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MG-L6
RHEINISCHE POST
MITTWOCH, 6. JULI 2016
C6 Lokales
SERIE WAS MACHT EIGENTLICH?
Warten auf Nachfolger von Boris und Steffi
Internationale Jugendmeisterschaften von Deutschland, später German Junior Open: Bei der TG Rot-Weiß traf sich der Tennis-Nachwuchs der
Welt, traten etliche spätere Weltklassespieler an. 1956 war das erste Turnier – vor genau 60 Jahren. Seit 2009 gibt es eine kleinere Neuauflage.
Weiß hatte 1953 seine alte Anlage in
der Nähe der Kaiser-Friedrich-Halle
räumen müssen, weil sie Baugrund
Es waren Zeiten, in denen „ganz
in allerbester Lage bot, der vom EiDeutschland“ am Fernsehgerät mitgentümer verkauft wurde. So war
fieberte: Wenn Steffi Graf und Boris
man die Lettow-Vorbeck-Straße eiBecker von Sieg zu Sieg eilten, sich
nen guten Kilometer hinauf, entlang
die bedeutendsten Titel holten,
am Bunten Garten und „Birkenüber Jahre ganz vorne in der Tenniswald“, gezogen und hatte sich dort
Welt standen. Und in Möncheneine neue Heimat geschaffen. Auf
gladbach erinnerte man sich immer
der 1960 statt der alten Holzbaracke
wieder: Die haben wir doch schon
auch ein Clubhaus entstand, für die
hier live auf dem Platz siegen geseZeit hochmodern und heute noch
hen, beim Jugendturnier der TG
sehr ansehnlich, in dessen Bauzeit
Rot-Weiß. Am Bunten Garten traten
das Jugendturnier ein Jahr pausieEnde der siebziger bis Mitte der
ren musste. Und dann 1961 sofort
achtziger Jahre etliche junge Spieler
wieder aufgenommen wurde, mit
an, die nicht viel später zur absolubereits 230 Teilnehmern.
ten Weltklasse aufstiegen, die KonEs ging die Zeit zu
kurrenz zum Teil jahreEnde, in der die Teilnehlang dominierten.
mer in Militärzelten vor
Steffi Graf und Boris
dem
Clubhaus,
im
Becker, zuvor schon
NATO-Hauptquartier
Björn Borg und Ivan
Rheindahlen, in JugendLendl, später Mats Wiherbergen
untergelander, Michael Stich,
bracht wurden, dann
Pat Cash oder Gustavo
bei Rot-Weiß-MitglieKürten. Gewonnen hadern als Gastfamilien –
ben nur die vier Letztgenannten hier nicht – die „Das Turnier ist wobei sich manche priKonkurrenz war halt
mit dem Klub vate Freundschaft entsehr stark. Denn die In- gewachsen, hin wickelte – etwa mit Ivan
Lendl. Die Spieler mussternationalen Jugendzu einem der
ten in Hotels untergemeisterschaften
von
bracht werden, anfangs
Deutschland, die später
weltweit beGerman Junior Open
liebtesten Ju- in einfacheren, dann in
den besten der Stadt.
hießen, waren eines der
gendturniere“
1984 änderte die ITF
bedeutendsten Jugenddie Ausschreibung ihrer
turniere der Welt, kaUli Bunkowitz
Jugendturniere:
Die
men in der Einstufung
Wettbewerbe für die Jahrgänge bis
des Welttennisverbands ITF direkt
16 Jahre wurden gestrichen, es gab
hinter den vier Grand-Slam-Verannur noch eine Klasse, bis 18 Jahre.
staltungen: Australian Open in MelBjörn Borg und Ivan Lendl hatten
bourne, French Open in Paris, US
sich ihre zwei Einzel-Titel im jüngeOpen in New York und Wimbledon,
ren Jahrgang geholt, Lendl dann
dem berühmtesten Tennisturnier
noch einen in der älteren Klasse.
der Welt.
1982 gewann Boris Becker die jünBegonnen hat es am Bunten Gargere Konkurrenz – und Steffi Graf
ten 1956. Und nun gibt es vom 11.
kurz nach ihrem 13. Geburtstag bebis 17. Juli eine Jubiläumsauflage –
reits die gegen bis zu 18-jährige
wenn man so will: Es ist 60 Jahre her,
Konkurrentinnen.
dass die TG Rot-Weiß ihr erstes JuInternational war die Besetzung
gendturnier veranstaltete – bei dem
des Turniers in Gladbach bereits
sich der Nachwuchs der damals
1958, als Italien als erster Verband
noch sehr überschaubaren Zahl der
Jugendliche schickte. Insgesamt
Vereine am Niederrhein einmal
werden es im Lauf der Jahrzehnte
messen konnte. Dass daraus eine
wohl mehr als 50 Nationen gewesen
riesige 40-jährige Erfolgsgeschichte
sein, die hier waren. 1996, bei der
werden sollte, ahnte niemand.
