Menschen im Übergang von der Erwerbsarbeit in den Ruhestand –
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Menschen im Übergang von der Erwerbsarbeit in den Ruhestand –
Bundesministerium für Bildung und Forschung Menschen im Übergang von der Erwerbsarbeit in den Ruhestand – Eine Herausforderung für die Erwachsenenbildung Die Untersuchung wurde im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung von Herrn Prof. Dr. Detlef Knopf durchgeführt. Der Autor trägt die Verantwortung für den Inhalt. Impressum Herausgeber: Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) Referat Öffentlichkeitsarbeit 53170 Bonn E-Mail: [email protected] Internet:http://www.bmbf.de Bonn 1999 Druck: Courir-Druck GmbH, Bonn Gedruckt auf Recyclingpapier Detlef Knopf Menschen im Übergang von der Erwerbsarbeit in den Ruhestand – Eine Herausforderung für die Erwachsenenbildung Bonn 1999 Herausgegeben vom Bundesministerium für Bildung und Forschung 2 Vorwort Ein für die Zukunft unseres Landes wichtiges Ziel der Bundesregierung ist die breite Entwicklung des lebenslangen Lernens. „Breit“ heißt hier, daß möglichst alle Bürgerinnen und Bürger zu einer aktiven Lernhaltung, das heißt zu einer selbständigen und regelmäßigen Erschließung und Nutzung von Lerngelegenheiten motiviert und befähigt werden. Das Lernen älterer Menschen gewinnt dabei – insbesondere unter dem Aspekt der demographischen Entwicklung – zunehmend an Bedeutung. Der gesellschaftliche Strukturwandel hat zu einem Anstieg der Arbeitslosigkeit geführt. Dadurch ist die Zahl der älteren Menschen, die sich – in der Regel unfreiwillig – zwischen Erwerbsarbeit und Ruhestand befinden, stetig gewachsen. Eine besonders schwierige Situation hatte sich nach der Wende in den neuen Ländern infolge der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Strukturveränderungen ergeben. Die Tatsache, daß beispielsweise mehr als ein Drittel jener Personen, die in der DDR in die Arbeitswelt integriert waren, im Rahmen dieser Transformationsprozesse arbeitslos wurden und es heute noch sind, hat bei mir tiefe Betroffenheit ausgelöst. Weiterbildung und lebenslanges Lernen können m. E. zwar nicht die existenziellen Belastungen von langfristig arbeitslosen, in den „Vorruhestand“ versetzten älteren Menschen lösen, sie können aber einen wertvollen Beitrag dazu leisten, daß die mit dem sozialen Wandel verbundenen Anforderungen an das Leben im Vorruhestand und Ruhestand besser bewältigt werden und daß auch diese Menschen ihr Leben aktiv und würdevoll gestalten können. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung hat mehrere Projekte gefördert, mit denen unterschiedliche Bildungskonzepte für die spezifischen Problemlagen und Bildungsbedürfnisse von Menschen im „Vorruhestand“ – vor allem in den neuen Ländern – entwickelt und erprobt wurden. Nach Abschluß dieser Projekte übernahm Herr Prof. Dr. Knopf von der Fachhochschule Potsdam den Auftrag, die Ergebnisse und Erfahrungen dieser und weiterer Projekte und Initiativen zum Thema „Weiterbildung für ältere Menschen, insbesondere Vorruheständler/-innen und dauerhaft Arbeitslose“ zusammenzuführen, zu evaluieren, den Handlungsbedarf einzuschätzen und gegebenenfalls Empfehlungen für die weitere Projektförderung abzuleiten. In dieser Broschüre werden die Arbeitsergebnisse von Herrn Prof. Dr. Knopf dokumentiert. Die untersuchten Projekte werden in der Studie als erfolgreiche Versuche einer zieloffenen, lebensbegleitenden Bildungsarbeit eingeschätzt. Es liegt jetzt eine Reihe von Weiterbildungskonzepten und Projekterfahrungen vor, die auch von anderen Einrichtungen übernommen und genutzt werden können. In Zukunft geht es primär um Anregungen und Hilfen für die breite Umzusetzung bewährter Vorgehensweisen. Dazu wird die Entwicklung einer Supportstruktur, der Aufbau eines Netzwerkes zur Initiierung, Begleitung und Unterstützung solcher Initiativen in den Regionen und Kommunen vorgeschlagen. 3 Gemeint ist die Schaffung einer Infrastruktur für die entwicklungs- und projektbegleitende Unterstützung, die den „Machern“ vor Ort zur Verfügung steht. Die Studie enthält zahlreiche weitere Ergebnisse und Befunde, für die sich – da bin ich sicher – in Wissenschaft und Praxis der Erwachsenenbildung zahlreiche Interessenten finden werden. Herrn Professor Knopf danke ich für die Auswertung der umfangreichen Projektmaterialien und die Zusammenführung der Ergebnisse sowie für die Ableitung von Konsequenzen und Empfehlungen. Edelgard Bulmahn Bundesministerin für Bildung und Forschung 4 Weiterbildung und Vorruhestand – einleitende Vorbemerkungen Menschen im Vorruhestand bilden keine homogene Gruppe. Ihre Lebenssituation kann sich auf vielfältige Weise unterscheiden. Nach dem Auslaufen gesetzlicher Regelungen – es gab solche in den achtziger Jahren in der „alten“ Bundesrepublik und von den DDR-Regierungen kurz vor der staatlichen Vereinigung geschaffene – fehlt auch ein einheitlicher rechtlicher Status jener Menschen, die vorzeitig aus dem Erwerbsprozeß ausscheiden mußten, das Rentenalter aber noch nicht erreicht haben. Daß sich der Begriff zur Kennzeichnung dieser Übergangssituation dennoch eingebürgert hat, liegt vor allem daran, daß sich offenbar für viele Menschen zwischen dem Austritt aus dem Arbeitsleben und dem Beginn des nachberuflichen Lebens ein biographisch zur Selbstgestaltung aufgegebener Lebensabschnitt aufgetan hat, der weder durch die übliche Dualität von Arbeit und Freizeit noch durch die weithin entpflichtete Situation des „Rentners“ charakterisiert werden kann. Auf die eigentümliche Ambivalenz der „Freisetzungs“erfahrung, die ohne weiteres als Chance, aber oft auch als bedrückend erlebter Zwang zur 1 „Biographisierung“ der Lebensführung beschrieben wird, ist schon früh hingewiesen worden. Die Erwachsenenbildung hat von der Situation der Vorruheständlerinnen zunächst nicht sonderlich Notiz genommen. Wer sich angesprochen fühlte, mochte die Angebote der Seniorenbildung in Anspruch nehmen, das normale Programmangebot stand natürlich den Vorruheständlern in gleicher Weise offen wie allen anderen Erwachsenen. Es waren Initiativen und – so im Beispiel des seit Ende der siebziger Jahre existierenden ZWAR-Projekts („Zwischen Arbeit und Ruhestand“) – Zusammenschlüsse von Trägern wie Betrieben, Gewerkschaften, Selbstorganisationen Älterer und Universitäten, die nicht zuletzt sozial- und regionalpolitisch motivierte Versuche unternahmen, die Selbstorganisation von Menschen anzuregen, die von Freisetzungsprozessen im (frühen) sechsten Lebensjahrzehnt betroffen waren. Jenseits der tradierten Institutionen und auch in gewisser Distanz zur Wohlfahrtspflege entwickelten sie eine methodisch neuartige Kombination von Selbsterfahrung, Handlungsbezug im lokalen Umfeld, Gruppenarbeit, existenzieller Animation und aus dem Managementtraining übernommener Moderations- und Visualisierungstechniken, die sich als besonders geeignet für die Arbeit mit Menschen erwies, die in der Regel bisher kaum Zugänge zu seminaristisch angelegter Erwachsenenbildung gefunden hatten. Im Rückblick erweisen sich diese Innovationen als interessante neue Formen, lebensbegleitendes Lernen außerhalb der etablierten Erwachsenenbildung zu unterstützen. Sie trafen bei den eingeführten Weiterbildungseinrichtungen auf vergleichsweise geringe Resonanz. Der schleichende Prozeß hin zu einer frühzeitigen Beendigung der Erwerbsarbeit wurde in Westdeutschland zunehmend als Normalität wahrgenommen, entsprach er doch dem Trend in nahezu allen westlich geprägten Industrienationen. Erst die massiven Freisetzungswellen im Zuge des Systemwandels in den östlichen Bundesländern haben die Aufmerksamkeit wieder auf diesen neu entstandenen Lebensabschnitt gelenkt, der sich mit so vielen Charakteristika als prototypisch für längst auch in anderen Lebensphasen anzutreffende Erscheinungsformen einer ungesicherten Lebensführung erweist. Im Osten Deutschlands waren es die puren quantitativen Dimensionen einer „Freisetzungspolitik“, die für über eine Million Menschen dieser Altersgruppe das Ende der Erwerbsarbeit bedeutete und geradezu eine ganze Generation aus bislang bedeutsamen sozialen Zusammenhängen entfernte, die die Vorruhestandsproblematik wieder ins Bewußtsein politisch Verantwortlicher hoben. Allerdings spielten bildungspolitische Reaktionen zunächst eine untergeordnete Rolle: Selbsthilfe wurde propagiert, psychosoziale Betreuungsangebote flankierend gefördert. In 1 Vgl. Knopf, D.: Identitätslernen für die nachberufliche Lebensphase. In: Marggraf, J.(Hrsg.): Wie kann Weiterbildung auf das Alter vorbereiten? Heidelberg 1987, 33-47 5 einer Weise, die von den Betroffenen kaum als pietätvoll wahrgenommen werden konnte, wurde – oft in kurzem zeitlichen Abstand zum Arbeitsplatzverlust – den Vorruheständlerinnen ehrenamtliches Engagement als Substitut für Arbeit nahegelegt. Es ist insbesondere das Verdienst der für Bildung und für Seniorenpolitik zuständigen Bundesministerien und das einiger Bundesländer, durch die Förderung von Modellprojekten Anstöße dazu gegeben zu haben, die Arbeit in diesem Bereich weiterzuentwickeln. Im konkreten Fall der vorliegenden Studie handelt es sich um eine im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF, bis 1995 BMBW) durchgeführte zusammenschauende und vergleichende Betrachtung von Vorruhestands-Projekten, die in den Jahren 1993-1997 durch das BMBF gefördert wurden. Im Zentrum stehen dabei die Projektarbeit in den östlichen Bundesländern und theoretische und praktische Fragen pädagogischer Arbeit auch dort, wo die Projekte eher altenpolitische Zielsetzungen verfolgten. Das BMBF hat fünf Modellprojekte gefördert, die allesamt Versuche darstellen, neue Formen der Bildungsarbeit mit Vorruheständlerinnen zu entwickeln und zu erproben bzw. haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiter in dieser Tätigkeit zu unterstützen. Der Verfasser hat es im Rahmen der durch das BMBF angeregten und geförderten kleineren Untersuchung übernommen, die dokumentierten Projektverläufe und erfahrungen unter fachlichen Gesichtspunkten zu sichten und mit ähnlich angelegten Projekten in den neuen Bundesländern zu vergleichen. Auf der Grundlage teilweise schon seit vielen Jahren bestehender, teils neu angebahnter Arbeitsbeziehungen, Diskussionen und mehrerer gezielter Expertengespräche wird der Versuch gemacht, die Erträge der Projektarbeit zu benennen, einer fachlichen Bewertung zu unterziehen und daraus Schlußfolgerungen für künftige Praxis und Förderpolitik zu ziehen. Ein zentrales Anliegen war es dabei, die Initiatorinnen und Betreiber der Projekte in einen kollegialen fachlichen Diskurs zu bringen, der – möglichst wenig belastet von Selbstdarstellungs- und Konkurrenzzwängen – den zwar jeweils unabhängig voneinander in der konzeptionellen und praktischen Projektarbeit gewonnenen, aber in der Zusammenschau doch als gemeinsam wahrzunehmenden Erkenntnisfortschritt deutlich werden läßt. Es ist dem hohen Engagement und der großen Bereitschaft der Kolleginnen und Kollegen zu verdanken, selbstkritisch und reflektiert Erfahrungen und theoretische Schlußfolgerungen aus der Projektarbeit zur Diskussion zu stellen, wenn dieses Anliegen weitgehend realisiert werden konnte. Neben einer größeren Zahl von bilateralen Gesprächen fanden vier Arbeitstreffen und ein zweitägiger Workshop (in Frankfurt/M., Berlin und Potsdam) statt, die unter bestimmte Fragen gestellte ausgearbeitete thematische Beiträge, Diskussionen und Berichte zum Gegenstand hatten. Diese Beiträge wurden – auf Tonband – mitgeschnitten und dokumentiert und jeweils unter geänderten Gesichtspunkten wiederholt zur vertiefenden Diskussion gestellt. Darüber hinaus fanden Gruppendiskussionen und Einzelinterviews mit Vorruheständlerinnen in Dortmund, Madgeburg, Berlin und Potsdam statt sowie Experten- und Einzelgespräche in Stuttgart, Jena, Dresden, Neubrandenburg, Merseburg und Halle. Zwischenergebnisse – und vorläufige Eindrücke des Verfassers – wurden anläßlich von größeren Tagungen in Dortmund (Veranstalter: Deutsche Gesellschaft für Gerontologie und Geriatrie/Deutsches Zentrum für Altersfragen/ZWAR e.V.) und Bad Honnef (Veranstalter: KBE) zur Diskussion gestellt. An einigen Veranstaltungen des ZWAR- bzw. des KBE-Projektes sowie an solchen der ZeitZeugenBörse hat der Verfasser als Beobachter oder Mitwirkender teilgenommen und bei diesen „natürlichen Gelegenheiten“ ausführliche Gespräche mit den Adressaten der Projektarbeit geführt. Darüber hinaus haben die Kolleginnen und Kollegen freundlicherweise sehr bereitwillig Arbeitspapiere und Materialien zur Verfügung gestellt. Der Verfasser bedankt sich herzlich für die überaus ertragreichen und in einer offenen Atmosphäre stattfindenden Diskussionen mit Sylvia Kade (Deutsches Institut für Erwachsenenbildung/DIE), Siglinde Naumann und Wolf-R. Klehm (Zwischen Arbeit und Ruhestand/ZWAR), Andreas Seiverth (Deutsche Evangelische Arbeitsgemeinschaft für Erwachsenenbildung/DEAE), Annette Mörchen, Dirk Grossmann, Bernhard Nacke und Rolf Toonen (Katholische Bundesarbeitsgemeinschaft für Erwachsenen- 6 bildung/KBE), Hanna Perbandt-Brun und Ortfried Schäffter (ZeitZeugenBörse) sowie die instruktiven Beiträge von Dorothea Reinhardt (Selbst-Hilfe im Vor-Ruhestand), Ingrid Witzsche und Ursel Lutze (Akademie 2. Lebenshälfte), Peter Wetzel (Vorruhestand der Chemieregion), Gudrun Aulerich und Thomas Hartmann (QUEM/Lernen im sozialen Umfeld), Ulrike Strate-Schneider (BANA/TU Berlin) und vielen anderen Kolleginnen und „Betroffenen“, die sich für Interviews zur Verfügung stellten. Wo es möglich war, wird auf Ausarbeitungen und Reflexionen von Kolleginnen und Kollegen zurückgegriffen, nicht zuletzt um ein wenig einzufangen von dem konstruktiven und engagierten Charakter des fachlichen Diskurses, der in diesem vergleichsweise neuen Arbeitsfeld vorherrscht. Für Irrtümer und Fehlinterpretationen übernimmt der Verfasser die volle Verantwortung. Mein besonderer Dank gilt dem BMBF für die Unterstützung der Untersuchung, namentlich Frau Dr. Rückert-Dahm, die diese Studie anregte und sich mit großem fachlichen Engagement an der Diskussion beteiligte, und Frau Schmitz, sowie den Kolleginnen, Mitarbeiterinnen und Studierenden an der Fachhochschule in Potsdam für ihr Interesse. Detlef Knopf Potsdam, im Februar 1999 7 8 Inhalt Seite Vorwort 3 Einleitende Vorbemerkungen 5 1. Vorruhestand als Herausforderung für die Erwachsenenbildung 11 1.1 Erwachsenenbildung im Prozeß „reflexiver Modernisierung“ 11 1.2 Zur Situation in den neuen Bundesländern „nach der Wende“ 14 1.3 Tätigkeitsangebote zwischen Arbeitsersatz und sozialer Kontrolle 16 1.4 Zwischen Arbeitslosigkeit und Altersübergang – der uneindeutige Status der Vorruheständler 18 1.5 „Pioniere“ ungesicherter Lebensführung in der Transformationsgesellschaft 20 1.6 Vorerfahrungen: Weiterbildung und Lernen vor dem Berufsaustritt 22 1.7 Projektarbeit mit Vorruheständlern als Handlungsfeld zwischen Beschäftigungsförderung und Selbstorganisation 24 1.8 Modellprojekte mit altenpolitischem Akzent 31 2. Bildungsarbeit mit Vorruheständlern – Modellprojekte 39 2.1 Weiterbildung als Beitrag zur Bewältigung des vorzeitigen (und oft unfreiwilligen) Ruhestands 39 2.2 Kurzer Überblick über die geförderten Modellprojekte 41 2.2.1 Das KBE-Projekt „Aktiver Vorruhestand“ 41 2.2.2 Das Projekt „Die andere Geschichte. Spurensicherung im Vorruhestand“ des Deutschen Instituts für Erwachsenenbildung (DIE) 43 Das Projekt „Bildungsarbeit mit Menschen in der nachberuflichen Lebensphase“ der Deutschen Evangelischen Arbeitsgemeinschaft für Erwachsenenbildung e.V. (DEAE) 44 2.2.4 Die Berliner „ZeitZeugenBörse“ e.V. 47 2.2.5 Das ZWAR-Projekt „Entwicklung und Erprobung eines spezifischen Weiterbildungskonzepts für Vorruheständler/innen und Senioren in den neuen Bundesländern“ 49 Umbruchsprozesse in den neuen Ländern - Probleme und Herausforderungen für die Projektarbeit 51 2.3.1 Westdeutsche Träger für Projekte in den neuen Ländern 51 2.3.2 Prägungen und Tradition(sbrüche) im Handlungsfeld 52 2.4 Konzeptionelle Schwerpunktsetzungen 55 2.4.1 „Engagement durch Bildung – Bildung durch Engagement“ – Handlungsorientierung im KBE-Projekt 55 „Ermöglichungsräume“ als Leitkonzept des DEAE-Projektes – pädagogische Praxis und ein sie überschreitender normativer Gehalt 61 2.2.3 2.3 2.4.2 9 2.4.3 Die Hervorbringung von „Orten der Bildung“ – das DIE-Projekt 65 2.4.4 Didaktik und Lehren im Kontext eines altenpolitisch geprägten Projekts – „Gegensteuerung“ als pädagogische Praxis in der ZeitZeugenBörse und anderen Projekten 71 Alltagsbezogene Bildungsarbeit mit Vorruheständlern – Kompetenzprofile für die Begleitung zieloffener Entwicklungsprozesse am Beispiel des ZWAR-Projektes 77 3. Einige zusammenfassende Betrachtungen 83 4. Konsequenzen und Empfehlungen 87 2.4.5 Kommentierte Literaturliste 91 10 1. Vorruhestand als Herausforderung für die Erwachsenenbildung 1.1. Erwachsenenbildung im Prozeß „reflexiver Modernisierung“ Institutionalisierte Erwachsenenbildung hat sich in der Vergangenheit schon oft als Spiegel, Interpretin und Symptomträgerin gesellschaftlichen Wandels erwiesen, zugleich aber auch antreibend und beschleunigend gewirkt. Während sie jedoch früher als Modernisierungsinstanz in Erscheinung treten, 1 aus einer externen Position ihren jeweiligen Adressatengruppen und Teilnehmerinnen Orientierung bieten und sie für die Bewältigung neuer Herausforderungen qualifizieren konnte, scheint sie heute mehr 2 und mehr diesen vergleichsweise sicheren Boden zu verlieren. Die „reflexive Modernisierung“ unserer Gesellschaft, die so vielen Menschen im Alltag eindrücklich erlebbar macht, daß ihr Leben und die Welt „immer auch anders sein“ könnten (Beck/Giddens/Lash 1996, 11), zieht die Erwachsenenbildung hinein in komplexe Prozesse der Selbstvergewisserung von Personen, gesellschaftlichen Gruppen und Institutionen. Ohne selbst über Sicherheit zu verfügen, in mehr oder weniger klarer Wahrnehmung der Tatsache, daß die reflexive Modernisierung keineswegs als geplante, gewollte, gewußte, sondern als unerwartete, oft schockartig hereinbrechende und unerbittlich drängende Herausforderung, als zumindest vorübergehender Kontrollverlust, in Erscheinung tritt, wird die Erwachsenenbildung in vielfältiger Weise in Auseinandersetzungen mit durch die Transformationsprozesse ausgelöster Unsicherheit involviert. Ihrer Tradition gemäß hat sie sich in ihrem Selbst- und Aufgabenverständnis vorwiegend über Leistungen für ihre Umwelten definiert, deren Anforderungen sie zwar nicht ungefiltert umsetzt (und umsetzen kann), aber nur selten konsequent an einem pädagogischen Eigensinn „bricht“. Die eigentlich hoch zu bewertende Qualität der Erwachsenenbildung, auf Veränderungen ihrer Umwelten sensibel zu reagieren, sich einzustellen auf neue Anforderungen von außen, führt heute in dem Maße zu Turbulenzen, wie der Erwachsenenbildung im Zuge des diagnostizierten Übergangs zu einer „Wissensgesellschaft“ die ganze Vielfalt des Lernens Erwachsener auch jenseits ihrer Organisationsgrenzen und 3 jenseits funktional-didaktisierter Einwirkung deutlich wird. Menschen haben angesichts der erhöhten Selbstgestaltungszwänge in ihrer Lebensführung schon vielfältige Formen alltagsgebundenen Lernens entwickelt oder greifen auf mehr oder weniger geeignete Lernformen zurück, die in ihrem Eigengewicht und ihrer lebensweltlichen Relevanz von der Erwachsenenbildung anerkannt werden müssen. Eine wichtige Lernaufgabe für die Erwachsenenbildung wird sein, sorgsamer zu beobachten, wie in Alltagszusammenhängen gelernt wird und wie sie die dort zu konstatierenden Lernprozesse unterstützen kann. Die hier vorgelegte Studie über Modellprojekte mit Vorruheständlern wird an vielen Stellen aufzeigen, wie notwendig gerade die Entwicklung professioneller Deutungen der gesamtgesellschaftli- 1 2 3 In der vorliegenden Arbeit wird abwechselnd gelegentlich die männliche, gelegentlich die weibliche Form gewählt. Sind ausdrücklich männliche oder weibliche Personen(gruppen) gemeint, wird dies angemerkt. Vgl. Beck, U./Giddens, A./ Lash, S.: Reflexive Modernisierung. Eine Kontroverse. Frankfurt/M. 1996 Aus der Perspektive der Profession werden diese Erfahrungen als „Zerfaserungsprozesse“ beschrieben: vgl. Gieseke, W. u.a. (Hrsg.): Zentrifugale und zentripetale Kräfte in der Disziplin der Erwachsenenbildung. Ein Diskurs über die Gründe der Zerfaserungsprozesse in der Erwachsenenpädagogik. Mainz 1989; vgl. auch Faulstich, P.: Chaos, Clowns und reflexive Kompetenz. In: Arbeitsgemeinschaft Qualifikations-Entwicklungs-Management (Hrsg.): Lernen im Chaos. Lernen für das Chaos. QUEM-report, Heft 52, Berlin 1998, S. 59-66: Die Erwachsenenbildung „wandert (...) aus den Institutionen aus, verfängt sich in Massenmedien oder privatisiert sich in ‚Selbstlernen‘“ (S. 62); Brödel, R.: Suche nach erwachsenenpädagogischen Arbeitshypothesen. In: a.a.O., S. 41-50: Es gilt „die zunehmende Vielfalt von Lernvorgängen, die außerhalb der klassischen Lehr-Lernsituation des Seminars oder der stoffzentrierten Weiterbildungsveranstaltung angesiedelt sind, bewußter als bisher zur Kenntnis zu nehmen.