Krieg ist immer Gewalt gegen Frauen

Transcription

Krieg ist immer Gewalt gegen Frauen
spezial
medica mondiale
Rückblick 2006
Aus dem Inhalt:
Menschenrechtsarbeit:
Im Focus: der Kampf
gegen Selbstverbrennungen in
Afghanistan
Trauma-Arbeit:
medica mondiale entwickelt
weltweit gefragte Standards
Projekteförderungen:
Frauenhäuser in Kambodscha
Kleinkredite im Kongo
medica mondiale Afghanistan:
Eine Schulung für 700 Polizisten
Ein Frauenhaus für Herat
medica Kosova:
Aufbruch in den Dörfern:
»Wir Witwen sind nicht tot!«
Liberia:
Ein Frauenzentrum in Fishtown
hilft bei der Heilung
Aktion und Engagement:
Regionale Arbeitsgruppen
machen sich stark
Ausblick:
Lauter und provokativer
Finanzieller Überblick 2006
Das können Sie tun!
Krieg ist immer Gewalt gegen Frauen
medica mondiale spezial
Editorial
rung eines Frauenschutzhauses in Herat
unterstützt haben oder ein landesweites
Treffen von 150 Frauen aus 14 Provinzen
organisierten, um über das brisante Thema
»Schutz für Frauen« zu diskutieren. Ohne
Sensibilisierung der Männer kommen wir in
diesem Land nicht vorwärts, daher haben wir
700 Polizisten über Frauenrechte aufgeklärt
– denn bisher trauen sich Frauen, die Gewalt
erlitten haben, nicht auf die Polizeistationen
– aus Angst vor weiterer Gewalt.
V
iele Frauen sind in ihren
Lebensentwürfen und politischen Vorstellungen schon
sehr viel weiter, als ihnen die
männlich dominierten Sitten
und Bräuche ihrer Heimatregion zugestehen wollen. Wie es
durch Mut und Hartnäckigkeit
gelingen kann, diese Traditionen aufzubrechen, zeigt wegweisend der bosnische Kriegsopferstatus: Nach langem politischem Kampf respektiert die
bosnische Regierung seit 2006
mit finanzieller Unterstützung
und sozialer Anerkennung
die Leiden der überlebenden
Frauen und die lebenslangen
Folgen, die aus der erlittenen
Gewalt resultieren.
In Afghanistan hingegen herrschen auch heute noch die härtesten Bedingungen für die
weibliche Bevölkerung. Wir sprechen von Frauenrechten in
einem Land, in dem junge Mädchen keinen anderen Ausweg
vor völliger Entrechtung sehen,
als sich selbst zu verbrennen –
dazu legte medica mondiale die
erste umfassende Studie vor.
Wir berichten jedoch mit
Beispielen unserer Arbeit auch,
wie mit langem Atem Veränderung möglich ist. Lesen Sie
bitte, wie wir neue Schritte im
Kampf gegen Kinderverheiratung gegangen sind, scheinbar
Unmögliches wie die Realisie-
2
Auch im Kosovo wissen serbische und kosovo-albanische Frauen, dass gerade nach den
Kriegsschrecken ein offenes Miteinander
notwendig ist und wie sich dieses gemeinsam gestalten lässt. Anstatt diese Kooperation als beispielgebend anzuerkennen und
für die zähen Friedensverhandlungen zu
nutzen – die bisher ohne Beteiligung der
Frauen stattfinden – bezieht sich der UNSondergesandte Athisaari lieber auf die
regionalen männlichen Sitten, die Frauen
eben nicht vorsähen.
Auch im Nachkriegs-Deutschland sind alte
betroffene Frauen inzwischen mehr als bereit – in geschützten Räumen – zu sprechen.
Aber auch hier wird dieser Prozess immer
wieder gebremst und Chancen vergehen
ungenutzt. Anders als der TV-Zweiteiler
»Die Flucht«, der die Vergewaltigungen
der Frauen durch Siegermächte wie Wehrmacht-Soldaten offen thematisierte, blieb
das Leid der Frauen bei der Ausstellung
»Flucht, Vertreibung und Integration« bis
zum Schluss vernachlässigt. Gegen diese
Ignoranz hat medica mondiale seit Anfang
2006 laut protestiert und nach zähem Ringen zumindest erreicht, dass die Ausstellungsmacher eine kleine Vitrine mit Tagebüchern aufstellten und am dritten Ausstellungsort ein Begleitprogramm zum Thema
lief. Auf eine wirklich angemessene Darstellung und öffentliche Debatte müssen die
Frauen wohl noch weiter warten. Dies werden nicht mehr viele von ihnen erleben!
Damit Ärztinnen, psychosoziale Beraterinnen oder Juristinnen sensibler in ihrer Arbeit mit traumatisierten Frauen vorgehen,
haben wir standardisierte FortbildungsModule entwickelt, damit einheimische
Fachfrauen und MitarbeiterInnen internationaler Hilfsorganisationen noch systematischer geschult werden beziehungsweise
selber schulen können. Während die Kolleginnen in Afghanistan sich nach fünfjähriger
Aufbauarbeit im Sinne der Hilfe zur Selbsthilfe für die zukünftige Unabhängigkeit vom
Kölner »Mutterschiff« entschieden haben,
bauen die Frauen im bitterarmen Südosten
Liberias gerade ihr Frauenprojekt auf. Nach
jahrelangem Krieg und endloser Angst können sie endlich zur Ruhe kommen, etwas
lernen und beginnen, über die Schrecken
zu sprechen. So wie es die Frauen im Kosovo
voller Schmerzen gelernt haben. »Zuerst habt
ihr meiner Mama die Seele geheilt, jetzt können wir mit eurer Kuh alleine überleben!«,
sagt der kleine Sohn einer Klientin unseres
Landwirtschafts-Projektes in Gjakova.
All diese schwierige und erfolgreiche Arbeit
könnten wir nicht ohne Ihre Unterstützung
realisieren. Dafür danke ich Ihnen sehr herzlich. Seien Sie bitte weiterhin mit uns gemeinsam hartnäckig, engagieren Sie sich im wachsenden Netzwerk von regionalen Aktionsgruppen, informieren Sie KollegInnen und
FreundInnen, unterstützen Sie uns finanziell.
Einen herzlichen Gruß, Ihre
Impressum
Herausgeberin:
medica mondiale e.V. . Hülchrather Straße 4 . 50670 Köln
Tel.: 02 21/93 18 98-0 . Fax: 02 21/93 18 98-1
[email protected] . www.medicamondiale.org
Spendenkonto:
medica mondiale e.V . Sparkasse KölnBonn
BLZ 370 501 98 . Konto-Nr. 45 000 163
Titelbild:
Offiziell herrscht »Frieden« in der Demokratischen
Republik Kongo – Frauen und Mädchen merken davon
wenig: Im Ostkongo werden nach wie vor jeden Monat
Hunderte von Frauen vergewaltigt und verstümmelt. Mit
den Folgen haben sie noch Jahre danach zu kämpfen.
medica mondiale hilft durch die kongolesische Frauenorganisation PAIF und mit Unterstützung des Weltgebetstags der Frauen.
Vorstand:
Eva Bruchhaus, Dr. Monika Hauser, Elisabeth Haines
Redaktion und V.i.S.d.P.: Dr. Monika Hauser
Redaktionelle Mitarbeit an diesem Heft:
Martina Grantz, Chantal Louis, Valerie Jacob
Fotos: medica mondiale, dpa (S. 14), ARD Degeto/Conny
Klein (S.4), Ursula Meissner (Titel, S. 3, 5, 9, Rückseite),
Hildegard Scheu/medica international (S. 8), Susanne
Alck (S. 8), Viktor Vahlefeld (S. 17)
Layout: bleydesign, Köln . Druck: Köllen Druck, Bonn
medica mondiale spezial
Lobby- und Menschenrechtsarbeit
Immer mehr afghanische Mädchen und Frauen wählen die Selbstverbrennung als letzten Protest gegen ihr entrechtetes Leben.
Im Fokus: Der Kampf gegen
Selbstverbrennungen
J
edes Jahr töten sich in Afghanistan mehrere hundert Frauen und Mädchen, indem sie sich
selbst anzünden. Die Dunkelziffer liegt weitaus höher. medica mondiale machte dieses
Thema zum Forschungs- und Lobbyschwerpunkt des Jahres 2006: Wir legten die erste systematische Untersuchung über Ausmaß und Ursachen der Selbstverbrennungen vor. Im November
lud mm zu einer internationalen Fachkonferenz nach Kabul und konnte so weltweit Aufmerksamkeit für die verzweifelte Lage der afghanischen Frauen und den letzten Ausweg wecken, den
immer mehr von ihnen wählen.
Wie verzweifelt muss eine Frau sein, wenn
Taten zeichnet: Zwangsheiraten und die
sie sich mit Öl oder Petroleum übergießt und
Angst davor, fehlender Zugang zu Bildung,
selbst anzündet? Immer
Gesundheit und Arbeit,
»Ich flehte meinen Vater an, mich nicht
mehr afghanische Frauen
häusliche und sexuawegzugeben. Der Mann, den ich heiraten
und Mädchen ziehen
lisierte Gewalt durch
sollte, war 55 Jahre älter als ich. Mein
den qualvollen Feuertod
Ehemänner und deren
Vater erhörte meine Bitten nicht. Ich floh
ihrem Leben vor, das tagFamilien, traditioneller
panisch und übergoss mich im Hof mit
täglich von Gewalt geTausch von Mädchen
einem Kanister Petroleum.«
prägt ist. Um mehr über
zur Beilegung eines KonUrsachen und Ausmaß von Selbstverbrenflikts zwischen zwei Familien und auch Entnungen afghanischer Frauen zu erfahren,
führungen durch Warlords – all dies nennen
führte medica mondiale eine dreimonatige
die Befragten als Gründe dafür, dass immer
Untersuchung in Kabul, Wardak und Herat
mehr Frauen und Mädchen zwischen 10 und
durch. Insgesamt 900
40 Jahren ihrem Leben
»Drei Monate nach der Hochzeit begann
Menschen wurden beunter diesen Bedingunmein Mann mich zu schlagen, täglich,
fragt, darunter rund
gen ein Ende setzen, inauch als ich schwanger war. Irgendwann
100 überlebende Frauen,
dem sie sich mit Brennhielt ich die Schmerzen nicht mehr aus.
deren Familien, medizistoffen übergießen und
In der Küche übergoss ich mich mit Öl
nisches Fachpersonal
in Brand setzen. 80 Pround entzündete ein Streichholz.«
an Krankenhäusern und
zent der Brandopfer sterPolizeibeamte.
ben an den Folgen ihrer Verbrennungen, die
Überlebenden bleiben entstellt und stigmaIm November 2006 legte medica mondiale
tisiert. Ein weiteres Ergebnis der Untersueine systematische Dokumentation vor, die
chung: In einigen Fällen handelte es sich um
erstmals ein klares Bild der verzweifelten
einen Brandanschlag auf die
Frau, den die Mörder später als
»Selbstmord« getarnt hatten.