letzen Auflage als German Junior
Johann Faßbender, der Trainer
Open waren es 45.
des Vereins, hatte zusammen mit
„Das Turnier ist mit dem Club geGünther Bunkowitz, damals Sportwachsen, zu einem der weltweit bewart, später 20 Jahre lang Vorsitzenliebtesten Jugendturniere“, sagt Ulder der Tennis-Gesellschaft, die
rich Bunkowitz. Der 72-Jährige,
Idee gehabt und umgesetzt. Rot-
Die Auftritte der
Superstars in MG
VON O. E. SCHÜTZ
Boris Becker gewann 1982 die Klasse
unter 16 Jahren in Gladbach.
Björn Borg, Sieger 1969 und 1970, mit
Ministerpräsident Franz Meyers.
Da ahnte kaum jemand, dass das gerade 13 Jahre gewordene Mädchen zur Nummer eins der Damen-Welt im Tennis werden würde: Steffi Graf 1982 bei der Siegerehrung durch Ulrich Bunkowitz.
FOTOS: HORSTMÜLLER, GRULKE, TRESSAT, JOST, KN (8)
Ivan Lendl spielte dreimal in Gladbach
und holte sich fünf Titel.
hört hatte und der neugewählte
Clubvorstand das Risiko nicht weiterführen wollte, die Hälfte des
200.000-Mark-Etats über Sponsoren
aufzubringen. „Das hatten wir aber
mit dieser auch für das Image der
Stadt wichtigen Veranstaltung und
dank des guten Rufs stets geschafft –
ohne den Club damit finanziell zu
belasten“, sagt Ulrich Bunkowitz,
immer noch bedauernd.
Nicht nur das Turnier hat sich mit
dem Verein über Jahrzehnte entwickelt, auch Ulrich Bunkowitz, kurz
Uli genannt. Er war schon 1956 als
zwölfjähriger Helfer dabei, über-
nahm immer weitere Aufgaben, war
von 1961 bis 1983 Turnierleiter oder
Turnierdirektor, wie es später hieß.
Bunkowitz wurde Jugendwart des
Tennisverbandes
Niederrhein,
dann ehrenamtlicher Jugendwart
als Vizepräsident des Deutschen
Tennis-Bundes (DTB). 1984 ging er
als hauptamtlicher Sportdirektor
des DTB nach Hannover und später
Hamburg und war bei den German
Junior Open fortan Vorsitzender des
Turnierausschusses.
Nach
der
Rückkehr aus Hamburg war er
Sportwart und zuletzt Präsident des
Tennis-Verbandes Niederrhein.
Sohn des 1977 gestorbenen RotWeiß-Vorsitzenden, kennt die 60jährige Geschichte des Turniers wie
kein anderer, war bei 48 Auflagen
immer dabei, so lange es in Mönchengladbach und von 1997 bis
2008 in Essen ausgerichtet wurde.
Es gibt das Turnier immer noch,
seit 2009 aber ist es in Berlin. In
Mönchengladbach hat die TG RotWeiß die Veranstaltung 1996 abgegeben, weil das über Jahre bewährte
Organisationsteam mit Julia Sahner
(geborene Bunkowitz) als Nachfolgerin von Jörg Voigtsberger, Bert
Achten und Hartmut Röhl aufge-
Björn Borg Sieger Junioren unter 16
1969 und 70. 1976 bis 1980 gewann
er fünfmal in Folge Wimbledon,
zwischen 1974 und 1981 sechsmal
bei den French Open.
Ivan Lendl Sieger Junioren U16
1975 und 76, Junioren 1 1977, dazu
im Doppel 1976 und 77. Er gewann
in seiner Karriere acht Grand-SlamEinzeltitel, stand 270 Wochen an der
Spitze der Weltrangliste.
Steffi Graf Siegerin Junioren U18
(mit gerade 13 Jahren) 1982. Sie hält
immer noch den „Weltrekord“ mit
377 Wochen an der Spitze der Damen-Weltrangliste.
Boris Becker Sieger Junioren U16
1982. 1985 gewann er als 17-Jähriger
und bis heute jüngster Spieler erstmals Wimbledon; es folgten fünf
weitere Grand-Slam-Titel.
Michael Stich, Mats Wilander, Pat
Cash und Gustavo Kürten waren
ebenfalls am Bunten Garten, schieden aber vorzeitig aus. Der Australier Cash gewann in Wimbledon
1987. Stich holte sich den Titel dort
1991, dazu die ATP-Weltmeisterschaft 1993. Der Schwede Wilander
gewann sieben Grand-Slam-Titel,
war von September 1988 bis Januar
1989 die Nummer 1 der Weltrangliste. Der Brasiliaer Gustavo Kürten
gewann unter anderem dreimal das
wichtigste Sandplatzturnier der
Welt, die French Open in Paris.