“ (S. 46) 11 chen Funktion lebenslangen Lernens ist, wie selten noch die Bildungspraxis auf intern entwickelte Selbstkonzepte zurückzugreifen vermag, die sie als normatives Raster an gesellschaftliche Phänomene 4 herantragen kann. Zugleich möchte sie dazu beitragen, ein umfassenderes Verständnis von Lernen und Lehren in Projektzusammenhängen zu entwickeln. Erwachsenenbildung kann nur unter der Voraussetzung Relevanz für die Lebensgestaltung ihrer Adressaten erhalten, daß sie radikal bricht mit der Vorstellung, sie könne als Begleiterin lebenslanger Lernprozesse zielsicher die Richtung angeben. Die hier vorgestellten Modellprojekte können verdeutlichen, daß die Erwachsenenbildung angesichts zieloffener Entwicklungsprozesse bestenfalls kurzzeitig Perspektiven „vorgeben“ kann, denn jene Ziele werden im Prozeß durch die Lernenden gefunden und mitbestimmt: Ihre Bedeutung für Menschen in dem Vorruhestand vergleichbaren Umbruchsituationen liegt wahrscheinlich darin, daß es prinzipiell nicht 5 möglich ist, das angestrebte Ergebnis im Bildungsangebot vorwegzunehmen. Der „Vorruhestand“ kann in diesem Zusammenhang durchaus als paradigmatisch angesehen werden. Die Vorruhestandssituation hat die Betroffenen insbesondere in den östlichen Bundesländern – so wird ausnahmslos in allen wissenschaftlichen und journalistischen Arbeiten hervorgehoben – „unerwartet“ getroffen. Plötzlich mit völlig veränderten gesellschaftlichen und betrieblichen Bedingungen konfrontiert zu sein, angesichts massiver Entlassungswellen und ökonomischer Zusammenbrüche, des Entstehens industrieller Brachen und des Wegfalls mit den Betrieben verbundener sozialer und kultureller Bezüge als „Problemgruppe des Arbeitsmarktes“ identifiziert zu werden, die eindrücklich aufgefordert wird, durch Ausscheiden aus dem Arbeitsprozeß eben jenen Markt zu „entlasten“: diese Erfahrungen mußte mehr als eine Million Menschen in den ersten Jahren nach der staatlichen Wiedervereinigung Deutschlands machen. Die beschleunigt verlaufende Systemtransformation traf auf Menschen, die „nicht vorbereitet“ waren auf solche gravierenden biographischen und sozialen Umbrüche. Sie zu antizipieren war nicht möglich gewesen. Biographischer Selbststeuerungsbedarf, Individualisierungszwänge und ähnliche im Westen Deutschlands schon länger wahrzunehmende Phänomene waren den Betroffenen fremd. Darin eine Begleiterscheinung nicht nur des Systemwandels, sondern Vorboten eines noch grundlegenderen Transformationsprozesses der Arbeitsgesellschaft zu sehen, war der überwältigenden Mehrheit der vorzeitig „freigesetzten“ Menschen nicht möglich. Aber auch die teilweise recht hilflosen oder von durchsichtigen Profitinteressen geprägten Qualifizierungs- und Umschulungsmaßnahmen in den ersten Jahren nach der „Wende“ zeugen davon, daß auch die institutionalisierte Erwachsenenbildung die Radikalität der sich vollziehenden Transformationen nicht recht durchschaute. Dabei waren es gerade solche eng von arbeitsmarktpolitischen Vorgaben bestimmten Qualifizierungsangebote, durch die die Erwachsenenbildung in den zunächst oft noch geradezu improvisierten Formen „beruflicher Weiterbildung“ und Umschulung die 6 Alltagswelt der Menschen in den östlichen Bundesländern erreichte. Die Polarität „verwertbar (für den Arbeitsmarkt)/nicht verwertbar“ bestimmte nicht nur untergründig die Wahrnehmungsweise, sondern 4 5 6 Vgl. zu dieser These die grundlegende Studie von Ortfried Schäffter: Weiterbildung in der Transformationsgesellschaft. Zur Grundlegung einer Theorie der Institutionalisierung (Berlin 1998, hier: S. 48), die dem Verfasser freundlicherweise als Manuskript zur Verfügung gestellt wurde. Dieser Arbeit sowie persönlichen Gesprächen, fachlichen Diskursen und theoretisch-konzeptionellen Papieren Schäffters verdanke ich vielfältige Anregungen, für die ich mich herzlich bedanke. Siehe dazu Schäffter, O.: Perspektiven selbstbestimmter Produktivität im nachberuflichen Leben. Wider den Trend zu einem kurativen Bildungsverständnis. (Manuskript) Berlin 1998. Der Beitrag wird 1999 in einem u.a. von P. Zeman herausgegebenen Band zur nachberuflichen Bildungsarbeit erscheinen. Für die Teilnehmerinnen war es „Erstberührung mit westlicher Weiterbildung“ – so der Titel eines Beitrages von R. Brödel, in: Küchler, F.v./Kade, S. (Hrsg.): Erwachsenenbildung im Übergang. Frankfurt/M. 1992, S. 134-144 12 trug – mit massiven Auswirkungen auf die nicht oder nur schlecht „verwertbaren“ Teilnehmer – zugleich zur Schaffung einer eigentümlichen „Maßnahmenkultur“ im Umfeld von Beschäftigungs- und Arbeitsförderung bei, der nicht nur Bildungsexpertinnen die Qualität, lernförderliche Strukturen geschaf7 fen zu haben, energisch bestreiten. Der Erwartungshorizont und die Mentalitäten der an Erwachsenenbildung beteiligten oder ihr fern bleibenden Menschen sind vielerorts in den östlichen Bundesländern bis heute geprägt von jener eigentümlichen Simulation beruflicher Tätigkeit und der Inszenierung darauf vermeintlich bezogener „beruflicher Weiterbildung“, die suggerieren, der Massenarbeitslosigkeit sei mit individueller Qualifizierungsbereitschaft und einem Verharren in einer gesellschaftlichen „Stand-by“-Position beizukommen. Solche Spielarten beruflicher Qualifizierung, die allerdings – entlarvend genug! – ältere Arbeitnehmer mehr und mehr ausschlossen und ihnen – wenn überhaupt – auch nur als Überbrückung zu einem finanziell und sozial abgesicherten Status als vorzeitig Verrenteter sinnvoll erschienen, haben zu lange den Blick verstellt auf andere mögliche Optionen, diese Lebensphase mit Angeboten institutioneller Bildung zu begleiten. Damit wurde in Ostdeutschland zunächst nicht an Erfahrungen angeknüpft, die seit Ende der siebziger Jahre in der alten Bundesrepublik gemacht worden waren. Neben der Propagierung und teilweise auch Unterstützung von Selbsthilfeinitiativen und –projekten war im Westen die Entwicklung von Bildungsangeboten die andere charakteristische Reaktion darauf, daß sich für viele Menschen zwischen die vorzeitige Beendigung des Erwerbslebens und das Erreichen des Ruhestandsalters ein immer größerer Zeitraum, der zu gestalten war, geschoben hatte. Viele größere und kleinere Bildungsträger über8 setzten ihre in Veranstaltungen zur „Vorbereitung auf den Ruhestand“ oder in der Altersbildung gewonnenen Erfahrungen in Angebote an die neu entstandene Personengruppe um. Daß dabei ganz und gar uneinheitliche Etikettierungen wie „Frührentner“ „junge Alte“, „aktive Senioren“ etc. gebraucht wurden, macht die konzeptionelle Unsicherheit und ihre Herkunft aus der Altersbildung deutlich. Selten wurde eine so pointierte Bezeichnung gefunden wie bei dem schon 1987 von Naegele als „klassisch“ bezeichneten Modellprojekt „Zwischen Arbeit und Ruhestand“ (ZWAR), das bereits Ende der siebziger Jahre im Ruhrgebiet stadtteilbezogen Gruppen von Vorruheständlern aufgebaut hat, die ihr Programm und ihr Aktivitätsprofil mit Unterstützung von Erwachsenenbildnern, die sich weitgehend auf 9 Prozeßbegleitung und Moderation beschränkten, selbst entwickelten. Auch wenn eine Vielzahl von Bildungsangeboten untersetzt war mit untergründigen Defizitzuschreibungen und Hilfe-Attitüden war doch ein Handlungsfeld erschlossen, in dem unter Gesichtspunkten des Lernens und der Bildung nach adäquaten Zugängen zu der neuen Problematik gesucht werden konnte. 7 Vgl. Brödel, R.: Weiterbildung der Arbeitslosen. In: Tippelt, R. (Hrsg.): Handbuch Erwachsenenbildung/Weiterbildung. Opladen 1994, S. 580-588 8 Einen Einblick in den Diskussionsstand Anfang der achtziger Jahre gibt: Knopf, D.: Bildung zur Vorbereitung auf das Alter und Altenbildung. In: Arbeitsgruppe Fachbericht über Probleme des Alterns: Altwerden in der Bundesrepublik Deutschland. Bd. II. Berlin 1982, 495-538 9 Als Überblick eignen sich: Naegele, G. (Hrsg.): Maßnahmen zur Bewältigung der Frühverrentung. Köln 1987 und Dieck, M./Naegele, G./Schmidt, R. (Hrsg.): „Freigesetzte“ Arbeitnehmer im 6. Lebensjahrzehnt – eine neue Ruhestandsgeneration? Berlin 1985. Zum „ZWAR“-Projekt siehe: Klehm, W.-R.: ZWAR (Freizeitinitiativen zwischen Arbeit und Ruhestand). Gruppennetzwerke als Antwort auf riskante Übergänge in den (Vor-) Ruhestand. In: Schweppe, C. (Hrsg.): Soziale Altenarbeit. Pädagogische Arbeitsansätze und die Gestaltung von Lebensentwürfen im Alter. Weinheim/München 1996, S. 187-206 13 1.2. Zur Situation in den neuen Bundesländern „nach der Wende“ Den Massenentlassungen von älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in den östlichen Bundesländern, die allein in ihren quantitativen Dimensionen jene in den alten Ländern in jeder Hinsicht übertrafen, konnte seitens der Bildungsarbeit zunächst wenig entgegengesetzt werden. Dabei ist in Erinnerung zu rufen, daß sich die meisten Bildungsträger in Restrukturierungs- und Neuaufbauprozessen befanden. Zuerst waren es deshalb vorwiegend Selbstorganisationen von Betroffenen wie der Verband „Jahresringe“, teilweise auch Arbeitslosen-Organisationen und im Rahmen bürgerschaftlicher oder politischer Initiativen entstandene Gruppen, die sich zunächst einmal dafür einsetzten, daß die freigesetzten Menschen das Gefühl zurückgewinnen konnten, daß ihnen zumindest in Teilbereichen und in der überschaubaren Alltagswelt die Kontrolle über die übermächtig hereinbrechenden Veränderungen nicht vollständig entglitt. Aus der Sozialpsychologie ist bekannt, daß für die Verarbeitung solcher Prozesse entscheidend ist, wo der „locus of control“ gefunden wird: ob nämlich ein positives Bild der eigenen Handlungsfähigkeit und der Gestaltbarkeit der Lebensbedingungen aufrechterhalten oder wiedergefunden werden kann, um nicht von Angst, Hoffnungslosigkeit und Hilflosigkeit demoralisiert zu 10 werden. Den Initiativen ist es teilweise kurzfristig, teilweise auch dauerhaft gelungen, Frustration, Wut und Verzweiflung der vorzeitig Freigesetzten aufzufangen und ihre Situation durch die Stiftung neuer oder die Wiederbelebung vorgängig vorhandener, jetzt aber schwächer gewordener sozialer Netze zu stabilisieren. Sie ergänzten ihre auf die Stärkung des Gemeinschaftslebens zielenden Aktivitäten mehr und mehr durch selbstorganisierte Informations- und Bildungsangebote für ihre Mitglieder und andere Betroffene (z.B. über das aus der alten Bundesrepublik übernommene System der sozialen Sicherung, Sprachkurse u.a.). Durch die erfolgreiche Einwerbung von AB-Mitteln und anderen Fördermöglichkeiten aus dem Umfeld des Arbeitsförderungsgesetzes gelang es, einigen Engagierten auch die zwischenzeitliche Rückkehr in bezahlte Arbeit zu ermöglichen, was zweifellos die Attraktivität solcher Organisationen für alle diejenigen Personen erhöhte, deren Status unsicherer war als jener der formell im Vorruhestand oder Altersübergang befindlichen. Durch den zunehmenden Austausch zwischen den SelbsthilfeInitiativen, Kontaktaufnahme mit den vielerorts in den westlichen Bundesländern und Berlin entstandenen Projekten von und mit „jungen Alten“ und schließlich überregionale und internationale Kontakte erfuhren diese Gruppen Anregungen für die Ausgestaltung ihres internen Organisationslebens und ihrer Umweltbeziehungen: Wissensbörsen, ErzählCafés, Zeitzeugenbörsen, Schreibwerkstätten, Interessenbörsen, ehrenamtliche Reparaturdienste u.a., die unter anderen gesellschaftlichen Rahmenbedingungen insbesondere in den achtziger Jahren entstanden waren und sich recht schnell verbreitet hatten, wurden nun als nachzuahmende Beispiele aufgegriffen und von Interessierten im Rahmen der Projekte mit mehr oder weniger Erfolg aufgebaut. Es war auffällig, daß sich fast alle Gruppen um eine Verbindung interner Entwicklung und Tätigwerden nach außen bemüht haben – darin unterschieden von Selbsthilfegruppen, deren positive Wirkungen häufig gerade auf einer Abschließung nach außen beruhen. Während die Pflege von Geselligkeit, das Zusammenführen von Menschen mit ähnlichen Interessen und Hobbys und die Herausbildung kontinuitätssichernder, an betrieblichen oder anderen Vorerfahrungen orientierter Umgangsformen zu den wichtigsten internen Leistungen dieser Gruppen gehörte, haben sie in ihrer Mehrzahl auch „Angebote“ für ebenfalls Betroffene oder andere Personen und Institutionen entwickelt. Die Semantik vieler Gruppen ist geprägt durch Begriffe wie Solidarität, 10 Die Förderung eben jenes „Kohärenzsinnes“ durch erwachsenenpädagogische Initiierungs- und Lernprozesse gehört zu den programmatischen Zielen des Modellprojektes der Deutschen Evangelischen Arbeitsgemeinschaft für Erwachsenenbildung (DEAE): vgl. Seiverth, A./Köllner, I.-M. (Hrsg.): Leben und Lernen im Transformationsprozeß der Arbeitsgesellschaft. Entwürfe. Themen der evangelischen Erwachsenenbildung 9-11. Karlsruhe 1997, hier: S. 12 14 Gemeinschaft, Helfen, Beraten, Unterstützen. Tatsächlich haben sie nicht nur Bereitschaft signalisiert, Kompetenzen und Fähigkeiten für andere bereitzustellen, sondern auch konkrete Hilfe- und Beratungsleistungen erbracht: zum Beispiel Informationsveranstaltungen über veränderte rechtliche, politische etc. Bedingungen nach der „Wende“, Unterstützungsaktivitäten für alte Menschen und Kinder, Engagement in kommunalen Angelegenheiten. In den östlichen Bundesländern wurden sie dadurch zu möglichen Kooperationspartnern für Gemeinden und Ämter – einschließlich der Arbeitsämter – die Gelegenheiten suchten, für die Realisierung sozialintegrativer Ziele geeignete Träger und engagierte Bürgerinnen zu gewinnen. Zugleich haben aber einige von ihnen sich der Gefahr ausgesetzt, von den behördlichen Vorgaben, Vorschriften und Auflagen dominiert zu werden und kein eigenständiges Profil ausbilden und erhalten zu können. Die freie und kommunale Wohlfahrtspflege fand für eine lange Zeit keinen rechten Zugang zu der Gruppe der Vorruheständlerinnen, die ja noch nicht zu den Alten – einer vertrauten Klientel – zählten, aber schon gewisse Merkmale, insbesondere den Status als nicht mehr Erwerbstätige, mit ihnen teilten. Die eigentümliche Übergangslage zwischen Erwerbstätigkeit, Arbeitslosigkeit und Rentenalter, in der Vorruheständlerinnen sich befinden, führt auch dazu, daß sie „ in das bestehende System politischer Interessenvermittlung durch Verbände, Organisationen und Parteien sowie in die Zuständigkeitsdefinition öffentlicher Verwaltungen nicht hineinpassen. Weder Gewerkschaften noch Rentnerverbände noch der Arbeitslosenverband fühlen sich `wirklich` für die Vorruheständler zuständig. Und auch in der öffentlichen Sozialverwaltung werden ihre Anliegen und Belange zwischen Arbeitsamt, Sozialamt und 11 den Ressorts Kultur bzw. Weiterbildung etc. hin und her geschoben.“ In einer schwer zu übersehenden konzeptionellen Hilflosigkeit wurden die Vorruheständler deshalb oft kurzerhand unter Etikettierungen wie „junge Alte“ oder „aktive Menschen im nachberuflichen Leben“ der Seniorenarbeit zugeordnet, die ihrerseits – so die Hoffnung – durch die Impulse der noch Jüngeren Modernisierungsanstöße erhalten sollte. Kommunale Einrichtungen des Sozial-, Kultur- und Bildungssektors einschließlich der Volkshochschulen weiteten ihr Angebot aus und schlossen nun Vorruheständlerinnen ausdrücklich in Sonderprogramme mit ein, die ursprünglich für Senioren gedacht waren. Daß sie überhaupt in den Blick dieser Einrichtungen gerieten mag an den bis dato ungekannten quantitativen Dimensionen der Freisetzungsprozesse gelegen haben, die offenkundig in großer Zahl Menschen betrafen, die unter in der DDR gegebenen Bedingungen noch berufstätig gewesen wären. Durch den Verlust der Erwerbsarbeit und die rapide Entwertung der in vielen Jahren in beruflichen und gesellschaftlichen Erfahrungsprozessen 12 auf. Hauptanliegen der erworbenen Kompetenzen tat sich eine „Vergesellschaftungslücke“ Einrichtungen war es dazu beizutragen, diese zumindest durch symbolische Politik zu schließen. Dabei wurde in der Regel nach Möglichkeiten gesucht, Ersatz zu beschaffen für die nicht mehr vorhandene Erwerbsarbeit, indem man nachberufliches ehrenamtliches Engagement propagierte und förderte. Die Bundesländer Sachsen und Brandenburg legten dazu eigene Programme auf für Personen, die zwischen 55 und 60 Jahre alt, arbeitslos oder im Vorruhestand bzw. Altersübergang waren und in beständigen gemeinnützigen Projekten ehrenamtlich – gegen eine steuerfreie Aufwandsentschädigung von monatlich 13 200 DM – tätig werden wollten. 11 12 13 Jakob, G./Olk, T.: Die Statuspassage des Vorruhestands im Transformationsprozeß Ostdeutschlands. In: Löw, M./ Meister, D./Sander, U. (Hrsg.): Pädagogik im Umbruch. Kontinuität und Wandel in den neuen Bundesländern. Opladen 1995, S. 35-57, hier: S. 52 Wolf, J.: Die Vergesellschaftungslücke. Der Vorruhestand in den neuen Bundesländern. In: Zeitschrift für Sozialreform 37 (1991) 11/12, S. 723-735 vgl. Gehrmann, G.: „55 Aufwärts in Brandenburg“. In: EURAG-Information, 7 (1994), S. 6-7 und Hoffmann, R.: Analyse der betroffenen Personengruppe. In: BMBW/Konzertierte Aktion Weiterbildung: Unfreiwillig in den vorzeitigen Ruhestand – kann Weiterbildung helfen? Werkstattgespräch mit Betroffenen und Projektträgern am 9. und 10. Juni 1993 in Ludwigsfelde. Bonn 1994, S. 9-13 15 1.3. Tätigkeitsangebote zwischen Arbeitsersatz und sozialer Kontrolle Das Grundmotiv, drohendem Sinnverlust und sozialer Desintegration als Folge der Freisetzung aus dem Erwerbsleben durch Tätigkeitsangebote zu begegnen und somit Arbeit durch ehrenamtliche Tätigkeit zu substituieren, dominiert bei sehr vielen der Reaktionsweisen gesellschaftlicher Institutionen auf die Vorruhestandssituation. Es ist bei kritischer Analyse kaum zu übersehen, daß den Bemühungen, den Vorruheständlerinnen beizustehen bei der Wiedergewinnung und Sicherung gewohnter Lebensroutinen und Ordnungen, mehr oder weniger offensichtlich Kontrolltendenzen innewohnen. In gewisser Hinsicht wird damit eingestanden, daß für die Vorruhestandssituation Entpflichtung und sukzessives Disengagement, das Rentnern erlaubt und nahegelegt wird, noch nicht passend erscheint und daß das 14 Geschäftigkeitsgebot des Arbeitslebens zunächst weiterwirken soll, um „Normalität“ zu sichern. Die Situation wird dadurch verschärft, daß auf der anderen Seite der Ruhestand als Vergesellschaftungsmedium der nicht länger erwerbstätigen, älteren Erwachsenen Eindeutigkeit und Wirksamkeit eingebüßt hat. Die Institution des Ruhestandes war historisch und strukturell gekoppelt an die Annahme einer qualitativen und quantitativen Kontinuität der Arbeitsfähigkeit und -tätigkeit, die mit eben diesem Ruhestand ihr Ende findet. Schon die heutige Realität der Beschäftigungsverhältnisse und erst recht künftige Szenarien entsprechen der Annahme einer kontinuierlichen Erwerbsbeteiligung nicht mehr. In unserer Gesellschaft wird das Alter nach wie vor primär und in abgeleiteter Form über Erwerbsarbeit in Gestalt des Ruhestandes vergesellschaftet. Es läßt sich aber feststellen, daß die „bisherige primäre Vergesellschaftung der nicht Erwerbstätigen – so auch alter Menschen – über Sozialpolitik und soziale Sicherung .. zunehmend als unrealisierbar (nicht mehr finanzierbar, nicht mehr legitimierbar, Selbsthilfe blockierend etc.)“ erscheint: „Auf individueller Ebene entspricht dem das Fraglichwerden der Vergesellschaftung über die soziale (Nicht-)Rolle des Ruheständlers. Insgesamt ist die Vergesellschaftung einerseits unsicherer, andererseits pluraler geworden. Die zentralen Vergesellschaftungsmedien haben sich jedoch (noch) nicht entsprechend pluralisiert; hier bleibt weitgehend die einseitige Orientierung an sozialstaatlich geregelten ‘Ansprüchen`und Verfahrensweisen bestehen“ 15 (Backes). Die Kopplung an andere Medien der Vergesellschaftung funktioniert bislang schon deshalb nicht hinreichend, weil die von Backes so bezeichnete soziale (Nicht-)Rolle des Ruheständlers solche Kopplungen bislang nicht vorsieht. Im Zuge der Sozialstaatsentwicklung ist Alter als kollektive soziale Lebensphase konstituiert worden, deren Vergesellschaftung einerseits durch die Herauslösung aus dem zentralen Vergesellschaftungskontext der Erwerbsarbeit und durch die Schaffung ausdrücklich dafür eingerichteter Institutionen wie Altersgrenze, soziale Sicherung durch Rente und Altenhilfe andererseits gewährleistet wurde. Durch Modernisierungsprozesse, die die ganze Gesellschaft betreffen, scheint sich die Dreiteilung des Lebenslaufes, die Verklammerung von Sozialstaat und Lebenslaufregime und damit auch die Institution Ruhestand als zentrales Vergesellschaftungsmodell im Alter zunehmend aufzulösen. Niemand kann heute mit Bestimmtheit sagen, wodurch dieses Modell abgelöst wird. Derzeit ist die Situation sowohl normativ (welche Ziele, Normen, Werte sollen gelten?) als auch instrumentell (welche 16 Mittel werden gewählt?) unbestimmt. In unserem Rahmen kann dieser Problematik nicht nachgegan- 14 15 16 Der amerikanische Gerontologe Ekerdt prägte dafür den Begriff der „Geschäftigkeitsethik“ – Ekerdt, D.: The busy ethic: Moral continuity from work to retirement. In: The Gerontologist 26 (1986), S. 239-244 Backes, G. M.: Alter(n) als „gesellschaftliches Problem“? Zur Vergesellschaftung des Alter(n)s im Kontext der Modernisierung. Opladen 1997, hier: S. 368 vgl. dazu Backes (Fußnote 15), S. 302ff. 16 gen werden. Allerdings scheint mit Hinblick auf die Situation der Vorruheständlerinnen die Beobachtung von zentraler Bedeutung zu sein, daß die Lebensphase jenseits der Erwerbsarbeit – in der Menschen in Situationen angetroffen werden können, die in sozialer Hinsicht folgenreich unterschiedlich geprägt werden von teilweise lang andauernder Arbeitslosigkeit, Erwerbsunfähigkeit, Frühverrentung, Vorruhestand, Teilzeitbeschäftigung, Weiterarbeit unter veränderten Bedingungen – nicht länger als eine wie auch immer zu bewältigende Übergangszeit in einen dann schließlich doch einigermaßen wohldefinierten, weitgehend gesicherten Ruhestand angesehen werden kann. Vielmehr können im Ruhestand durchaus Merkmale nicht nur normativer Unbestimmtheit, nicht nur finanzieller Unsicherheit, nicht nur legitimatorischer Fragwürdigkeit weiterwirken oder sogar verstärkt auftreten. Das kann nicht ohne Folgen für die Bildungsarbeit sein: Schon die Pluralität und Variabilität der Lebenssituationen beim Austritt aus dem Erwerbsleben erschwert eindeutige Zuordnungen. Dennoch bleiben die Reaktionsweisen relevanter gesellschaftlicher Institutionen auf die Vorruhestandsproblematik sehr weitgehend dem Modell der Erwerbsarbeit und des dadurch mitdefinierten Ruhestandes verhaftet. Es bleibt im Rahmen dieser Reaktionsweise konstitutiv und legitimierend auch dort, wo die individuelle Sinnerfüllung des Lebens und die Selbstgestaltung der Biographie aus17 Diese kommen müssen ohne eine realistische Perspektive auf Re-Integration in den Arbeitsmarkt. Position gerät in Schwierigkeiten in dem Moment, wo Arbeit als gesellschaftlich dominante Leitinstitution im Zuge gesellschaftlicher Transformation nicht länger mit Erwerbstätigkeit zusammenfällt, soziale Sicherheit nicht länger eindimensional von Erwerbsbeteiligung abhängig gemacht werden kann und – dieses wird gerade von der evangelischen Erwachsenenbildung mit Nachdruck betont – Berufstätigkeit nicht länger als konkurrenzlose Vorgabe für „rationale Lebensführung“ verstanden wer18 den kann. Für die Erwachsenenbildung hat dies zur Folge, daß sie – was bezeichnenderweise gerade 19 in der betrieblichen Weiterbildung thematisiert wird – einen komplexeren Arbeits- und Berufsbegriff entwickeln muß und beispielsweise Persönlichkeitsbildung nicht länger in einen Gegensatz mit dem zweckbezogenen Lernen stellen, das Verhältnis von Qualifizierung und Bildung nicht per se als Antagonismus beschreiben kann. Während die Erwachsenenbildung begonnen hat, ein umfassenderes Verständnis menschlicher Arbeit – das in Entwicklungen der aktuellen Arbeitsstrukturen mit einer Verstärkung kommunikativer und kreativerer Problemlösungsstrategien, gruppenbezogener Verläufe 20 und Selbstorganisationselementen empirische Anregungen finden kann – wiederzugewinnen und teilweise das im herkömmlichen Arbeitsbegriff als jenseitig Ausgegrenzte (Spiel, Gelassenheit, Ergebnisoffenheit, Subjektivität u.a.) zu rehabilitieren, hält die Praxis der Vorruhestandsarbeit allzu oft 21 noch an einengenden erwerbsarbeitsförmigen Leitbildern fest. Sie legitimiert sich dann durch „zähl- 17 18 19 20 21 Dieser Zusammenhang wird sorgsam reflektiert bei Seiverth 1997 (Fußnote 10) Vgl. Schäffter 1998 (Fußnote 4), S. 228 ff. und – für die evangelische Erwachsenenbildung – Seiverth 1997 (Fußnote 10), S. 9f. Vgl. u.a. Arnold, R.: Betriebliche Weiterbildung. Bad Heilbrunn/Obb. 1991; Ders.: Berufsbildung. Annäherungen an eine Evolutionäre Berufspädagogik. Baltmannsweiler 1994; Ders.: Von der Weiterbildung zur Kompetenzentwicklung. Neue Denkmodelle und Gestaltungsansätze in einem sich verändernden Handlungsfeld. In: Kompetenzentwicklung `97: Berufliche Weiterbildung in der Transformation – Fakten und Visionen. Hrsg. von der Arbeitsgemeinschaft QualifikationsEntwicklungs-Management Berlin. Münster/New York/München/Berlin 1997, S. 253-307 vgl. Faulstich, P.: „Neue Techniken“ – „Neue Produktionskonzepte“ – „Neuer Rationalisierungstyp“ – Neue Aufgaben der Erwachsenenbildung. In: Mader, W.: Zehn Jahre Erwachsenenbildungswissenschaft. Bad Heilbrunn/Obb. 1991, S. 89-101 vgl. von Kondratowitz, H.-J.: Jenseits der Erwerbszentrierung? Probleme der soziologischen und sozialpolitischen Standortbestimmung von Projekten nachberuflicher Arbeit. In: Dieck, M. u.a. (Hrsg.): „Freigesetzte“ Arbeitnehmer im 6. Lebensjahrzehnt – eine neue Ruhestandsgeneration? Berlin 1985, S. 270-288 17 bare Ergebnisse“, durch Leistung, durch Wertschöpfungsbeiträge, sie setzt sich Ziele, die von „selbstbestimmter Produktivität im nachberuflichen Leben“ (Schäffter) dadurch weit entfernt sind, daß sie Aktivität und Engagement nicht aus der „Arbeitsförmigkeit“ entlassen. Auch jenseits des Arbeitslebens 22 behält dieses die Subjektivität der Akteure „im Griff“. 1.4. Zwischen Arbeitslosigkeit und Altersübergang – die Uneindeutigkeit des sozialen Status der Vorruheständler Der Vorruhestand steht heute synonym für höchst differenzierte, inhomogene Lebenslagen von Menschen vor dem Eintritt in den Ruhestand, die nicht (mehr) erwerbstätig sind. Darunter mögen solche sein, die endgültig die Erwartung aufgegeben haben, einen Wiedereinstieg in den Erwerbsarbeitsmarkt vollziehen zu können; andere suchen – sehr oft erfolglos – nach Möglichkeiten, in den Jahren bis zum Erreichen des Ruhestandsalters zumindest in bezahlten Beschäftigungsverhältnissen zu verbleiben. Einige sind auf Grund ihrer arbeitsrechtlichen Position gehalten, dem Arbeitsmarkt weiterhin „zur Verfügung“ zu stehen, anderen ist die Aufnahme bezahlter Arbeit untersagt, wenn sie nicht den Wegfall von finanziellen Bezügen (Versicherungsleistungen u.a.) riskieren wollen. Ein größer werdender Teil des Personenkreises ist bereits dauerhaft arbeitslos, andere erleiden in Folge von Arbeitskräfteabbau in der späten Jahren ihrer Erwerbstätigkeit erstmalig einen Arbeitsplatzverlust. In wachsender Zahl finden sich auch Personen auf hohem Qualifikationsniveau und ehemalige Führungskräfte in der Gruppe der Betroffenen. Die prekäre Situation auf dem Arbeitsmarkt, die Personalpolitik der Betriebe und die Versuche der Politik, die gegebenen Probleme insbesondere durch Beschäftigungs-, Lebensarbeitszeit- und Rentenpolitik in den Griff zu bekommen, stecken die Rahmenbedingungen ab, die die Situation der Vorruheständlerinnen bestimmen. Der heutige Angebotsüberhang auf dem Arbeitsmarkt vor dem Hintergrund eines massiven Abbaus von Arbeitsplätzen vor allem im industriellen Bereich – in Ostdeutschland allein sind in wenigen Jahren 40-50 % der Arbeitsplätze weggefallen! – wird mit größter Wahrscheinlichkeit in den nächsten Jahren nicht spürbar reduziert werden können. Charakteristisch wird zunächst ein knappes Angebot jüngerer, hochqualifizierter Arbeitnehmer sein, die bevorzugt eingestellt und gefördert werden, und ein Überschuß von über 40jährigen. Insbesondere die über 40jährigen An23 und Ungelernten werden schlechte Arbeitsmarktchancen haben. Einher damit gehen eine Blockierung von Aufstiegschancen bei den mittleren Jahrgängen und erhöhte Arbeitsmarktrisiken bei den Älteren. Die Beschäftigungssituation von Personen im sechsten Lebensjahrzehnt wird voraussichtlich prekär bleiben. Diese Situation ist insofern ungünstig, als sie den Lebensinteressen der Menschen oftmals nicht entspricht: Ältere Arbeitnehmer ab 55 Jahren werden vermutlich kurzfristiger Entlastungseffekte wegen auch weiterhin aus dem Arbeitsmarkt gedrängt werden, auch wenn sie es nicht wollen und es sich auf- 22 23 Das entspricht ganz und gar nicht der optimistischen These der Entwicklungspsychologie, die im Berufsaustritt generell auch die „Möglichkeit zur persönlichen Weiterentwicklung“ gegeben sieht, „weil sozial anerkannte Rollen und Tätigkeiten der Berufstätigkeit irrelevanter werden, keine Notwendigkeit mehr besteht, Produkte zu fertigen und Dienstleistungen zu erbringen, um dafür eine Bezahlung und gesellschaftliche Anerkennung zu erhalten; in dieser Situation ergibt sich verstärkt die Chance, Tätigkeiten um ihrer selbst willen auszuführen, sich in Beschäftigungen zu engagieren, die als intrinsisch belohnend erlebt werden, oder eben das zu tun, woran man selbst Spaß hat.