Um die Untersuchungsergebnisse Öffentlichkeit und Politik
vorzustellen, veranstaltete
medica mondiale im November 2006 eine groß angelegte
dreitägige internationale Fachkonferenz mit ReferentInnen
aus Indien, Sri Lanka, Bangladesh, Iran, Irak, Usbekistan und
Tadschikistan. Dort diskutierten 200 TeilnehmerInnen aus
Politik, Medien und Zivilgesellschaft das Thema Selbstverbrennungen und erarbeiteten
Empfehlungen für eine wirkungsvolle Strategie zum
Schutz gefährdeter Frauen. Auf
Grundlage dieser Empfehlungen wird medica mondiale in
den kommenden Monaten das
afghanische Gesundheits- und
das Frauenministerium beraten. Gemeinsam sollen effektive Maßnahmen zu deren Umsetzung entwickelt werden. ■
Die Untersuchung über
Selbstverbrennungen wurde
finanziert von UNFPA. Bericht
und Konferenz wurden durch
finanzielle Zuwendungen der
Dänischen Botschaft ermöglicht.
Das Schweigen und das Tabu brechen
– die Konferenz zeigt erste Wege auf.
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Foto: © ARD Degeto/Conny Klein
medica mondiale spezial
»Das Leid der Frauen wird nicht thematisiert.«
Maria Furtwängler in dem ARD-Zweiteiler »Die Flucht«
»Flucht und
Vertreibung«
N
ach den Protesten von medica mondiale wurde die Ausstellung »Flucht,
Vertreibung und Integration« um Dokumente über Vergewaltigungen
erweitert. Am dritten Ausstellungsort Leipzig lief schließlich ein von mm
initiiertes Begleitprogramm zum Thema.
Die Frau im Publikum stand auf und erzählte
den rund 100 ZuhörerInnen, wie sie als achtjähriges Mädchen von russischen Soldaten
vergewaltigt wurde. Eine Anerkennung – und
damit eine Rente – als Kriegsopfer wurde ihr
verweigert. Begründung: Sie konnte die zwei
erforderlichen Zeugen für das Verbrechen
nicht beibringen. »Das ewige Tabu – sexualisierte Gewalt als Kriegserfahrung von Frauen
damals und heute« lautete das Thema der
Podiumsdiskussion, die auf Initiative von
medica mondiale als ein Teil des Begleitprogramms zur Ausstellung »Flucht und Vertreibung« in Leipzig veranstaltet wurde. Auf dem
Podium: Dr. Monika Hauser, der Historiker
Erik Franzen und Rainer Kaps, der das Tagebuch seiner Mutter, in dem sie auch über ihre
Vergewaltigung nach Kriegsende geschrieben
hatte, der Ausstellung zur Verfügung gestellt
hatte. Allerdings war dies – sowie die Aufstellung einer Vitrine mit weiteren Dokumenten
– erst auf Protest von medica mondiale hin
geschehen. Dem Protest hatten sich Prominente wie Margarethe Mitscherlich und
Horst Eberhard Richter angeschlossen. Auch
Maria Furtwängler, die die Hauptrolle in dem
TV-Zweiteiler »Die Flucht« gespielt hatte,
kritisierte die Ausstellung heftig: »Bei allem
dokumentarischen Eifer werden das Elend,
die Gewalt und die Vergewaltigungen, die
gerade die Frauen während ihrer Flucht und
Vertreibung ertragen mussten, nicht thematisiert.« ■
Zwischen Brüssel und Kabul
Z
um Internationalen Frauentag organisierte medica mondiale in Zusammenarbeit mit dem
afghanischen Frauenministerium eine Videokonferenz. Thema war die noch immer schleppende Umsetzung der UN-Resolution 1325 in Afghanistan.
EU-Parlamentarierin Lissy Gröner verspricht Afghaninnen Unterstützung.
4
Am 8. März um 11 Uhr mitteleuropäischer Zeit
saßen in Brüssel, Kabul und anderen afghanischen Städten insgesamt 31 Frauen gespannt
vor ihren Bildschirmen: Dank der finanziellen
Unterstützung der Europäischen Kommission
konnten sie sich zwei Stunden lang über die
praktische Umsetzung der UN-Resolution in
ihrem Land austauschen. Die Resolution verlangt, dass Frauen aktiv an Friedensverhandlungen beteiligt werden, und fordert besonderen Schutz vor sexualisierter Gewalt für
Frauen und Mädchen in Krisengebieten. Die
Diskutantinnen: Lissy Gröner, SPD-Europaabgeordnete und Mitglied im Ausschuss für
die Rechte der Frau, die afghanische Frauenministerin Dr. Massouda Jallal, weitere Mitarbeiterinnen des Frauenministeriums und
acht Parlamentarierinnen. Außerdem waren
Mitarbeiterinnen des medica mondiale-Büros
in Kabul sowie Vertreterinnen lokaler und
internationaler NGOs und der Medien zugeschaltet. Die Parlamentarierinnen betonten,
medica mondiale spezial
Kampagne
gegen
Kinderheirat
E
inen Tag vor dem 8. März war es soweit:
Fünf Millionen Heirats-Zertifikate waren
erstellt, 1.500 Poster gedruckt und die
ersten 35 Richter geschult. Mit einer Kampagne zur Ehe-Registrierung hat medica mondiale
Afghanistan einen großen Schritt im Kampf
gegen die Kinderheirat in Afghanistan getan.
Es war eine feierliche Zeremonie, als die
Richter, die sechs Tage lang zum Thema EheRegistrierung geschult worden waren, am
Vortag des Internationalen Frauentages in
Kabul ihre Zertifikate überreicht bekamen.
Außerdem präsentierten Mitarbeiterinnen
von medica mondiale Afghanistan das Poster
und die Radiospots, mit denen die Menschen
über die Möglichkeit der Ehe-Registrierung
bei den örtlichen Gerichten informiert werden sollen. An diesem Tag mit dabei:
VertreterInnen des Obersten Gerichtshofs
und des Frauenministeriums – diese konnte
medica mondiale als wichtige UnterstützerInnen der Kampagne zur Ehe-Registrierung gewinnen. 97 Prozent der Frauen und
die afghanischen Frauen bräuchten mehr
Unterstützung, um sich vor familiärer
Gewalt wirksam schützen und um unabhängiger werden zu können. Wichtig seien
daher unter anderem Mikrokredite und ein
besserer Zugang zu Bildung für die Frauen.
Gröner sicherte die Unterstützung der
afghanischen Frauen durch das
Europäische Parlament zu und schlug
ihnen vor, konkrete Wünsche an die EU
über medica mondiale zu vermitteln.
Außerdem lud sie eine Delegation afghanischer Frauen zu einem Besuch des EUParlaments in Brüssel ein. ■
Kinder müssen Kinder bekommen – über die Hälfte der afghanischen Mädchen wird gegen ihren
Willen verheiratet.
64 Prozent der Männer, so ergab eine Befragung, sind dafür, dass Eheschließungen offiziell registriert werden. Denn: Diese Registrierung hilft, Zwangsehen und Kinderheiraten
zu verhindern. Sie sind in Afghanistan weiterhin an der Tagesordnung. 60 bis 80 Prozent der Mädchen und Frauen werden nach
Schätzungen der Afghanischen Unabhängigen Kommission für Menschenrechte immer
noch gegen ihren Willen verheiratet – oft
bereits im Kindesalter. Deshalb hatte medica
mondiale den Kampf gegen
diese Menschenrechtsverletzung zu einem Lobby-Schwerpunkt gemacht. So hatte eine
Unterschriftenaktion 6000
Unterschriften gegen Kinderheirat zusammengebracht, die
am 26. Januar 2006 an Präsident Hamid Karsai übergeben
wurden. ■
Invalidinnenstatus
für bosnische Frauen
N
ach einer jahrelangen Kampagne haben es die bosnischen Frauen 2006
endlich geschafft: Auch vergewaltigte Frauen werden als Kriegsopfer anerkannt. Dieser Akt der Entschädigung und gesellschaftlichen Anerkennung
von Überlebenden sexualisierter Kriegsgewalt ist weltweit einzigartig.
Seit einigen Jahren kämpfen bosnische
Frauenorganisationen für einen Invalidinnenstatus für bosnische Frauen, die im Krieg vergewaltigt wurden. Letztes Jahr war schließlich
das entscheidende Jahr. Acht Frauenorganisationen, angeführt von Medica Zenica, taten
sich zusammen, um öffentlich von PolitikerInnen ihres Landes einen Status für weibliche Kriegsopfer einzufordern.
Viele der überlebenden Frauen
sind aufgrund ihrer körperlichen und seelischen Verletzungen nicht imstande, sich
und ihre Familien zu versorgen.
Auf Druck der Kampagne, die
durch den Goldenen Bären für
Jasmila Zbanics Film »Esmas
Geheimnis« und über 150.000
5
medica mondiale spezial
Mit ihrem preisgekrönten Film brachte Jasmila Zbanic das Leid der bosnischen Frauen wieder an
die Öffentlichkeit.
Kosovarinnen und
Serbinnen gemeinsam
A
uf der Konferenz »Frauen, Frieden und Sicherheit« in Mazedonien
sprachen sich kosovarische und serbische Frauen der »Women’s Peace
Coalition« für einen unabhängigen Kosovo aus und beklagten das Fehlen
von Frauen bei den Wiener Verhandlungen über den Status des Kosovo. Die
Serbinnen entschuldigten sich bei den Kosovarinnen für die Kriegsverbrechen.
Es war ein ergreifender Moment, als die serbischen Teilnehmerinnen der Konferenz
sich bei den Kosovarinnen entschuldigten für die Gräuel, die
das serbische Regime an ihnen
und ihren Angehörigen im
Krieg begangen hatte. Diese
Erklärung rührte die Frauen
beider Seiten zu Tränen und
machte deutlich, dass ein
friedliches Miteinander und
seelische Heilung möglich
sind, selbst nach einer traumatischen Kriegsvergangenheit
6
mit Folter und Vergewaltigung. In der
»Women’s Peace Coalition« arbeiten serbische und kosovarische Frauen der Organisationen medica Kosova, Kosova Women´s
Network und Women in Black seit Frühsommer 2006 zusammen, um die Interessen der
Frauen bei den Verhandlungen über den
Status des Kosovo zu vertreten und sich für
den Frieden zu engagieren. So einigte sich die
»Women’s Peace Coalition« darauf, dass ein
unabhängiger Staat Kosovo die beste Lösung
für nachhaltigen Frieden und Sicherheit sei.
Alle anwesenden Frauen, darunter auch
medica Kosova-Leiterin Veprore Shehu, brachten zum Ausdruck, dass sie einen eigenstän-
Unterschriften von bosnischen KinogängerInnen enorme Unterstützung erfuhr (siehe auch
Seite 16), wurde nun letztes Jahr beschlossen,
dass auch Vergewaltigungsopfer unter das
Entschädigungsgesetz fallen und damit Anspruch auf eine Zahlung aus dem entsprechenden Haushaltstitel haben. Die explizite
Unterstützung durch den Hohen Repräsentanten und langjährigen mm-Unterstützer Christian Schwarz-Schilling war zusätzlich sehr
hilfreich. 100 Euro monatlich soll jede betroffene Frau bekommen. Ebenso wichtig wie die
praktische Unterstützung ist jedoch der symbolische Wert dieser Rente: Endlich werden
die Leiden der vergewaltigten Frauen offiziell
anerkannt. Bislang ist dieses Beispiel von
Entschädigung und gesellschaftlicher Anerkennung von Überlebenden sexualisierter
Kriegsgewalt einzigartig auf der Welt. Das
bosnische Beispiel kann nun von anderen
Frauenorganisationen in Krisenregionen als
Modell genutzt werden, um Druck auf ihre
Regierungen auszuüben, die Bedürfnisse und
Rechte vergewaltigter Frauen ernst zu nehmen, anstatt sie totzuschweigen. ■
digen Staat befürworten, in dem sich
sowohl Kosovarinnen als auch Serbinnen
mit ihren Familien sicher und zu Hause
fühlen können. Daher war es ein Ziel der
Konferenz, die Teilnahme von Frauen an
den Friedensverhandlungen zu erreichen.
