009, S. 11
http://www.un.org/millenniumgoals/pdf/MDG_Report_2009_ENG.pdf
Ernährungsungleich
Quelle: Food and Agriculture Organization of the United Nations FAO,
The State of Food Insecurity in the World 2008 , Rom 2008, S. 29
ftp://ftp.fao.org/docrep/fao/011/i0291e/i0291e00.pdf
Übergewicht in den reichen Ländern
Quelle: OECD Factbook 2009, S. 251.
Übergewicht in Österreich
Nach: Statistik Austria, Sozio-demographische und sozio-ökonomische Determinanten von Gesundheit.
Auswertungen der Daten aus der Österreichischen Gesundheitsbefragung 2006/2007, Wien 2008, S. 45.
„(Sehr) schlechte“ Gesundheit
als Prozentanteil der Erwachsenen, 2006
13,9%
4,9%
Quelle: OECD Factbook 2009
Subjektive Gesundheit nach Bildung
Quelle: Statistik Austria, Mikrozensus 1999, hier nach: Gesundheitsbericht Wien 2004, S. 368.
Gesundheitsverhalten nach Beruf, Geschlecht
und Bildung
Quelle: Stadt Wien (Hrsg.), Wiener Gesundheits- und Sozialsurvey 2000/2001,
hier nach: Gesundheitsbericht Wien 2004, S. 301 (rechts) und 373 (links).
Bildung und
Ernährung in
Österreich
Verfügbarkeit von … im Haushalt nach
Bildung (2004)
Quelle: Österreichischer Ernährungsbericht 2008, Wien: BM für
Gesundheit 2009,
S. 107 (oben) und 388 (rechts)
Nahrungsergänzungsmittel nach Bildung
Bildung und Ernährung
In dem französisch-italienischen Film
"Das große Fressen" [1973, Regie
Marco Ferreri] war Essen, Trinken und
Sex noch gleich wichtig
FAZ 13. Juni 2007:
Das Essen ist für die Deutschen die
wichtigste Nebensache der Welt. In
einer am Mittwoch veröffentlichten
Umfrage des Magazins „Playboy“
nannten 18 Prozent der Befragten
Essen und Trinken das Wichtigste und
verwiesen Sport (17 Prozent) und Sex
(14 Prozent) auf die Plätze. Auf Rang
vier folgte Fußball (zwölf Prozent) vor
Einkaufen und Beruf mit jeweils sieben
Prozent. Abgeschlagen waren das Auto
(sechs Prozent) und Telefonieren (zwei
Prozent).
„Diskursivierung“
• „Das große Fressen“: Höhepunkt des (Massen-)
Konsums: „mehr von allem für alle“
• 16 Jahre später in „Der Koch, der Dieb, seine
Frau und ihr Liebhaber“ (1989, Regie: Peter
Greenaway): Gangster als Feinschmecker
• Ebenfalls 1989 wird Paul Bocuse zum „Koch
des Jahrhunderts“
• „Nouvelle Cuisine“ Æ Kochbuch-Zeitalter
• Mützen, Hauben, Sterne Æ Reden statt Essen
Vom „Luxus“ zum „Diskurs“
• Thorstein Veblen (Theory of the Leisure Class,
1899),
• Werner Sombart (Luxus und Kapitalismus, 1922),
• Norbert Elias (Prozess der Zivilisation, 1939)
Æ demonstrativer Konsum, Luxus, Verfeinerung
der Manieren
• Symbolisches Handeln, Bescheid-Wissen
Æ „Nachhilfe“: Ratgeber und Berater
„Nachhilfe“, z.B. im TV
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Alfredissimo (ARD)
Annette im Schlaraffenland (SWR)
ARD-Buffet (ARD)
Das Fast Food-Duell (kabel eins)
Das perfekte Dinner (VOX)
Das perfekte Promi Dinner (VOX)
Die Kocharena (VOX)
Die Kochprofis (RTL 2)
Die Küchenschlacht (ZDF)
Die kulinarischen Abenteuer der Sarah
Wiener (ARTE)
Frisch gekocht (ORF)
Hans Dampf kocht ab (Tide TV)
Henssler Küche (NDR)
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Johann Lafer (div. Sender)
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Koch doch mit Alexander Herrmann (BR)
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Koch was draus (HR)
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Koch-Kunst mit Vincent Klink (SWR)
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Lafer! Lichter! Lecker! (ZDF)
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Lanz kocht (ZDF)
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Polettos Kochschule (NDR)
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Rainer-Sass-Kochshow (NDR)
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Schuhbecks (BR)
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Silent Cooking (ORF)
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Teufels Küche (RTL2)
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Tim Mälzer kocht! (ARD)
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Unter Volldampf! (VOX)
Distinktionsgewinne
Reden über Essen
• reduziert die Kalorien,
• verringert Gewissensbisse,
• und bringt Distinktionsgewinne,
• weil nicht alle kompetent daran teilnehmen
können!
• Sublimierung des Klassenkampfs