Tom Ellis
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Tom Ellis
l 14 STADTKULTUR l der landbote l DONNERSTAG, 22. APRIL 2010 Eine Rebellion, die keine ist Der Londoner Künstler Tom Ellis zeigt in der Kunsthalle Winterthur unter dem Titel «The Vacuum» Gemälde und Holzskulpturen. Es ist Kunst am Nullpunkt ihrer selbst, die in der Pose der Rebellion erstarrt ist. Wer glaubt, Malerei werde mit Far ben umgesetzt, hat sich gründlich ge irrt. Wer glaubt, Blumen seien farbig, befindet sich ebenso auf dem Holzweg wie diejenigen Ausstellungsbesucher, die sich erschöpft auf die hölzernen, wie Stühle aussehenden Objekte in der Ausstellung setzen möchten. Wer ausserdem geglaubt hat, Kunst soll te irgendwie einen Inhalt haben, Be zugspunkte in der älteren oder jün geren Kunstgeschichte, liegt ohnehin daneben, ganz zu schweigen von den jenigen, die Kunst mit irgendwelchen auf höhere oder sonstwie geartete Er kenntnis gerichteten Diskursen ver knüpft sehen wollen – sie alle finden sich in der aktuellen Ausstellung in einem Vakuum, in einer Abwesenheit all der genannten möglichen Eigen schaften von Kunst. Die Nicht-Farben Tom Ellis riesige Gemälde sind zwar gegenständlich – so sieht man eine Frau mit Sonnenschirm, an der eben falls zwei Hunde schnüffeln, oder ein Paar – sie nackt vor ihm kniend – in leerer Landschaft, Stillleben mit Blu men. Die Erwartung, darin so etwas wie «gegenständliche Malerei» zu se hen, wird herb veräppelt. Die Bilder sind grau in grau gehalten, also aus der Mischung von Schwarz und Weiss, die ja per definitionem keine Farben sind. Dies macht durchaus Sinn, ent steht doch auch in der Farbe, aus der Art und Weise, wie sie leuchtet oder gedämpft wird, ob sie pastos oder eher dünn aufgetragen wird, ein künstleri sches Programm, das auf die Kunstge schichte, auf Theorie und Praxis der Farbe in der Kunst zurückverweist. Ellis vermeidet solche Bezüge – stattdessen versucht er, zu ergründen, was des Pudels Kern der Kunst ist, wenn sie aller künstlerischen Konven tionen entkleidet wurde. Der Künstler hat eine Antwort parat: Es bleibt er selbst als schöpferisches Subjekt und das Werk – das ein Gegenstand ist und den Raum besetzt. So malt er denn – oder stellt Skulpturen hin, die aber nicht zu einer eigenen Position finden, sondern in der Negation verharren. Denn was fängt man mit zwei in dunk len Tönen gehaltenen kopulierenden Hunden vor grau gestreiftem Hinter grund an? (Gut, einverstanden, sie treibens ja ordentlich bunt.) In dieses Minimalprogramm gehört auch der Katalog, der nicht gratis in der Ausstellung erhältlich ist. Ellis hat ihn mit iPhone-Fotos von schlech tester Qualität auf dem Internet zu sammengepappt. Wer also erwartet, dass ein Katalog eine Werkübersicht gibt, den Künstler in einen Kontext einordnet – nichts dergleichen: El lis persifliert die aktuelle Praxis vie ler Künstler, ihr Werk per Internet in eine durch die Konvention anerkann te Form, nämlich das Buch zu bringen und dadurch ihr Werk zu nobilitieren. Warum die Praxis, sich auf dem In ternet eine Präsentation zusammen zustellen, gerade aus der Perspektive eines Konventionen gegenüber kri tisch eingestellten Künstlers lächer lich sein soll, bleibt allerdings offen. Traditionell müssen Kunstschaffende bei Experten um die Abfassung ei ner Monografie bitten, die dann von weiteren Experten bei Verlagen kri tisch aus der Masse der eingereichten Manuskripte ausgesiebt wird. Heute ist die Selbstvermarktung durch die Möglichkeit, im Internet seine Wahr nehmung durch die Selbstproduktion von Publikationen autonom zu steu ern, im Grunde genommen nichts anderes als die subversive Aushebe lung einer seit Jahrhunderten traditio nellen Expertokratie. Ausgetretene Fussstapfen Wenn Ellis nun auch die neue Form der Selbstpromotion auf die Schip pe nimmt, will er originell sein oder auch einfach unverwechselbar. Doch gerade hierin besteht auch der Wider spruch zwischen künstlerischem An spruch und Werk. Denn mit seinem Anspruch, ganz aus seiner Subjekti vität zu schöpfen und jegliche Regel auszuhebeln, tritt er in die ziemlich ausgetretenen Fussstapfen der Ge nie-Ästhetik kantscher Prägung und des Sturm und Drang. Kunst