Bisher war der Kosovo mit sieben Männern
vertreten, auf serbischer Seite gab es lediglich eine weibliche Vertreterin. Der UNSondergesandte Martti Ahtisaari hatte dies
auf Anfrage kosovarischer Frauenorganisationen damit erklärt, dass es »nicht den
kulturellen Gepflogenheiten des Kosovo
entspricht, Frauen zu beteiligen«. Außerdem seien die UN »nicht in der Verantwortung, KandidatInnen zu stellen«. Dafür
sei »die kosovo-albanische Führung zuständig«. »Die UN hat die Macht, Druck auszuüben, damit Frauen an den Verhandlungstisch kommen«, entgegnet medica KosovaChefin Shehu. »Aber selbst auf UN-Seite
nimmt nur eine Frau an den Verhandlungen teil.« medica Kosova drängt weiterhin
darauf, dass die UN, die durch ihre Resolution 1325 zur Einbeziehung von Frauen
verpflichtet sind, diese auch einhalten.
medica mondiale spezial
Rahmen internationaler
Studiengänge durch. Aus der
Erfahrung dieser Veranstaltungen haben wir nun ein- bis
dreitägige Fortbildungsmodule
in englischer und deutscher
Sprache entwickelt, die in 2007
u.a. von den Trainerinnen des
medica mondiale-Fachfrauenpools weiterverbreitet werden.
Denn Fachkräfte, die in Krisenoder Nachkriegsregionen tätig
sind, können – sofern sie geschult sind – maßgeblich dazu
beitragen, Frauen und Mädchen vor erneuter Gewalt und
Retraumatisierungen zu schützen. ■
Trauma-Arbeit
Training zur Trauma-Beratung durch mmA-Mitarbeiterin im Juli 2006 in Kabul
Trauma-Beratungen nach
dem Schneeballsystem
Die Trainingsprogramme in
Afghanistan wurden neben
privaten Spenden maßgeblich
gefördert vom Auswärtigen
Amt (Zivik) und dem Bundesministerium für wirtschaftliche
Zusammenarbeit und Entwicklung. Die Entwicklung des
Fortbildungsmoduls wurde
durch private Spenden und
durch Zuwendungen des Sigrid
Rausing Trusts ermöglicht.
I
mmer mehr kriegstraumatisierte Frauen sollen psychosoziale Beratungen durch geschulte
Fachfrauen bekommen. Deshalb war die Einführung standardisierter Fortbildungsmodule und
-materialien in 2006 ein Schwerpunkt von medica mondiale. So brachten wir in Kabul das
Basismodul »Psychosoziale Beratung« samt Trainingshandbuch auf Englisch und Dari heraus.
Bis Ende 2006 hat medica mondiale Afghanistan (mmA) insgesamt 53 Mitarbeiterinnen aus Frauenschutzhäusern und NGOs in
traumasensibler »psychosozialer Beratung«
geschult. Darunter auch vier Beraterinnen
von »Care international« – sie leiten nun in
verschiedenen Distrikten Kabuls Gruppen
für gewaltbetroffene Frauen an. Die Gruppen
werden von mmA weiter begleitet: Bei anfangs wöchentlichen, jetzt monatlichen Treffen tauschen sich die vier Beraterinnen mit
der mmA-Koordinatorin des psychosozialen
Departements aus, die ihnen mit fachlicher
Unterstützung zur Seite steht.
Damit die Fortbildungsmodule kontinuierlich
und längerfristig vor Ort angeboten werden
können, werden 2007 afghanische Mitarbeiterinnen von mmA eine »Training of
Trainers«-Ausbildung durchlaufen. So können zukünftig durch die Verbreitung von
Beratungs- und Traumafortbildungen sehr
viel mehr Frauen direkte Unterstützung bei
der Bewältigung ihrer Probleme bekommen.
Die Schulungen von medica mondiale sind
weiterhin international gefragt. Sieben Fortbildungen und Seminare zu den Themen
»Sexualisierte Gewalt gegen Frauen im
Krieg« und »Traumatisierung als Folge von
Menschenrechtsverletzungen« führte mm
für Organisationen wie Caritas Schweiz oder
die Arbeitsgemeinschaft für Entwicklungshilfe (AGEH) und auch an Universitäten im
Trainingsmanual
zur Traumaberatung,
entwickelt von
Dr. Sybille Manneschmidt,
Koordinatorin des
Psychosozialen
Departments in Kabul,
2005-2006
7
medica mondiale spezial
Sierra Leone
Projekteförderungen
U
nzählige kleine Frauenorganisationen in Kriegs- und Krisengebieten
kämpfen alljährlich um ihre finanzielle Existenz. Dabei ist ihr unermüdlicher Einsatz gegen sexualisierte Gewalt und für die Rechte von Frauen
und Mädchen unverzichtbar. Mit kleineren Fördersummen haben wir auch im Jahr
2006 wieder verschiedene Frauenprojekte unterstützt, zum Beispiel in Kambodscha, Sierra Leone und der Demokratischen Republik Kongo.
Foto: © Susanne Alck
Kambodscha
Foto: © Hildegard Scheu/medica international
Weltweit im Einsatz für
Frauen und Mädchen
»Für viele unserer Patientinnen
hat hier ein neues Leben begonnen.«
sich dort in den letzten Jahren immer weiter
aus.
2006 förderte medica mondiale die Frauenorganisation Strey Khmer beim Aufbau von
Schutzhäusern in der Provinz um Poipet.
In diesen Schutzhäusern finden Frauen,
die von ihren Männern geprügelt oder von
Frauenhändlern zur Prostitution gezwungen werden, eine sichere Zuflucht. Die Leiterinnen der Frauenhäuser werden regelmäßig von Strey Khmer geschult. So können
sie medizinische und psychosoziale Erstversorgung leisten und wissen um die gesetzlichen Rechte von Frauen. Dieses Wissen
geben sie an viele andere weiter: Sie leisten Aufklärungsarbeit auf Marktplätzen
und in den Gemeinden, denn die Frauen
nehmen die tagtägliche Gewalt gegen ihr
Geschlecht als Normalzustand hin, weil sie
ihre Rechte nicht kennen.
Ein sicherer Ort für Frauen –
eines der sieben Schutzhäuser
in Poipet
Frauenhäuser im Grenzgebiet
N
irgendwo in Kambodscha herrscht so viel Elend, so viel Gewalt gegen
Frauen wie in Poipet an der Grenze zu Thailand. Häusliche Gewalt ist an
der Tagesordnung. Und auch Zwangsprostitution und Frauenhandel breiten
8
Das soll sich mit der beständigen Arbeit von
Strey Khmer ändern. Anfang 2006 haben die
Mitarbeiterinnen das erste Frauenhaus eingerichtet, inzwischen sind es sieben.
Die Leiterinnen der Frauenhäuser sind entschlossen, die Unterstützung für Frauen noch
weiter auszubauen. Der nächste Schritt soll
die Anschaffung von Nähmaschinen sein,
damit die Frauen ein Handwerk erlernen und
sich ein eigenes Einkommen erwirtschaften
können.
medica mondiale spezial
Medizinische Versorgung nach dem Bürgerkrieg
E
twa 230.000 Frauen und Mädchen wurden
während des Bürgerkriegs in Sierra Leone
vergewaltigt. Viele von ihnen wurden von Rebellen verschleppt und mussten ihnen über Jahre
hinweg sexuell zu Diensten sein. Diejenigen, die
den Krieg und die Vergewaltigungen überlebten,
brauchen dringend medizinische Versorgung.
Sonst bleiben die schwersten inneren Verletzungen, Verstümmelungen und Infektionen der
Geschlechtsorgane, die sie davongetragen haben,
unbehandelt. So haben viele Frauen nach Vergewaltigungen sogenannte »vesiko/recto-vaginale
Fisteln«, eine Öffnung zwischen Blase oder
Darm und Scheide. Sie verlieren ihre Ausscheidungen, riechen sehr stark und werden
daher wie Aussätzige behandelt und von
ihren Familie und Gemeinde verstoßen. Um
diese Frauen kümmert sich die Frauenorganisation Graceland Counselling Service mit Sitz
in Freetown. medica mondiale unterstützte
2006 das medizinisch-gynäkologische Programm des Graceland Counselling Service.
Rund 45 Frauen und Mädchen erhielten
gynäkologisch-medizinische Versorgung
und psychosoziale Beratungen. Im LumleyZentrum von Graceland können Frauen und
Mädchen außerdem an
Alphabetisierungs- und
Ausbildungskursen teilnehmen. Das Zentrum ist
sowohl Gesundheitsstation
als auch sozialer Treffpunkt.
Bondu Manyeh, die Leiterin
von Graceland , zieht nach
einem Jahr Bilanz und stellt
fest: »Für viele unserer
Patientinnen hat hier ein
neues Leben begonnen.«
PAIF versorgte rund 120 vergewaltigte Frauen
medizinisch und überwies sie, wenn nötig,
an das Krankenhaus in Katana. Über 130
Frauen erhielten einen Kleinstkredit, mit dem
sie ein eigenes Geschäft aufbauen können.
Danke dafür an den Weltgebetstag der Frauen! Außerdem konnte PAIF für über 130 Mäd-
chen aus Goma und Kalahe
die Schulgebühren bezahlen
und ermöglichte 30 Mädchen die Teilnahme an einem
Alphabetisierungskurs in
Goma.
Demokratische Republik Kongo
Kleinkredite
in Kalehe
T
rotz des Friedensabkommens von 2003
und den ersten demokratischen Wahlen
2006 kommt der Kongo nicht zur Ruhe. Insbesondere in den Ostprovinzen des Landes
flammten in jüngster Zeit wieder Kämpfe auf
und tausende Menschen sind auf der Flucht.
Vor allem für Frauen und Mädchen hat sich die
Situation abermals massiv verschärft, und die
meisten Menschen im Osten des Kongo wissen
von unzähligen Vergewaltigungen und Entführungen zu berichten, sowohl durch Rebellen als auch durch die kongolesische Armee.
In den ostkongolesischen Städten Goma und
Kalehe setzt sich die Frauenrechtsorganisation
PAIF (Promotion et Appui aux Initiatives Féminines) seit über 10 Jahren für Frauen ein, die
sexualisierte Kriegsgewalt überlebt haben.
PAIF ermöglicht diesen Frauen medizinische
und psychosoziale Betreuung, organisiert
sie in Selbsthilfegruppen und vergibt Kleinstkredite zur Überlebenssicherung. medica
mondiale kooperiert mit PAIF seit 2004 und
vermittelt Fördergelder.
In 2006 konnten wir die finanzielle Unterstützung des Weltgebetstags der Frauen mobilisieren und so folgende Projekte realisieren:
9
medica mondiale spezial
medica mondiale Afghanistan
Landesweites
Treffen von afghanischen Frauenrechtlerinnen
Unter der Schirmherrschaft des afghanischen
Frauenministeriums und des Gouverneurs der
nördlichen Provinz Balkh veranstalte medica
mondiale gemeinsam mit dem UNHCR ein
dreitägiges Treffen zum Thema »Schutz für
Frauen« mit 150 Frauen aus 14 Provinzen –
revolutionär für dieses Land!