“ Faltermaier, T. u.a.: Entwicklungspsychologie des Erwachsenenalters. Stuttgart u.a. 1992, S. 172 In vielen Regionen Ostdeutschlands zählen auch jüngere, qualifizierte und nachweislich hoch motivierte Personen, die zudem oftmals bereits verschiedene Maßnahmen der Arbeitsmarktpolitik (ABM, Umschulungen etc.) durchlaufen haben, zu den Risikogruppen. 18 grund des Niveaus ihres (Alters-)Einkommens oft gar nicht leisten können. Ob Teilrenten/Teilarbeitsmodelle wie das 1996 eingeführte und 1998 veränderte Altersteilzeitgesetz, die angesichts dieser Situation im Prinzip sinnvoll sind, auf der betrieblichen Ebene ohne weitere Anreize greifen werden, wird sich noch herausstellen. Vor allem die Intention, gleitendes und allmähliches Ausscheiden aus dem Erwerbsprozess zu ermöglichen, ließ sich bisher auf breiter Front nicht realisieren. Bislang betreiben die Betriebe vorwiegend eine Personalpolitik, die auf eine Verjüngung der Belegschaften zielt (knapp 80 % aller Einstellungen erfolgen bis zum 35. Lebensjahr). Angesichts einer zunehmenden Orientierung insbesondere der großen Betriebe an globalen Entwicklungen erscheint eine 24 gezielte Förderung der Beschäftigungschancen älterer Arbeitnehmer absolut nachrangig. Erst dort, wo die Altersstruktur der Belegschaft dem angestrebten Ziel, vorwiegend junge, flexible und hochmotivierte Mitarbeiterinnen zu beschäftigen, bereits entspricht, werden Überlegungen angestellt, die Beschäftigungssituation Älterer zu verbessern. Die von der Politik zur Sicherung der Finanzierung der Rentenversicherungen vollzogene Verschiebung der Altersgrenze allein sichert die Beschäftigung älterer Arbeitnehmer natürlich nicht, sondern setzt die Betroffenen nur stärker unter Druck. Bisher läßt sich nicht feststellen, daß die Betriebe grundsätzlich von der Praxis abgehen, ältere Mitarbeiterinnen unter dem Gesichtspunkt der Leistungsfähigkeit zu selegieren und gegebenenfalls auf irgendeine Weise „auszusteuern“. Die Beispiele der Länder USA und Japan zeigen, daß die auch bei uns von vielen gewünschte und euphemistisch angepriesene „Zweite Karriere“ oder gar „Second Chance“ für die Mehrzahl der Älteren kaum etwas anderes bewirken wird, als einen im Wortsinn grauen Arbeitsmarkt entstehen zu lassen, der fast immer mit Status- und Einkommensminderungen oder Nebenerwerbsjobs verbunden sein wird. Die dabei dann erzielten niedrigen Löhne werden dennoch für viele wichtig sein, um das Einkommen aufzubessern und den Lebensunterhalt zu bestreiten. Es darf nicht übersehen werden, daß es sich bei diesen Jobs um solche in Arbeitsmarktsektoren handelt, in denen auch schwer Vermittelbare, Gehandikapte, durch andere Verpflichtungen gebundene Frauen und schlecht Qualifizierte als Konkurrenten auftreten. Die Forschung, vor wenigen Jahren aber auch Demonstrationen von Arbeitnehmerinnen und Gewerkschaften im Zusammenhang mit der geplanten Abschaffung der Frühverrentung zugunsten einer Beibehaltung bisheriger Regelungen haben verdeutlicht, daß frühes Ausscheiden aus dem Erwerbsprozeß im Westen Deutschlands sehr wohl von den Betroffenen gewünscht sein kann, daß sie mit überwiegend positiven Erwartungen an den Ruhestand ausscheiden und daß circa 2/3 der 25 Betroffenen mit ihrer Situation zufrieden sind. Die Gründe für die positive Bewertung sieht Naegele einerseits in der Abgrenzung zur vorherigen, als überwiegend negativ erlebten Arbeits- und Beschäftigungssituation, die insbesondere ältere Arbeitnehmer teilweise erheblichem Druck aussetzte, andererseits in mehrheitlich günstigen Einkommensverhältnissen, subjektiv wahrgenommenen Verbesserungen im gesundheitlichen Befinden nach Aufgabe der Berufsarbeit und in den neuen Möglichkeiten, privates, in der Regel familiales Leben zu gestalten. „Zu den wirklichen ‚Problemgruppen' zählen vor allem sehr früh und/oder gegen den erklärten Willen vorzeitig Freigesetzte. Dies betrifft vorzugsweise vorherige zumeist Langzeitarbeitslose und Frühinvaliditätsrenter. Beide Gruppen zeichnen 24 25 Dies widerspricht den Intentionen vieler politisch Verantwortlicher und Fachleute, die die offenkundige Existenz von Altersbarrieren auf dem Arbeitsmarkt für hochproblematisch halten. Vgl. zum Beispiel: Europäische Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen (Hrsg.): Maßnahmen zur Bekämpfung von Altersbarrieren in der Erwerbstätigkeit. Zusammenfassung des Forschungsprojekts. Luxemburg 1997 Naegele, G.: Arbeit, Berufsaufgabe und arbeitsfreie Zeit im Alter im vereinten Deutschland. In: Forum demographie und politik 1/Mai 1992, S. 88-102, hier: S. 91f. 19 sich überdies häufig noch durch ungünstige ökonomische und gesundheitliche Voraussetzungen aus. Des weiteren zählen dazu vorzeitig Freigesetzte mit hoher beruflicher Bindung und/oder ungünstigen 26 privaten und familialen Lebensbedingungen bzw. unzureichenden Kompensationsmöglichkeiten.“ Es fällt auf, daß die genannten Lebenslagemerkmale in besonderer Weise – durchaus im Sinne einer kumulativen Benachteiligung – die Situation ostdeutscher Vorruheständlerinnen beschreiben. Deshalb war es richtig, sozial- und bildungspolitisch auf deren Problemlage vorrangig zu reagieren. Gleichzeitig ist es aber heute notwendig, den Blickwinkel zu erweitern: Die mit großer Härte die Lebenssituation der Menschen verändernden gesellschaftlichen Transformationsprozesse im Zuge der sogenannten Wende müssen genereller als Dimensionen eines sich in Ostdeutschland jetzt beschleunigt vollziehenden universellen Bedeutungsverlustes des arbeitsgesellschaftlichen Modells gesehen werden – was paradoxerweise dazu führen kann, daß der dadurch sich ergebende soziale Druck typische erwerbsarbeitszentrierte Reflexe zunächst noch verstärkt. Die Vorruhestandssituation stellt sich aus soziologischer Sicht als das Ergebnis von teils intendierten und teils unbeabsichtigten Entwicklungen dar, die die Aufrechterhaltung des Modells der Erwerbsarbeitsgesellschaft und der mit ihr verbundenen Institutionalisierung des Lebenslaufes erst ermöglichten: Gerade weil die Altersgrenze stetig vorgezogen worden ist, ließ sich bislang die institutionelle 27 Dreiteilung des Lebenslaufes in eine Vorbereitungs-, eine Erwerbs- und eine Ruhestandsphase beibehalten. Solange die Vorruheständlerinnen mit dem vorzeitigen Ausscheiden aus dem Erwerb nicht gegen normalbiographische Erwartungen verstießen und eine vorgerückte, aber sozial akzeptierte Altersgrenze erreich28 ten, entstanden kaum moralische Probleme. Wird diese Grenze aber unscharf oder wird sie durch andere als „normale“ institutionelle Pfade erzwungen, können für die Betroffenen erhebliche moralische Belastungen auftreten. Die Teilhabe an institutionalisierten, womöglich staatlich geförderten Engagementformen im Vorruhestand – also im prinzipiell noch „arbeitsfähigen“ Alter – zum Beispiel kann dann sehr schnell legitimationsbedürftig werden, weil sie Menschen aus anderen Altersgruppen Tätigkeitsmöglichkeiten verbauen könnte. Es ist den Vorruheständlern auch nicht möglich, ihre Tätigkeit als akzeptierte Verpflichtung im Sinne des Aktivitätsgebotes der sozialpolitisch propagierten „aktivistischen“ Altersmodelle zu rechtfertigen, weil sie den Rentnerstatus für sich noch nicht in Anspruch nehmen können. 1.5. „Pioniere“ ungesicherter Lebensführung in der Transformationsgesellschaft Diese problematische Zwitterstellung zwischen Arbeit und Ruhestand, zwischen Erwerbsbezug und Arbeitslosigkeit, zwischen halbwegs gesichertem Status und einem sozialen Vakuum zeichnet die 29 Dabei muß berücksichtigt werden, daß die diese Situation der Vorruheständlerinnen aus. 26 27 28 29 Ebenda, S. 92 Kohli, M.: Altern aus soziologischer Sicht. In: Baltes, P./Mittelstraß. J. (Hrsg.): Zukunft des Alterns und gesellschaftliche Entwicklung. Berlin/New York 1992, S. 231-259 Kohli, M.: Ruhestand und Moralökonomie. Eine historische Skizze. In: Heinemann, K. (Hrsg.): Soziologie wirtschaftlichen Handelns. (Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, Sonderheft 28). Opladen 1987, S. 393-416 Einen Überblick über die verschiedenen Formen des Ausscheidens aus dem Erwerb vor dem Erreichen der gesetzlichen Regelaltersrente von 65 Jahren und die quantitativen Dimensionen gibt: Behrend, C.: Die Freisetzungsproblematik in Zahlen. In: Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie (Hrsg.): Bewältigung des vorzeitigen Ruhestandes – Anforderungen an Rahmenbedingungen, Konzepte und Multiplikatoren in der Weiterbildung. Bonn 1996, S. 17-27. Auf zentrale, die ökonomische und rechtliche Situation der Vorruheständler in den neuen Bundesländern betreffende Rahmenbedingungen geht – auch am konkreten Beispiel der Städte Brandenburg/Havel und Halberstadt – der folgende Projektbericht ein: Scheib, H./Halfar, B.: Engagiertes Leben im Vorruhestand. Endbericht des Bundesmodellprojektes: „Treffpunkt Engagiertes Leben“. Hrsg. vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Bonn 1996, S. 3-23 20 Lebensphase kennzeichnende Unsicherheit in vielerlei Hinsicht der anderer Gruppen gleicht, die sich mit prekären Beschäftigungssituationen, der Diskontinuität von Erwerbsverläufen, Exklusionsrisiken und Benachteiligungen konfrontiert sehen: Phänomenen also, die immer weniger Randerscheinungen sind, sondern für viele Menschen zur „Normalität“ werden. Und – so ist hinzuzufügen – der sozial noch als halbwegs gesichert geltende Status des Ruheständlers wird – ganz sicher in den ersten Jahren der Ruhestandsphase – in ganz ähnlicher Weise in Prozesse destabilisierender „Normalisierung“ hineingezogen. In gewisser Hinsicht hat nämlich inzwischen der Geltungsverlust des Normalarbeitsverhältnisses durch den Rückgang der Lebensarbeitszeit, den sinkenden Umfang der Erwerbstätigkeit während der Erwerbsphase und die unübersehbaren Flexibilisierungstendenzen, die neben der dauerhaften Vollzeiterwerbstätigkeit eine Vielzahl ungesicherter und diskontinuierlicher Beschäftigungsverhältnisse geschaffen haben und schaffen werden, eine „De-Institutionalisierung“ und möglicherweise auch eine 30 Aus dieser Sicht wäre das vorzeitige De-Legitimierung des entpflichteten Ruhestandes eingeleitet. Ausscheiden aus dem Erwerb nicht als Verjüngung des Alters oder eine Verlängerung der Altersphase zu sehen, sondern – ganz anders – als Angleichung des höheren Erwachsenenalters an die Normalität einer risikobehafteten, ungesicherten Lebensführung, die auch für andere Phasen des Erwachsenenalters cha31 in seiner Kritik an der in der sozialen Gerontologie vertretenen rakteristisch ist – so Schmidt Strukturwandel-These. Damit ist zugleich ausgesagt, daß Beschreibungen, die zur Charakterisierung der Lebensführung in der „Risikogesellschaft“ herangezogen wurden, auch für Vorruheständlerinnen – und 32 mit besonderem Akzent – für die in den östlichen Bundesländern gelten können. Für die Betroffenen ergibt sich mithin der Zwang und die Chance zur „Biographisierung“, zur „Reflexion 33 Von der soziologischen Biograund Bilanzierung des Lebenslaufs und des Lebensentwurfs“. phieforschung sind in der jüngeren Vergangenheit immer wieder an die Individuen gerichtete Anforderungen herausgearbeitet worden, die den Subjekten mehr oder weniger dauerhaft „Selbststeuerungen und Selbstvergewisserungen“ abverlangen. Für den besonderen Fall des Vorruhestandes 34 dies konkretisiert: Die „Anforderung der ‚Bio(im Osten Deutschlands) haben Jakob und Olk graphisierung’ des Vorruhestandes muß also von dieser Generation von Vorruheständlern gewissermaßen ‚im Nachhinein’ geleistet und erarbeitet werden“ (S. 53). Das Besondere dieser Situation wird sehr oft nicht angemessen wahrgenommen. Es wird später noch zu zeigen sein, daß Erwachsenenbildungskonzeptionen, die mit guten Gründen auf Lebensweltnähe und Subjektivität der Teilnehmerinnen setzen, um biographische Selbststeuerungsprozesse zu unterstützten, bei ihren Adressaten anfänglich auf wenig Zustimmung stießen, weil sie durch die Wahl ihrer methodischen Zugänge den Zwang zur Biographisierung sowohl verdeutlichten wie auch durchsetzten. Die Interpretation, ostdeutschen Teilnehmern seien diese Methoden fremd, ist zwar zutreffend, unterschlägt aber eben jenen Zwangscharakter „nachholender Biographisierung“. 30 31 32 33 34 von Kondratowitz, H.-J. (Hrsg.): Die gesellschaftliche Gestaltbarkeit von Altersverläufen. Berlin 1994 Schmidt, R.: Altern zwischen Individualisierung und Abhängigkeit. In: Kade, S. (Hrsg.): Individualisierung und Älterwerden. Bad Heilbrunn 1994, S. 59-71 Mit Blick auf die Erwerbslosen hat die Evangelische Kirche Deutschlands schon Anfang der neunziger Jahre pointiert in einem EKD-Text über das „Evangelische Bildungsverständnis in einer sich wandelnden Arbeitsgesellschaft“ (Hannover 1991) formuliert: „Die an den Lebensläufen der Erwerbslosen zu beobachtenden Krisen werden in zunehmendem Maße auf die gesamte Gesellschaft zukommen“. (S. 17) Brose, H.-G./Hildenbrand, B. (Hrsg.): Vom Ende des Individuums zur Individualität ohne Ende. Opladen 1988 Jakob, G./Olk, T.: Die Statuspassage des Vorruhestands im Transformationsprozeß Ostdeutschlands. In: Löw, M./Meister, D./Sander, U. (Hrsg.): Pädagogik im Umbruch. Kontinuität und Wandel in den neuen Bundesländern. Opladen 1995, S. 35-57 21 1.6. Vorerfahrungen: Weiterbildung und Lernen vor dem Berufsaustritt In der Literatur wird immer wieder die Bedeutung der letzten Berufsjahre für die Verarbeitung der Statuspassage in den Vorruhestand unterstrichen. Formelle Bildung scheint in dieser Phase des Lebens offenbar keinen herausragenden Stellenwert zu besitzen: Bei den Arbeitnehmern spielt in den letzten Jahren der Erwerbstätigkeit die Beteiligung an betriebsinternen Weiterbildungs- oder Qualifizie35 In einer Befrarungsmaßnahmen eine gegenüber jüngeren Altersgruppen deutlich geringere Rolle. gung der Personal- und Personalentwicklungsabteilungen von 40 Unternehmen aus 15 Branchen hat Schäuble festgestellt, daß die „überwältigende Mehrheit der Unternehmen .. keine Notwendigkeit für 36 spezielle betriebliche Bildungsangebote für erfahrene Mitarbeiter/innen“ sieht“. Über außerbetriebliche Bildungsaktivitäten dieser Personengruppe wissen wir zu wenig, um aussagefähige Angaben darüber machen zu können, in welchem Umfang sich ältere Arbeitnehmerinnen bilden. Ganz sicher finden alltagsnahe Lernprozesse (durch Gespräche mit Kolleginnen und dergleichen) statt, die eine Beteiligung an professionell organisierten Bildungsangeboten unnötig erscheinen lassen. Nach wie vor sind ältere Arbeitnehmer beträchtlichen Dequalifizierungs- und dadurch auch Beschäftigungsrisiken ausgesetzt. Diese tragen sie weitgehend selbst. Höchst problematisch ist die Situation derer, die im sechsten Lebensjahrzehnt ihren Arbeitsplatz verlieren: Die Chancen auf eine Wiedereingliederung in den ersten Arbeitsmarkt sind dann überaus gering. Insbesondere Betriebe, die im globalen Wettbewerb stehen, sehen in der vorzeitigen Freisetzung gerade auch von älteren Arbeitnehmern nach wie vor eine der effektivsten Strategien, dem wahrgenommenen Rationalisierungsdruck zu begegnen. Bei den „global players“ stellen den Älteren zugeschriebene Kompetenzmerkmale wie Erfahrungswissen aus langjähriger Berufserfahrung, soziale Fähigkeiten, Loyalität und positive Beiträge zur Unternehmenskultur und –tradition zudem kaum mehr nennenswerte Gründe für eine Weiterbeschäftigung dar, zumal wenn sie oft auf Grund einer Senioritätsentlohnung betriebswirtschaftlich höhere Kosten verursachen und bei ihnen Einbußen im Bereich der „fluiden Intelligenz“, 37 Bildungsangebote speziell die man eher jüngeren Arbeitnehmern zuschreibt, angenommen werden. 38 für ältere Arbeitnehmer gelten bei den Unternehmen als fragwürdige Investition. 35 36 37 38 Vgl. Müller, M: Aspekte der Weiterbildung älterer Arbeitnehmer. Bildungswerk der Hessischen Wirtschaft, Frankfurt/M. 1992; Rosenow, J./Naschold, F.: Ältere Arbeitnehmer – Produktivitätspotential oder personalwirtschaftliche Dispositionsmasse?. Sozialer Fortschritt 6-7/ 1993, S. 146-152; Hartge, T.: Alter (k)ein Thema für die Weiterbildung. Wirtschaft & Weiterbildung 6/1994, S. 26-32; Barkholdt, C./Frerichs, F./ Naegele, G.: Altersübergreifende Qualifizierung – eine Strategie zur betrieblichen Integration älterer Arbeitnehmer. Mitteilungen aus der Arbeitsmarkt- und Berufsforschung. 28 (1995) 3, S. 425-436; Lau-Villinger, D. u.a.: Altwerden in Unternehmen. Trojaner. Forum für Lernen. 3. Jg., Heft 3. 9/1995 Schäuble, G.: Die späten Berufsjahre in der betrieblichen Fortbildung – Realität und Modell. (Manuskript), Bremen 1998. Ich danke herzlich für die Überlassung des Textes. Eigene mündliche Befragungen des Verfassers bei Großkonzernen kamen zu folgendem Ergebnis: Betriebsinterne Bildungsangebote stehen den Beschäftigten weitgehend altersunabhängig zur Verfügung. Es herrscht die Tendenz vor, Weiterqualifizierung der Mitarbeiterinnen aus Eigeninitiative zu erwarten; ein Bedarf für Fortbildungen, die die berufliche Leistungsfähigkeit oder gesundheitliche Situation der Mitarbeiter verbessern könnten oder Qualifikationsrisiken vermeiden helfen, wird nicht gesehen. Eine Unterstützung beim „Lebensmanagement in der Lebensmitte“, die etwa Schäubles Konzept (siehe Fußnote 36) vorsieht, wird nicht als Aufgabe der Unternehmungen angesehen. Dem widersprechen Konzepte einer „differenziellen Personalpolitik“ und „Altersübergreifenden Qualifizierung“, die in der Praxis bislang weitgehend ohne Resonanz bleiben: Fritsch, S.: Differentielle Personalpolitik. Eignung zielgruppenspezifischer Weiterbildung für ältere Arbeitnehmer. Wiesbaden 1994; Barkholdt, C./Frerichs, F./Naegele, G.: Altersübergreifende Qualifizierung – eine Strategie zur betrieblichen Integration älterer Arbeitnehmer. In: Mitteilungen aus der Arbeitsmarkt- und Berufsforschung. 28(1995)3, S. 425-436; Wollert, A.: Intergenerative Kompetenzbilanz. In: Kompetenzentwicklung `97: Berufliche Weiterbildung in der Transformation. Hrsg. von der Arbeitsgemeinschaft Qualifikations-Entwicklungs-Management Berlin. Münster/New York/München/Berlin 1997, S. 317-362 22 Es ist bekannt, daß – wenn die Älteren ihren Arbeitsplatz verlieren – die Bereitschaft der Verwaltungen, Fortbildungen und Umschulungen finanziell zu fördern, um ihre Wiederbeschäftigungschancen zu verbessern, mit zunehmendem Alter deutlich sinkt. Auch hier findet eine Privatisierung des Beschäftigungsrisikos statt. Das heute noch geringe Engagement von Arbeitgebern und Verwaltungen für die Unterstützung von Bildungsbelangen älterer Arbeitnehmerinnen würde sich unter Bedingungen von Arbeitskräftemangel auf dem Arbeitsmarkt vermutlich erhöhen – aber diese Situation ist bis auf Weiteres nicht gegeben. Allerdings darf – was besonders im Hinblick auf berufsbezogene Weiterbildung erkennbar wird – von der vergleichsweise geringen Beteiligung älterer Arbeitnehmer an betrieblich organisiertem Lernen nicht grundsätzlich auf fehlende Lernbereitschaft geschlossen werden. Hier wie in anderen Lebensbereichen muß zudem davon ausgegangen werden, daß Lernen in alltagsnahen Formen in beträchtlichem Umfang stattfindet und oft nur zu wenig wahrgenommen wird. Des Weiteren ist zu berücksichtigen, daß in den letzten Jahren die Bedingungen im Arbeitsleben einen starken Adaptionsdruck in Richtung auf selbstgesteuertes Lernen hervorgebracht haben. Damit sind nicht – wie die Verwendung dieses Begriffes nahelegt – das Ob und Was des Lernens in die Entscheidung der Lernenden gestellt, sondern vorwiegend das 39 Wie und Wann: „Ihr müßt selbstgesteuert lernen“ lautet das Gebot! Es ist „Lernen auf eigene Faust“, das – wie eine Befragung von Straka u.a. ergab – zwei Drittel der Befragten betreiben, während nur ein 40 Die vielfach beschriebene Notwendigkeit, sich Drittel betrieblich organisiertes Lernen bevorzugte. Veränderungen im Arbeitsleben rasch anzupassen, macht die Fähigkeit, selbstgesteuert zu lernen, zu einer Schlüsselqualifikation. Über die Frage, ob die heute im sechsten Lebensjahrzehnt stehenden Menschen Gelegenheit hatten, diese Qualifikation zu erwerben, läßt sich derzeit nur spekulieren. Und inwieweit es gelingen kann, diese Fähigkeit auf das nachberufliche Leben zu transformieren und unter veränderten Bedingungen zu nutzen, ist ebenfalls nicht eindeutig zu sagen. In diesem Zusammenhang ist wichtig herauszustellen, daß die allenthalben wahrnehmbare Tendenz zur Individualisierung von Bildungsprozessen und zur Akzentuierung von Eigenverantwortung und Selbststeuerung des Lernens neben sehr vielen neuen Chancen und Vorteilen auch neue Ungleichheiten 41 Das gilt, wie die Praxis der Vorruhestandsprojekte belegt, auch für diesen Bereich. entstehen läßt. Gerade weil die Projekte berechtigterweise die Notwendigkeit von Selbstbestimmung und –organisation herausstreichen, muß sorgfältig beobachtet werden, durch welche Stützung und Gestaltung der Rahmenbedingungen für Selbstorganisation an bereits entwickelte Kompetenzen und Lernmuster angeschlossen werden kann. Daß Selbstbestimmungschancen gesichert sind ist eine notwendige, aber nicht immer hinreichende Bedingung für die Gestaltung lernförderlicher Strukturen. In diesem Sinne müssen Institutionalisierungsformen der Projektarbeit auch daraufhin überprüft werden, ob sie Kontexte darstellen, die Teilnehmerinnen und Adressaten Lernen dadurch ermöglichen, daß diese für sie geeignete Formen der Aneignung zur Geltung bringen können. Damit sind Fragen berührt, die weit über die noch üblichen Vorstellungen kursförmigen, funktional didaktisierten Lehrens und Lernens hinausgehen und nahelegen 42 anzuerkennen, daß Lernen als Funktion dieser Kontexte betrachtet werden muß. 39 40 41 42 Friedrich, H. F.: Lebenslanges Lernen als selbstgesteuertes Lernen. In: Nacke, B./Dohmen, G. (Hrsg.): Lebenslanges Lernen. Erfahrungen und Anregungen aus Wissenschaft und Praxis. Würzburg 1996, S. 42-58, hier: S. 42 Straka, G.A./Stöckel, M./Kleinmann, M.: Selbstorganisiertes Lernen für den Arbeitsplatz (SoLfA) – eine empirische Studie zur beruflichen Selbstqualifikation. In: Wirtschafts- und Berufserziehung 44 (1992), S. 302-307 (zitiert nach Friedrich – Fußnote 39) vgl. dazu die Überlegungen von Mader, W.: Auf der Suche nach der verlorenen Programmatik. Anmerkungen aus der Diskussion. In: Nacke, B./Dohmen, G. (Hrsg.): Lebenslanges Lernen. Erfahrungen und Anregungen aus Wissenschaft und Praxis. Würzburg 1996 , S. 107-114 Dieses betont sehr nachdrücklich: Schäffter, O.: Weiterbildung in der Transformationsgesellschaft. Berlin 1998 23 1.7. Projektarbeit mit Vorruheständlern als neues Handlungsfeld zwischen Beschäftigungsförderung und Selbstorganisation Gesichtspunkte der Bildung und des Lernens haben in den Initiativen und Organisationen der Vorruheständler und in der Projektarbeit mit ihnen von Beginn an eine wichtige Rolle gespielt in dem Sinne, daß sie dem vielfältigen Aktivitätsspektrum der Projekte und Gruppen eine weitere Facette hin43 Sie waren zumeist funktional bezogen auf das Gesamtanliegen, die durch die Systemzufügten. transformation entstandenen Unsicherheiten zu überwinden, sich unter den veränderten politischen und gesellschaftlichen Bedingungen zurechtzufinden und neu zu positionieren. Wie schon erwähnt dominierten dabei Versuche, neue Gemeinschaften aufzubauen und befriedigende Aktivitätsmöglichkeiten zu 44 „Bildung“ finden, die zumindest ansatzweise den Verlust der Arbeit zu kompensieren versprachen. wurde zumeist in traditionellen Formen wie Vortrag, Referat, Podiumsdiskussion oder Exkursion realisiert, wobei die Themen sich insbesondere in den ersten Jahren nach der „Wende“ aus dem Bedürfnis ergaben, die aus der alten Bundesrepublik übernommenen gesetzlichen und sozialen Regelungen zu verstehen und auf die eigene Situation zu beziehen. Sie war also vorrangig als Orientierungshilfe konzipiert. Ernst erkennt die Wirksamkeit der neu entstandenen Projekte und Initiativen vor allem auf lokaler Ebene: • „Hilfestellung und Beratung bei der Klärung von rechtlichen und sozialen Fragen; • Durchführung von Informationsveranstaltungen; • Vorbereitung auf die berufliche Ausgliederung – und wenn nötig – psychosoziale Begleitung; • Organisation von Aktivitätsprogrammen und Schaffung von Foren zur Artikulierung spezifischer Interessen und Belange; • Ingangsetzung von Prozessen der Selbstfindung und Eigeninitiative sowie • Koordinierung der Interessen verschiedener relevanter Akteure.