beginnt an dem Punkt, wo die Mimesis, die Nachahmung jeglicher Vorbilder auf hört, der Künstler setzt Werke in die Welt, die mit hergebrachten Massstä ben nicht mehr zu bewerten sind. Ein kluger Schachzug (nebenbei bemerkt, denn so entledigt man sich auch gleich der Kritiker: Die können, da ihnen der Künstler alle Massstäbe aus der Hand nimmt, nichts machen ausser die Genia lität des Schöpfungsprozesses tunlichst nachzuvollziehen. Die Pose des Re bellen ist also eher epigonal als geni al. Kunst – jeglicher Konvention ent kleidet – erinnert an des Kaisers neue Kleider. Sagen wirs offen, trotz impo nierendem Diskurs von kuratorischer Seite und respekteinflössendem insti tutionellem Ausstellungsrahmen: Die se Kunst ist splitterfasernackt. lCHRISTINA PEEGE «Ich begann zu singen, weil ich die Songs mochte, nicht weil ich Sänger werden wollte.» Wenn Eli Reed im Video auf seiner Homepage von sei ner Herkunft und Leidenschaft für die Musik erzählt, wirkt er ruhig und überzeugend. Zugleich spürt man, dass in ihm drin ein Feuer brennen muss. Vor der Kamera eine Show ab Stolz wird auf der Webseite proklamiert, dass sich Tanja La Croix nicht über ihr Aussehen verkaufen müsse, auch wenn das IT-Girl schon für inter nationale Labels wie Dolce & Gabbana und Dior gelaufen sei: Über 70 000mal wird ihre Homepage monatlich besucht, mehr als 3000 Fans hat die DJane auf Facebook. Dazu kommen Bookings rund um den Globus – und ein Album. Und doch: Bildschirmgross räkelt sich die Schöne halbnackt auf der Webseite. Weit weg von der Internetwelt, ohne Promotexte und ohne bearbeitete Fotos: Am Samstag darf sich der Winterthurer vor Ort live ein Bild der erfolgreichen DJane machen, wenn Tanja La Croix hippe Housemusik über die Boxen jagt. Be Sexy und Sweet Chocolate Samstag, 24. April, ab 22 Uhr, Gardenclub, Archstrasse 6, Winterthur Kunsthalle Winterthur, Marktgasse 25. Mi–Fr 12–18 Uhr, Sa/So 12–16 Uhr www.kunsthallewinterthur.ch Ausgehpunkt In den Ruhestand gehen, bevor man sich auf der Bühne auf Barstühle setzen muss – so das Motto der städti schen Urpunkband Cartilage: Nach rund sieben Jahren Bandgeschichte setzt die Kultband zum letzten Meisterschlag an. Punkelemente treffen auf düsteren Rock und knochenbrecherischen Hardcore, wenn Kreativkopf Konietzka, Schowmaster Bisi, Stamm aka der Bombenleger und der Quotenschönling Cripe in ihrer Heimatstadt vor treuem Publikum performen. Deutsche Texte und ideolo gische Dauerprovokation: Wenn die Nachbarn mit Oropax hinter dem Vorhang hervorspitzeln, dann kann nur Cartilage im Gaswerkquartier anmarschieren. Es wird laut! Cartilage (CH) Samstag, 24. April, ab 20.15 Uhr, Gaswerk, Untere Schöntalstrasse 19, Winterthur Achtung Bierdusche Das ist kein Stuhl. Tom Ellis zeigt in der Kunsthalle die Abwesenheit aller Eigenschaften von Kunst. Bild: cp zuziehen und so zu tun, als wäre er ein anderer, das hat dieser Mann nicht nö tig. Dabei wäre es so naheliegend, dass er versuchen würde, als Wiedergeburt zum Beispiel von Otis Redding zu er scheinen, der einer der bekanntesten Soul-Sänger der 1960er-Jahre war. Denn der Soul der alten Schule ist der Musikstil, auf dem der Musiker aus Brookline im US-Bundesstaat Massachusetts seine Karriere aufge baut hat. Mit dem modischen Phäno men des (musikalisch meist flachen) Neo-Soul hat Reed wenig gemein. Vielmehr verkörpert er nicht nur die Gestik des Soul, den er stilecht insze niert, er scheint auch die damit ver bundenen Gefühle wirklich zu empfin den. Obwohl auf den ersten Blick alles an Reed wie die Verkleidungsnummer eines cleveren Schulboys daherkommt, ist nichts aufgesetzt. Dazu kommt, dass er wirklich singen kann, mit einer «schwarzen» Blues- und Soulstimme, und seine Songs selber schreibt. Vaters Plattensammlung Eine Art Traumfänger: Eli Reed. Bild: pd Schön und talentiert Bis 9. Mai Eli Reed erbte die wahre Liebe vom Vater Er singt von der wahren Liebe im Stil der Soulstars von gestern. Morgen spielt Eli «Paperboy» Reed mit seinen True Loves im Salzhaus. wohin am wochenende? Hinter Eli Reed steckt ein Vater, ein Musikkritiker mit einer grossen Plat tensammlung, zu der sein Sohn Zu gang hatte. So zog sich Eli Blues- und Gospelsongs