Die umfassende Hilfe in den Frauenhäusern bedeutet Hoffnung und Zukunft für Frauen
in Afghanistan.
Frauenschutzhaus
in Herat gegründet
medica mondiale unterstützte drei Jahre lang
die Gründung eines Frauenschutzhauses in
Herat. 2006 wurde das Projekt erfolgreich
abgeschlossen.
In ganz Afghanistan gibt es bislang nur vier
Frauenschutzhäuser. In Herat bildete medica
mondiale die elf Sozialarbeiterinnen beziehungsweise Beraterinnen des neu gegründeten Schutzhauses fort und unterstützte
Verwaltung und Organisation des Hauses.
Das Ergebnis ist ein gut funktionierendes
und meist vollständig ausgelastetes Haus.
Bis zu 18 Frauen und Mädchen suchen hier
Zuflucht vor ihren gewalttätigen Ehemännern und anderen Familienangehörigen –
einige für wenige Tage, andere für mehrere
Wochen oder sogar Monate. Sie bekommen
psychosoziale, medizinische und rechtliche
Hilfe sowie Unterstützung darin, mit ihren
Familien zu sprechen und dauerhaft einen
Weg aus der Gewalt zu finden.
10
Ziel der Konferenz war es, Frauen die Möglichkeit zu geben, sich über verschiedene
Themen auszutauschen, eine Bestandsaufnahme bereits erreichter Errungenschaften
zu machen und zukünftige Aktivitäten zu
planen. So diskutierte eine Gruppe die Auswirkungen der sich verschlechternden Sicherheitslage auf die Lebenssituation von Frauen;
eine andere trug bereits vorhandene Schutzprojekte für Frauen und Mädchen in verschiedenen Landesteilen zusammen. Weitere
Themen waren Rechtshilfe sowie wirtschaftliche Möglichkeiten von Frauen. Dieser Austausch war für viele der Teilnehmerinnen
eine völlig neue Erfahrung. Denn die Möglichkeit, solidarisch an gemeinsamen Zielen
zu arbeiten, fehlt den meisten Frauen in den
ländlichen Gebieten.
Ergebnisse der Arbeitsgruppen bestätigten,
dass es noch immer viele Orte gibt, in denen
keinerlei Schutz für Frauen und Mädchen
existiert gegen alltägliche physische und
strukturelle Gewalt und Unterdrückung.
Die Teilnehmerinnen forderten mehr Unterstützung – von psychosozialer, rechtlicher
und wirtschaftlicher Hilfe bis hin zu Förderung von Frauenrechten auf politischer und
gesellschaftlicher Ebene.
medica mondiale spezial
Schulung
in Frauenrechten
für die afghanische
Polizei
Für eine afghanische Frau, die von häuslicher
Gewalt betroffen ist, ist der Gang zur nächsten Polizeistation oft gefährlicher, als zu Hause in der gewalttätigen Situation zu bleiben.
Denn noch gibt es bei den meisten Polizisten
weder das Bewusstsein, dass auch Frauen
Rechte haben, noch wissen sie, dass sogenannte »moralische Verbrechen« (wie Flucht aus
der Zwangsehe) nach der neuen afghanischen Verfassung keine Delikte mehr sind.
Gewalt gegen Frauen dagegen wird von der
Polizei nicht als Verbrechen verfolgt. Nicht
selten wird Frauen, die bei der Polizei Schutz
suchen, zusätzlich Gewalt angetan.
Um das zu ändern, führte medica mondiale
im Sommer 2006 in 30 Polizeirevieren in
Kabul und Herat Schulungen durch. medica
mondiale-Anwältinnen klärten insgesamt
700 Polizisten über Frauen-/Menschenrechte
und Gewalt gegen Frauen auf. Sie stellten die
Arbeit von medica mondiale vor und erläuterten die Funktion von Strafverteidigerinnen,
ein Konzept, das in Afghanistan noch weithin
unbekannt ist. Erste sichtbare Auswirkungen
sind, dass Polizisten nun vermehrt Fälle von
häuslicher Gewalt an das Rechtshilfe-Team
von mmA überweisen, die dann von unseren
Anwältinnen weiter betreut werden.
Erste Schritte in die
Selbstständigkeit
medica mondiale hat in den letzten Jahren
bereits Projekte auf dem Balkan in die Unabhängigkeit begleitet – nun bereitet sich auch
medica mondiale Afghanistan darauf vor, auf
eigenen Füßen zu stehen.
28 afghanische Mitarbeiterinnen werfen
Wahlzettel in einen Karton – und stimmen
damit über ihre Zukunft ab. Das Ergebnis
dieses Votums während des mehrtägigen
Planungstreffens im April 2006 ist eindeutig:
Alle Frauen wollen es wagen, medica mondiale Afghanistan in einem mehrjährigen
Prozess in eine eigenständige afghanische
Organisation umzuwandeln und damit auf
Dauer in eigener Regie zu übernehmen. Um
zukünftige Organisationsform, Ziele und
Charta zu diskutieren, gründeten sie mehrere
Arbeitsgruppen. Hier besprechen sie auch,
welche Unterstützung in Form von Weiterbildung, finanziellen und personellen Ressourcen sie von medica mondiale benötigen
werden, bis sie vollständig unabhängig
sein können. Der Prozess wird in diesem
Jahr fortgesetzt und die afghanischen Mitarbeiterinnen entscheiden gemeinsam mit
den internationalen Projektleiterinnen und
medica mondiale in Köln, welche Schritte
als nächstes nötig und sinnvoll sind.
Ein Votum für die Unabhängigkeit
Dänischen Botschaft, dem
UNHCR und dem Auswärtigen
Amt/Projekt Zivik finanziert.
Weitere Finanzhilfen kamen
vom Weltgebetstag der Frauen
und von UNFPA.
medica mondiale Afghanistan wurde 2006
vom Bundesministerium für Wirtschaftliche
Zusammenarbeit und Entwicklung, der
Europäischen Kommission, InWent, der
medica mondiale Afghanistan in Zahlen
■
■
■
■
219 Frauen wurden in 343 Gruppen- und
477 Einzelsitzungen psychosozial beraten
45 Fachfrauen, die im psychosozialen
Bereich mit Frauen und Kindern in Kabul
und Herat arbeiten, wurden in traumaund gendersensitiver Beratung weitergebildet.
Das psychosoziale Team produzierte
10 Radio-Sendungen über Themen wie
»Trauma«, »Trauer«, »Depression«,
die in 18 Provinzen Afghanistans ausgestrahlt wurden.
34 Fachfrauen aus dem medizinischen
Bereich wurden in trauma- und gender-
■
■
■
sensitiver Behandlung von Patientinnen
weitergebildet.
2.600 Patientinnen wurden von 6 exilafghanischen Ärztinnen traumasensitiv
behandelt; diese Ärztinnen leiteten 46
Kolleginnen in diesem Ansatz an.
In 6 Krankenhäusern wurden vor 93
ZuhörerInnen 9 Vorträge über Gewalt
gegen Frauen gehalten.
327 Frauen wurden von 12 Anwältinnen in
Kabul, Herat, Kandahar und Mazar rechtlich beraten und in 79 Familien wurden
Vermittlungsgespräche zur Gewaltprävention oder Reintegration der Frauen geführt.
■
■
■
11
132 Frauen wurden vor
Gericht vertreten.
900 Menschen wurden zum
Thema Selbstverbrennung
befragt.
200 TeilnehmerInnen, darunter viele PolitikerInnen
und PressevertreterInnen,
nahmen an der 3-tägigen
Konferenz über Selbstverbrennung teil.
medica mondiale spezial
medica Kosova
»Unsere Brustkrebsvorsorge schließt eine
riesige Versorgungslücke!«
Seit 2006 kommen Frauen aus
Gjakova und Umgebung zur
Brustkrebsfrüherkennung in
die gynäkologische Praxis von
medica Kosova. medica mondiale hat ein Ultraschallgerät
und eine Fortbildung für Dr.
Minire Zuna finanziert.
Minire Zuna war erschüttert.
Immer mehr Frauen mit Brüsten mit unförmigen Tumorwucherungen kamen in ihre
Praxis – der medica KosovaGynäkologin blieb nichts anderes mehr, als Brustkrebs im
weit fortgeschrittenen Stadium zu diagnostizieren. Hier
musste schnell Unterstützung
her. Die Häufung von Mammakarzinomen ist typisch für
Nachkriegsgebiete, denn das
Immunsystem der Frauen ist
durch die erlittenen Traumata
stark geschwächt. Nach ihrer
Fortbildung in Skopje bietet
Frauenärztin Zuna nun einmal
pro Woche eine UltraschallUntersuchung an. medica Kosova versucht außerdem, endlich Öffentlichkeit für die Frauenkrankheit zu schaffen: »Wir
haben an einem einzigen Tag
fast 3.000 Unterschriften für
eine Petition an das Gesundheitsministerium gesammelt
und 20.000 Flugblätter verteilt.« Denn die Früherkennung
wird sträflich vernachlässigt:
»Sogar die Ärztinnen und Ärzte
wissen oft nicht, wie man eine
Brust untersucht«, sagt Frauenärztin Zuna. »Wir schließen
eine riesige Versorgungslücke!«
Ein Interview mit Dr. Minire
Zuna lesen Sie unter:
www.medicamondiale.org/
bibliothek/infosmm/spezial/
interviewMK2007.html
12
Die Honigproduktion bedeutet für viele Frauen zum ersten Mal ein eigenes Einkommen.
»Am liebsten
trage ich rot!«
Mit einem Landwirtschafts-Projekt finden Witwen zurück ins Leben
S
ie stand hinter einem Baum, die Hände auf Augen und Mund ihres kleinen Neffen
gepresst. Reglos sah sie, wie das Schreckliche geschah. Dann folgte die Flucht über die
2000 Meter hohen Berge nach Albanien, Atemnot, hohes Fieber. Das war 1999, es herrschte Krieg im Kosova. Was Anita Loja1 gesehen hat, hat sie nur wenigen Menschen erzählt –
und immer nur in Fragmenten. Tatsache ist, dass im Dorf Ducaj2, aus dem sie kommt, 127 Männer und Jungen an einem einzigen Tag massakriert wurden. Seitdem hat sie fast nur geschwiegen. Sieben Jahre lang. »Sie ist verrückt, muss in eine Anstalt«, hieß es. Doch ihre Mutter wollte das nicht glauben und holte sich Rat bei medica Kosova. Jetzt fährt Anita für die gesamte
Frauengruppe Traktor und ist eine der Stützen des neuen landwirtschaftlichen Projektes von
medica Kosova, das mehr als 100 Witwen eine neue Lebensperspektive bietet.
Jahrelang kamen die Beraterinnen von
medica Kosova zu der inzwischen 34-jährigen
– sind beharrlich immer wieder in Kontakt
gegangen. »Manchmal«, erzählt Anita, »habe
ich geschrieen und sie weggeschickt. Ich wollte niemanden sehen. Im dunklen Zimmer
bleiben. Bloß kein Licht, keine Farben. Ich war
wie tot, hab nur geatmet.« So geht es vielen.