“ 43 44 45 45 Auf der Suche nach Formen der Weiterbildung im außerbetrieblichen Bereich kommt Kirchhöfer bei der Analyse des Vereins für Vorruhestand „Jahresringe“ im Brandenburgischen Hennigsdorf zu folgenden Punkten: „– eine längerfristige systematische Weiterbildung mit programmatischen Charakter, die als sinnstiftende Vereinstätigkeit (Seniorentanz, Seidenmalerei, Englisch-Konversation) – z.T. mit Niveaustufen ausgewiesen war und gruppenkonstituierend wirkte; – längerfristige systematische Weiterbildung als begleitendes Moment der Gruppentätigkeit (Bildungsinhalte der touristischen Unternehmungen, Gesprächsrunden zur Information über Probleme der Kommunalpolitik); – zeitweilige Bildungsaktivitäten, die aus übergeordneten Zielen des Vereins abgeleitet waren (z.B. die Werkgeschichtsschreibung); – sporadisch einsetzende Bildungsveranstaltungen mit ständigen und wechselnden Teilnehmern zu spezifischen Interessenlagen (z.B. Erbrecht, Rentenbeantragung, Diät, Pflegeversicherung) (...) Ein nach mehreren Jahren erwarteter Effekt des Burn-out trat nicht ein, die Teilnehmerzahlen in den einzelnen Gruppen der Weiterbildung bleiben konstant, das Interesse reproduziert sich ständig erneut.“ Kirchhöfer, D.: Neue Formen des Lehrens und Lernens in der außerbetrieblichen Weiterbildung. QUEM-report 37, Berlin 1995, hier: S. 51ff. Über erste Ansätze der Arbeit mit Vorruheständlerinnen berichten u.a.: Prengel, G./Schmidt, R.: Einige Hinweise auf Deutungsmuster und Bewältigungsstrategien „freigesetzter“ Älterer im Prozeß der gesellschaftlichen Transformation, in: v. Kondratowitz, H.-J. (Hrsg.): Die gesellschaftliche Gestaltbarkeit von Altersverläufen, Berlin 1994, S. 87-116; Priller, E.: Vorzeitiger Ausstieg aus dem Erwerbsleben in den neuen Bundesländern – Gesellschaftliche Dimensionen und subjektive Auswirkungen. In: a.a.O., S. 53-72; Ladensack, K.: Gesucht: eine neuer Lebensentwurf. Vorruhestand in den neuen Bundesländern. In: sozial extra 3 (1994), S. 19-20 Ernst, J.: Frühverrentung in Ostdeutschland. Ergebnisse einer empirischen Erhebung zu den Bedingungen und sozialen Folgen des vorzeitigen Ruhestandes. Frankfurt/M. u.a. 1995; hier: S. 164 24 In Verbindung mit diesen zentralen Anliegen verblieb „Bildung“ vorwiegend die Aufgabe einer „Zuträgerin“. Die Grenzen zwischen sozialem, oft auch politischem Anliegen und Bildung verschwammen. In der sich neu entwickelnden „Landschaft“ von Projekten und Initiativen, die sich an Vorruheständlerinnen richten, sind bis heute Überlappungen zwischen Bildungsbereich und sozialer Arbeit bzw. altenpolitischem Engagement zu beobachten. An einem inzwischen schon einige Jahre alten Bericht über Vorruhestandsprojekte läßt sich diese Skizzierung belegen: „Bildungsanbieter und Sozialprojekte gewinnen TeilnehmerInnen aus gleichen Populationen vor allem dort, wo sozialräumliche Nähe gegeben ist oder gesucht wird. Ein überzeugendes Beispiel bietet die Tätigkeit der ‚Akademie 2. Lebenshälfte‘, die in drei Brandenburger Städten für arbeitslose Menschen zwischen 45 (!) und 60 Jahren allgemeinbildende und – vor dem Hintergrund der neuen Situation nach der ‚Wende‘ – orientierende Bildungsveranstaltungen durchführt, in denen gemeinsames Lernen in Seminar- und Gruppenarbeit mit dem Ziel der Entwicklung und Schaffung neuer ‚altersgerechter‘ Arbeitsund Betätigungsfelder durch Projektentwicklung und –umsetzung verbunden wird. Die TeilnehmerInnen können aus mehreren ‚Bausteinen‘, die u.a. das ‚Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland‘, eine ‚Einführung in die Marktwirtschaft‘, ‚Regionalgeschichte‘, ‚Trends in Wissenschaft und Technik‘ oder ‚Globale Entwicklungstrends‘ zum Gegenstand haben, individuell ihr Bildungsprogramm zusammenstellen. Auf Wunsch der TeilnehmerInnen sind auch Themen wie ‚Naturheilkunde‘, ‚Bilanzierung und Kostenrechnung‘, ‚Maschinenschreiben‘ oder ‚Englisch für AnfängerInnen‘ hinzugekommen. Die Bildungsarbeit wird an zwei Tagen pro Woche jeweils sechs Stunden lang realisiert. Neben der Seminarund Gruppenarbeit findet eine begleitende und beratende Betreuung der einzelnen TeilnehmerInnen statt, die auch Unterstützung bei der Kontaktaufnahme zu Arbeitsämtern, Kommunen, Arbeitslosenzentren, Industrie- und Handelskammern, der Politik u.ä. einschließt. Wenn mindestens 80 % der Stundenzahl des jeweiligen Kurses besucht worden ist, wird ein Zertifikat ausgestellt. Die Teilnahme ist kostenlos. (...) Implizit wird in allen Veranstaltungen – unter de facto sozialpädagogisch abgestützten Bedingungen – die ja keineswegs durch (Nach-) Qualifizierung wesentlich zu vergrößernde Chance auf eine erneute Erwerbsbeteiligung einer – in der Gruppe besser zu verkraftenden – Realitätsprüfung unterzogen. Indem die Perspektive der Endgültigkeit des Ausscheidens aus der Erwerbsarbeit und somit auch die Frage, ob es sich bei der Bildungsmaßnahme im Ergebnis um eine Qualifizierung für eine erneute Berufstätigkeit oder eine Vorbereitung auf ein vorzeitiges, jetzt aber potentiell mit anderen gemeinsam aktiv zu gestaltendes nachberufliches Leben handeln würde, offengehalten werden konnte, taten sich für die TeilnehmerInnen reichhaltige Möglichkeiten zur individuellen Bearbeitung der ihnen gesellschaftlich aufgegebenen biographischen Schwierigkeiten auf. Die ‚Akademie‘ erwies sich als eine ‚soziale Kontaktbörse‘, von der in der Gruppe der älteren TeilnehmerInnen zwar mehrheitlich nicht mehr erwartet wird, daß sie die Arbeitsmarktprobleme lösen kann, die aber zur Mitwirkung in Vereinen, Selbsthilfegruppen, Bildungsinitiativen u.ä. aktiviert, also Handlungsperspektiven jenseits der Erwerbszentrierung eröffnet hat: Werkstätten zur Selbstbetätigung im Holz- und Metallbereich, Arbeitsgruppen 46 für Öffentlichkeitsarbeit sind entstanden.“ Die vom Land Brandenburg geförderte „Akademie“ fungiert – das wird sicherlich deutlich – durch die gewählten Formen der Erwachsenenbildung als ein „ ‚biographisches Brücken-Management‘ zwischen 47 arbeitsmarktinternen und -externen Daseinsformen“ . Sie bietet und repräsentiert aus der Sicht der 46 47 Knopf, D.: Pioniere wider Willen. Projektarbeit mit Vorruheständler(inne)n in den neuen Bundesländern. In: Schweppe, C. (Hrsg.): Soziale Altenarbeit. Weinheim/München 1996, S. 207-228, hier: S. 216 Brödel, R.: Reflexivität arbeitsmarktorientierter Bildung. In: Nuissl, E./Schiersmann, C./Siebert, H. (Hrsg.): Pluralisierung des Lehrens und Lernens. Festschrift für Johannes Weinberg. Bad Heilbrunn/Obb. 1997, S. 133-144, hier: S. 142 25 Teilnehmerinnen einen vergleichsweise verläßlichen und stabilen Rahmen, innerhalb dessen sie selbstgesteuert und – wenn gewünscht – auch individuelle Lernprojekte realisieren können. Allerdings bleiben die arbeitsmarkt- und beschäftigungspolitischen Vorgaben in einem Maße gegenwärtig, das die notwendige pädagogische Autonomie immer wieder in Frage stellt. Für die Beurteilung der Qualität der Arbeit der Akademie und vergleichbarer Einrichtungen werden extern allzu oft nicht pädagogische, sondern arbeitsmarktbezogene Kriterien herangezogen: Wie viele Vermittlungen in den ersten oder zweiten, öffentlich geförderten Arbeitsmarkt sind gelungen? Diese ganz einer fremden institutionellen Logik folgende Beurteilung verkennt die hohen Leistungen, die Projekte wie die „Akademie“ im Hinblick auf 48 Potential- und Kompetenzerhalt ihrer Teilnehmerinnen leisten. Die Akademie hat es heute mehr noch als in den Jahren, über die in dem längeren Zitat oben berichtet wird, mit jüngeren Langzeitarbeitslosen jenseits der Lebensmitte zu tun, was zur Folge hatte, daß die Akademie eine von Beginn an verfolgte Aufgabe, nämlich bei Arbeitgebern in der Region für die Anstellung ihrer Teilnehmerinnen zu werben und gegebenenfalls Kontakte herzustellen, wieder stärker betonen mußte. Hinzu kommen gleichrangig Anstrengungen, Beschäftigungsmöglichkeiten im öffentlich geförderten Beschäftigungssektor zu erschließen. Zweifellos sind diese Schwerpunktsetzungen nicht nur in strukturschwachen Regionen mit hoher Arbeitslosigkeit sinnvoll. Die Frage, ob Vorruheständlerinnen grundsätzlich auf Versuche verzichten sollten, eine Re-Integration in den Arbeitsmarkt anzustreben oder auf andere Weise ihre Kompetenzen zu verwerten, kann nicht durch Projekte präjudiziert werden. Das Beispiel von einigen Projekten, in denen Ideen entwickelt wurden, die später zu Firmengründungen oder Ausgliederungen durch frühere Teilnehmer führten, beweist, daß vor dem Hintergrund immer stärker entstandardisierter Ausstiegspfade aus der Erwerbsarbeit und individualisierter Verarbeitsformen die anfänglich von den in der alten Bundesrepublik entstandenen Projekten vertretene Überzeugung, Vorruheständlerinnen seien ausschließlich bei der Verarbeitung des Abschieds aus der Erwerbsarbeit und bei der Entwicklung freizeitorientierter nachberuflicher Lebensstile zu unterstützen, nicht aufrechterhalten werden kann. Angesichts gewachsener Potentiale älterer Menschen muß offengehalten werden, welche Lebensziele die Teilnehmer sich für die nächsten Jahre setzten. Wenn Projekte einige Ziele grundsätzlich nicht zu teilen oder zu unterstützen in der Lage sind, müssen sie dies in ihrer öffentlichen Darstellung unbedingt deutlich machen. Aus professioneller Sicht läßt sich hier ein Zielkonflikt ausmachen: Personen, denen eine innere Ablösung von jetzt leerlaufenden arbeitsorientierten Haltungen unmöglich scheint, deren Selbstwertgefühl eindimensional von der Verwertbarkeit ihrer Kompetenzen abhängt und denen die Entwicklung anderer Perspektiven jenseits aus dem Erwerbsleben vertrauter Formen der Selbstinstrumentalisierung nicht gelingen will, könnten durch eine allzu starre Orientierung der Projekte auf eine – de facto oft völlig illusionäre – Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt massiv in ihrer Entwicklung behindert werden. Andererseits würde eine einseitig auf „Entwöhnung“ von arbeitsförmigen Haltungen zielende Projektorientierung womöglich Personen – gerade auch durch die konzeptionell angestrebte Einbindung in Gruppenzusammenhänge – entmutigen, selbstbewußt einen Start in eine 48 vgl. dazu die umfangreiche Diskussion im Umfeld der Arbeitsgemeinschaft QUEM; als Beispiel: Von der beruflichen Weiterbildung zur Kompetenzentwicklung. Lehren aus dem Transformationsprozeß. Memorandum, beschlossen vom Kuratorium der Arbeitsgemeinschaft Qualifikations-Entwicklungs-Management. (QUEM-report 40) Berlin 1995, insbesondere S. 49ff.: „Bei nach wie vor fehlenden Arbeitsplätzen müssen deshalb neue Tätigkeitskonzepte entwickelt werden, die in besonderer Weise Arbeiten und Lernen (auch außerhalb traditioneller Erwerbsarbeit) verbinden. Dabei sind erweiterte Handlungsfelder denkbar, wenn Arbeit nicht auf ihre gewinnbringende und wertschöpfende Funktion reduziert wird, sondern verstärkt als individuell sinngebende, werterhaltende sowie die soziale Marktwirtschaft stabilisierende Tätigkeit verstanden wird.“ (S. 52) 26 zweite, dritte oder „andere Karriere“ zu versuchen. Es stellt sich die Frage, wie zwischen diesen Personengruppen klug unterschieden werden kann und ob beide Zielperspektiven überhaupt im gleichen Projektkontext verfolgt werden können. Faszinierend sind jedenfalls produktive Konstellationen, die durch die Arbeit der „Akademie 2. Lebenshälfte“ entstanden sind, wo zum Beispiel durch Gruppenarbeit Interessen entdeckt, formuliert und so ausgearbeitet wurden, daß sie in eine zeitweilige – ABMfinanzierte – Beschäftigung mündeten: In Eberswalde entwickelten Teilnehmer, die ihr zunächst privat gehaltenes Interesse an Stadtgeschichte als Gemeinsamkeit entdeckt hatten, in diesem Rahmen ein „Stadtentdeckungsspiel“, das für die Nutzung in touristischen Zusammenhängen einsetzbar war. Die öffentliche Bekanntmachung dieses Projektes zog wiederum andere Bürger an, die sich ihrerseits als Laienforscher privat mit Stadtgeschichte beschäftigt hatten und Anschluß an das Projekt fanden. Ein Gegenbeispiel, das sich auf einen vergleichbaren Inhalt bezieht, sind die im Rahmen des Berliner 49 Vereins „Erfahrungswissen älterer Menschen nutzen“ aktiv gewordenen „Stadtführer“, die Touristen und anderen Interessierten ausgehend von persönlich Erlebtem durch unter diesem Gesichtspunkt ausgewählte Regionen der Stadt führen: Eine „Vermarktung“ dieser Erfahrungen würde für sie schon deshalb nicht in Frage kommen, weil sie eine Schwächung des im Rahmen der Projektarbeit entwickelten Gruppenzusammenhalts und Vereinzelung befürchten müßten. Eine beispielgebende Entwicklung als multifunktionaler Träger hat ein vielschichtiger Projektverbund durchlaufen, der 1991 ursprünglich als Verein „Vorruhestand in der Chemieregion“ in Sachsen-Anhalt im Gebiet Merseburg/Leuna/Halle gegründet wurde. Ausgangspunkt waren Seminare für ehemalige Mitarbeiterinnen der chemischen Großbetriebe, die in den Versuch mündeten, Selbsthilfe und 50 Selbstorganisation der massenhaft freigesetzten Vorruheständler anzuregen. Aus dem lange Zeit auf äußerst labilem finanziellen Fundament operierenden Initiativkreis sind institutionelle Ein- und Anbindungen erwachsen, die heute ein hochkomplexes Netzwerk darstellen: Jeweils Teilbereiche des Gesamtspektrums der Arbeit werden seit einigen Jahren realisiert durch die personelle und organisatorische Integration in die Bildungsvereinigung „Arbeit und Leben“, die aktive Mitwirkung in der bislang nur in Sachsen-Anhalt geschaffenen Landesarbeitsgemeinschaft „Aktiv im Vorruhestand“ e.V., die zeit51 weilige Förderung im Rahmen des Bundes-Modellprogrammes „Seniorenbüros“ , die Finanzierung von 49 50 51 Zum seit 1986 in Berlin laufenden Programm „Erfahrungswissen älterer Menschen“ und seine Entwicklung vgl. Knopf, D.: Über das Altern innovativer Projekte. Perspektiven des Berliner Programms Erfahrungswissen in der Bestandskrise. In: Schmidt, R. u.a.: (Hrsg.): Neue Steuerungen in Pflege und Sozialer Altenarbeit. Gesellschaft für soziale Gerontologie und Altenarbeit (Fachbereich IV der Deutschen Gesellschaft für Gerontologie und Geriatrie). Regensburg 1998, S. 371-382 und die dort angegebene Literatur. zu den Anfängen vgl.: Wetzel, P.: Von der Chemiemetropole zur Vorruhestandsregion: Der Industriestandort Leuna/Merseburg im Umbruch. In: von Kondratowitz, H.-J. (Hrsg.): Die gesellschaftliche Gestaltbarkeit von Altersverläufen. Berlin 1994, S. 73-85 und Wetzel, P.: Aktuelle Entwicklungen der Problemgruppe vorgezogener Ruhestand in der Chemie-Region Halle-Merseburg. In: KBE und Driekant – Opleiding en Advies (Hrsg.): Vorruhestand und Weiterbildung. Deutsch-niederländische Erfahrungen. Bonn 1995, S. 35-38 Auf die sich an die sogenannten „jungen Alten“ richtenden Initiativen von Bundes- und Landesministerien kann im gegebenen Rahmen nicht hinreichend eingegangen werden, obwohl sie für unser Thema von einiger Relevanz sind, weil auf Grund der Verflüssigung von Altersgrenzen auch Vorruheständler in ihren Wirkungsbereich einbezogen werden. Vgl. als Überblick u.a.: Bundesministerium für Familie und Senioren (Hrsg.): Lebenszugewandtes Altern. Stuttgart/Berlin/Köln 1993; Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Sozialordnung Baden-Württemberg (MAGS) (Hrsg.): Seniorengenossenschaften als Beispiel bürgerschaftlichen Engagements. Stuttgart 1994; Hummel, K. (Hrsg.): Bürgerengagement. Seniorengenossenschaften, Bürgerbüros und Gemeinschaftsinitiativen. Freiburg i.B. 1995; Otto, U.: Seniorengenossenschaften. Modell für eine neue Wohlfahrtspolitik? Opladen 1995; Karl,. F.: „Seniorengenossenschaften“ und „Seniorenbüros“ – Lernwerkstätten der Sozialpolitik. In: Zeitschrift für Sozialreform 1 (1995), S. 18-36; Knopf, D.: Früh beginnen. Perspektiven für ein produktives Altern. (Funkkolleg Altern) Tübingen 1997 27 Projekten und Netzwerkarbeit durch Arbeitsverwaltungen und –ämter sowie die Unterstützung von Beschäftigungsinitiativen als Ergebnis einer in Sachsen-Anhalt zwischen dem Land, der Treuhandanstalt bzw. ihrer Nachfolgerin und den Industriegewerkschaften Chemie und Metall getroffenen 52 Ein Leitmotiv der vielfältigen Aktivitäten des Vereins und seiner daraus hervorgeSonderregelung. gangenen Institutionen, zu denen seit 1997 auch ein eigenes Nachbarschaftszentrum „Roßmarkt“ gehört, in dem Medien-, Generations- und Erzähl- sowie Kreativ- und Ökowerkstätten, ein Nachbarschaftscafé und ein Reparaturdienst entstanden sind und selbstorganisierte Bildungsangebote, Kurse und Projekte realisiert werden, ist es, „lokale Netzwerke zur Gestaltung von Übergangsprozessen zwischen Erwerbsende und der Nachberuflichkeit“ zu schaffen. Diese konzeptionelle Zielsetzung integriert 50-52jährige Arbeitslose, Vorruheständler, vorzeitig aus Gründen der Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit Ausgeschiedene. Sie können in unterschiedlichen Aktivitäts- und Gemeinschaftsformen beiläufig oder fokussierend von den Erfahrungen der anderen profitieren, Lern-, Studien- und Forschungsprojekte realisieren und sich für neue Tätigkeiten qualifizieren lassen. Dazu zählen semi-professionell durchgeführte und fachlich solide angeleitete altenpolitische Untersuchungs- und Planungsaktivitäten in Kommunen der Region (u.a. Kommunale Altenplanung in den Landkreisen Merseburg-Querfurt und Weißenfels sowie „Fachstellen für alten- und behindertengerechtes Bauen und Wohnen“), intensive internationale Kontakte u.a. mit österreichischen und holländischen Älteren sowie landesweite Recherchen über bestehende, geplante, abgebrochene bzw. unterbrochene Partnerschaftsbeziehung von Städten, Gemeinden etc. mit deutschen und ausländischen Partnern („Die Brücke – Europa grenzenlos“), die Erarbeitung von Stadtführern für Rollstuhlfahrer und Behinderte, die selb53 ständige Produktion eigener Publikationsblätter und diverse Bildungsaktivitäten wie Sprachkurse u.a. Für die Vorruheständler werden so „Ermöglichungsräume“ eröffnet, die – im Falle von erneuter Arbeitslosigkeit – die Nutzung des Netzwerkes als „Warteschleife“ ermöglichen, ein Stück Kontinuität in den ansonsten diskontinuierlich verlaufenden Lebens- und Erwerbsprozessen sichern helfen. Auf der institutionellen Ebene sind jenseits etablierter Verbände Vernetzungsstrukturen und intelligente Formen der Kooperation entstanden, die sich u.a. auch die Möglichkeiten der andernorts erprobten 54 bei der Neueinrichtung von Regionalbüros der Landesarbeitsgemeinschaft „Zielfindungsseminare“ zunutze machen. Der beachtliche Mobilisierungs- und Dynamisierungseffekt, den der Projektzusammenhang insgesamt ausgelöst hat, kennzeichnet ihn als Ausdruck einer Lernorganisation, in der alltagsnah Lern- und Entwicklungsimpulse aufgegriffen werden, die zu einer allmählichen Professionalisierung führen. Aus organisationstheoretischer Sicht charakterisiert Schäffter das Rollenprofil pädagogisch Tätiger in Organisationen dieses Institutionaltyps als „pädagogisch gesteuertes Mithandeln“, wo sie „die autonomen Lernbewegungen, an denen sie beteiligt sind, aus der Binnenperspektive einer mitvollzogenen Betroffenheitslage mit pädagogischer Kompetenz mitgestalten. .. Bildungsveranstaltungen bleiben so Bestandteil des gesellschaftspolitischen Selbstausdrucks der 52 53 54 vgl. Schneider, P.: Die 54-er Regelung in Treuhandunternehmen des Landes Sachsen-Anhalt – ein Modell der Zukunft? In: Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie (Hrsg.): Bewältigung des vorzeitigen Ruhestandes – Anforderungen an Rahmenbedingungen, Konzepte und Multiplikatoren in der Weiterbildung. Bonn 1996, S. 36-44 vgl. Vorruhestand in der Chemieregion e.V. (Hrsg.): DANACH. Projektarbeit. Mai 1998: Spezialausgabe: Netz der Vereins- und Zu diesem wichtigen methodischen Instrument, das in der heute praktizierten Weise durch das Dortmunder ZWARProjekt entwickelt worden ist, vgl.: Naumann, S./Klehm, W.-R./Hagemann, I.-M.: „Junge Alte“ im Transformationsprozeß. Entwicklung und Erprobung eines Weiterbildungskonzepts in den neuen Bundesländern. Dortmund 1997, S. 32ff. 28 Bewegung, sind Bestandteil gemeinsamer Vorhaben und werden daher nicht als schulmeisterliche 55 ‚Qualifizierungsoffensive‘ von außen erlebt.“ In Anlehnung an das ZWAR-Konzept hat das 1991 als Verein gegründete Projekt „Selbst-Hilfe im VorRuhestand“ seit März 1992 Gruppennetze von Vorruheständlerinnen in Berliner Bezirken aufgebaut und jeweils ca. drei Jahre begleitet. Gruppennetze bestehen aus Bezirksgruppen und unterschiedlichen Interessengruppen, die z.B. Stadtteilerkundung, Literaturzirkel, Theater, Gesundheitstreffen, Wohnprobleme u.ä. zum Gegenstand haben. Den Gruppengründungen gehen intensive Vorfeldarbeiten – Bezirksanalysen, Suche nach potentiellen Kooperationspartnern, Erschließung von nutzbaren Ressourcen (u.a. Räume, technische Geräte), Aufbau von Kontakten zu Verbänden, Betrieben, soziokulturellen Projekten, Arbeitsämtern, Kirchen, Weiterbildungsträgern etc. – voraus. Für die Ansprache der Adressaten wird in den ausgewählten Zielgebieten in enger Zusammenarbeit mit dafür gewonnenen Bezirksstellen (Sozialamt, Kulturbehörde) eingeladen, indem auf Basis der Meldekarteien der Ämter diese mit dem Verein zusammen Personen im sechsten Lebensjahrzehnt anschreiben. Schon bei den Informationsveranstaltungen, in denen Methode und Ziel des Projektes kurz vorgestellt werden, findet recht schnell ein Übergang zu kleineren Gesprächsgruppen statt, in denen über Wünsche und Ideen für die Gestaltung des Lebens im Vorruhestand ein Austausch stattfindet. Ein Termin für ein weiteres Treffen wird alsbald verabredet. Die sich so findenden Gruppen (durchschnittlich 15-25 Personen) entwickeln – unterstützt durch jeweils zwei Teamerinnen – ihre Vorhaben und Inhalte absolut selbständig. Die Teamer intensivieren und stützen den Prozeß der thematischen Selbstwahl durch Moderationstechniken und andere methodische Anstöße. In Zielfindungsseminaren, die zumeist in auswärtigen Tagungsstätten – wenn möglich bezuschußt durch politische Stiftungen u.a. – stattfinden, werden Themen und Aktivitäten festgelegt. Die Ausrichtung der pädagogischen Arbeit fokussiert den Gruppenprozeß und ist thematischinhaltlich weitgehend abstinent. Die gewählten Aktivitäten der Gruppen entsprechen den Interessen und Bedürfnissen ihrer Teilnehmer – wie begrenzt sie auch (zunächst) sein mögen durch den eingeschränkten kulturellen und sozialen Horizont der Vorruheständler. Anfänglich werden oft Ausflüge, Besichtigungen, kreative Aktivitäten bevorzugt. Ein allmähliches Transzendieren dieses thematischen Rahmens findet in dem Maße statt, in dem die Begegnungsqualität in der Gruppe persönlicher und authentischer wird. Die sukzessive Selbstöffnung der Einzelnen wird in der Regel als zugleich bedrängend wie lustvoll erlebt. Die Gruppe erweist sich dann als notwendiger schützender Rahmen, in dem das „Persönlich-Werden“ distanzierend, korrigierend oder relativierend verarbeitet werden kann. Die Erzählungen der Teilnehmer nehmen einen intimeren Charakter an und schließen auch bedrängende Erlebnisse wie zum Beispiel Erfahrungen von Krieg, Gewalt, Vertreibung, persönliche Verluste ein. Das allmähliche „Ankommen-bei-sich-selbst“ verändert auch die innere Beteiligung bei und das Engagement 56 für gewählte(n) Themen und Aktivitäten. 