Redolfi: Riviera Roulette

Transcription

Redolfi: Riviera Roulette
Riviera Roulette-Nizza
von Michel Redolfi
Regie: Michel Redolfi
Komposition: Michel Redolfi
Produktion: WDR 2000, 45 Minuten
Michel Redolfi: "Riviera Roulette ist keine klingende Postkarte aus Nizza, sondern
eher ein 'akustischer Roman', ein 'Actionroman' aus Klängen und Geräuschen. Ich
kannte diese Stadt, als ich sehr jung war und habe sie dann verlassen, um unter
anderen Horizonten dieser Welt zu leben. Bei meiner Rückkehr vor 15 Jahren fand ich
mit einem nostalgischen Gefühl - tief unter den neuen Geräuschen vergraben - die
Klänge meiner Kindheit wieder.
Meine Stadt aufnehmen wollte ich aber erst, als das Studio Akustische Kunst mich
vor die Herausforderung stellte, ein Metropolis Nizza zu schaffen. Sich seine eigene
Stadt anhören, das ist eine schwierige Übung. Darum habe ich mich für eine fiktive
Form entschieden, deren Hintergrund die Klangwelten von Nizza und deren
handelnde Personen seine Bewohner sind. Ihre kleinen Gesten und vor dem
Mikrophon hochgezoomten Worte sollen die imaginäre Welt des Hörers ganz nach
seinen eigenen Assoziationen erfüllen. Das große Kasino-Roulette in Nizza stößt die
Handlung immer wieder neu an und führt zu neuen Schauplätzen: das belanglose
Nizza, das tragische Nizza, das geistige Nizza, das verkommene Nizza, das
elektronische Nizza, das antike Nizza.
Um diese verschiedenen Welten zu überfliegen, habe ich oft mit Rückblenden und
Vogelperspektiven gearbeitet, die die geflügelten Bewohner der Stadt - Tauben,
Möwen, Flugzeugpiloten - in Szene setzen, denn Nizza ist zuerst einmal eine Stadt
mit offenem Himmel, die sich von den provençalischen Hügeln und Küstenstraßen
hoch am Hang entdecken lässt. Deshalb heißt die Küste Baie des Anges Engelsbucht - und auch die Engel sind mit von der Partie in Gestalt meiner Freunde
Jon Hassell (Trompete), Terry Riley (Gesang und Tempura) und des
Gesangsensembles Corou de Berra - alle in Außenaufnahmen. Wie bei den Engeln
von Wim Wenders wirkt ihre Gegenwart dezent gefühlvoll, rätselhaft und
beruhigend.
Überraschenderweise ist zum Schluss dieser Klanglandschaft viel
Instrumentalmusik und konkrete Musik zu hören. Hier aber ist die Musik von realen
Geräuschen nicht losgelöst, sondern fügt sich harmonisch in die
Dokumentaraufnahmen ein, die in den Hintergrund treten, wenn sie ihre
Dramatisierung erfahren haben. Seltsamerweise wird die Musik zur Tonaufnahme ...
akustischer Bilder."