Denn wenn die traumatisierten Frauen langsam wieder ins Leben finden, begehen sie
einen schweren Rollenbruch: Witwen im
ländlichen Kosova werden oft weggesperrt
hinter dicke Mauern, sollen schwarz tragen,
nicht mehr lachen, nie wieder heiraten, kurz:
kein eigenes Leben mehr führen. »Wenn du
doch mal in die Stadt gehst«, erzählt eine der
medica mondiale spezial
jungen Bäuerinnen, »drehen sich alle nach
dir um und fragen: ›Ist die wieder hinter
einem Mann her?‹ «
medica Kosova hilft, diese frauenfeindlichen
Bräuche langsam aufzubrechen. 2004 initiierten die Mitarbeiterinnen eine kleine Frauengruppe in Ducaj. Anita wollte anfangs
nicht teilnehmen: »Reden, für was soll das
gut sein?« Dann war sie doch mit dabei.
Und erzählt heute: »medica Kosova hat mir
damit die Tür zum Leben wieder aufgestoßen. Ich habe gemerkt: Eine Frau alleine hat
es schwer, aber gemeinsam können wir die
Mauern einreißen, die sie hier um uns bauen.
Wir Witwen sind nicht tot!«
Nach einer mehrjährigen Phase der psychosozialen Beratung, in der die elfköpfige Gruppe
gemeinsam und in Einzelberatung an der
Überwindung ihrer traumatischen Erfahrungen arbeitete, startete sie gemeinsam ein
Landwirtschaftsprojekt. Anita hat als erste
Frau ihres Dorfes den Traktor-Führerschein
gemacht, fährt nun auch für die anderen in
der Gruppe Heu und Kartoffeln ein. In acht
weiteren Dörfern rund um Gjakova produzieren sie Honig, betreiben Milchwirtschaft oder
bewirtschaften mit ihren neuen Traktoren
die Felder. »Sieben Jahre lag alles brach; über-
all Unkraut. Die Felder waren auch tot, so
wie wir. Jetzt ist das Leben zurückgekommen; wenn ich unseren Traktor mit Benzin
fülle, bin ich glücklich! Ich trage heute kein
Schwarz mehr, ich weigere mich! Am liebsten trage ich rot.« Das ist auch die Farbe des
Traktors, der blank poliert in ihrer Scheunenküche steht. In den Dörfern rund um Gjakova
werden dank medica Kosova frauenfeindliche
Traditionen aufgebrochen – und über 100
Frauen bauen sich eine eigenständige Existenz auf.
.»Wir Witwen sind nicht tot« – Die Tür
zum Leben wird für Frauen von mK
wieder aufgestoßen
Das Landwirtschaftsprojekt wird zu 25% von
medica mondiale (hier maßgeblich aus Spenden der Südtiroler Bäuerinnen Organisation
und der Gemeinde Laas), zu 75% vom Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung finanziert. Ein Projekt
zur Trauerbegleitung wird vom Weltgebetstag
der Frauen, ein weiteres für die Frauen aus
Minderheiten-Enklaven von der Stiftung »Pour
et Avec Autres« unterstützt.
Roma-Frauen im Gruppengespräch bei
medica Kosova.
1 Name zum Schutz geändert
2 Name aus Sicherheitsgründen geändert
medica Kosova in Zahlen
Im landwirtschaftlichen Projekt produzierten 82 Witwen aus 8 Dörfern rund um
Gjakove:
■ 59.500 kg Mais
■ 18.340 kg Gemüse
■ 6.750 kg Kastanien
■ 8.400 Quader Heu
■ 7.000 kg Weizen
■ 3.100 kg Bohnen
■ 493 kg Honig
■ 44 Ladungen Holz
und verdienten mit ihren Produkten
durchschnittlich 150-160 Euro/Monat.
■
153 Frauen wurden mit Trauerarbeit
unterstützt; 60 davon wurden bei der
Bestattung von im Krieg getöteten
Familienangehörigen begleitet. Die
Toten wurden aus Massengräbern exhumiert und nach Gjakova zurückgebracht.
■
1.324 Frauen erhielten gynäkologische
Beratung und Behandlung; 390 Frauen
wurden zur weiteren Behandlung an
Krankenhäuser und Kliniken überwiesen.
■
14 psychosoziale und Trauma-Beratungsgruppen wurden gebildet; 262 Sitzungen
fanden statt.
■
122 Frauen erhielten individuelle Beratung
in insgesamt 784 Sitzungen.
■
137 Frauen nahmen an juristischer Beratung in Gruppen teil; 83 Frauen erhielten
individuelle Rechtsberatung in 231 Sitzungen; 10 Frauen wurden vor Gericht vertreten; meist ging es um Erbschafts-, Landund Unterhaltsrecht.
■
Über 140 Frauen aus MinderheitenEnklaven der Roma, Ashkali und Ägypter
wurden psychosozial und gynäkologisch
beraten und beim Gang aufs
Sozialamt etc. unterstützt.
■
mK setzte sich 2006 politisch für einen ZivilopferStatus für Überlebende
sexualisierter Kriegsgewalt
ein und arbeitete mit UNIFEM an einem entsprechenden Gesetzesentwurf.
■
mK engagiert sich in der
2006 gebildeten Koalition
für den Frieden – zusammen
mit serbischen Frauen der
Gruppe »Women in Black«
aus Belgrad (siehe Seite 6).
13
medica mondiale spezial
»Wir mussten rennen,
rennen, rennen«
Liberia
N
ach Jahren auf der Flucht kommen die Frauen in Fishtown endlich zur Ruhe. Mit Unterstützung von medica mondiale entsteht in dem Dorf im Südosten Liberias ein Frauenzentrum. Dort können die Frauen vieles lernen: nähen, lesen und – mit ihren Traumata
zu leben. Auch Liberias Präsidentin hat dem Zentrum schon einen Besuch abgestattet.
Foto: © dpa
Ester wiegt sich hin und her vor Lachen und
stößt Mary und Martha dabei beinahe von
der Bank. Sie sind beim »Richtfest« des Frauenzentrums in Fishtown dabei. Unter dem
Palmdach, das sie für die sonnenscheuen
Gäste aus Deutschland aufgebaut haben,
drängen sich mehr als 60 Frauen und viele
Mädchen in ihren besten Wickelkleidern und
kunstvoll gebundenen Haartüchern und
beobachten kichernd, was die Mitglieder der
Fishtown-Frauengruppe ihnen hier präsentieren: Im Rollenspiel zeigen sie, wie eine
Trauma-Beratung funktioniert. Victoria spielt
eine Frau, die ihren Mann verloren hat. Sie
jammert so theatralisch, dass die Frauen in
lautes Gelächter ausbrechen. Florida Clarke,
medica mondiale-Mitarbeiterin, ist die
Trauma-Beraterin und spricht nun vergnügt
mit ihrer Klientin.
Will ein Frauenzentrum für jeden
Bundesstaat: Ellen Johnson-Sirleaf –
die erste Präsidentin Liberias
14
Mary, Ester, Victoria, Martha und all die anderen wissen allerdings genau, dass das hier so
humorvoll dargebotene Thema eigentlich ein
todtrauriges ist. In Frauentreffen mit mmProjektleiterin Chipo Gift Muponisi aus Sambia berichten sie, was sie erlebt haben: Sie
erzählen über die Ermordung ihrer Ehemänner und Kinder, die Häuser, die niedergebrannt oder von Rebellen besetzt wurden, die
Felder, die über Nacht zerstört wurden und
über ihr Leben, das während des 14-jährigen
Bürgerkriegs fast nur aus einem bestand: die
Kinder schnappen und »rennen, rennen, rennen«. Jahre im Bush auf der Flucht. Warmes
Essen kochen? Auf keinen Fall; das Feuer
würde die Rebellen anlocken. Und alle wissen, was das bedeutet: Drei von vier Frauen
wurden laut WHO in Liberia vergewaltigt,
meist mehrmals und von vielen Männern
gleichzeitig, oft wurden sie auch mit Gewehren oder anderen Gegenständen verstümmelt. Die Frauen beschreiben bei den Treffen
die Folgen, erzählen von Alpträumen, von
Frauen, die nur noch vor sich hinstarren,
Gewicht verlieren, mit niemandem mehr
sprechen, den ganzen Tag trinken, unentwegt zittern.
Hilfe für Überlebende und Schutz vor den
jetzt in der Nachkriegszeit enorm hohen
Anzahl von Gewaltakten – dafür engagiert
sich medica mondiale seit mehr als einem
Jahr im bitterarmen Südosten Liberias in
einem Gemeinschaftsprojekt mit der Deutschen Welthungerhilfe.
Die Frauen haben trotz der Erntezeit kräftig
mitgeholfen, dass ihr Traum vom eigenen
Zentrum Wirklichkeit wurde: Sie haben
Bäume gefällt und das Land gerodet, Ziegelsteine aus Lehm gestochen und täglich mehrere Hundert Liter Wasser für den Bau angeschleppt. Am 12. April 2007 stattete die Präsidentin Liberias und erstes weibliches Staatsoberhaupt Afrikas, Ellen Johnson-Sirleaf, dem
medica mondiale-Frauenzentrum in Fishtown einen spontanen Besuch ab. Auf ihrer
Reise durch den Südosten Liberias machte
»Ma Ellen«, wie sie von den LiberianerInnen
liebevoll genannt wird, in Fishtown Halt und
zeigte sich vom Frauenzentrum sehr beeindruckt. In ihrem Regierungsprogramm hat
»Ma Ellen« den Themen Gewalt gegen Frauen und Chancengleichheit oberste Priorität
eingeräumt und will, dass jeder Bundesstaat
mindestens ein Frauenzentrum besitzt. Das
Frauenzentrum in Fishtown, weitab von den
großen Städten, ist also ganz im Sinne der
Präsidentin – ein Vorzeigeprojekt.
Weitere Pläne der Frauen für das Zentrum:
ein Backofen, damit sie Brot backen können,
ein kleines Restaurant für Durchreisende.
Stoffe sollen gefärbt werden; die Frauen
wollen nähen und Frisuren legen lernen.
Und vor allem: wenigstens etwas lesen,
schreiben und rechnen, denn sie selbst sind
medica mondiale spezial
es, die ihre Erzeugnisse vermarkten. Damit
die Bevölkerung das Zentrum gut annimmt,
sollen die Türen regelmäßig bei Kulturveranstaltungen auch für Männer und Jungen
geöffnet werden.
Vor allem aber sollen die Frauen im Zentrum
psychosoziale Beratung erhalten – um ihre
Kriegserlebnisse zu verarbeiten, aber auch,
um Wege aus der täglichen NachkriegsGewalt zu finden. Gleichzeitig kooperiert
medica mondiale eng mit der örtlichen
Gesundheitsstation, bildet in Frauen- und
Reproduktiver Gesundheit und deren Bezug
zu sexualisierter Gewalt weiter.
Um Frauen sofort zu helfen, wenn sie vergewaltigt oder zusammengeschlagen wurden,
hat das inzwischen elfköpfige Team von
medica mondiale in Fishtown außerdem eine
»Schutzgruppe« aufgebaut: einen Runden
Tisch, an dem Hilfsorganisationen, die UNFriedensmission, Polizei, Vertreter des Gerichts, die lokale Regierung und Repräsentantinnen von Frauengruppen gemeinsam ausarbeiten, was sie tun können, wenn einer
Frau Gewalt widerfährt, und wie sie ein sinnvolles Schutznetz aufbauen können. Damit
es erst gar nicht dazu kommt, muss die Bevölkerung Gewalt gegen Frauen als Verbrechen erkennen und beim Schutz mitmachen:
Lachen über das Todtraurige: Ein Rollenspiel zeigt am besten, wie eine Trauma-Beratung
funktioniert.