55 56 Schäffter, O., a.a.O. (Fußnote 4), S. 116 „Es ist nicht (nur) der häufige Kontakt, der diesen Prozeß fördert, sondern vielmehr die Erfahrung, immer wieder angesprochen zu werden und zu merken, daß die Meinung des/r einzelnen, seine/ihre biographischen Erfahrungen, seine/ihre Fragen und Konflikte bedeutsam sind und nachgefragt werden. Sowohl die Moderation in der Basisgruppe als auch die Qualität der Begegnung in der Kleingruppe verstärken diesen Aspekt. Diese intimen Untergruppen haben von daher immer wieder den Charakter von – im weitesten Sinne – sozio-, psychotherapeutischen Gesprächsgruppen. Mit diesen Gruppen werden der/die jeweilige ‚TeamerIn‘ im Regelfall jedoch nicht arbeiten. Etwaige Konflikte der Untergruppen werden in den Basisgruppen bearbeitet – nach Maßgabe der Möglichkeiten der TeilnehmerInnen, nicht des Teamers/der Teamerin. Deshalb kann es sein, daß in einer Gruppe Konflikte über Jahre unbearbeitet bleiben, bis für GruppenteilnehmerInnen ein für sie neuer Lösungsweg sichtbar wird, der gangbar erscheint.“ s. Klehm, W.-R., a.a.O. (Fußnote 9), S. 199 29 Wie im ZWAR-Projekt werden bei „Selbst-Hilfe im Vor-Ruhestand“ vergleichsweise klare Verabredungen mit den Teilnehmerinnen getroffen: Die sogenannte „Ablösung“ der Gruppen erfolgt nach ca. drei Jahren, die Teamer übernehmen keine Verantwortung für die Realisierung von Aufgaben, die sich die Gruppe 57 selbst gestellt hat. Das vom Projekt entwickelte Setting wird durchaus im Sinne einer Gegensteuerung durchgesetzt: seine Regeln und Implikationen werden immer wieder verdeutlicht, so daß die Teilnehmenden klare Entscheidungen treffen können für oder gegen eine Teilnahme am Projekt oder weiteres Engagement in der Gruppe. „Selbst-Hilfe im Vor-Ruhestand“ hat in den Jahren seit seiner Gründung in den meisten östlichen Bezirken Berlins und in einigen westlichen inzwischen mehrere Dutzend solcher 58 Gruppen aufgebaut und auf unterschiedlichen Ebenen vernetzt. Diesem außerordentlichen Erfolg entspricht bislang nicht die öffentliche Anerkennung, die – bis auf punktuelle und eher geringfügige Förderungen – vorwiegend immateriell blieb, obwohl gerade die kommunalen Verwaltungen bestätigen, daß das Projekt herausragende präventive Wirkungen erzielt und Personengruppen im sozialen Umfeld erreicht, zu denen administratives Handeln durchweg keinen Zugang findet. Zugleich haben einige Gruppen aus eigenem Antrieb heraus Formen des Engagements für Dritte entwickelt, die zu einer Bereicherung der Infrastruktur der Bezirke beigetragen haben. Beispielhaft wäre zu erwähnen, daß Vorruhestandsgruppen ehemalige Seniorenbegegnungsstätten von den Bezirksämtern übernommen haben und nun in Eigenregie betreiben und von sich aus Serviceleistungen für alte Menschen anbieten. Ein bis heute nicht zu lösendes Problem blieb deshalb die materielle Absicherung einer kontinuierlichen Arbeit im Team: vorwiegend standen für die Teamerinnen nur zeitlich befristete Beschäftigungsmöglichkeiten (ABM, LKZ, 249h AFG u.a.) zur Verfügung. Auch wenn die Mitarbeiter pädagogische Vorerfahrungen und Qualifikationen, manchmal auch gerade weil sie bestimmte pädagogische Vorprägungen mitbrachten, brauchten sie einige Zeit, sich die im Projekt konzeptionell geforderte besondere pädagogische Perspektive und Haltung sowie die erforderlichen Handlungskompetenzen anzueignen. Vor allem in der Aufbauzeit des Teams, das sich – der Konzeption entsprechend – aus Kolleginnen aus Ost- und Westberlin zusammensetzte, wurde trotz der schwierigen finanziellen Situation ein deutlicher Akzent auf Fortbildung, Supervision und Teamentwicklung gesetzt. Die durch das AFG gegebenen Finanzierungsmodalitäten führten immer wieder zum erzwungenen Ausscheiden von Mitarbeitern, die sich 59 Die konzeptionelle zuvor durch außerordentliches Engagement für diese Arbeit qualifiziert hatten. Grundausrichtung erfordert von den Mitarbeiterinnen im hohen Maße die Fähigkeit, durch die Teilnehmer an sie herangetragene Wünsche und Erwartungen nach Hilfe, Betreuung und Versorgung („Tut etwas für uns“) gegenzusteuern. Sie stehen vor der schwierigen professionellen Aufgabe, sich die Zielfindungs- und Problemlösungsschwierigkeiten der Teilnehmerinnen nicht zueigen zu machen. Dafür haben sich die Stützung und Reflexion im Gesamtteam, kollegiale Begleitung und Teamsupervision als sinnvoll und notwendig erwiesen. Erst indem sie lernen und institutionell dabei unterstützt werden, im gewählten Setting 57 58 59 Klehm beschreibt die Aufgabe der Teamer/innen im Rahmen des von ZWAR vertretenen Ansatzes: Sie haben „den ‚Finger am Puls‘ einer Gruppe zu halten und das, was er/sie wahrnimmt, in die Gruppe zurückzuspiegeln. Dabei ist zu betonen, daß der/die TeamerIn den Gruppenprozeß lediglich moderiert, nicht aber steuert. Es geht darum, die TeilnehmerInnen bewußt und gewollt ihre eigenen Ziele und deren Realisierung ansteuern zu helfen, ohne in die Inhalte einzugreifen. Dies gilt für die gesamte Dauer der vereinbarten Zusammenarbeit.“, a.a.O., S. 198 Der Erfolg des Projekts widerspricht den zum Zeitpunkt seiner Initiierung 1991 oft geäußerten pessimistischen Prognosen, die getragen waren von der Überzeugung, daß der Subjektivität stark betonende, an das westdeutsche ZWAR-Konzept angelehnte Arbeitsansatz „bei Ostdeutschen nicht greifen“ könne. Diese aus unterschiedlichen Gründen sowohl von Ost- wie von Westdeutschen artikulierte Auffassung ist im Kern – trotz einiger leichter Modifikationen, die das Berliner Projekt vorgenommen hat – falsifiziert worden. Naumann, S. u.a., a.a.O. (Fußnote 54), S. 50 30 mit seinen auch den Teilnehmern angesonnenen Rollen zu agieren, können diese nach und nach mit größerer Sicherheit und Kreativität – und allmählich auch weniger rigide auf die dann zumeist schon übernommenen Selbstbestimmungsgebote pochend – die Gruppensteuerung selbst übernehmen. Teilnehmer entwickeln zunehmend die Fähigkeit, Lernaktivitäten eigenständig zu planen und zu organisieren und dafür geeignete stimulierende Umweltkontakte auszuwählen und zu gestalten. Einige sind inzwischen in der Lage, selbst Gruppenbegleitungen in der konzeptionell angestrebten Weise zu übernehmen. Der stadtteilbezogene und lebensweltnahe Ansatz des Projektes bringt stärker als die meisten anderen Arbeitsansätze im Vorruhestandsbereich zutage, daß sich die soziale Situation der Adressaten teilweise erheblich verschlechtert hat. Zu den Gruppengründungsveranstaltungen kommen – insbesondere in den innerstädtischen Bezirken – vermehrt Langzeitarbeitslose, deren psychische, gesundheitliche und materielle Situation problematisch ist. Damit erschwert sich die Arbeit des Vereins – durch die leichte Zugänglichkeit für sozial gefährdete Gruppen und den niedrigschwelligen Charakter der Angebote erweist sich die Projektarbeit vielen anderen Ansätzen überlegen, die vorrangig ohnehin Aktive erreichen. Die vorgestellten Projekte können für sich in Anspruch nehmen, daß sie soziale und zugleich lernförderliche Netze für den Übergang in das nachberufliche Leben geknüpft haben, die der Multioptionalität der Lebenssituation der Adressatinnen entspricht. Sie erlauben – und damit ist ein wichtiges Qualitätskriterium erfüllt – ganz unterschiedliche Weisen der Aneignung der geschaffenen Kontexte, die ihrerseits 60 dadurch immer wieder neu hervorgebracht werden. Auf der „Suche nach Zugehörigkeit“ bringen die Teilnehmer vielfältig miteinander verbundene Teilhabemöglichkeiten hervor: Strukturen entstehen, die besser als Mitgliedschaften traditionellen Typs die alte Aufgabe der Sozialintegraton leisten. Vereinfacht dargestellt akzentuieren sie in unterschiedlicher Weise Lernherausforderungen für die Adressatinnen, die in einem notwendigen Sinnzusammenhang stehen, aber jeweils unterschiedlich angegangen werden können: • handelnd und reflektierend die Dominanz der „Arbeitsförmigkeit“ von Tätigkeiten jenseits der Erwerbsarbeit überwinden; • zu sich selbst und seinen inneren Ressourcen finden; • selbstbestimmt neue Aufgabenfelder im sozialen Umfeld erschließen, „bearbeiten“ und gemäß eigener Interessen „verwerten“. Angesichts des übermächtigen Gravitationsfeldes der Erwerbsarbeit, das durch die Fördermodalitäten (ABM u.a.) unangemessen stark die Handlungsbedingungen beeinflußt, ist es den Projekten in bemerkenswerter Weise gelungen, pädagogische Relevanzen zu betonen und institutionell zu sichern. 1.8. Modelle mit altenpolitischem Akzent Die in den letzten Jahren von staatlicher Seite unternommenen Versuche, altenpolitisch vermehrt auf Selbstbestimmung, Förderung von Engagementbereitschaft und Beteiligung der älteren Menschen zu setzen und traditionelle Fürsorge- und Betreuungsattitüden zu überwinden, haben weitgehend erfolgreich auf veränderte Potentiale und mentale Dispositionen bei neuen Alterskohorten reagiert und zumindest ansatzweise dazu beigetragen, diesen durch die Schaffung neuer Infrastrukturen zu entsprechen. Einen herausragenden Stellenwert und öffentliche Resonanz konnten dabei solche Modelle wie die 60 vgl. Kade, J.: Suche nach Zugehörigkeit. Zur Aneignung der Erwachsenenbildung durch die Teilnehmer. In: Granz, D./Kraimer, K. (Hrsg.): Die Welt als Text. Theorie, Kritik und Praxis der objektiven Hermeneutik. Frankfurt/M. 1994, S. 315-340 31 „Seniorenbüros“, „Bürgerbüros“, „Seniorengenossenschaften“ u.a. erlangen, die insgesamt zu einer 61 Neubestimmung der Alters- und Generationspolitik im Sinne einer „Politik des Dritten Lebensalters“ beigetragen haben. Der Tendenz nach werden Differenzierungen und Pluralisierungen von Lebensstilen der Alterspopulationen, eine sich ausweitende „Altersirrelevanz“ von Mentalitäten und Handlungsnormen und insgesamt ein Zuwachs von Autonomie und Kompetenz registriert und politisch aufgegriffen. Das hat zu im regionalen Vergleich deutlich in Erscheinung tretenden Ungleichheiten in der Entwicklung von Infrastrukturen beigetragen, die prinzipiell auch Vorruheständlern zugänglich sind, ohne daß sie sich Seniorentypisches zueigen machen oder zurechnen lassen müssen. In Hinblick auf das Bundesmodellprogramm „Seniorenbüros“ verdient die Tatsache Aufmerksamkeit, daß sich an vielen Standorten – insbesondere in den östlichen Bundesländern – Vorruheständlerinnen an 62 der Arbeit der Büros beteiligt oder sie als Ressource für eigene Aktivitäten genutzt haben , was schon deshalb nicht verwundern kann, weil die Erschließung „nachberuflicher Tätigkeitsfelder“ und die Förderung von „Selbsthilfeaktivitäten und –gruppen“ zu den vorrangigen Zielen des Modellprogramms zählte. Auffällig ist, daß sowohl bei den von der Begleitforschung so genannten „engagementbereiten“ wie auch bei den „teilnahmeinteressierten“ Älteren der Bereich „Bildung und Kultur“ sowie „Hilfen im Alltag, soziale und gesundheitliche Selbsthilfe“ dominierten. Ausdrücklich auf die Unterstützung von Vorruheständlern „bei einer aktiven, gemeinschaftsbezogenen Lebensgestaltung“ und die Anregung von Selbsthilfe zielte das vom damaligen Bundesministerium für Familien und Senioren geförderte Modellprojekt „Treffpunkt Engagiertes Leben“, das von 1992 bis 1995 in der Trägerschaft des Frankfurter Instituts für Sozialarbeit und Sozialpädagogik (ISS) in den Städten Brandenburg/Havel und Halberstadt (Sachsen-Anhalt) realisiert wurde. Sein Ziel war es, „für und mit den Menschen im Vorruhestand, Altersübergangsgeldempfängern und älteren Arbeitslosen Perspektiven 63 sinnvoller Tätigkeiten zu entwickeln.“ Die Ziele des Projekts ähnelten sehr weitgehend denen für die Seniorenbüros formulierten: • Aufbau der Treffpunkte als Orte der Begegnung für die Menschen im Alter ab 50 Jahren • Unterstützung der Menschen im Vorruhestand bei einer aktiven, gemeinschaftsbezogenen Lebensgestaltung • Förderung von Selbsthilfeaktivitäten und Selbstorganisation der Betroffenen • Erschließung von Tätigkeitsfeldern für ehrenamtliches Engagement • (soweit möglich) eine Unterstützung der Menschen im Vorruhestand bei der Wiedereingliederung in das Arbeitsleben. Weiterhin war es das Ziel des Projekts, Träger der sozialen Arbeit zur Schaffung von Angeboten für Frauen und Männer im Vorruhestand anzuregen (S. Xf.). 61 62 63 Vgl. dazu: von Kondratowitz, H.-J.: Der Generationenvertrag und die Zukunft von Generationspolitiken. In: Deutsches Zentrum für Altersfragen (Hrsg.): Jahrbuch des DZA 1996. Beiträge zur sozialen Gerontologie und Alterssozialpolitik. Weiden/Regensburg 1997, S. 11-47 und – unter dem besonderen Akzent des sich verbreitenden Leitbilds der „Produktivität“: Schmidt, R.: Produktivität des Alters als gestaltende Umweltaneignung – theoretische Perspektiven, konzeptionelle Implikationen und praktische Umsetzung. In: DZA (Hrsg.), a.a.O., S. 323-382 Das Seniorenbüro in Teltow beispielsweise nannte sich „AVUS = Aktive Vorruheständler und Senioren“. Dieses und die folgenden Zitate sind entnommen: Scheib, H./Halfar, B.: Engagiertes Leben im Vorruhestand. Endbericht des Bundesmodellprojektes: „Treffpunkt Engagiertes Leben“ – Ein Projekt für Menschen im Vorruhestand. Hrsg. vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Bonn 1996, hier: S. X. 32 In der Auswertung nach drei Jahren Projektlaufzeit wird betont, daß eine Wiedereingliederung in das Arbeitsleben nicht erreicht wurde: ein solches „unrealistisches Ziel“ solle „in keinem Fall“ in die Zielbestimmung eines neu geplanten Projekts aufgenommen werden (s. „Hinweise zur Planung von Vorruhestandsprojekten“ im Anhang). Schon die Kontaktaufnahme zu Betrieben der Region hatte letztendlich ergeben, daß „kein Betrieb Möglichkeiten sah, bereits im Vorruhestand befindlichen Menschen Perspektiven für eine Wiederaufnahme der Erwerbstätigkeit zu ermöglichen“ (S. 29). Auch das Projektziel der Förderung ehrenamtlichen Engagements im sozialen Bereich konnte nicht im gleichen Maße wie die anderen Ziele erreicht werden. Anfragen beispielsweise der Stadtverwaltung bzw. des Kulturamts in Halberstadt, die ehrenamtliche Mitarbeiter zum Transport von Möbeln, zum Hacken von Steinen im Rahmen der Denkmalpflege suchte oder ehrenamtliche Kräfte zur Beaufsichtigung kultureller Einrichtungen während der Öffnungszeiten wurden „als Zumutung empfunden und empört zurückgewiesen“ (S. 103). Dagegen haben sich die ursprünglich gar nicht vorgesehenen und dadurch auch nicht 64 in den Finanzierungsplan aufgenommenen „Seminare für Menschen im Vorruhestand“ als wesentliche Voraussetzung, die „anfänglich bestehenden Zugangsprobleme zu den Menschen im Vorruhestand sowie der Schwierigkeit, sie für eine aktive Mitarbeit im Projekt zu gewinnen und zur Übernahme ehrenamtlicher Tätigkeiten zu motivieren“ (S. 25) herausgestellt. Ohne diese Seminare, die zunächst – individuell und gemeinsam – eine Auseinandersetzung mit der gegenwärtigen Lebenssituation, Informationsvermittlung zu Themen wie Gesundheit, Sozialversicherungsrecht oder Altersübergangsgeld und danach vor allem „die Entwicklung gemeinsamer Tätigkeitsperspektiven für den Vorruhestand: Initiierung von Gruppen, die gemeinsame Aktivitäten planen (Projektentwicklungsphase)“ (S. 41) zum Gegenstand hatten, dann aber als „Multiplikatoren-Seminare“ für bereits engagierte Vorruheständlerinnen in den Projektstädten das erweiterte Ziel verfolgten, die Teilnehmer zum Aufbau neuer Selbsthilfegruppen und zur Multiplikatorentätigkeit zu motivieren, wären die Projektziele nicht erreicht worden. Die mehrtätigen Seminare, die in landschaftlich reizvoller Umgebung außerhalb der Projektstädte durchgeführt wurden, waren als „Zielfindungsseminare“ angelegt und werden im Projektbericht auch so bezeichnet (s. S. 42f.). Die in den Abschlußbericht aufgenommenen ausführlichen Protokolle über zwei dieser Seminare geben plastisch wieder, daß die Artikulation und Aufarbeitung von Erfahrungen im Zuge der 65 Freisetzungen, die zu Verbitterung und Verletzungen geführt hatten, dringend notwendig waren. In der Bilanzierung der Projektarbeit wird festgehalten, daß es „nur über diese Seminare, die in Tagungsstätten außerhalb der ‚Projektorte‘ durchgeführt werden sollten“ gelingen wird, Vorruheständler zu gemeinschaftsbezogenen Gruppenaktivitäten anzuregen (S. 111). Durch die Einrichtung von Treffpunkten mit zwei pädagogischen Fachkräften in Teilzeitbeschäftigung (in Halberstadt) und einer Vollzeitstelle für eine Pädagogin und eine Halbtagsstelle für eine Verwaltungskraft 64 65 Wie in anderen Projekten stellte sich heraus, daß solche Seminare zwar von herausragender Bedeutung dafür waren, „eine anfangs teilweise abwartende Haltung der Teilnehmerinnen und Teilnehmer“ zu überwinden und sie zu einer „offenen und engagierten Gruppe“ zu entwickeln (S. 43), ja „daß dem Projektziel am besten durch die Veranstaltung von Seminaren gedient ist“ (S. 45), die Sicherung der Finanzierung (durch Anträge bei Landeszentralen und Stiftungen für politischen Bildung, Sozialministerien, Kommunen etc.) aus unterschiedlichen Gründen (Finanzknappheit, keine überregionale Bedeutung, kein politischer Bildungsinhalt etc.) aber zu einer kaum zu überwindenden Schwierigkeit wurde. In konkreten Fall des Modellprojektes hat erst eine Umschichtung des Projekthaushaltes, der das fördernde Bundesministerium zustimmte, die Finanzierung ermöglicht. „Geschildert wurden die Monate vor dem „Tag X“ und die Monate nach dem „Tag X“. Berichtet wurde von dem Verfall des Zeitbegriffs, da sich die ordnende Struktur der alltäglichen Arbeit auflöste. Raum nahmen auch die Erfahrungen in dieser Zeit mit den Behörden, mit Nachbarn und früheren Kollegen ein. Die authentischen Stimmungen und Wahrnehmungen in dieser Zeit führten bei den Betroffenen nicht selten auch zu Tränen. ‚Schließlich hat man ein Leben lang für andere gelebt und gearbeitet, war im Beruf ausgefüllt und relativ zufrieden und dann auf einmal wird man zum ‚Nichts‘“ (Protokoll des Seminars in Stecklenberg .. im Anhang). 33 (in Brandenburg/Havel) wurden Orte geschaffen, die zum Ausgangspunkt einer Vielzahl von selbstgewähl66 ten Aktivitäten der erreichten Vorruheständlerinnen wurden. Aus den Zielfindungsseminaren waren an beiden Stadtorten Initiativgruppen hervorgegangen, die nach und nach daran gingen, ihre Vorstellungen umzusetzen. Ein spektakuläres Ergebnis in Halberstadt war die Gründung eines Unternehmens durch ehemalige Techniker, Ingenieure und Wirtschaftler: Sie entwarfen das Konzept für den Aufbau eines Windkraftwerkes zur alternativen Energiegewinnung und ließen ihr Unternehmen schließlich 1995 als „Erneuerbare Energien Verwaltungs-GmbH Halberstadt“ in das Handelsregister eintragen. Eine andere Idee, die Gestaltung eines „Öko-Gartens“ an einem Feierabendheim (Altenheim) und dadurch die Schaffung einer gemeinsamen Begegnungsstätte für die Altenheimbewohner und die Vorruheständlerinnen, wurde ebenso realisiert wie verschiedene Arbeitsgruppen, in denen kreative und Bildungsinteressen verfolgt wurden (Seidenmalerei, Englischkurse, Computer-Fortbildungen, Literaturtreffs, Fotound Videogruppen, Nähgruppe, Theatergruppe, Kultur- und Stadtgeschichte u.a.) sowie selbstorganisierte Gruppen, die für den eigenen Kreis (Selbsthilfegruppe gegen Depression) wie für andere (Servicebörse zur Unterstützung älterer Menschen, Spätaussiedler, Menschen mit psychischen Problemen, Flüchtlings- und Osteuropahilfe u.a.) aktiv wurden. Nach Auslaufen der Modellphase waren die Vorruheständlerinnen nicht bereit, wie ursprünglich überlegt worden war, die Treffpunkte in Eigenregie weiterzuführen. Deshalb übernahmen ab 1996 in beiden Städten Wohlfahrtsverbände die Trägerschaft der Projekte. Der Abschlußbericht stellt heraus, daß die Erfolge der Projektarbeit darauf zurückzuführen sind, daß die Treffpunkte nicht gezielt für Senioren und jüngere Arbeitslose geöffnet wurden: „Arbeitslosen- oder Vorruhestandsprojekte neigen dazu, an sozialen und persönlichen Defiziten der Zielgruppe kommunikativ anzuschließen, um sich dann als Angebot für marginalisierte und benachteiligte Personengruppen zu beschreiben. ... Die Treffpunkte „Engagiertes Leben“ hatten dadurch so hohen Zulauf, weil nicht die Defizite des Vorruhestandes kommuniziert wurden, sondern Chancen der gemeinsamen Bewältigung der neuen Lebenssituation. Auch für die Organisation von Gesprächskreisen mit depressiven Menschen und die Organisation von Beratungen für vom Armutsrisiko bedrohte Menschen bestand die Attraktivität der Treffpunkte darin, daß hier kein ‚Kriseninterventionszentrum‘ entstand, sondern ein Ort vielfältiger Aktivitäten mit einer lebendigen Atmosphäre ohne Konkurrenz“ (S. 110). Altenpolitische und sozialpädagogische Ziele der Projektarbeit wurden erreicht, indem die Einrichtung von Treffpunkten kombiniert wurde mit der Durchführung von Seminaren mit Zielfindungscharakter. Ohne Zweifel ist diese Herangehensweise, die Möglichkeiten der Erwachsenenbildung für letztlich sozialpädagogische Zwecke nutzt, ein gangbarer Weg. Ähnlichkeiten zum ZWAR-Projekt oder zum Arbeitsansatz von „Selbst-Hilfe im Vor-Ruhestand“ sind nicht zu übersehen, obwohl im Abschlußbericht die Einschätzung vertreten wird, das Projekt habe „Neuland“ betreten und die Übertragung im Westen erprobter Modelle sei nicht möglich. Auffällig ist auch in der Praxis dieses Projektes, daß es – wie eine Formulierung in dem zitierten Seminarprotokoll nahelegt (s. Anhang) – sich bei den Teilnehmerinnen „zumeist um frühere leitende Mitarbeiter“ handelte, die „insofern eher dem ‚De-Luxe-Bereich‘ der Vorruheständler“ zuzurechnen seien. 66 Es gehört offenbar zu den einzukalkulierenden Schwierigkeiten bei der Realisierung solcher Projekte, daß die Auswahl geeigneter Mitarbeiterinnen hochproblematisch sein kann. Wie in sehr vielen anderen Projekten gab es dadurch auch hier Anlaufschwierigkeiten, Rückschläge und Verzögerungen. Ein wichtiger Grund dafür liegt nicht nur darin, daß fachlich geeignete Personen – die unabhängig von ihrem Ausbildungshintergrund die dringend geforderten Haltungen und Kompetenzen aufbauen können und hinreichend belastbar sind – gefunden werden müssen, sondern auch in der zeitlichen Befristung der Modellprojekte, die mit ihrer unsicheren Perspektive dann verlassen werden, wenn sich – tatsächlich oder vermeintlich – stabilere Arbeitsplätze finden lassen (s. u.a. S. 36f.). 34 Eine davon unterschiedene Gruppe wurde erreicht durch den ebenfalls vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend geförderten Modellversuch „Intergenerativer Dialog und Vorbereitung auf die Nacherwerbsphase – Lebenszeit nach der Erwerbsarbeit“, der in Trägerschaft der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung Westdeutschlands (KAB) für zwei Jahre von 1996 bis 1998 bewilligt wurde. Dieses Projekt erprobte ein Kurssystem, mit dem ältere Arbeitnehmer aus Industrieregionen, die – schon beginnend im Alter von ca. 50 Jahren – vorzeitig aus dem Erwerbsleben ausscheiden mußten oder ausgeschieden waren, zusammen mit ihren Lebenspartnerinnen auf das Leben nach der Erwerbsarbeit vorbereitet werden sollten. In enger Kooperation mit zwei Großunternehmen wurden die Arbeitnehmer im einen Fall durch den Betriebsrat bzw. die Vertrauenskörperleitung, im anderen Fall durch die Abteilung Personalwesen für die Teilnahme an Kursen gewonnen, die parallel in 3 Kursabschnitten (5 Tage, 2,5 Tage, 5 Tage) durchgeführt und in einem Nachtreffen ausgewertet wurden. Die 67 Freistellung für die Kursteilnahme der noch beschäftigten Mitarbeiter erfolgte durch die Betriebe , die Teilnehmer mußten keine Kursgebühren entrichten. Die im Zwischenbericht des Modellversuchs (s. Fußnote) detailliert beschriebene Planung und Realisierung der Kursarbeit greift das offenbar seitens des Bundesministeriums in die Projektbewilligung „hineingeschriebene“ Thema des Generationsdialogs so gut wie gar nicht auf: Die Generationsfrage bildet keinen eigenen oder eigenständigen Schwerpunkt der Konzeption und Praxis, „zumal der primäre Bezugspunkt dieses Projektes die Lebenssituation des Übergangs in den Vorruhestand ist und keine generationsübergreifende Zielgruppe oder ein Vorhaben, das explizit auf ‚intergenerativen Dialog‘ ausgerichtet ist“ (S. 7). Das Kurskonzept nimmt eine Reihe von Abgrenzungen vor, die die ausschließliche Konzentration auf die „Unterstützung und Begleitung von Menschen bei Übergang in den (Vor)Ruhestand“ begründen sollen: Es soll nicht Problemlagen wie den Verlust des Arbeitsplatzes, die Entlassung in die Arbeitslosigkeit thematisieren, es zielt nicht auf Aktivitätsförderung im Alter, auf Reintegration in den Arbeitsmarkt oder die Werbung für eine bestimmte Vorstellung davon, wie das Leben nach der Erwerbsarbeit ausgefüllt werden kann. Insbesondere spricht es nur Personen an, bei denen der Entscheidungsprozeß hinsichtlich des Ausscheidens aus dem Erwerbsleben nicht mehr offen oder schon abgeschlossen ist, sondern setzt erst da an, wo die Entscheidung bereits gefallen, der „bevorstehende oder bereits erfolgte Einschnitt des ‚ungeplanten Ruhestands‘ (...) mit Kursbeginn eine soziale Tatsache“ ist (S. 12). In einer eindringlichen Auseinandersetzung mit den Schwächen der oft anzutreffenden Typisierung „bildungsungewohnt“ – die auf die Teilnehmergruppe in der Weise zutraf, daß diese so gar wie keine Erfahrungen mit institutionalisierter Erwachsenenbildung mitbrachten – wird herausgestellt, daß dem erreichten Personenkreis insbesondere bestimmte Arbeitsweisen der Erwachsenenbildung nicht vertraut waren: „Ungewohnt und neu war für die Mehrheit der TeilnehmerInnen vor allem: • eine Arbeitsweise, die in erster Linie darauf setzt, in der Kursarbeit neue Erfahrungen anzubieten und dazu einlädt, sich darauf einzulassen, statt primär neue Informationen zu vermitteln; • der breite Raum für vielfältige Formen der Einzel- und Gruppenarbeit mit Aufgaben und Arbeitsanleitungen, mit immer neuen Gelegenheiten, miteinander ins Gespräch zu kommen, statt überwiegend im Plenum zuzuhören; 67 Der Zwischenbericht des Projekts führt dazu aus: „Wenn man sich klar macht, daß der Abbau von Arbeitsplätzen infolge betrieblicher Rationalisierungsmaßnahmen der eigentliche Grund für das vorzeitige Ausscheiden von MitarbeiterInnen ist, dann wird auch einsichtig, daß es ja nur um die Freistellung jener MitarbeiterInnen ging, die – ganz nüchtern festgestellt – ohnehin nicht mehr gebraucht werden.