und R-’n’-B-Schlager schon in seiner Jugend rein. Mit zwölf, vierzehn, zu einer Zeit, in der andere sich vom Geschmack der Eltern ab setzen, grub sich Eli in diese Materie ein und brachte sich auch das Spielen auf dem Klavier, der Gitarre und der Mundharmonika bei. Letztere erb te er ebenfalls von seinem Vater. Ge nützt hat Reed ausserdem die musi kalische Begeisterung, die an seiner Highschool herrschte. Dort gab es ei nen Bandraum, in dem sich die Schü ler trafen. Besser als auf allen Instru menten, auf denen er sich versuchte, erwies er sich schliesslich als Sänger. Er wolle Popsongs schreiben, sagt Reed, und für ihn sei Soul die grösste Popmusik des 20. Jahrhunderts. «Die se Musik habe ich komplett verinner licht.» Als entscheidenden Augenblick bezeichnet Reed heute den Moment, in dem sich sein Vater eine Box mit Ray-Charles-Kassetten kaufte. «Das war mein Einstieg in die Soulmusik, diese drei Kassetten veränderten mein Leben.» Nach dem Ende der Highschool jobbte Reed in Clarksdale, Mississip pi, und begann nebenbei in den loka len Clubs zu spielen. Dort erwarb er sich auch seinen Übernamen «Paper boy», der auf einen Hut im Stil der Zeitungsjungen zurückgeht, den er da mals trug. Tatsächlich hatte der Hut seinem Grossvater gehört. Der Job er wies sich als Irrtum, Reed zog wieder in den Norden, um an der University of Chicago zu studieren. In Chicago freundete er sich mit Mitty Collier an, die ihre Karriere als Soulsängerin auf gegeben hatte, um Predigerin zu wer den. Sie engagierte ihn als Keyboard spieler und Sänger für ihre sonntäg lichen Gottesdienste. Träume weitertragen Nach dem ersten Studienjahr kehrte Reed nach Boston zurück, wo er sei ne Band The True Love zusammen stellte und zwei Alben produzierte, die 2005 und 2008 bei lokalen Platten labels erschienen und schliesslich bei der Musikpresse auf Interesse stiessen. Der amerikanische «Rolling Stone» bezeichnete Reed als «aufstrebenden Künstler» und pries seine «heulenden Grooves» und seinen «schmutzigen, bodenständigen R ’n’ B». Nachdem er 2009 mit seiner Combo in den eng lischen Mojo-Awards in der Newco mer-Kategorie nominiert worden war, erhielt Reed ein Angebot des zu EMI gehörenden Labels Capitol. In jedem Mann, heisst es, steckt ein Kind. In Eli Reed ist es ein Sohn, der sich die Liebeslieder seines Vaters an eignete und daran ging, die Träume weiterzutragen, die sie enthalten. (dwo) Eli «Paperboy» Reed & The True Loves Live: Fr, 23. April, 20 Uhr, Salzhaus. CD: Come And Get It (Capitol/EMI) www.elipaperboyreed.com Liebe Indiegemeinde: Wer nur ein Paar Lieblingsröhrchenjeans besitzt, der sollte morgen Abend im Kraftfeld extrasorgfältig aufpassen, dass die se während des Konzerts der amerikanischen Indieband Eagle Seagull aus Nebraska nicht Opfer einer Bierdusche werden. Denn: Auch am Tag darauf ist das Ausführen des Szene markenzeichens Pflicht. Dann spielen im Albani vier dürre Jungs in Röhrchenjeans und mit cooler Frisur – jedoch der Abwechslung wegen aus irgendeinem Londoner Vorort. Zwischen Melancholie, Pop-Appeal und jugendlicher Leichtigkeit: «Eight Legs» präsentiert ihr neuestes Werk «The Electric Kool-Aid Cuckoo Nest», welches die englische Musikpresse derart aus den Socken gehauen hat, dass viele Fans im britischen Königreich ihr letztes Hemd für eine Konzertkarte geben würden. Eagle Seagull (USA) Freitag, 23. April, ab 21 Uhr, Kraftfeld, Lagerplatz 18, Winterthur Eight Legs (UK) Samstag, 24. April, ab 21 Uhr, Albani, Steinberggasse 16, Winterthur Wältberüemt Alle doofen Zimmeraufräumregel und Schoggiverbote dürfen für einen Moment vergessen werden, wenn die Kinderliederband Schtärneföifi die Salzhüsli-Saison mit «Wältberüemt» abrundet. Entstanden ist das Album auf der Reise durch Addis Abeba, New Orleans und das Wallis. Schtärneföifi scheinen auch nach 15 Jahren kein bisschen müde. Darum, liebe Kinder: Wenn ihr so laut mitjohlt und so hoch springt, wie ihr könnt, fallen die Bandmitglieder wenigstens am Sonntag abend wie Steine ins Bett. (bö) Schtärneföifi Sonntag, 25. April, ab 14 Uhr (Konzert ab 15.30 Uhr), Salzhaus, Untere Vogelsangstrasse 6, Winterthur mehr Party im Veranstaltungskalender auf www.landbote.ch