Dafür gab es bereits zahlreiche Aufklärungskampagnen, Sensibilisierung von Tür zu Tür,
auf Marktplätzen und im örtlichen Radio.
Kürzlich reisten Vertreter der Geldgeber an,
um auf einer Rundreise auch das Frauenzentrum in Fishtown und die Aktivitäten
von medica mondiale zu begutachten.
»Tolle Arbeit«, urteilt Jochen Brähmig von
der Kreditanstalt für Wiederaufbau. Er wird
von den begeisterten Frauen empfangen
und hört den Kommentar von Bessie Seckor,
der 2. Vorsitzenden des Frauenzentrum-
Komitees: »Wir sind so so
glücklich darüber, dass medica
mondiale bis zu uns hierher
nach Fishtown gekommen ist!
Endlich haben wir Frauen
etwas für uns!« ■
Das Projekt wird finanziert
vom Bundesministerium für
Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ)
über die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW).
medica mondiale Liberia in Zahlen
■
■
■
■
Über 400 Frauen und Mädchen aus
allen Distrikten der liberianischen Provinz »River Gee« nahmen an Frauengruppen-Treffen in der Provinzhauptstadt Fishtown teil. Sie planten und
gestalteten das Frauenzentrum mit.
Über 40 Frauen und Mädchen der
Provinzen River Gee, Sinoe und Grand
Gedeh, die (sexualisierte) Gewalt erfahren haben, wurden und werden
vom medica mondiale-Team beraten
und betreut.
Über 200 Frauen und Männer aus verschiedenen Organisationen wurden
zu Themen wie Gewalt gegen Frauen,
Trauma-Arbeit oder reproduktive Gesundheit fortgebildet.
Bis zu 500 PatientInnen und MitarbeiterInnen werden wöchentlich in Krankenhäusern über medica mondiales Hilfsangebote aufgeklärt sowie für Gewalt
■
■
■
gegen Frauen, Kindesmissbrauch und
Frauenrechte sensibilisiert.
Über 700 Frauen und Männer nahmen in
Gemeinden, Schulen und auf Markplätzen
an Aufklärungsaktionen teil. Zusätzlich
sensibilisierten 8 Radio-Diskussionen und
Tür-zu-Tür-Besuche zur medica mondiale
Thematik.
Bis zu 70 VertreterInnen nationaler und
internationaler Hilfsorganisationen und
Frauengruppen, der lokalen Regierung,
des Frauen- und Gesundheitsministeriums und Vertreter der UN-Schutztruppen
UNMIL kommen monatlich in der von
medica mondiale gegründeten »Protection-Group« (Schutzgruppe) in Fishtown
zusammen, um effektive und koordinierte
Strategien zum Schutz von Frauen und
Mädchen zu entwickeln.
medica mondiale ist auch auf nationaler
Ebene aktiv. mm arbeitete eng mit dem
■
15
Frauenministerium in
der Hauptstadt Monrovia
zusammen, z.B. um die
unlängst verabschiedete
»Nationale Strategie gegen
sexualisierte Gewalt« zu
entwickeln.
Mit der »Truth and Reconciliation Commission« (Wahrheits- und Versöhnungskommission), deren Ziel die
Aufklärung und Verfolgung
von Menschenrechtsverletzungen während des Krieges ist, gab es erste Absprachen über den Schutz und
die psychosoziale Betreuung
von Zeuginnen in den von
medica mondiale betreuten
Provinzen.
medica mondiale spezial
Aktion und Engagement
Die Aktionsgruppe Karlsruhe organisierte den Stand von medica mondiale zur Kinovorstellung von Esmas Geheimnis.
»Esmas Geheimnis«
Aktionsgruppen sammelten 28.500 Euro für bosnische Frauen
Ü
berraschend gewann der erste Spielfilm der bosnischen Regisseurin Jasmila Zbanic 2006 den Golden Bären
der Berlinale. Mit dem Film »Esmas Geheimnis« richtete sich das Interesse der Menschen
in Europa wieder auf die Frauen in BosnienHerzegowina. Die Vergewaltigungen, die Frauenschicksale dahinter – all das, was elf Jahre
nach Kriegsende nicht mehr der Rede wert
schien, stand plötzlich im Licht der Öffentlichkeit.
Mit »Esmas Geheimnis« hat Jasmila Zbanic in
Bosnien viel gegen das Schweigen über die
Vergewaltigungen getan – und damit für die
Frauen. Der Film trug dazu bei, dass vergewaltigte Frauen in Bosnien nun endlich als zivile
Kriegsopfer anerkannt werden und somit
eine monatliche »Invalidenrente« zur Sicherung ihrer Existenz erhalten sollen. Vorausgegangen war die mehrjährige Kampagne eines
Netzwerkes bosnischer Frauenorganisationen
16
– federführend dabei auch unsere Partnerorganisation medica Zenica.
Auch in Deutschland haben wir die Chance
ergriffen, erneut auf die Situation der heute
oft völlig verarmten bosnischen Frauen hinzuweisen und Spenden für sie zu sammeln.
In Kooperation mit dem deutschen Verleiher
»Ventura-Film« haben wir uns besonders
darauf konzentriert, die Kinovorstellungen
mit Infoständen und -material zu begleiten.
Unterstützt wurde die Aktion »Gemeinsam
für die Frauen in Bosnien« auch von vielen
Prominenten – unter ihnen die Schauspielerinnen Mariele Millowitsch und Nina Hoger,
die Fernsehmoderatorin Bettina Böttinger
und die Landesbischöfin Margot Käßmann.
Rund 28.500 Euro sind durch die verschiedenen Aktionen bis Ende 2006 für die Frauen in
Bosnien zusammengekommen. ■
medica mondiale spezial
Vor Ort für medica mondiale
Das Netzwerk regionaler Aktionsgruppen wächst
Anfang 2005 haben wir mit dem Aufbau
eines Netzes von regionalen Aktionsgruppen
begonnen. Mittlerweile machen sich deutschlandweit in 14 Städten engagierte Ehrenamtliche für medica mondiale stark. Sie setzen
sich mit Aktionen, Spendensammlungen und
Info-Veranstaltungen für Überlebende sexualisierter Kriegsgewalt ein.
Bei den Premieren des Films »Esmas Geheimnis« in Berlin, Karlsruhe und Köln sowie Vorführungen in weiteren zwanzig deutschen
Städten waren die tatkräftigen Aktivistinnen
der medica mondiale-Aktionsgruppen in den
Kinos dabei. Sie informierten über die Situation der bosnischen Frauen und sammelten
Spenden.
Gelsenkirchen einen Benefizabend mit
Musik und Literatur. Unter dem Motto »Damit die Welt es erfährt« lasen prominente
GelsenkirchenerInnen Texte ihrer Wahl. Umrahmt wurde das abwechslungsreiche Programm von klassischer Musik. Durch Eintritt
und Tombola kamen 1.325 Euro zusammen.
Alle, die sich in einer medica mondialeAktionsgruppe engagieren wollen, finden
im Internet Antworten auf Fragen rund
um die Aktionsgruppen, eine Übersicht
und Portraits der bestehenden Gruppen
sowie Erfahrungsberichte der ehrenamtlichen AktivistInnen. ■
www.medicamondiale.org/aktionsgruppen
Furioses
»Respektakel«
Die Eröffnung des Kölner
Sommerblut-Festivals fand
2006 zu Gunsten von medica
mondiale statt.
Fußball-Nationalspielerinnen
kickten für uns mit den Gästen
um die Wette.
Die Aktionsgruppe Gelsenkirchen organisierte gemeinsam mit dem Frauenbüro der Stadt
B.trifft Monika Hauser
Talk in der Dortmunder Westfalenhalle
5.500 ZuhörerInnen lauschten gebannt,
als Monika Hauser mit unserer langjährigen Unterstützerin Bettina Böttinger
sprach: über ihre Erfahrungen in Kriegsund Krisengebieten und ihre Wünsche
und Visionen für betroffene Frauen.
Hinsehen und Handeln – auch Bettina Böttingers
Motto für ihr medica mondiale-Engagement.
Sie berichtete von Hindernissen in der
täglichen Arbeit, von Begegnungen mit
anderen mutigen Frauen – und davon,
wie wir hier in Deutschland Frauen in
Kriegsgebieten unterstützen können.
»Hinsehen und handeln – für die Menschenrechte der Frauen«, lautete das
Thema, Ort dieses außergewöhnlichen
Talks war die Dortmunder Westfalenhalle. Dort feierte die Evangelische Frauenhilfe in Westfalen im Mai 2006 ihr
100-jähriges Bestehen. Motto: »100 Jahre
bewahren, begeistern und bewegen«. ■
17
medica mondiale spezial
Finanzieller
Überblick 2006
Die Einnahmen
Einnahmen 2006
Zuwendungen
48 % (= 1.499.735 d)
Zinsen und sonstige
Einnahmen
3 % (= 96.515 d)
Die öffentlichen und privaten Zuwendungen
sind um 77 Prozent auf 1.499.735 Euro gestiegen. Dies liegt im Wesentlichen daran, dass
wir neue Projektförderungen für das Afghanistan-Programm, für medica Kosova sowie
für unseren Liberia-Einsatz erhalten haben.
Insgesamt sind im Jahr 2006
die Einnahmen im Vergleich
zum Vorjahr um 30 Prozent
auf 3.081.393 Euro gestiegen.
Die Spendeneingänge sind
im Vergleich zum Vorjahr um
2 Prozent auf 1.374.450 Euro
gestiegen. Im Jahr 2006 haben
rund 8.065 SpenderInnen die
Arbeit von medica mondiale
gefördert. 2.060 von ihnen
haben uns regelmäßig per
Einzugsermächtigung mit insgesamt 462.364 Euro unterstützt. Diese fortwährende
Verbundenheit mit unseren
Anliegen ermöglicht langfristige Projektförderung und dadurch nachhaltige Veränderungen. Von den privaten Spenden
sind mehr als 82 Prozent ohne
Zweckangabe. Dadurch kann
medica mondiale auch in vergessenen Kriegs- und Krisengebieten aktiv sein und die Mittel dort einsetzen, wo sie am
nötigsten gebraucht werden.
zugewiesene Bußgelder
4 % (= 110.692 d)
Spenden
45 % (= 1.374.450 d)
Ausgaben
Die Gesamtaufwendungen 2006 sind gegenüber dem Vorjahr um 13 Prozent auf 2.921.605
Euro gestiegen.
Ausgaben 2006
Mit 2.197.607 Euro entfielen rund 75 Prozent der Gesamtausgaben auf internationale Projekte sowie die Bereiche Frauenrechte,
Trauma-Arbeit und die satzungsgemäße
Aufklärungs- und Öffentlichkeitsarbeit.
allgemeine Verwaltung
14 % (= 403.508 d)
Spendenwerbung
und Service
11 % (= 320.489 d)
Die Ausgaben für internationale Projekte
beinhalten direkte Projektkosten und die
Aufwendungen für die Projektbetreuung
inklusive des Managements der Projekte
von der Geschäftsstelle in Köln.