“ KAB Westdeutschlands. Projekt Nacherwerbsphase: Intergenerativer Dialog und Vorbereitung auf die Nacherwerbsphase. Zwischenbericht. Köln 1998, hier: S. 15. Dem Projektleiter, Herrn K. Möller, danke ich herzlich für die Überlassung des Manuskripts. 35 • die sehr personenbezogene bzw. persönliche Herangehensweise an einzelne Aspekte des Übergangs in den Vorruhestand statt einer distanzierenden Annäherung über vorgegebene Themen; • Ansätze einer Anleitung zur Selbstreflexion persönlicher Erfahrungen und zum Austausch mit anderen als Zugang zur Bewältigung von Lebenssituationen; • die wieder neue Anforderung und Aufforderung, sich selbst mit den anstehenden Fragen auseinanderzusetzen, keine ‚Lösung‘ angeboten zu bekommen, sondern in der entscheidenden Frage der individuellen Gestaltung des zukünftigen Lebens auf die eigenen Wünsche und Bedürfnisse zurückverwiesen zu sein; • die reale Möglichkeit und Chance, die Kursarbeit mitzubestimmen und mitzugestalten, die Erfahrung, daß die Themenwünsche der Gruppe im nächsten Kursabschnitt tatsächlich realisiert werden“ (S. 37). Das damit indirekt skizzierte didaktisch-methodische Programm der beiden Kursfolgen stützt sich auf den inzwischen in der Praxis der Erwachsenenbildung verfügbaren Reichtum erprobter interaktions- und erlebnispädagogischer, subjektnaher und kreativer Arbeitsweisen, Moderationstechniken und medialer Impulse. Die im Zwischenbericht beschriebenen und in ihren Wirkungen ausgewerteten Arbeitsschritte stehen ganz in der Tradition der gerade auch in der konfessionellen Erwachsenenbildung entwickelten Seminare der Vorbereitung auf den Ruhestand, die teilweise schon vor vielen Jahren in Kooperation mit 68 Betrieben durchgeführt wurden. Die im Modellvorhaben gewählten methodischen Zugänge kombinieren solche Techniken, Übungen und Spiele und versuchen auch atmosphärisch die Voraussetzungen für eine sorgsame und konzentrierte Auseinandersetzung mit der gegebenen und zu antizipierenden Situation (der Paare) im Vorruhestand zu schaffen (S. 24ff.). Die Selbsteinschätzung der Veranstalter und die schriftlich und mündlich von den Teilnehmerinnen eingeforderten Rückmeldungen und Auswertungen konvergieren in der positiven Bewertung von Seminarkonzeption und -verlauf. Dazu mag beigetragen haben, daß der von den Erwachsenenpädagogen gewünschte konstruktive Umgang mit der sich stellenden Aufgabe, den Vorruhestand zu antizipieren, offenbar dem Interesse der Teilnehmer entgegenkam. Es wird aus der Darstellung nicht hinreichend deutlich, ob die Bearbeitung der aufgegebenen 69 Situation durch die Teilnehmerinnen tatsächlich gelingen kann, wenn sie weitgehend individualisiert wird und auf die Mobilisierung innerer Ressourcen abstellt. Offenbar wird unterstellt, daß die Betriebe mit der Entscheidung, die betreffenden Personen nicht länger zu beschäftigen, als die „Problemverursacher“ für die Problembewältigungsprozesse der Teilnehmer keine Rolle mehr spielen (sollen). Das mag im konkreten Fall so sein, auch insofern die Konstruktion der Kurssysteme den Rahmen abzugeben scheint für eine gelassene, von Außendruck relativ freie Beschäftigung mit der gegenwär- 68 69 Vgl. zum Beispiel: Cremer, M./Schäfer, H.: Unterwegs zu neuen Zielen: Anregungen zu einem aktiven und sinnvollen Leben nach dem Beruf. Stuttgart 1992; Fülgraff, B.: Altern als Thema der eigenen Biographie. Evangelische Arbeitsstelle Fernstudium für kirchliche Dienste. Hannover 1980; Oberste-Lehn, H.: Lebenstraining. Eine Möglichkeit zur Vorbereitung auf das Alter. In: Karl, F./Tokarski, W. (Hrsg.): Bildung und Freizeit im Alter. Bern/Göttingen/Toronto 1992, S. 39-53; Oberle, B./Tippelt, R. (Hrsg.): Modell „Wir im Ruhestand“ (WIR). In: Dettbarn-Reggentin, J./Reggentin, H. (Hrsg.): Neue Wege in der Bildung Älterer. Freiburg i.B. 1992, S. 145-157; als Verbindung von Bildungspraxis und Forschung: Schäuble, G.: Sozialisation und Bildung der jungen Alten vor und nach der Berufsaufgabe. Stuttgart 1995; als unübertroffen instruktiven Einblick in die Konzepte und Praxis der Altersbildung: Kade, S.: Altersbildung. Ziele und Konzepte. Frankfurt/M. 1994 Es ist in den letzten Jahren zu beobachten, daß Betriebe dazu übergehen, vorzeitig „freigesetzten“ älteren Arbeitnehmern beispielsweise im Rahmen von Vereinbarungen und Sozialplänen auch das Angebot von „Orientierungsseminaren“ zu machen, die den Übergang in den Vorruhestand abfedern sollen. Durchgeführt werden solche teilweise mehrwöchigen Kurse fast immer von externen Bildungsträgern. 36 tigen Situation. Aber dennoch kann – von einem Standpunkt jenseits der Unmittelbarkeit der Kurssituation aus betrachtet – nicht ausgeschlossen werden, daß die Erwachsenenbildung sich zugleich 70 Es ist grundsätzlich nicht auch an der Individualisierung von strukturellen Problemlagen beteiligt. unproblematisch, daß sich die (inner-) betriebliche und berufliche Weiterbildung dieser Fragen (und der davon Betroffenen) entledigen und die Bearbeitung der Vorruhestandsproblematik anderen Trägern 71 überlassen kann. Diese Gefahr ist durchweg dort gegeben, wo sich die Seniorenpolitik für Personengruppen zuständig erklärt oder erklären läßt, die – als Menschen, die 50 Jahre und wenig älter sind – wahrlich nicht „auf das Altenteil“ oder zu den „jungen Alten“ gehören. Womöglich hat das für Seniorenpolitik des Bundes zuständige Ministerium im konkreten Fall des Modellversuchs deshalb den – hier etwas künstlich geratenen – Akzent auf „intergenerativen Dialog“ gesetzt. Würde diese Aktzentuierung konzeptionell ernstgenommen, könnte auch im Bereich der Bildungsarbeit mit Vorruheständlern und ihren Angehörigen auf eine interessante Weise Neuland betreten werden. Beide Beispiele können verdeutlichen, daß die Bildungsarbeit für die Bewältigung unterschiedlicher Phasen des Ausscheidens aus der Erwerbsarbeit und des Vorruhestandes längst in Anspruch genommen wird. Die Modellprogramme zeigen, daß Hilfe, Versorgung und Betreuung nicht im Vordergrund stehen müssen, sondern die Erwachsenenbildung auch im Kontext von Arbeitsansätzen, die eher auf Bewältigung der schwierigen biographischen Übergangssituation zielen und eine sozialpädagogisch ausgerichtete Förderung gemeinschaftsorientierter Aktivitäts- und Gesellungsformen anstreben, einen wichtigen Beitrag dazu leisten kann, überhaupt erst reflexive Lernanlässe zu bieten, wo ansonsten Betreuung und Arbeitsverhältnisse simulierende Beschäftigungsformen dazu tendieren, in Bevormundung umzuschlagen. Sie kann dafür Sorge tragen, daß diese Lernanreize zur Selbstgestaltung des Lebens einladen, zur produktiven Verarbeitung der teilweise schwierigen Situationen. Gegenüber anderen bislang praktizierten Zugängen zur Vorruhestandsproblematik bietet offenbar einzig die Fokussierung auf die Schaffung von Lernanlässen und lernförderlicher Strukturen überhaupt erst die Chance, das Neuartige der gegenwärtigen gesellschaftlichen Transformationsprozesse wahrzunehmen und zu verstehen, warum traditionelle Problemlösungsmuster bei der Auseinandersetzung mit den Statuspassagen in das nachberufliche Leben zunehmend unbefriedigend wirken: Das simple Substituieren von Erwerbsarbeit durch fremdbestimmtes und heteronom als nützlich dekretiertes Ehrenamt oder auch bürgerschaftliches Engagement stellt im Kern nichts anderes als einen Normalisierungsversuch dar, der die längst in die Krise geratene „Arbeitsförmigkeit“ menschlichen Tuns noch im nachberuflichen Leben garantieren will. 70 71 Auf diese Tendenz wird – mit Blick auf die Langzeitarbeitslosen - längst auch schon aus sozialpädagogischer Sicht aufmerksam gemacht: „Ehemals arbeitsmarktpolitische Probleme haben sich im Laufe der Zeit in sozialpolitische verwandelt. Dadurch verschiebt sich bei der Beseitigung des Skandals Arbeitslosigkeit, insbesondere von Langzeitarbeitslosigkeit, der Focus, genauer: der Ansatzpunkt. Aus dem gesellschaftlichen Problem Arbeitslosigkeit sind massenhaft individuelle Schicksale geworden. (..:) Jetzt scheint es notwendig, mentale Strukturen, subjektive Haltungen Arbeitsloser zu bearbeiten. Immer stärker arbeitet die Sozialpädagogik am Subjekt selbst. (...) Das ursprünglich gesellschaftliche Problem Arbeitslosigkeit scheint am Ende ausschließlich zu einem des Individuums geworden zu sein. Denn der Schlüssel zur Beseitigung des Langzeitarbeitslosenproblems scheint (...) in der langzeitarbeitslosen Person selbst zu liegen.“ Schulz, R.K.: Sozialpädagogisch flankierte Arbeitsangebote für Langzeitarbeitslose oder: die Wendung zum Subjekt. In: Sozialmagazin 16 (1991) 7-8, S. 40-47, hier: S. 47 Darauf macht aufmerksam: Schäffter, O.: Bewältigung des vorzeitigen Ruhestandes – Anforderungen an die Weiterbildung. In: Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie (Hrsg.): Bewältigung des vorzeitigen Ruhestandes – Anforderungen an Rahmenbedingungen, Konzepte und Multiplikatoren in der Weiterbildung. Bonn 1996, S. 9-16 37 Die reflexartige Deutung und Behandlung der mit der Vorruhestandssituation gegebenen Verunsicherungen und Irritationen als zu behebende Inkompetenz, als Verlust von Kontrolle, als Unselbständigkeit und Hilfebedarf, als Selbstgefährdung oder Krankheit trägt dazu bei – womöglich unterstützt durch die in den betroffenen Generationen noch gehegten Überzeugungen – daß Erkundungen 72 subjektiv adäquaterer Verarbeitungsformen gar nicht erst stattfinden können. Die Indienstnahme von Bildungsarbeit für die Beförderung von Sozialintegration und die Ausfüllung von „Vergesellschaftungslücken“ hat ihren Stellenwert womöglich nur scheinbar erhöht. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß sie als „Hilfskraft“ gebraucht wird, um das Gebot der Selbstgestaltung „auf die weiche Tour“ durchzusetzen. Auffällig ist zudem, daß sozialpädagogische Stützungsmaßnahmen und arbeitsmarktpolitische Steuerungsversuche immer häufiger im Gewande der Bildungsarbeit daher kommen. Die Selbstbeschränkung auf die interaktiv-didaktische Dimension der Bildungsarbeit macht sie blind für ganz andere Lern- und Verhaltensaufforderungen, die aus den Kontexten und Maßnahmen insgesamt hervorgehen. Es gilt daher, verstärkt wieder das „ganze Feld“, die Institutionalisierungsformen mit ihren latenten und intendierten Verhaltenssteuerungen, in den Blick zu nehmen. Zusammenfassend läßt sich ein Bedeutungszuwachs des Lernens und der Bildungsarbeit für die subjektive und gesellschaftliche Auseinandersetzung mit der Vorruhestandsproblematik konstatieren. Zu klären bleibt aber, ob damit die Möglichkeiten der Bildung auch nur annähernd ausgeschöpft werden und ob nicht die Gefahr besteht, daß sie vereinseitigend für Normalisierungsinteressen in Gebrauch genommen werden. Die weithin anerkannte und von den Akteuren der Arbeit mit Vorruheständlerinnen immer wieder betonte Notwendigkeit, den Begriff von Bildung und Lernen – über das Informieren und 73 Instruieren hinaus – auszuweiten und in Bezug zu setzen mit Handlung und praktischem Engagement kann ohne weiteres Bemühen um pädagogischen Eigensinn durchaus auch zu einer Aushöhlung und Aufweichung humaner und normativer Standards pädagogischer Arbeit führen. Es ist deshalb zu begrüßen, daß das Bundesministerium für Bildung selbst durch die Förderung von Modellprogrammen im Vorruhestandsbereich ermöglicht hat, unter Praxisbedingungen pädagogischen Fragestellungen überhaupt erst wieder zu ihrem Recht zu verhelfen. Dabei wurde sinnvollerweise das Erprobungsfeld nicht auf das sichere Terrain traditioneller Bildungsansätze in gleichermaßen klassischen Institutionen reduziert, sondern die in der Praxis der Arbeit mit Vorruheständlerinnen – wie oben beschrieben – längst entwickelten Formen von Gemeinwesen- oder Projektarbeit mit einbezogen. Um die dabei gemachten Erfahrungen wird es im folgenden gehen. 72 73 Schäffter „erhebt die zentrale Bedeutung von Irritation und Erwartungsenttäuschung als Voraussetzung für ein Lernen hervor, das nicht – wie die im Sinne Piagets für den Aufbau der Identität in der frühen Entwicklung notwendige „assimilative“ Subsumtion neuer Informationen in den Horizont des Vertrauten – vor allem „Bestätigungslernen“ ist, sondern auf einer womöglich lustvollen und staunenden (Selbst-)Konfrontation mit befremdlich Neuem beruht. Er beschreibt (gesellschaftliche) Reaktionsmuster auf Irritationserfahrungen wie Helfen, Heilen, Sicherheit bieten, Missionieren, Urteilen und Qualifizieren, die allesamt dazu tendieren, Irritationen als Ergebnis defizitärer Verfassung der Subjekte zu betrachten und als Lernanlässe für Personen und Institutionen zu auszuschalten. Vgl. Schäffter, O.: Perspektiven selbstbestimmter Produktivität im nachberuflichen Leben. a.a.O. (Fußnote 5). Becker, S./Rudolph, W.: Handlungsorientierte Seniorenbildung. Modellprojekte: Konzeptionelle Überlegungen – praktische Beispiele. Opladen 1994 38 2. Bildungsarbeit mit Vorruheständlern – Modellprojekte 2.1. Weiterbildung als Beitrag zur Bewältigung des vorzeitigen und oft unfreiwilligen Ruhestands Das Bundesministerium für Bildung und Forschung hat in den letzten Jahren mehrere Projekte gefördert, die sich das Ziel gesetzt haben, für und mit Vorruheständlern – vorrangig in den östlichen Bundesländern – Bildungsangebote zu entwickeln, die deren besondere Lebenssituation zum Ausgangspunkt und Gegenstand haben sollten. Ende 1992 forderte das Ministerium in öffentlicher Ausschreibung Bildungsträger dazu auf, Projektideen für die Entwicklung und Erprobung spezifischer Weiterbildungsmodelle auszuarbeiten, die geeignet sein sollten, „die große Zielgruppe der vorzeitig aus dem Arbeitsprozeß freigesetzten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer (Vorruheständler) in den neuen Bundesländern (...) in ihrem Bestreben zu unterstützen, mit der neuen Lebenssituation konstruktiv umzugehen, die gewonnene Zeit produktiv zu nutzen und so auch außerhalb der beruflichen Tätigkeit ein erfülltes Leben in sozialem Ansehen zu führen“ (aus dem Ausschreibungstext). Das Bundesministerium hat über die Förderung der Modellprojekte – auf die unten noch ausführlich einzugehen ist – hinaus im Juni 1994 und Februar 1995 Fachtagungen durchgeführt, die das Thema „Vorruhestand und Weiterbildung“ unter dem Gesichtspunkt deutsch-niederländischer Erfahrungen aufgrif1 fen. Im Rahmen der „Konzertierten Aktion Weiterbildung“ fanden unter Beteiligung des BMBF 1993 und 1995 „Werkstattgespräche“ statt, die das Phänomen des „vorzeitigen Ruhestandes“ in einen 2 Zusammenhang mit Weiterbildung stellten. Damit war ein Diskurs eröffnet, der – wie die Teilnehmerlisten der dokumentierten Veranstaltungen belegen – altenpolitische Akteure, Betroffenengruppen, gemeinwesenorientierte Projekte, Vertreter von Betrieben, Gewerkschaften und Arbeitsverwaltungen, Kirchen, Sozial- und Bildungspolitiker, freie Initiativen und Erwachsenenbildungseinrichtungen und Wissenschaftler miteinander ins Gespräch brachte. Diese wirkungsvollen Initiativen fanden sichtbaren Ausdruck in der Ausarbeitung und anschließenden Förderung von fünf Modellprojekten, die unter den Bewerbern, die auf die oben erwähnte Ausschreibung reagiert hatten, ausgewählt worden waren. Von entscheidender Bedeutung war die Tatsache, daß sich die Ausschreibung ausdrücklich auf die Situation in den östlichen Bundesländern bezogen hatte. Diese Konzentration auf die neuen Bundesländer brachte einerseits die Anerkennung der Brisanz der dortigen Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt zum Ausdruck, berührte aber andererseits zumindest indirekt auch Problemstellungen, die im Zuge des Transformationsprozesses der Arbeitsgesellschaft auch dann fortbestehen werden, wenn die als Folgen der Wiedervereinigung aufgetretenen, historisch einmaligen Veränderungen zu ihrem Abschluß gekommen sein werden. Die Ausschreibung ließ prinzipiell offen, ob die zu entwickelnden Projektideen eher die Folgeprobleme des Systemwechsels und der ökonomischen Um- und Einbrüche im Gebiet der früheren DDR und damit eine eher begrenzte Perspektive wählen oder die radikalere Frage aufgreifen sollten, „aus welchen Quellen soziales Ansehen zu schöpfen sei, wenn 1 2 Katholische Bundesarbeitsgemeinschaft für Erwachsenenbildung (KBE) und Driekant – Opleiding en Advies (Hrsg.): Vorruhestand und Weiterbildung. Deutsch-niederländische Erfahrungen. Dokumentation der deutsch-niederländischen Fachtagungen vom Juni 1994 und Februar 1995. Bonn 1995 Beide Veranstaltungen wurden dokumentiert und herausgegeben vom BMBF (damals BMBW) (Hrsg.): Unfreiwillig in den vorzeitigen Ruhestand – kann Weiterbildung helfen? Bonn 1994 und BMBF (Hrsg.): Bewältigung des vorzeitigen Ruhestandes – Anforderungen an Rahmenbedingungen, Konzepte und Multiplikatoren in der Weiterbildung. Bonn 1996 39 dessen traditionelle Basis, die Integration in den ökonomischen Wertschöpfungsprozeß und eine exi3 stenzsichernde Erwerbsarbeit, entfallen ist oder zu entfallen droht“ – einen weiteren Fragehorizont also. Ausgewählt wurden ausschließlich Projektträger, die ihre Zentrale in den alten Bundesländern bzw. in Berlin hatten. Diese Entscheidung ist nicht nur vor dem Hintergrund der seinerzeit allenthalben virulenten Auseinandersetzungen über die Ost-West-Problematik von Bedeutung, sondern hatte im Zuge der Realisierung der Projekte zum Ergebnis, daß sich die Projektverantwortlichen in den westdeutschen Zentralen in intensive Kommunikations- und Verständigungsprozesse mit den vor Ort tätigen Projektmitarbeiterinnen und Adressaten zu begeben hatten. 3 Seiverth, A.: Ausgangspunkt und Kontext. Zu den theoretischen und trägerspezifischen Voraussetzungen und Fragestellungen des Projektes. In: DEAE (Hrsg.): Leben und Lernen im Transformationsprozeß der Arbeitsgesellschaft. Entwürfe 9-11. Karlsruhe 1997, S. 8-12, hier: S. 8 40 2.2. Kurzer Überblick über die geförderten Modellprojekte 2.2.1. Das KBE-Projekt „Aktiver Vorruhestand“ Das Projekt der Katholischen Bundesarbeitsgemeinschaft für Erwachsenenbildung (KBE) – Sitz: Bonn – wurde ab 1993 gefördert unter dem Titel „Übertragung individueller Berufs- und Lebenserfahrungen in die nachberufliche Lebensphase als Hilfe zur Selbsthilfe und Multiplikatorenbildung“. Dieser Titel gibt 4 das Projektziel bereits wieder. Ein von Dirk Grossmann verfaßtes Konzeptionspapier konkretisiert das Vorhaben: „Dabei sollen neue Aktivitäten (z.B. auch in Form von Aktionen) vornehmlich in zu bildenden Gruppen stattfinden. Dieses ehrenamtliche Engagement soll sich auf gesellschaftlich relevante Aufgaben 5 konzentrieren.“ Der Projekttitel wurde in der Praxis aufgegeben und ersetzt durch: „Initiative Kommt Zeit – kommt Tat – Aktiver Vorruhestand“ bzw. „Projekt Aktiver Vorruhestand“. Es wurden sechs Standorte ausgewählt, in denen jeweils katholische Einrichtungen örtliche Träger des Projektes wurden: Erfurt (Bildungswerk im Bistum Erfurt, Thüringen) Heiligenstadt im Eichsfeld (Bildungswerk im Bistum Erfurt, Thüringen) Halle/Dessau (Katholische Erwachsenenbildung im Land Sachsen-Anhalt) Magdeburg (Katholische Erwachsenenbildung im Land Sachsen-Anhalt) Um eine Vergleichbarkeit mit der Situation in den westdeutschen Bundesländern zu gewährleisten wurden zusätzlich zwei westliche Standorte gewählt: Bonn (Bildungswerk des Erzbistums Köln) Konstanz (Bildungswerk der Erzdiözese Freiburg). In den sechs Projektstandorten wurden jeweils örtliche Projektleiter bestimmt, die zusammen mit den jeweiligen „Kursleitern“ die Kursleitung darstellten. Die Projektleitung und –koordination oblag dem KBE, verantwortlich vertreten durch den KBE-Geschäftsführer. Ein Projektkoordinator und eine pädagogische Mitarbeiterin – die zugleich örtliche Kursleiterin in Bonn war – übernahmen die Fülle der in der Praxis des Projekts nach innen und außen zu leistenden Koordinierungs-, Dokumentations- und Beratungsaufgaben. Von zentraler Bedeutung für die Projektsteuerung war die sogenannte „Projektleitungsgruppe“, der die Gesamtprojektleitung und Koordinatoren, je ein örtlicher Projekt- und Kursleiter und die Vertreter der wissenschaftlichen Begleitung angehörten. Als einziges der durch das BMBF geförderten Modellprojekte wurde das KBE-Projekt aus Fördermitteln begleitet. Das „Institut für Sozialökologie/Staatsinstitut für Familienforschung an der Universität Bamberg“ (ISÖ) hat unter der 6 Leitung von Prof. T. Olk und M. Opielka das Projekt extern evaluiert. 4 5 6 Grossmann, D.: Die Übertragung individueller Berufs- und Lebenserfahrungen in die nachberufliche Lebensphase. In: Erwachsenenbildung – EB 1 (1993). Wieder abgedruckt in: Nacke, B./Grossmann, D./Toonen, R. (Hrsg.): Bildungsinitiative für eine ungewöhnliche Zielgruppe. Materialien zum Projekt “Aktiver Vorruhestand”. Gesamtbericht und Perspektive. Würzburg 1996, 169-175 a.a.O., S. 171 vgl. Nacke, B. (Hrsg.): Engagement durch Bildung – Bildung durch Engagement. Materialien zum Projekt “Aktiver Vorruhestand”. Abschlußbericht der wissenschaftlichen Begleitforschung. Erarbeitet von Gisela Jakob, Thomas Olk, Michael Opielka unter Mitarbeit von Franz Hiss. Würzburg 1996 41 Auf eine halbjährige Vorbereitungsphase folgte in den sechs Standorten eine zunächst für 12-14 Monate konzipierte, dann – durch eine erweiterte Bewilligung durch das Ministerium ermöglicht – 24 Monate dauernde Hauptphase und eine halbjährige Auswertungsphase. In der Jahreswende 1993/94 wurde mit dem Herzstück der Projektarbeit, den sogenannten Kursen, begonnen: Auf ein 4tägiges Einstiegsblockseminar folgten in Abständen von ca. 3 bis 6 Wochen Tagesund Blockveranstaltungen mit den in der Werbephase gewonnenen Teilnehmerinnen. Bis zum Sommer 1994 hatte an den Projektstandorten die Übersetzung der Projektidee insofern stattgefunden, daß die Teilnehmer in „Aktionsgruppen“ ohne pädagogische Begleitung selbstorganisiert weiterarbeiteten. In allen Projektstädten wurden solche Aktionsgruppen eingerichtet, die sich selbständig Aufgaben gesucht 7 hatten und sich für die Entwicklung geeigneter Organisationsformen selbst einsetzten. Die Parallelität von „Kursarbeit“, die nach dem Motto „von der Leitung zur Begleitung“ eine sukzessive Übernahme von Leitungsverantwortung durch die Teilnehmenden nicht nur forderte, sondern die Gruppenteilnehmer durch die Wahl entsprechender Methoden dazu auch zu befähigen versuchte, und der selbstorganisierten Arbeit in Aktionsgruppen stellte ein konzeptionelles und praktisches Kernelement des gewählten Arbeitsansatzes dar. Das Modellprojekt hat eine rege Öffentlichkeitsarbeit betrieben. Es wurden zwei bundesweite Vernetzungstreffen unter Beteiligung der Vorruheständlerinnen aus allen Projektstandorten realisiert, ein „Info-Dienst AKTIV ÄLTER WERDEN“, der von Teilnehmern mitgestaltet wurde, herausgegeben und 8 eine „Bundesarbeitsgemeinschaft (BAG) Aktiver Vorruhestand“ initiiert. Die Arbeit des Projektes wurde sorgfältig dokumentiert und ausgewertet. Neben den „Info-Diensten“, dem Gesamtbericht und dem Abschlußbericht der wissenschaftlichen Begleitung erschien noch eine „Arbeitshilfe“, die konkret auf methodische und didaktische Fragen fokussiert und an Beispielen belegt, wie durch die „Kursarbeit“ die Selbstbestimmungskompetenzen der Teilnehmerinnen befördert werden 9 sollten. Mit dem Ende der Projektlaufzeit 1996 war die Tätigkeit der von den Vorruheständler aufgebauten Aktionsgruppen durchweg nicht beendet. Der Wegfall der zentralen und regionalen Unterstützungsstruktur konnte vielfach kompensiert werden durch die Stärkung lokaler Einbettungen. 