Günther Bunkowitz war 1956 mit Johann Faßbender Initiator des Turniers.
Johann Faßbender (rechts) mit Wolfgang Lindow, Sieger beim Debüt 1956
NRW Junior Open, Auflage Nummer acht
Eine Baracke, nach dem Krieg zuerst als Notkirche genutzt, diente bis 1960 den
Rot-Weißen als Clubhaus. Hier die Kulisse bei einem der ersten Jugendturniere.
Das 40. und letzte Internationale Jugendturnier 1996 mit Teilnehmern aus 45 Nationen und Siegern aus Japan, Russland, Ungarn und Frankreich.
(oes) Am Montag, 11. Juli, beginnt
am Bunten Garten wieder ein internationales Jugendturnier – mit Jubiläumsgefühl: Es ist zwar das 8. NRW
Junior Open und das 48. am Bunten
Garten, aber nun 60 Jahre nach dem
allerersten am Bunten Garten. Das
war 1956. 2009 haben Ulrich Bunkowitz und der damalige Rot-WeißVorsitzende Rainer Grünewald es
nach 13-jähriger Pause wiederbelebt. Vier Nummern kleiner in der
Wertung des Welttennisverbandes
ITF als einst das German Junior
Open, aber eine gute Möglichkeit
für Jugendliche aus zwei Dutzend
Ländern, weitere Punkte für die
Weltrangliste und internationale Erfahrung zu sammeln.
Ulrich Bunkowitz ist wie 1956
auch jetzt dabei, nun als Vorsitzender des Turnierausschusses. „Ohne
Uli und seine Kenntnisse und Erfahrung würde ich das alles kaum so
schaffen“, sagt Janka Piliar, die Turnierdirektorin und 2. Vorsitzende
der TG Rot-Weiß. „Wichtig war
schon immer ein gut funktionierendes Organisationsteam“, sagt Bunkowitz. Und: „Wir profitieren heute
noch vom guten Ruf der längst vergangenen Jahre, bekämen auch die
Einstufung in die ITF-Kategorie
drei. Doch dann müssten wir für alle
Teilnehmer die vollen Kosten für
Unterbringung und Verpflegung
übernehmen“, so Bunkowitz. „Und
das kostet gleich 60.000 bis 70.000
Alexander Zverev, heute Deutschlands
großer Hoffnungsträger, schied 2011 in
Gladbach in der ersten Runde aus.
Die erste Siegerin war 1956 Brigitte
Driesen. Johann Faßbender gratuliert.
Janka Piliar ist seit 2011 Turnierdirektorin am Bunten Garten.
Euro mehr – der Etat würde vervierfacht. Und das können wir nicht. Es
brächte auch keine deutlich bessere
Besetzung.“
Klar ist eh: Die Zeiten von Steffi
Graf und Boris Becker sind vorbei,
die internationale Nachwuchs-Spitze spielt zudem heute allenfalls
noch bei den Grand-Slam-Jugendturnieren. Junge Spieler mit den Anlagen von Steffi Graf und Boris Becker, Björn Borg und Ivan Lendl,
Mats Wilander, Michael Stich Pat
Cash oder Gustavo Kürten bekommt man kaum. Oder schafft es
Alexander Zverev, gerade 19 und
schon als Nummer 28 zweitbester
Deutscher hinter Philipp Kohlschreiber auf der Weltrangliste,
ganz nach oben? Er hat 2011 in
Gladbach gespielt – und ist in der
ersten Runde rausgeflogen.
Die Sieger in den vergangenen
sieben Jahren kamen überwiegend
aus Deutschland. Aber auch sie
spielen in einer anderen Liga als die
Gewinner von 1956. Damals waren
es im Einzel die Gladbacher Gunther Bönnen, Petra Hertmanni und
Brigitte Driesen, dazu der Süchtelner Wolfgang Lindow, 1957 nur
noch der Rheydter Harald Elschenbroich, später Davis-Cup-Spieler.
1963 folgte noch ein Ex-Gladbacher:
Jürgen Faßbender, Sohn des Turnier-Initiators Johann Faßbender,
später ebenfalls Davis-Cup-Spieler
und einer der erfolgreichsten Doppelspieler der Welt.
Doch auch das Niveau, das in den
vergangenen Jahren am Bunten
Garten geboten wurde, ist sehenswert. Da hat Tim Sandkaulen vom
Gladbacher HTC bei drei Anläufen
es nur 2014 ins Endspiel geschafft
und nicht gewonnen. 2015 aber ist
er Deutscher Jugendmeister im Einzel und im Doppel geworden. Und
da war, wie gesagt, ein Alexander
„Sascha“ Zverev.

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