Aufklärungs- und
Öffentlichkeitsarbeit
5 % (= 141.448 d)
Menschenrechtsarbeit
2 % (= 60.403 d)
Zusammenfassung
interdisziplinäre
Trauma-Arbeit
2 % (= 60.025 d)
Die Einnahmen im Jahr 2006 überstiegen
die Ausgaben um 159.788 Euro. Diese Mittel
unterliegen dem Gebot der zeitnahen Verwendung und werden 2007 ausgegeben.
Zuwendungen 2006
Auslandsprojekte
66 % (= 1.935.731 d)
Ausgaben Auslandsprojekte 2006
0
100.000 d
200.000 d
300.000 d
0
500.000 d
InWEnt
72.139 d
Südostasien
Sigrid Rausing Trust
72.738 d
Medica Zenica
36.079 d
Übriges Afrika
37.358 d
Weltgebetstag der Frauen
Zivik
sonstige Zuwendungen
Dänische Botschaft Kabul
88.990 d
90.181 d
Projektfonds
84.094 d
91.703 d
medica Tirana
91.738 d
mm Liberia
116.813 d
BMZ über KfW
medica Kosova
141.168 d
UNHCR
mm Afghanistan
191.643 d
BMZ
304.441 d
EU
329.921 d
18
1.000.000 d
9.594 d
172.044 d
400.667 d
1.104.156 d
medica mondiale spezial
Gewinn- und Verlustrechnung für das Jahr 2006
2006
Euro
2005
Euro
1. Spenden und Zuwendungen
a) Spenden
b) zugewiesene Bußgelder
c) Zuwendungen von öffentlichen und privaten Zuwendungsgebern
2. Sonstige Einnahmen und Erträge
1.374.450,48
110.691,66
1.499.735,40
2.984.877,54
1.349.921,68
91.690,80
845.865,20
2.287.477,68
96.514,96
96.514,96
81.388,10
81.388,10
-850.306,06
-1.085.424,95
-1.935.731,01
-695.341,64
-992.515,43
-1.687.857,07
-167.659,34
-94.217,04
-261.876,38
-168.079,37
-109.327,57
-277.406,94
-426.648,26
-297.349,02
-723.997,28
-363.992,48
-253.324,30
-617.316,78
159.787,83
-213.715,02
0,00
0,00
3. Aufwendungen für Auslandsprojekte
Personalkosten
Sonstige Aufwendungen
4. Aufwendungen für Inlandsarbeit
Personalkosten
Sonstige Aufwendungen
5. Aufwendungen für Geschäftsstelle
Personalkosten
Sonstige Aufwendungen
6. Zuführung zu den Rücklagen
7. Jahresergebnis
Erläuterungen zur Gewinn- und Verlustrechnung:
1. Spenden und Zuwendungen
Die Spenden setzen sich zusammen aus freien Spenden und solchen, die einer Zweckbindung unterliegen.
Die zweckgebundenen Zuwendungen für Projekte von
öffentlichen und privaten Geldgebern kommen im Wesentlichen von der Europäischen Kommission, der UNFlüchtlingskommission, dem Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, der Kreditanstalt für Wiederaufbau via Deutsche Welthungerhilfe,
der Dänischen Botschaft Kabul, dem Regionalrat der autonomen Region Trentino-Südtirol, Zivik – Zivile Konfliktbearbeitung des ifa – Institut für Auslandsbeziehungen
e.V., InWEnt – Internationale Weiterbildung und Entwicklung gGmbH, dem Sigrid Rausing Trust, dem Weltgebetstag der Frauen und der Fondation »Avec et pour autres«.
2. Sonstige Einnahmen und Erträge
Die sonstigen Einnahmen und Erträge beinhalten Vortragshonorare, Einnahmen aus der Vermögensverwaltung und Erträge aus der Auflösung von Sonderposten,
die als bilanztechnische Korrekturposten für das Anlagevermögen gebildet wurden.
Inland sowie die Kosten für Maßnahmen zur Trauma-Sensibilisierung.
3. Aufwendungen für Auslandsprojekte
Die aufgeführten Personalkosten beinhalten die Kosten
für die internationalen und lokalen Auslandsmitarbeiterinnen sowie für die mit der Betreuung des Projektes beauftragten Inlandsmitarbeiterinnen. Die hier aufgeführten sonstigen Aufwendungen umfassen die Projektförderungen an selbständige Projekte und die Kosten für die
Durchführung der Projekte in Afghanistan und Liberia.
Hierbei handelt es sich vorwiegend um Kosten für Mieten,
Reisen, Kommunikation und Büroverwaltung. Die Höhe
der Personalkosten ist begründet durch den Schwerpunkt
unserer Arbeit vor Ort, die Durchführung von Qualifizierungsmaßnahmen von lokalen Mitarbeiterinnen.
5. Aufwendungen für die Geschäftsstelle
An dieser Stelle werden die Verwaltungs- und Werbeausgaben der
Geschäftsstelle in Köln ausgewiesen.
4. Aufwendungen für Inlandsarbeit
Hier werden die Kosten ausgewiesen für die satzungsgemäße Menschenrechts- und Aufklärungsarbeit im
Auswertung:
Die Einnahmen im Jahr 2006 überstiegen die Ausgaben um 159.788 Euro.
Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung wurden von der Solidaris
Revisions-GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft geprüft. Diese
Prüfung hat zu keinen Einwendungen geführt. Der Jahresabschluss
wurde somit in berufsüblicher Form
uneingeschränkt bescheinigt.
19
medica mondiale spezial
Bilanz zum 31.12.2006
31.12.2006
Euro
Aktiva
31.12.2005
Euro
A. Anlagevermögen
I. Immaterielle Vermögensgegenstände
Software
II. Sachanlagen
Bauvorhaben und Gebäude
Betriebs- und Geschäftsausstattung
B. Umlaufvermögen
I. Forderungen und sonstige Vermögensgegenstände
1. Forderungen an Zuwendungsgeber aufgrund von Projektbewilligungen
2. sonstige Forderungen
3. kurzfristige sonstige Vermögensgegenstände
II. Kassenbestand und Guthaben bei Kreditinstituten
C. Aktive Rechnungsabgrenzung
A. Anlagevermögen
I. Immaterielle Vermögensgegenstände
Es handelt sich hier um erworbene und planmäßig
abgeschriebene Softwareprogramme.
II. Sachanlagen
Die Sachanlagen umfassen die Büro- und Geschäftseinrichtung sowie EDV-Hardware in den Auslandsprojekten und in Deutschland. Das Bauvorhaben
beinhaltet die Errichtung eines Frauenzentrums in
Liberia.
B. Umlaufvermögen
I. Forderungen und sonstige Vermögensgegenstände
2. Sonstige Forderungen
Die hier zum Bilanzstichtag ausgewiesenen
Forderungen betreffen Forderungen gegen
Dienstleister und Projekte.
20
5.372,00
3.736,00
19.602,84
74.906,00
99.880,84
28.633,00
32.369,00
0,00
10.319,00
28.294,44
121.100,65
8.716,48
35.329,46
1.747.703,45
1.393.966,91
1.786.316,89
1.559.113,50
20.673,31
12.854,36
1.906.871,04
1.604.336,86
3. kurzfristige sonstige Vermögensgegenstände
Hier handelt es sich um die zum Bilanzstichtag
geleisteten Vorfinanzierungen.
II. Kassenbestand und Guthaben bei Kreditinstituten
Die noch nicht benötigten Eigenmittel werden bis
zur weiteren Verwendung auf Festgeldkonten angelegt. Fremdwährungsbestände werden mit dem zum
Bilanzstichtag gültigen offiziellen Kurs der Europäischen Zentralbank bewertet.
C. Aktive Rechnungsabgrenzung
Im Wesentlichen ausgewiesen sind hier Reisekosten
und Beratungskosten, die im Jahr 2006 bezahlt wurden
und das Jahr 2007 betreffen.
medica mondiale spezial
Passiva
A. Rücklagen
31.12.2006
Euro
31.12.2005
Euro
1.304.682,80
1.144.894,97
68.580,38
9.223,00
54.991,40
14.330,40
442.501,14
36.115,32
393.456,10
42.432,39
478.616,46
435.888,49
0,00
0,00
1.906.871,04
1.604.336,86
B. Sonderposten
I. Sonderposten aus Investitionszuschüssen
C. Rückstellungen
I. sonstige Rückstellungen
D. Verbindlichkeiten
I. Zuwendungen aus noch nicht verwendeten zweckgebundenen
Kofinanzierungsmitteln
II. kurzfristige sonstige Verbindlichkeiten
E. Passive Rechnungsabgrenzung
A. Rücklagen
Die Rücklagen dienen zur Absicherung unserer eingegangenen Projektverpflichtungen.
B. Sonderposten
Hier handelt es sich um einen bilanztechnischen
Korrekturposten des Anlagevermögens, das aus öffentlichen Mitteln finanziert wurde.
C. Rückstellungen
Die Rückstellungen sind gebildet worden für Beiträge der
Berufsgenossenschaft, Aktenaufbewahrung, Verpflichtungen gegenüber Personal und Jahresabschlusskosten.
D. Verbindlichkeiten
I. Zuwendungen aus noch nicht verwendeten zweckgebundenen Kofinanzierungsmitteln
Die hier zum Bilanzstichtag ausgewiesenen Verbindlichkeiten betreffen Projektausgaben im Jahr 2007,
für die die Zuwendung 2006 bereits eingegangen
ist. Vertragspartner sind hier die Europäische Kommission und die Kreditanstalt für Wiederaufbau/
Deutsche Welthungerhilfe.
II. kurzfristige sonstige Verbindlichkeiten
Hier enthalten sind Umsatzsteuerverbindlichkeiten
und Verbindlichkeiten gegenüber Lieferanten und
Dienstleistern am Bilanzstichtag, bewertet zu ihrem
Zahlungsbetrag.
21
medica mondiale spezial
Recht oder Gerechtigkeit?
Ausblick
Lauter und provokativer
U
m kriegstraumatisierte Frauen und Mädchen wirksam unterstützen zu
können, braucht es einen ganzheitlichen Ansatz, der nicht nur fachliche
Expertise, sondern auch ihre alltägliche Lebenswirklichkeit einschließt. Für
diesen Ansatz steht medica mondiale, und diesen wollen wir auf Basis der bisherigen Erfahrungen fortentwickeln. Wir werden die Arbeit stetig weiter verbessern,
um noch mehr Überlebende erreichen zu können.
Fach-Standards
weiterentwickeln
Das Recht der traumatisierten
Frauen auf eine parteiliche
und qualitativ hochstehende
Unterstützung verpflichtet
uns, die fachliche Qualität
noch weiter anzuheben. Frauen und Mädchen sind schweren Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt, die an Brutalität und Hass auf Frauen kaum
noch zu überbieten sind. Damit ein neues Leben mehr als
bloßes Überleben bedeutet,
brauchen die Frauen solidarische und wissende Fachleute
voller Respekt an ihrer Seite.
Zum Beispiel Ärztinnen und
Krankenschwestern, die nicht
nur die medizinischen Symptome sehen, sondern um die
enge Verknüpfung der verletzten Seele mit dem Körper wissen. Überlebende haben auch
das Recht auf Helferinnen, die
die Auswirkungen ihres Tuns
genau kennen, die ihr eigenes
Verhalten reflektiert haben.
Das bedeutet: sowohl um die
eigenen Gewalterfahrungen
zu wissen als auch, beim Internationalen Fachpersonal, das
Machtgefälle zu den einheimischen Kolleginnen und Klientinnen immer im Hinterkopf
zu haben. Bleiben solche Aspekte unreflektiert, können sie
als Bumerang neue Grenzüberschreitungen und damit extrem destruktive Effekte bewirken. Nur bewusste, stabile und
22
gut abgegrenzte Fachfrauen sind eine wirkliche Unterstützung für die Überlebenden.