7 8 9 Die Themen und Aufgabenfelder der AGs der jeweiligen Projektstandorte sind angeführt in: Nacke, B. u.a. (Fußnote 4), S. 25f. Von den Vorruheständlern selbst verfaßte Berichte über Arbeitsgruppen – Seniorenbüro “Tat und Rat e.V.” (Bonn); AG Heimat- und Stadtgeschichte (Dessau); AG Sozialer Dienst (Heiligenstadt); AG Ökologie und Stadtbildpflege (Magdeburg) und AG “Interessenbörse” (Konstanz) – finden sich ebenda, S. 190ff. Sowohl der “Info-Dienst” wie auch die “BAG” haben die Laufzeit des Projektes nur um wenige Monate überlebt. In einer rückblickenden Bewertung kamen Mitwirkende des Projekts zu der kritischen Einschätzung, es habe sich dabei wohl um von oben nach unten aufgebaute Ideen (“Kopfgeburten”) gehandelt, denen eine wirkliche Verankerung in der “Basis” nicht gelungen sei. Der “Info-Dienst” habe durch eine konzeptionelle Umstellung, die auf eine stärkere Einbeziehung professioneller Perspektiven und Adressaten zielte, den Charakter eines Instruments der Selbstartikulation und Kommunikation der Vorruheständlerinnen selbst weitgehend verloren bzw. diesen sei es in der Folge schwer gefallen, sich mit dem “Info-Dienst” zu identifizieren. Nacke, B./Grossmann, D./Mörchen, A. (Hrsg.): Methodische Vielfalt und didaktische Stringenz. Materialien zum Projekt “Aktiver Vorruhestand”. Arbeitshilfe für Bildungseinrichtungen und Kursleiter. Würzburg 1996 42 2.2.2. Das Projekt „Die andere Geschichte. Spurensicherung im Vorruhestand“ des Deutschen Instituts für Erwachsenenbildung (DIE) Das von Sylvia Kade initiierte Projekt „Spurensicherung im Vorruhestand – Sozialintegrative Lerninitiativen in den neuen Bundesländern“ wurde von 1994 bis 1997 vom BMBF gefördert. Träger waren – entsprechend der damals noch gegebenen Ausrichtung des Deutschen Instituts für Erwachsenenbildung, das aus der Pädagogischen Arbeitsstelle des Deutschen VolkshochschulVerbandes hervorgegangen ist – ausschließlich Volkshochschulen. Es folgte einem von der Initiatorin entwickelten Konzept der „Werkstattarbeit“. An der VHS Magdeburg wurde unter der Leitung einer ostdeutschen Pädagogin, die durch bereits bestehende Kontakte zur Otto-von-Guericke-Universität gewonnen worden war, eine Geschichtswerkstatt eingerichtet, die mit den Mitteln der Oral History die Betriebsgeschichte des „SchwermaschinenbauKombinat Ernst Thälmann“ (SKET), des größten Schwermaschinenbaubetriebes der DDR, „von unten“ rekonstruieren sollte. Mitte Juni 1995 fand ein erstes Informationstreffen statt. Im Herbst 1995 konnte die Werkstatt mit 12 Teilnehmern – darunter zwei Frauen – beginnen, von denen die Mehrheit über vier Jahrzehnte bei SKET beschäftigt war. Von den zwischen 55 und 81 Jahre alten Teilnehmern waren – bis auf die älteren – die meisten unfreiwillig in den Vorruhestand oder in die Arbeitslosigkeit „freigesetzt“ worden. Mit der VHS waren zehn dreistündige Werkstattsitzungen vereinbart worden, aber diese Verabredung erwies sich – wie auch mehrere andere Regelungen, die den üblichen institutionellen Routinen des Erwachsenenbildungsträgers entsprachen – als der Logik und den praktischen Notwendigkeiten einer intensiven Werkstattarbeit widersprechend. Nach Ablauf des Werkstattprojekts an der VHS – das in geeignete Räume der Universität umgezogen war - blieb die Werkstattleiterin noch ein halbes Jahr ohne Entgelt Moderatorin der Gruppe. Die im Rahmen der Sitzungen aufgezeichneten Erzählungen der Teilnehmer wurden transkribiert und auf mehr als zweihundert Seiten dokumentiert. Die auf diese Weise erarbeitete Betriebschronik war das Fundament einer Ausstellung, die – ohne jede finanzielle Förderung – durch die Laienforschergruppe mit großem persönlichen Engagement vorbereitet und Anfang November 1996 – fast zeitgleich mit der erzwungenen Anmeldung zur Gesamtvollstreckung des Betriebes – in der VHS eröffnet wurde. Dabei wurden u.a. Fundstücke (z.B. Brigadebücher etc.) ausgestellt, die die Gruppe selbst zusammengetragen und in für die Exposition geeigneter Weise aufbereitet hatte. Die Ausstellung, die begleitet wurde durch Erzählungen und Kommentare der Zeitzeugen, wurde ein großer Erfolg: innerhalb einer Woche kamen 1200 Besucherinnen. Die Gruppe bemüht sich um die Übernahme der Ausstellung in eine ständige Museumspräsentation und plant, sich weiterhin auch ohne Unterstützung der VHS zu treffen. An der VHS in Berlin-Marzahn – die größte Plattenbausiedlung der DDR mit einem hohen Anteil von Akademikern und einer großen Zahl von Vorruheständlern – wurde eine Schreibwerkstatt durchgeführt. Nach einigen Anlaufproblemen fand sich eine Gruppe von Menschen, die in der Mehrheit zwischen 56 und 66 Jahre alt waren – darunter sehr viele alleinlebender Frauen. Für die Werkstatt wurde im Programm der VHS, in Lokalzeitungen und durch selbstgefertigte Plakate geworben, die in der VHS und im „KOMM“, einem Kontaktzentrum für den Vorruhestand im Einkaufszentrum Marzahns, ausgehängt wurden. Die Werkstatt fand in den Räumen des „KOMM“ statt. Angeleitet durch eine jüngere, aus Westberlin stammende Werkstattleiterin begannen die Teilnehmerinnen, die vorwiegend keine Schreiberfahrungen mitbrachten, nach und nach mit einer intensiven literarischen Produktion ganz unterschiedlicher Textsorten. Themen aus dem unmittelbaren Erfahrungsradius in der eigenen Wohnumgebung und Auseinandersetzungen mit der jüngsten (DDR-)Vergangenheit wurden selten ohne thematische Vorgabe oder explizite Aufforderung aufgenommen; in der Mehrzahl handelte es sich um Texte, die biographische Erfahrungen zum Schreibanlaß nehmen und damit zu einer Selbstaneignung der Biographie dienen konnten. Die Teilnehmerinnen waren nicht vorrangig an einer Intensivierung der Gruppenbeziehungen interessiert und behielten eher individualistische Arbeitsstile bei. Nachdem aber die Arbeitsweise, die 43 zunächst als „Hausarbeit“ gefertigten Texte in der Gruppe vorzutragen und zu besprechen, eingeführt und schließlich etabliert war, und sich nicht zuletzt auch durch den konstruktiven Umgang mit Unterschiedlichkeit in der Gruppe Vertrauen entwickelt hatte, konnten nach und nach Öffnungen nach außen, auf ein Publikum hin, ins Auge gefaßt werden. Durch erste Lesungen und Veröffentlichungen in der VHS-Broschüre und in der Lokalzeitung trat die Werkstatt schließlich öffentlich hervor. Erinnerungswerkstätten an den Volkshochschulen Wismar und Bremen fanden als Dialogprojekt unter westdeutschen und ostdeutschen Frauen statt. Als Abschluß war ursprünglich die Gestaltung einer Wanderausstellung geplant, die Frauenalltag in Ost und West so darstellen sollte, daß sich „Einsichten durch neue Ansichten“ gewinnen lassen. In einem eingehenden konzeptionellen Dialog zum Ablauf der Erinnerungswerkstätten verständigten sich die jüngere ostdeutsche Wismarer Werkstattleiterin und ihre Kolleginnen aus Bremen auf eine Vorgehensweise, die von Lebensphasen im Frauenleben ausging und auf den zunächst geplanten zeitgeschichtlichen Zugang verzichtete. Nach Anlaufschwierigkeiten bei der Teilnehmerinnengewinnung, die zum Teil auch auf ein geringes Interesse an ostdeutschen Erfahrungen zurückzuführen waren, begann die Werkstattarbeit in Bremen im Frühjahr 1996. Im Spätsommer 1996 nahm die Werkstatt in Wismar ihre Tätigkeit auf. Die zwölf Wismarer Teilnehmerinnen wurden durch persönliche Ansprache in anderen Kursen der VHS, in der Kultur- und Kirchenarbeit gewonnen; sie waren in der Mehrheit zwischen 50 und 65 Jahre alt. Die Teilnehmerinnen aus Bremen wurden durch persönliche und schriftliche Ansprache aus dem Kreise früherer Kursbesucherinnen gewonnen, die Gruppe war in ihrer Zusammensetzung (alters)heterogener. Zwei Begegnungen zwischen den beiden Frauengruppen fanden in Bad Zwischenahn und in Boltenhagen bei Wismar statt, die zum Anlaß wurden, eine „erzählende Ausstellung“ zu konzipieren und zu erarbeiten, mittels derer sich die Frauen gegenseitig anhand von auf Stellwänden angebrachten Alltagserinnerungen, Collagen etc. Lebensstationen aus dem Frauenalltag zunächst der westdeutschen, später der ostdeutschen Frauen erzählten. 10 Der Projektbericht verbindet plastische Beschreibung mit eingehender Analyse und Interpretation und dokumentiert zudem die an den vier Projektstandorten von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern selbst produktiv erbrachten Leistungen. Ausführliche Literaturhinweise ergänzen Darstellungen zur DDRGeschichte, der unterschiedlichen biographischen Verläufe und – für die Erwachsenenbildung von besonderem Interesse – ausführliche und gründlich ausgearbeitete konzeptionelle Überlegungen. Der Projektbericht eignet sich als Handbuch für eine Bildungsarbeit, die nicht in erster Linie durch den Aufbau von Selbsthilfeinitiativen und sozialen Netzen oder die Erschließung von Feldern ehrenamtlichen Engagements sozialintegrativ wirken will, sondern durch die lernende Aneignung und Rekonstruktion einer kollektiven Geschichte in einem gemeinsamen Prozeß der Auseinandersetzung. Das öffentliche Hervortreten durch ein „Produkt“ (Ausstellung, Publikation u.a.) war konzeptionell intendiert, die Entwicklung dafür – aus der Sicht der Teilnehmerinnen - geeigneter Formen aber sollte selbst Gegenstand lernender Bearbeitung sein und so zu selbstbestimmten Variationen der Grundidee einladen. 2.2.3. Das Projekt „Bildungsarbeit mit Menschen in der nachberuflichen Lebensphase“ der Deutschen Evangelischen Arbeitsgemeinschaft für Erwachsenenbildung e.V. (DEAE) Das Projekt der DEAE (Sitz: Karlsruhe) wird im vollständigen Titel beschrieben als „Bildungsarbeit mit Menschen in der nachberuflichen Lebensphase. Handlungsorientierte und gemeinwesenbezogene 10 Kade, S.: Die andere Geschichte. Spurensicherung im Vorruhestand. Frankfurt/M. 1997 44 Weiterbildung für Frauen und Männer in den neuen Bundesländern als Hilfe zur Neuorientierung und sinnerfüllten Gestaltung der nachberuflichen Lebensphase“. Es wurde von 1994 bis – nach einer Verlängerung – 1997 gefördert und realisiert an fünf ostdeutschen Standorten in weitgehender Verantwortung der örtlichen Projektträger. Diese befanden sich zu dieser Zeit ihrerseits in einem tiefgreifenden Prozeß des (Wieder)Aufbaus und der (Re-) Formulierung des Selbstverständnisses evangelischer Gemeinde- und Bildungsarbeit. Im mecklenburgischen Güstrow wurde – in der Trägerschaft der Evangelischen Erwachsenen- und Familienbildung – seitens der dortigen Projektstellenleiterin, einer Germanistin mit Erfahrungen in der Erwachsenenbildung, versucht, durch intensive persönliche Kontakte zu ländlichen Kirchengemeinden Begegnungsformen und dafür geeignete Strukturen zu schaffen, die „eine dauerhafte Stütze für die akti11 ve Beteiligung der älteren Generation an der Entwicklung ihres Lebensumfeldes bieten können.“ Nur durch einen außergewöhnlichen persönlichen Aufwand (Organisation von Fahrgemeinschaften für die weit verstreut wohnenden älteren Menschen, Hausbesuche, wiederholte persönliche Ansprache) gelang es ihr, Teilnehmerinnen für „Begegnungstage“ und Seminare sowie die punktuelle Mitwirkung an einem „persönlichen Briefdienst“ zu gewinnen. Die in den zahlreichen Gemeinden und in Güstrow aufgebauten Zusammenkünfte und Seminare hatten von der Projektleiterin formulierte „allgemeine Lebensthemen“ zum Gegenstand („Reise in unsere Lebensgeschichte“, „Für mich da sein – für andere da sein“). Das angestrebte Ziel, Selbstorganisation zu befördern, konnte – nicht zuletzt wegen mangelnder Einbindung der Projektleiterin in die örtlichen Gemeindestrukturen – nur in Ansätzen verwirklicht werden. Im thüringischen Jena war das Erwachsenenbildungswerk der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Thüringen Träger des Projektes. Als Projektstellenleiterin wurde eine ehemalige Ingenieurin ohne pädagogische Vorbildung, die aber langjährige Erfahrungen in der ehrenamtlichen Gemeindearbeit mitbrachte, beschäftigt. Die Projektarbeit konnte sich stützen auf eine bereits hochentwickelte Tradition evangelischer Gemeindearbeit und ein starkes Engagement in freiwilliger Mitarbeit. Durch einen großen persönlichen Einsatz, durch die Präsenz der Projektleiterin vor Ort und die Schaffung von festen Strukturen („Mittwochskreis“, Rundbriefe, Wochenendseminare) gelang es in einem gemeinsamen Lernprozeß, die überwiegend aus „Intelligenzberufen“ stammenden Teilnehmer aktiv in Programmplanung und –realisierung einzubeziehen sowie im Laufe des Projektes eine Vielzahl von Interessengruppen, die sich noch weiter ausdifferenzierten, aufzubauen: eine Ausstellungsgruppe, Kirchenführungsgruppe, Computergruppe, Literaturkreis, Englisch-Konversationskreis, Krankenhausbesuchsdienst, Weißer Ring, Jenaer Tafel u.a.. Die Projektleiterin war erfolgreich in dem Bemühen, das Projekt durch die Einbeziehung von Teilnehmerinnen in die Steuerungs- und Leitungstätigkeit („Leitungskreis“) und durch Vernetzungsarbeit zu stabilisieren. Dadurch konnten auch eine Verankerung in der Kommune und ein öffnender Zugang zu neuen Teilnehmern erreicht werden. Im sächsischen Pirna übernahm die Trägerschaft das „Zentrum für Begegnung, Beratung und Bildung“ (ZBBB), das bereits vor dem Beginn der Laufzeit des DEAE-Projekts konkrete Planungen für ein Projekt mit Menschen in der nachberuflichen Lebensphase angestellt hatte. Kern des Projektes war eine relativ feste Gruppe von Menschen im Vorruhestand und im frühen Ruhestand, die in Eigenregie einen ehemaligen Kindergarten in ein Begegnungszentrum umbauten. Dieser Tätigkeitsbezug hat die Zusammensetzung der Gruppe, deren Teilnehmer nicht nur aus handwerklichen Berufen kamen, und die inhaltliche Ausrichtung der Projektarbeit vor allem auch dadurch geprägt, daß Fördermittel aus dem Landesprogramm „Aktion 55“ beantragt worden waren und einen gewissen Anreiz darstellten. Die Ablehnung der Förderung hat schließlich zu einer zunächst krisenhaften Entwicklung, dann aber zu 11 Pulkenat, M.: Wege übers Land. In: Seiverth, A./Köllner, I.-M. (Hrsg.): Leben und Lernen im Transformationsprozeß der Arbeitsgesellschaft. Karlsruhe 1997, S. 43-69, hier: S. 46 45 einem Zusammenrücken der Verbliebenen geführt. Die Gruppe machte sich, unterstützt durch Ansätze einer ihren Bedürfnissen angepaßten Gruppenarbeit („Montagstreff“) und Informations- und Vortragsveranstaltungen, auch nach der Phase gemeinsamer Tätigkeit das Projekt mehr und mehr zu eigen und entwickelte ein weitgespanntes Spektrum von Interessengruppen und Begegnungsformen. Die Kleingruppen sind zuletzt in einer Leitungsgruppe vertreten, die vielfältige Aktivitäten koordiniert: Es gibt eine „AG Junge Naturforscher“, eine „AG „Elektromobil“, „Seniorenbetreuung“, Malzirkel, einen Chor, Nachhilfeunterricht und weitere Gruppen, die sich ausdifferenziert haben und teilweise im Rahmen der Aktion 55 tätig sind. Gemeinsame Seminare für Jugendliche und Senioren werden geplant und neue Aktionsfelder (Betreuung von Aussiedlern; Arbeit mit Behinderten) erschlossen. In Magdeburg lag die Trägerschaft in Händen der Evangelischen Erwachsenenbildung in der Kirchenprovinz Sachsen, die durch Beteiligung am Projekt erhoffte, ihr Programm zu erweitern und Zugang zu einer neuen Adressatengruppe zu finden. Der aus dem Westen stammende Projektstellenleiter organisierte Wochen- und Wochenendseminare – anfänglich zu Themen, die der Orientierung nach dem Übergang in den Vorruhestand und der Stabilisierung der individuellen Befindlichkeit dienen sollten („Der neue Alltag im Vorruhestand“, „Was haben wir noch zu geben?“), und eine längere Fortbildung zur „Straße der Romanik“. Ein Literaturkreis wurde initiiert, während regelmäßige Treffen, die in den Aufbau eines „Erzählcafés“ münden sollten, schließlich nicht weitergeführt werden konnten. Die weitgehend auf eine traditionelle Seminarform ausgerichtete Arbeit trug nicht dazu bei, Gruppenbildungen zu bewirken, so daß auch Selbstorganisation nicht gelang. In einer rückblickenden Interpretation des Projektleiters, der in der Reflexion seiner Arbeit grundsätzlich die Frage aufwirft, ob nicht Sozialarbeit bessere Möglichkeiten geboten hätte, sich den Problemen der Vorruheständler zu nähern, kommt er zu der Einschätzung, Erwachsenenbildungseinrichtungen könnten nur unter bestimm12 ten, nicht immer gegebenen oder anzustrebenden Bedingungen überhaupt Gruppenbildung fördern. Die Ländliche Heimvolkshochschule Thüringen e.V. war die Trägerin des Projekts in Reinhardsbrunn bzw. Donndorf – während der Projektlaufzeit fand ein Umzug der HVHS statt. Sie steht personell in enger Verbindung zur Landeskirche in Thüringen, öffnet sich aber grundsätzlich allen demokratischen Gruppierungen. Das Projekt wurde begleitet durch eine ostdeutsche ausgebildete Diplomingenieurin und eine aus dem Westen stammende Sozialwirtin, die Erfahrungen in der Erwachsenenbildung an Heimvolkshochschulen mitbrachte. Die grundlegende Bildungsidee war es, „Leben und Lernen unter einem Dach“ zu ermöglichen und jeweils Kurswochen durchzuführen. Teilnehmerinnen für die eher traditionellen Angebote wurden gewonnen durch die enge Kooperation mit Kirchengemeinden in ganz Thüringen. Das Ziel wurde klar vorgegeben: „Die Vorruheständler sollen motiviert werden, sich im 13 Bereich der Seniorenarbeit zu bilden, um in diesem gesellschaftlichen Bereich aktiv zu werden.“ In einer Ausschreibung des Projektes wird explizit formuliert: „Eine Perspektive der neuen Situation des Vorruhestandes kann die Chance zur freiwilligen sozialen Mitarbeit in der Altenarbeit in den unterschiedlichsten Wohlfahrtsverbänden, z.B. ASB, DRK oder Volkssolidarität sein. Gesucht werden auch ehrenamtliche MitarbeiterInnen für die Betreuung der Seniorenkreise in den evangelischen Kirchengemeinden“ (S. 167). Während in der ersten Seminarwoche noch die Situation und Befindlichkeit der Teilnehmer und die für sie teilweise belastende neue Situation des Vorruhestandes zum Thema wurden, gingen die weiteren Angebote mehr und mehr dazu über, für die praktische Seniorenarbeit wichti- 12 13 Wershofen, W./Ehrlich-Wershofen, S.: Neuer Mut und späte Freiheit. In: Seiverth, A./Köllner, I.-M. (Hrsg.): a.a.O. (Fußnote 11), S. 93-120, hier: S. 119 Mahler, L./Schäfer, P.: Leben und Lernen unter einem Dach. In: Seiverth, A./Köllner, I.-M. (Hrsg.): a.a.O. (Fußnote 11), S. 159-183, hier: S. 163 46 ge Kompetenzen zu vermitteln. An ihren Heimatorten griffen die Teilnehmerinnen – sofern sie nicht bereits aktiv waren – das Gelernte auf und brachten es in ein immer breiter sich auffächerndes ehrenamtliches Engagement ein. Selbstorganisation erfolgte vor Ort, darüber hinausgehend wurden auf der Grundlage der in den Seminarwochen aufgenommenen Kontakte zwischen den Teilnehmern vielfältige überregionale Netze geknüpft. Der Abschlußbericht des Projektes enthält neben ausführlichen Projektdarstellungen der örtlichen Praxis die Sicht des Trägers und der zentralen Koordinatorin, aber auch die Auswertung einer Studie, die drei Studentinnen der Erziehungswissenschaftlichen Fakultät der Universität Leipzig im Sommer 1996 vorrangig zu der Frage durchgeführt haben, „wie sich die Wahrnehmung, die Gedanken und Einstellungen der Vorruheständler in der Zeit ihrer Teilnahme am Projekt bezüglich ‚Arbeit‘ verändert haben oder nicht“ (S. 19). Sie bringt die Vorruheständlerinnen in Falldarstellungen selbst zu Wort. Weiterhin enthält die umfangreiche Publikation Berichte über Vernetzungstreffen und zentrale Weiterbildungen, die interne Selbstverständigung des Projektes und rückblickende Betrachtungen der Projektträger sowie die Standpunkte externer, die Projektarbeit begleitender Fachleute und Wissenschaftler vertiefend zu Einzelaspekten. Auf zusammenfassende Aussagen und Empfehlungen verzichten die Herausgeber. 2.2.4. Die Berliner „ZeitZeugenBörse“ e.V. Die Arbeit der ZeitZeugenBörse (ZZB) wurde zwischen 1995 und 1997 durch das BMBF gefördert. Die ZZB ist ein Anfang 1993 gegründeter Verein, in dem (alten)politisch aktive ältere Menschen, in Erinnerungsund Schreibprojekten engagierte Personen und in Erwachsenenbildung, Gerontologie und Forschung langjährig mit Initiativen älterer Menschen kooperierende Fachleute zusammenwirken. Die ZZB will durch ihre Aktivitäten dazu beitragen, Zeitzeugen zu befähigen, • „ihre erlebte Geschichte zu verarbeiten und möglichst gut und aussagefähig zu erzählen; • Zeitzeugen und Nutzern zu helfen, die eigenen Erwartungen und Erfahrungen zu überdenken; • Zeitzeugen an Medien, Schulen und andere Bildungsstätten zu vermitteln; • die leider noch immer bestehende Mauer in einigen Köpfen der Menschen zwischen Ost und West durch gegenseitiges Verständnis abzubauen; • viele Zeitzeugenbörsen zu gründen • und die Vernetzung aller beteiligten Institutionen voranzutreiben.“ 14 Die Vermittlung von Zeitzeugen ist – anders als der Titel nahelegt – nur eine Aufgabe der ZZB: Die Aktivitäten schließen die Akquise von Zeitzeugen, die Kontaktnahme und Arbeit mit Nutzergruppen (Lehrerinnen, Journalisten, Universitäten, Vereine, Betriebe, Künstler, politische und gewerkschaftliche Organisationen u.a.), die Einrichtung von „thematischen Gruppen“, die sich zum Beispiel mit der „BerlinBlockade 1948/49“, mit Straßen Berlins, mit dem Lehreralltag in Ost und West, Trümmerfrauen, dem Ehrenamt u.a. beschäftigten, die Durchführung monatlicher thematisch orientierter Treffen („Jour fixe“), das Verfassen, die Produktion und Verbreitung des ZeitZeugenBriefs, die Organisation von Ausstellungen, 15 Lesungen, Workshops, Gästebetreuung, Öffentlichkeitsarbeit, den Betrieb eines kleinen Cafés mit ein. 14 15 Aus der Vorbemerkung von Ingeburg Seldte in: ZeitZeugenBörse e.V. (Hrsg.): Die ZeitZeugenBörse. Abschlußbericht über die Modellprojektphase 1995-1997, Berlin o.J. vgl. Eichinger, G./Hinsching, B.: Die ZeitZeugenBörse aus der Sicht der hauptamtlichen Mitarbeiter. a.a.O. (Fußnote 14), S. 28ff. 47 Von besonderem erwachsenenpädagogischen Interesse sind die grundlegenden konzeptionellen Arbeiten, die ein kleiner Kreis von Erwachsenenpädagog(inn)en im Rahmen der ZZB entwickelte und die daraus hervorgegangenen Seminarkonzeptionen. In den Konzeptionspapieren werden begriffliche Klärungen vorgenommen und Zeitzeugenarbeit als das Spannungsfeld zwischen „Themenhorizont/gemeinsamem Erinnerungsanlaß“, den „Trägern von Erinnerungen“, den interessierten Öffentlichkeiten, dem Zeitzeugnis – „die Bedeutung, die eine Erinnerung erhält, wenn sie zu einer beiderseitig ‚geteilten Erfahrung‘ wird“ (S. 67) – und den situativen Rahmenbedingungen bestimmt. Als Tätigkeitsfelder der ZZB werden aus pädagogischer Sicht benannt: a) Erfahrungsbereiche und Themen der Erinnerungsarbeit: Anregen zur Erinnerungsarbeit, Gewinnen und Koordinieren von Zeitzeugen; b) Konzeptionen und Methoden der Präsentation: Entwickeln und Unterstützen von Zeitzeugenkompetenz; c) Vermittlung von Zeitzeugen: Erschließen von Interessenten an Zeitzeugenberichten d) Öffentlichkeitsarbeit: Verbreiten des Konzepts von Zeitzeugenarbeit. 16 Die Praxis des Projektes war geprägt von der durchaus unterschiedlichen Gewichtung der Aufgaben und Ziele durch die in der ZZB zusammengeschlossenen Personengruppen: die älteren Gründer des Projekts, die im Vereinsvorstand arbeiteten, die ehrenamtlich tätigen Wissenschaftler und Erwachsenenpädagogen, die bezahlten Mitarbeiter und die Zeitzeugen. Es traten Spannungen auf, die von einem Teil der Beteiligten als solche zwischen Produkt- und Entwicklungsorientierung interpretiert wurden: „Den Zielgruppen des Projektes, den Zeitzeugen und den Nutzern der Erinnerungen, entspricht zunächst stärker die Produktorientierung. Sie wurden in der Außendarstellung des Projektes in diesen Erwartungen bestätigt, die eher auf Vermittlung ihrer Erinnerungen ausgerichtet war und nicht auf Erinnerungsarbeit, eigenes Handeln und Gestalten. Die Verfechter der entwicklungsorientierten Perspektive wollten die Zeitzeugen in einem längeren Prozeß befähigen und motivieren, ihr Zeitzeugenwissen aktiv in Form von ausgearbeiteten Projekten nach außen zu tragen. Sie sollten auf der Grundlage der Erinnerungen Handlungsfelder erarbeiten und die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf nicht beachtete Zeitzeugenthemen lenken. (...) Die entwicklungsorientierten Arbeitsformen wurden in 17 der ZeitZeugenBörse in den Seminaren und in den Gesprächsgruppen eingesetzt.