Das heißt für uns einerseits, solche Auswirkungen und die Wirksamkeit unserer Arbeit
stetig zu untersuchen, und andererseits, sogenannte Best-practice-Module und weitere
Qualitätsstandards zu entwickeln. Dazu gehört zukünftig auch, mittels standardisierter
Trainingsangebote verstärkt zur Erweiterung
der Fachkompetenz von nationalen und internationalen Hilfsorganisationen beizutragen.
Individuelle Hilfe:
materielle Absicherung in Verbindung mit psychosozialer Arbeit
Hilfe zur Selbsthilfe ist weiterhin ein Grundsatz unseres Tuns. Die betroffenen Frauen vor
Ort müssen in der Lage sein, am Aufbau des
jeweiligen Projektes mitzuwirken. Außerdem
muss die materielle Absicherung der Klientinnen als eine Grundbedingung für die psychosoziale Arbeit angestrebt werden. Einkommensschaffende Maßnahmen sollen die individuelle Stabilisierung, die wir mit unserer
Beratungsarbeit erreichen, unterstützen und
fördern. Dies wollen wir zukünftig noch häufiger erreichen, indem wir gezielter nach entsprechenden Kooperationen suchen.
Mehr Fakten sammeln
Um in Zukunft mehr Fakten für eine überzeugende politische Argumentation zur
Aufklärungs- und Öffentlichkeitsarbeit in der
Hand zu haben, wollen wir Ressourcen einsetzen für gezieltes Monitoring und die Evaluierung unserer Projekte. Ebenso wollen wir
punktuell mit entsprechenden Forschungsvorhaben die Daten unserer Arbeit analysieren und erfolgreiche Arbeitsansätze als
Praxisanleitung an Partnerprojekte und
andere Organisationen weitergeben.
Wie lässt sich Trauma- und Menschenrechtsarbeit realisieren, wenn in Nachkriegsgebieten zunehmend die Devise der Amnestie ausgegeben wird? Leider befürwortet auch die
internationale Politik häufig diese Tendenz
des »Schwamm drüber«. Dabei wissen wir
von Holocaust-Überlebenden, wie elementar
es für ihr weiteres Leben in Würde war, dass
die Verbrechen gegen sie öffentlich gehört
und verurteilt wurden. Hier ist eine unserer
zukünftigen Aufgaben, gegen diese Tendenz
Widerstand zu leisten. Gerade das extreme
Tabu der sexualisierten Kriegs-Gewalt fördert
das allzu schnelle Vergessen und Verdrängen
– hier werden wir durch politische Aktionen
und Bewusstseinsarbeit weiterhin hartnäckig
an der Ent-Stigmatisierung arbeiten.
Was wollen eigentlich die Überlebenden selber von der Justiz, wie sieht für sie Gerechtigkeit und Wiedergutmachung aus? Um darauf
Antworten zu finden, die den Frauen wirklich
gerecht werden, führen wir nächstes Jahr
eine Konferenz mit internationalen Fachfrauen, Aktivistinnen und Überlebenden
durch. Die Ergebnisse sollen die Arbeit der
internationalen Institutionen beeinflussen
und alternative Wege aufzeigen.
Provokative und internationale
Kampagnenarbeit
In einer sich schnell verändernden Informations- und Medienwelt, die Überflutung und
auch Ignoranz mit sich bringt, wollen wir
unsere Thematik sehr genau fokussiert einbringen. Immer noch wissen viele Menschen
nichts davon, in welch erschreckend hohem
Ausmaß Frauen in Kriegs- und Nachkriegsgebieten alltäglicher Gewalt ausgesetzt sind.
Dafür wollen wir verstärkt Aufmerksamkeit
auch durch Maßnahmen und Aktionen mit
hohem provokativem Charakter erreichen –
nicht um den Preis von opferfeindlicher oder
ausbeutender Sprache, aber mit dem Ziel der
Sichtbarmachung der vermeintlich unsichtbaren Gewalt gegen Frauen. Wir wollen uns
auch stärker weltweit positionieren und
internationale starke Partnerschaften nutzen, um für gemeinsame Forderungen politisches Gehör zu erreichen. ■
Eva Bruchhaus und Monika Hauser
für den Vorstand
medica mondiale spezial
Das können
Sie tun:
Nur mit Ihrer Hilfe können wir für traumatisierte Frauen und Mädchen in Krisengebieten
da sein. Sie haben viele Möglichkeiten, unsere
Arbeit zu unterstützen:
Engagieren Sie sich in einer
mm-Aktionsgruppe
Die Mitglieder unserer regionalen medica
mondiale-Aktionsgruppen machen mit vielfältigen Aktivitäten unsere Anliegen öffentlich
und werben für Unterstützung. Sie organisieren zum Beispiel Ausstellungen, einen Spendenlauf oder beteiligen sich mit Info-Ständen
an Stadtfesten und Weihnachtsmärkten.
Seien Sie in einer unserer Gruppen dabei oder
gründen Sie eine eigene. Zeigen Sie Flagge für
Frauen in Kriegsgebieten!
Benefizveranstaltungen
Sei es ein Konzert, eine Lesung, eine Ausstellung oder eine Theateraufführung – eine
Benefizveranstaltung ist immer ein guter
Anlass, die Arbeit von medica mondiale vorzustellen und Spenden dafür zu sammeln.
Basare und Flohmärkte
Ob alte Bücher, selbst gemachter Kuchen,
selbst angesetzter Likör oder Ähnliches –
veranstalten Sie alleine oder zusammen mit
FreundInnen einen Basar zugunsten von
medica mondiale. Oder wie wäre es mit
einem Flohmarkt-Stand? Den Gewinn (oder
einen Teil davon) spenden Sie medica mondiale. Dabei bietet sich gleichzeitig die Möglichkeit, über unsere Arbeit zu informieren. Broschüren, Poster und weiteres Material erhalten Sie von uns.
Schülerinnen der 8. Klasse des Luitpold-Gymnasiums Wasserburg am Inn sammelten Spenden
mit selbstgebackenem Kuchen.
Feste und Jubiläen
Fragen und Hilfe?
Geburtstage, Jubiläen, Hochzeiten, Vereinsfeste: Anlässe zu feiern gibt es genug. Machen
Sie Ihr Fest auch zu einem Tag der Freude für
die Frauen, denen wir helfen. Bitten Sie Ihre
Gäste statt eines Geschenkes um eine Spende
für medica mondiale. Wenn Sie uns vorab informieren, können wir die Spendeneingänge
überwachen und Sie bei der Erstellung der
Dankschreiben unterstützen.
Haben Sie Fragen oder brauchen Sie Informationsmaterial?
Möchten Sie Spendendosen
ausleihen oder brauchen Sie
einfach nur ein paar Ratschläge zur Durchführung? Wir stehen Ihnen gern mit Rat und Tat
zur Seite. Rufen Sie uns an:
0221 - 93 18 980, schicken Sie
uns eine E-Mail ([email protected]) oder schreiben
Sie uns. Wir freuen uns auf Ihre
Ideen und Unterstützung!
Blumen und Kranzspenden
Die Möglichkeit, im Todesfall um Spenden
zugunsten von medica mondiale zu bitten,
kann eine Alternative zu Blumen und Kränzen darstellen und ist oftmals im Sinne der/
des Verstorbenen.
Information
Es ist für uns sehr wichtig, dass viele Menschen von unseren Anliegen erfahren. Für
Veranstaltungen, Informationsstände und
zur Weitergabe unter FreundInnen und
Bekannten stellen wir Ihnen gern Material
zur Verfügung.
Fantasie
Dies sind nur einige Anregungen, wie Sie
aktiv werden können. Vielleicht haben Sie
weitere Ideen – Ihrer Fantasie sind keine
Grenzen gesetzt.
Außer den genannten
Möglichkeiten hilft jede
Spende:
Spendenkonto 45 00 01 63
Sparkasse KölnBonn
BLZ 370 501 98
Spenden an medica mondiale e.V. sind steuerlich
absetzbar. Sie erhalten
automatisch im Februar
eine Sammelbestätigung
für alle Spenden des vergangenen Jahres.
23
Charta
medica mondiale ist eine Organisation
✗ von
Frauen für Frauen.
➔ Projekte zur Verbesserung der Ernährungs-, Wohn- und Rechtssituation.
medica mondiale hat ein feministisches
✗ Selbstverständnis.
➔ Projekte zur Aufklärung der Öffentlichkeit über die Situation der Frauen und
Mädchen sowie über Ursachen und
Hintergründe von Gewalt gegen Frauen.
medica mondiale hat sich aus der
✗ Kooperation
von Medica Köln und
Medica Zenica entwickelt, einem Projekt
gegen Gewalt an Frauen in BosnienHerzegowina im Kontext des Krieges.
medica mondiale unterstützt und
✗ fördert
– ungeachtet ihrer politischen,
ethnischen und religiösen Zugehörigkeit – Frauen und Mädchen in Kriegsund Krisengebieten, deren physische,
psychische, soziale und politische Integrität verletzt wurde. Die Verletzung
kann gesellschaftlich, familial oder
kriegsbedingt sein. Ziel ist es, die Selbstheilungskräfte der Frauen zu stärken
sowie ihr Recht auf emanzipatorische
Lebensgestaltung zu unterstützen und
einzufordern.
✗ medica mondiale leistet akute und
medica mondiale e.V.
Hülchrather Straße
50670 Köln
Tel.: 02 21/93 18 98-0
Fax: 02 21/93 18 98-1
[email protected]
www.medicamondiale.org
Spendenkonto:
medica mondiale e.V
Sparkasse KölnBonn
BLZ 370 501 98
Konto-Nr. 45 000 163
Helfen Sie uns, damit
wir handeln können
langfristige Hilfe für traumatisierte
Frauen und Mädchen in Kriegs- und
Krisengebieten durch:
➔ Projekte zur medizinischen und
psychosozialen Versorgung.
➔ Projekte zur Förderung der öffentlichen Gesundheitsfürsorge.
➔ Projekte zur Ausbildung, Weiterbildung und Schaffung von Erwerbsmöglichkeiten.
➔ Projekte zur Schaffung autonomer
Frauenräume.
medica mondiale strebt die langfristige
✗ Absicherung
dieser Projekte innerhalb
autonomer Frauenstrukturen und sozialgesellschaftlicher Infrastrukturen an.
medica mondiale setzt sich ein für die
✗ Aufklärung
und Dokumentation der
vielfältigen Formen von Gewalt an Frauen
und ihres globalen Charakters. medica
mondiale arbeitet dabei schwerpunktmäßig mit nationalen und internationalen
Frauen- und Menschenrechtsorganisationen zusammen sowie mit weiteren Nichtregierungs- und Regierungsorganisationen.
medica mondiale setzt sich gegen jede
✗ Form
von Nationalismus und Fundamentalismus ein und beteiligt sich am Aufbau
demokratischer Strukturen und an nationalen und internationalen Versöhnungsprozessen.
medica mondiale versteht sich als Teil
✗ der
internationalen Frauenbewegung
und setzt sich für die Anerkennung von
Frauenrechten als Menschenrechte in
der Perspektive eines nicht-hierarchischen
Geschlechterverhältnisses ein.

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