“ Der Förderung des Entwicklungsprozesses diente die Ausarbeitung und Realisierung von vier 1 Seminarbausteinen (jeweils 1 /2Tage), für die eine präzise didaktische und methodische Planung vorgenommen wurde und die nach teilweise mehrfacher Umsetzung sorgfältig ausgewertet wurden. Die Bausteine hatten die folgenden Themen zum Gegenstand: a) „Ich kläre und begründe meine persönlichen Erfahrungsfelder: ‚Wofür bin ich Zeitzeuge?‘“ b) „Ich wähle für mich geeignete Rahmenbedingungen zur Präsentation meiner Erinnerungen: ‚Der Zeitzeuge tritt auf‘ “ c) „Ich plane und organisiere zusammen mit anderen meine eigene Zeitzeugentätigkeit: ‚Entwicklung neuer Zeitzeugenangebote‘“. 16 17 Diese Aussagen sind entnommen dem Abschlußbericht der ZeitZeugenBörse, a.a.O. (Fußnote 14), S. 72ff. Doering, D./Geffers, E./Perbandt-Brun, H./Schäffter, O.: Konzeption und Realisierungsansätze aus der Sicht der Erwachsenenpädagogen. In: a.a.O. (Fußnote 14), S. 53-121, hier: S. 86 48 d) „Ich plane und organisiere Zeitzeugenangebote für andere Personen: ‚Organisation und Vermittlung von thematischen Veranstaltungen‘“. Der letztgenannte Baustein ist während der Projektlaufzeit nicht realisiert worden. In allen Seminaren wurde die Erfahrung gemacht, daß das Erzählbedürfnis der Älteren durch die Vermittlungen nicht aufgefangen werden konnte. Um eine Darstellungsmöglichkeit in einem halböffentlichen Rahmen zu bieten, die zugleich auch die Chance bot, sich mit den eigenen Darstellungskompetenzen auseinanderzusetzen, wurde der „Halbkreis“ konzipiert und angeboten: eine Erzählrunde in dem Räumen der ZZB, in der erste Erfahrungen zur Vorbereitung für spätere Betätigungen in einem öffentlichen Rahmen erworben werden konnten. Ein weiteres Angebot war ein Erfahrungsaustausch von und für Zeitzeugen „Nach dem Auftritt“, der der Auswertung und gemeinsamen Verarbeitung dienen sollte. Der zum Abschluß der Förderlaufzeit erstellte Bericht enthält neben den erwähnten Beiträgen der Erwachsenenpädagoginnen und hauptamtlichen Mitarbeiter auch Selbstzeugnisse von Zeitzeugen und einigen Nutzern. Im Anhang befinden sich u.a. ein interessanter Vortrag des hauptamtlichen Projektleiters und Pressereaktionen auf die Arbeit der ZZB. 2.2.5. Das ZWAR-Projekt „Entwicklung und Erprobung eines spezifischen Weiterbildungskonzeptes für Vorruheständler/innen und Senioren in den neuen Bundesländern“ Das im Ruhrgebiet seit 1979 aktive Projekt „Zwischen Arbeit und Ruhestand“ (ZWAR) hat im Bereich der Arbeit mit Vorruheständlerinnen Pionierarbeit geleistet und eine in langjähriger Praxis erprobte methodische Form der Gruppenarbeit zur Förderung von sozialen Netzen und selbstbestimmten Aktivitäten älterer Menschen entwickelt. ZWAR hat – trotz zeitweise intensiver Kontakte zu Initiativen in Ostdeutschland – selbst keine Gruppen in den neuen Bundesländern aufgebaut. Vom Herbst 1994 bis Ende 1996 förderte das Bundesministerium das Projekt „Entwicklung und Erprobung eines spezifischen Weiterbildungskonzepts für Vorruheständler/innen und Senioren in den neuen Bundesländern“, mit dem ZWAR auf eine große Zahl von Anfragen von ostdeutschen Initiativgruppen reagierte. Im Rahmen dieses Projektes wurden 32 Weiterbildungsseminare durchgeführt, a) die sich als „Zielfindungsseminare“ direkt an Vorruheständlerinnen wandten; b) als Seminare für Haupt- und Ehrenamtliche für Mitarbeiterinnen der offenen Altenhilfe im Kontext von Selbsthilfe und –organisation konzipiert waren und c) als „Vernetzungsseminare“ mit Vorruheständlern aus Ost und West Begegnungen fördern sollten. Wichtigste Kooperationspartner waren Mitarbeiterteams und Gruppenteilnehmerinnen des Berliner Vereins „Selbst-Hilfe im Vor-Ruhestand“ und des Merseburger Vereins „Vorruhestand in der Chemieregion“. Für diese Personenkreise sowie den Potsdamer Sprecherkreis der IG Metall „55 und älter“ und den Dresdner „Arbeitskreis Senioren der IG Metall“ wurden Teamentwicklungs-, Vernetzungs- und Zielfindungsseminare durchgeführt. Das Team des Projekts „Selbst-Hilfe im Vor-Ruhestand“ in Berlin wurde zwei Jahre lang begleitet. Der prozeßorientierten Arbeitsweise des ZWAR-Konzepts entsprechend wurden insbesondere Klärungsprozesse eingeleitet und an der Entwicklung von Netzwerkkonzepten gearbeitet. Gefördert wurden die Kompetenzen der Mitarbeiterinnen in den Bereichen der Prozeßmoderation, des Gebrauches von Moderationsmethoden, der Öffentlichkeitsarbeit und der Fähigkeit, Beziehungen untereinander und mit den Gruppen von Vorruheständlerinnen zu gestalten. Mit den Mitarbeiter(inn)en des Vereins „Vorruhestand in der Chemieregion“, die in unterschiedlichen Projektzusammenhängen tätig waren, 49 wurde u.a. die Erprobung von Zielfindungsseminaren mit Vorruhestandsgruppen supervidiert. Die prozeßorientierte Arbeit der Mitarbeiter führte – so die Erfahrungen des Projektes – vor dem Hintergrund eigener unbewältigter Auseinandersetzungen mit dem Transformationsprozeß in Ostdeutschland zu Belastungen in der Arbeit mit der Zielgruppe. Die Arbeit der ZWAR-Mitarbeiter hatte zum Ziel, gegenseitige Support-Prozesse zu stärken. Zu den wichtigsten Aufgaben der Prozeßbegleitung des Teams gehörte es, konstruktive Formen des Umgangs mit der Tatsache zu entwickeln, daß sich die Auseinandersetzung mit der Lebenssituation der Zielgruppen des Projektes in vielfacher Hinsicht über18 schnitt mit Fragen der eigenen Berufsbiographie und Perspektive (Konfluenzproblem). Die Arbeit mit ehrenamtlichen Teams kam über Gewerkschaftskontakte zustande. Der in Potsdam in Eigeninitiative gegründete IGM-Sprecherkreis „55 und älter“ und der Dresdner IGM Arbeitskreis Senioren wollten sich für eine stärkere innergewerkschaftliche Einbindung älterer Menschen einsetzen, Traditionen der Veteranenorganisationen der ehemaligen DDR durch ein Engagement für alte Menschen fortsetzen und – durch die Gründung von Wohngebietsgruppen – neue Wege der gewerkschaftlichen Seniorenarbeit einschlagen, um auch die Vorruheständlerinnen zu erreichen. Die Zusammenarbeit mit der Potsdamer Gruppe scheiterte – aus Sicht der ZWAR-Mitarbeiter – daran, daß die Teilnehmer des Sprecherkreises korrespondierend „mit den eigenen Schwierigkeiten sich auf einen Bildungsweg einzulassen, der von subjektiv persönlichen Einlassungen, Wünschen und Orientierungen als Auslöser für Veränderungsprozesse lebt“ sich nicht vorstellen konnten, mit prospektiven Gruppenteilnehmern im Rahmen von offen strukturierte Angeboten zu arbeiten, die diesen „grundlegende konzeptionelle und inhaltliche Gestaltungsräume“ eröffnen würde. Nachdem erkennbar wurde, daß sich gegen die in Zielfindungsseminaren erarbeiteten und auf Veränderungen der bestehenden Organisationsformen zielenden Lösungsvorstellungen massive „verdeckte und offene Widerstände“ und „Abwehrreaktionen“ entwickelt hatten, wurde die Zusammenarbeit abgebrochen (S. 54). Dem Interesse des Dresdner IGM Arbeitskreis Senioren dagegen, Strategien zur Gründung von Wohngebietsgruppen mit den Zielen Selbsthilfe und Selbstorganisation zu erarbeiten, konnte durch drei Veranstaltungen entsprochen werden, die ihren Ausgang bei den subjektiven, die Unterschiedlichkeit von Motiven für ehrenamtliches Engagement akzentuierenden persönlichen Einlassungen nahmen und daraus thematische Schwerpunktsetzungen für die Weiterbildung ableiteten. Dieser Zugang erlaubte die Artikulation von massiven Enttäuschungen und Gefühlen, die die Entwertung ihres früheren Engagements im Zuge der „Wende“ ausgelöst hatten. Vor diesem Hintergrund konnte dann nach gemeinsamen, ein erneutes Engagement tragenden Motivationen gesucht und schließlich Vor- und Nachteile von zu entwickelnden Organisationsformen für ihre Tätigkeit herausgearbeitet werden. Zwei weitere Seminare dienten der Vermittlung von Fähigkeiten, persönlichkeitsorientierte Arbeitsverfahren (Moderieren, Präsentieren, Visualisieren, Zukunftswerkstätten etc.) einsetzen zu können und der Stärkung des Wir-Gefühls des Arbeitskreises auf der Basis akzeptierter persönlicher Motivationen. Zusammenfassend kommt das ZWAR-Team zu der Einschätzung, daß „persönlichkeits- und konsensorientierte Weiterbildungsverfahren (...) in bestehenden Gruppen zu Veränderungen in Bezug auf die emotionellen Qualitäten, die Organisationsstrukturen und ggf. auf die inhaltlichen Zielformulierungen (führen) weil sie helfen, den Gruppenalltag neu zu generieren. Ängste vor Veränderungen, die ja auch immer mit Verunsicherungen einhergehen sowie verdeckte Widerstände artikulieren sich häufig durch die Verweigerung persönlicher Einlassungen und indifferente Beiträge. Für die Stimulation eines positi- 18 Diese Ausführungen folgen dem Abschlußbericht von Naumann, S./Klehm, Wolf-R./Hagemann, I.-M.: “Junge Alte” im Transformationsprozeß. Entwicklung und Erprobung eines Weiterbildungskonzeptes in den neuen Bundesländern. Dortmund 1997, hier: S. 50ff. 50 ven Arbeits(Gruppen)-klimas – und hier unterscheiden sich die ehrenamtlichen Teams keineswegs von Vorruhestandsgruppen – ist es von zentraler Bedeutung, ob es gelingt, die ‚Themen unter den Themen‘ aufzuspüren und zu bearbeiten. Gelingt dieser Prozeß nicht, stagniert nach unserer Erfahrung auch die Erarbeitung von Lösungsansätzen für das gemeinsame Thema“ (S. 57). Die acht von ZWAR organisierten „Vernetzungsseminare“ erreichten über 230 Personen, darunter vorrangig solche im Vorruhestand, aber – im Falle eines speziell konzipierten Ost-West/Jung-Alt Seminars mit Studenten aus Dortmund und Potsdam – auch jüngere Menschen. Mehrere Seminare waren angelegt als solche, die prozeßorientierte Arbeitsweisen damit verbanden, ein „Produkt“, nämlich „Zeitungen“, herzustellen, die mit den Titeln „5 Jahre nach der Wende“, „Lebenswelten 1955 / Lebenswelten 1995“ und „Journalismus im Vorruhestand“ erschienen sind. Aus einem speziell für Senior(inn)en durchgeführten Seminar ist ein Erzählband „ZWAR’ler erzählen ... Ost und West“ hervorgegangen. Mehrere Seminare richteten sich ausschließlich auf die Begegnung von Frauen aus Ost und West. Auf der Basis der bestehenden Kontakte zu Projekten gelang es, Gruppenteilnehmerinnen und Mitarbeiterinnen aus ganz unterschiedlichen Regionen in den neuen Bundesländern mit Mitgliedern aus ZWAR-Gruppen zusammenzubringen. „Im Sinne eines offenen Curriculums wurde mit den Teilnehmer/innen in bzw. vor jeder Veranstaltung ihr konkreter Weiterbildungsbedarf erarbeitet. Bereits in diesem Schritt ging es darum, die Selbstverantwortung der Teilnehmer/innen für ihren eigenen Lernprozeß zu aktivieren“ (S. 65). Mit Blick auf maßgebliche Tendenzen im Umfeld der Vorruheständler kommen die ZWAR-Autorinnen zu folgender Einschätzung: „Eine Gefahr liegt unseres Erachtens darin, wenn Bildungsangebote (...) vorschnell ehrenamtliches Engagement einfordern, weil mit dieser traditionellen Außenorientierung häufig der Prozeß der selbstreflexiven Subjektivität der Teilnehmer/innen auf gesellschaftliche (kollektive) Anerkennung und Nützlichkeit verkürzt wird. Gleichwohl sind wir durchaus der Meinung, daß die gesellschaftliche Teilhabe der Teilnehmer/innen in ihren unterschiedlichsten Facetten (selbstorganisierte Freizeit- und Bildungsaktivitäten ebenso wie Aktivitäten des freiwilligen sozialen Engagements) das Ziel bedürfnisorientierter Bildungsangebote sein kann“ (S. 68). 2.3. Umbruchsprozesse in den neuen Ländern - Probleme und Herausforderungen für die Projektarbeit Die geförderten Projekte hatten – mit unterschiedlicher Akzentuierung – praktisch wirksame Antworten zu finden auf eine Reihe von Schwierigkeiten, die direkt und indirekt mit der Tatsache der grundlegenden Umwälzungsprozesse in den neuen Ländern zusammenhingen. Sie konnten dabei sehr oft nicht auf Routinen und Erfahrungen, manchmal auch nicht auf ausreichende Ressourcen bei der Problembewältigung zurückgreifen. 2.3.1. Westdeutsche Träger für Projekte in den neuen Ländern Mit Ausnahme der ZeitZeugenBörse lag die zentrale Leitung und Koordinierung für die Durchführung der Projekte in der Verantwortung von Trägern, die – teilweise als Dachorganisationen – über Kontakte zu ostdeutschen Akteuren verfügten, aber ihre Zentralen in den alten Bundesländern hatten. In Verbindung mit der Tatsache, daß die Projektförderung durch ein Bundesministerium erfolgte, das in der Wahrnehmung vieler in die Projektarbeit involvierter Menschen ebenfalls „vom Westen aus“ in 19 Erscheinung trat, waren gewisse Vorbehalte, Reserviertheit und manchmal auch Skepsis anzutreffen. 19 “Wollen die uns ruhigstellen?” wurden Mitarbeiter des DEAE-Projektes von Zielgruppenangehörigen gefragt. 51 Unabhängig davon, wie berechtigt diese Reaktionen sein mögen, mußten die Projekte sich in einem gesellschaftlichen Klima entwickeln, das von Distanz- und Diskrepanzerfahrungen mitgeprägt war. Den Projekten ist es durchweg gut gelungen, produktiv mit dem Problem der fehlenden „Verankerung“ umzugehen, das sich bei einigen örtlichen Projektträgern ja in gewisser Weise ebenfalls stellte, die während der Projektlaufzeit oft noch auf der Suche nach Möglichkeiten einer Verortung in der regionalen Institutionslandschaft waren. Als förderlich hat sich der überwiegend respektvolle und sensible Umgang mit den Befindlichkeiten der ostdeutschen Akteure, die bereits in den Projektbegründungen mit Stichworten wie „drohende Enteignung der Biographie“, „Entwertungserfahrungen“ u.a. charakterisiert worden waren, erwiesen. Auch die gewählten organisatorischen Konstruktionen der Projektarbeit, etwa 20 die Einrichtung einer „Leitungsgruppe“ im DEAE-Projekt, die im Sinne einer „reflexiven Steuerung“ die Leitidee der Schaffung von „Ermöglichungsräumen“ auch auf die eigenen Strukturen bezog, entsprachen dieser Haltung: „Die DEAE als Träger des Projektes hat auf methodisch-didaktische Vorentscheidungen 21 und Vorgaben und auf einen direktiven Steuerungsstil verzichtet.“ Eine weitere Schwierigkeit bestand darin, in den neuen Bundesländern auf institutionelle und personelle Strukturen zu treffen, die alles andere als gefestigt und gesichert, sondern vielerorts noch ganz im Zeichen von Aufbau, Wiederaufbau oder Umbau standen, wo (Re-) Formulierungen des Selbst- und Aufgabenverständnisses nicht abgeschlossen und Ausstattungs- und Finanzierungsprobleme oft noch 22 ganz und gar ungeklärt waren. Wie bei den altenpolitisch akzentuierten Modellprojekten war es insbesondere in der Anfangsphase ausgesprochen schwierig, geeignete Mitarbeiterinnen für die örtliche Arbeit zu finden, teils weil sie im Hinblick auf die ungesicherten Projektperspektiven nach für sie verläßlicher erscheinenden Beschäftigungsmöglichkeiten Ausschau hielten, teils weil sie vor dem Hintergrund unterschiedlicher Ausbildungs- und Qualifikationsverläufe keinen Zugang zu den vorwiegend subjektorientierten Arbeitsansätzen der Projekte fanden, teils weil sie als Ostdeutsche unzureichend in der Lage waren, eine professionelle Distanz zur Lebensproblematik der Zielgruppenangehörigen aufzubauen oder als Westdeutsche vor massiven mentalen und sozialen „Anschlußproblemen“ standen. Daß für alle die genannten Problemkonstellationen auch Gegenbeispiele in der Projektarbeit gefunden werden können, relativiert die Aussage nur, mindert aber nicht ihre grundsätzliche Berechtigung. Durchgängig wurde 23 empfunden, daß die Einarbeitungszeit für die Mitarbeiter zu kurz war und eine projektinterne und projektübergreifende Auseinandersetzung und Konsensbildung über Haltungen, Ziele und Perspektiven nur unter großem Zeitdruck stattfinden konnte. 2.3.2. Prägungen und Tradition(brüche) im Handlungsfeld In den Projektberichten und im fachlichen Austausch über die konkrete Projektarbeit kann man immer wieder auf grundsätzliche Differenzen treffen, die zumindest teilweise als Auseinandersetzungen über 20 21 22 23 Seiverth, A., a.a.O. (Fußnote 3), S. 11f.. Die Absicht der Geschäftsführung auf Bundesebene war es, eine dezentrale Struktur zu sichern, in der die örtlichen Projekte in vergleichsweise großer Autonomie und Eigenverantwortlichkeit operieren konnten. Ein weitergehender Koordinierungsbedarf ergab sich daraus, daß die regionalen Entwicklungen gemeinsam interpretiert und bewertet werden mußten am Maßstab der übergeordneten Projektziele: dies führte zu fruchtbaren und sehr grundsätzlichen Auseinandersetzungen über die Funktion des Projektes, das Bildungsverständnis etc. Ebd. Weiterbildungsgesetze der Länder gab es noch nicht, Personal mußte aus Mitteln der Arbeitsförderung bezahlt werden, Träger hatten ihre Position in der Weiterbildungs”landschaft” noch nicht gefunden. Das gilt nach Einschätzung des wissenschaftlichen Leiters des ZWAR-Projekts auch für die beiden Mitarbeiter, die zur Durchführung des Projekts angestellt worden waren und die als “Zwei-Personen-Projekt ohne Begleitforschung und Dependancen vor Ort” (a.a.O., S. 10) tätig werden mußten. 52 Deutungs- und Definitionsmacht wahrgenommen werden können. Die von den meisten Projekten verfolgte Zielsetzung, sozialintegrative Wirkungen zu erzielen, stieß – wie zu erwarten war – auf regional-, träger- und milieuspezifisch differierende „Weltanschauungen“, die zumindest implizit auch als Wahrnehmungsweise des „Sozialen“, der „Gemeinschaft“ u.a. verstanden werden können. In vielen Projektberichten wird die herausragende Bedeutung von „Arbeit“ für die Sozialintegration herausgestri24 chen. Projekte mußten sich an dem Maßstab messen lassen, ob sie „ernsthafte“ Alternativen anbieten konnten. Zweifel daran kamen zum Beispiel häufig dann auf, wenn die Bildungsangebote „nicht zur 25 26 Sache kamen“ , wenn methodisch spielerische Zugänge gewählt wurden , wenn Beiträge westdeutscher Referenten oder Kursleiter als anmaßende Deutungen der eigenen Situation (fehl)interpretiert 27 28 Auseinandersetzungen um die – zumindest in ihren Konsequenzen realen – wurden. Realitätskonstruktionen durchziehen die Projektarbeit von Beginn an und kennzeichnen sie als einen Teil des schwierigen Prozesses deutsch-deutscher Wiederannäherung. Die Projekte trafen zudem auf teils gebrochene, teils fortdauernde Traditionen auch auf der Ebene der Institutionen. Volkshochschulen zum Beispiel hatten in der DDR deutlich andere Funktionen und ein von denen der Bundesrepublik unterschiedenes Aufgabenverständnis, das eher der schulischen 29 Qualifizierung zugeordnet werden kann. Unter den Bedingungen der DDR hatten die Kirchen und insbesondere auch die Gemeinden eng begrenzte Aufgaben zugeschrieben bekommen und waren in ihren 24 25 26 27 28 29 Eine von Studentinnen befragte Vorruheständlerin bestätigt, daß sie nach dem abrupten Verlust ihrer Arbeit Vorschläge, auf andere Beschäftigungen “umzusteigen”, als “Ersatzbefriedigung” abgelehnt habe, die Arbeitslosigkeit bringe die Betroffenen in den “Geruch des Untüchtigseins”. Vgl. Bayer, K./Ilmer, K./Kremer, S.: Nachgefragt. Betroffene kommen zu Wort – Eine Studie. In: Seiverth, A./Köllner, I.-M. (Hrsg.) a.a.O. (Fußnote 11), S. 19-40, hier: S. 35 Vgl. zum Beispiel die Äußerung von Mitwirkenden der Geschichtswerkstatt des DIE-Projektes in Magdeburg in: Kade, S., a.a.O. (Fußnote 10), S. 94 Vgl. zum Beispiel Köllner, I.-M.: Knotenpunkte. Die Vernetzungstreffen der Beteiligten. In: Seiverth, A./Köllner, I.-M. (Hrsg.): a.a.O. (Fußnote 11), S. 187-198, hier: S. 191 Vgl. dazu das Beispiel des ursprünglich aus Westdeutschland stammenden Leiters einer zentralen Weiterbildung im Rahmen des DEAE-Projektes über “Veranstaltungsplanung du Öffentlichkeitsarbeit”: Sein “Versuch, anhand der FastFood Kette ‚McDonalds‘ deren erfolgreiches Vorgehen in der Werbung und Öffentlichkeitsarbeit zu thematisieren, wurde von den Teilnehmern so verstanden, als würde ich für ‚McDonalds‘ werben. Es war nicht möglich, sich die permanente Medienpräsenz zu betrachten und zu analysieren und sich gleichzeitig vom Produkt zu distanzieren oder neutral dazu verhalten. So stand ich dann schnell als Anhänger des Fast-Food Konzerns da, was ich (natürlich!) mitnichten bin.” Wershofen, W.: Lehrstellen und ein Gesellenstück. Die drei zentralen Weiterbildungen 1996. In: Seiverth, A./Köllner, I.-M. (Hrsg.), a.a.O. (Fußnote 11), S. 198-203, hier: S. 201. Oder die Reaktionen von Teilnehmern auf ein Referat des aus Bremen stammenden Wissenschaftlers Dr. G., das die Geschichte der Alterssicherung in Deutschland zum Thema hatte: “Herr G. war auf die Auseinandersetzung eingegangen, ob es zulässig sei, eine Altersgruppe aus der Pflicht zur Arbeit zu entlassen. Zunächst ohne ersichtlichen Grund wurde von vielen diese Beschreibung einer historisch begründeten Diskussion als Kränkung und Angriff empfunden. In Zwischengesprächen wurde deutlich, daß dieser Ärger einen etwas irrationalen Zug hatte. Ich denke, er nahm eine Stellvertreterfunktion ein. (...) Die Distanz zu den eigenen Verletzungen war zu gering, um mit Entwicklungen, die neue Unsicherheiten und damit neue Verlustgefahren mit sich bringen würden, in sachlicher Nüchternheit umgehen zu können. (...) Deshalb: ‚Referent aus dem Westen war weltfremd, kennt unsere Situation nicht, wollte uns provozieren, damit wir aus uns herausgehen, um es aufzuschreiben‘“ vgl. Köllner, I.-M. a.a.O. (Fußnote 26), S. 188f. Im Sinne des sogenannten “Thomas-Theorems”: “If men define situations as real, they are real in their consequences” (vgl. Fuchs, W. u.a.: Lexikon zur Soziologie. Band 2, Reinbek b. Hamburg 1975, S. 691). Vgl. Siebert, H.: Erwachsenenbildung in der Bundesrepublik Deutschland – Alte Bundesländer und neue Bundesländer. In: Tippelt, R. (Hrsg.): Handbuch Erwachsenenbildung/Weiterbildung. Opladen 1994, S. 52-79: “In der DDR dominierte (...) ein materialer, an wissenschaftlicher Objektivität und Parteilichkeit orientierter Bildungs- und Erziehungsbegriff. Demzufolge wird Erfahrung zwar als motivationaler Anknüpfungspunkt akzeptiert, nicht aber als didaktisches Prinzip, da – so wurde befürchtet – einem Subjektivismus Vorschub leisten würde” (S.65). 53 Handlungsmöglichkeiten extrem eingeschränkt. Sie waren früher staatlich bestenfalls geduldete Außenseiterinstitutionen, heute sind sie öffentlich-rechtliche Körperschaften. Bekanntlich waren in den Kirchen und ihrem Umfeld Engagierte wesentlich an der demokratischen Umwälzung in der DDR beteiligt und hatten auch in der Zeit nach der Wende an der Herstellung demokratischer Strukturen mitgewirkt. Zugleich trafen sie, wie die Berichte des DEAE-Projekts als auch des KBE-Projekts bezeugen, in Teilen der Bevölkerung auf Zurückhaltung oder gar Ablehnung. Es nimmt deshalb nicht Wunder, daß nicht zuletzt auch diese Projekte als Möglichkeiten genutzt werden mußten, ein unter den neuen gesellschaftlichen Verhältnissen intern akzeptiertes und begründetes Selbstverständnis zu erarbeiten und in praktischer Tätigkeit nach außen darzustellen. Im Zuge dieses Bemühens lassen sich sowohl Tendenzen beobachten, die Projektarbeit als Medium der Institutionsentwicklung zu verstehen und zu nutzen, aber auch solche, die dem Projektansatz immanenten Veränderungsimpulse abzuwehren oder ins Leere laufen zu lassen. So entstehen teilweise Mischformen und Konstellationen, die es Außenstehenden schwer machen einzuschätzen, ob die in den allgemeinen Zielsetzungen der Projekte enthaltenen institutionellen Implikationen – die im Kern dazu dienen sollten, den Teilnehmerinnen Handlungs- und Erfahrungsräume zu eröffnen, aber auch pädagogische „Gegensteuerung“ zu ermöglichen – von den Akteuren gesehen und akzeptiert oder als für den langfristigen Erhalt der Einrichtungen eher hinderlich wahrgenommen worden sind. Modellprojekte mit naturgemäß begrenzter Laufzeit stehen immer vor dem Problem, ob die gesetzten Impulse nachhaltig wirken. Im Lichte des von mehreren Projekten angestrebten Ziels, Selbstorganisation der Teilnehmer zu befördern, standen die Einrichtungen vor der Aufgabe, solche Handlungsstrukturen und Rahmenbedingungen zu befördern, die die Fähigkeit, sich selbst zu reproduzieren, hervorbringen. Diese mußten – was definitiv nicht überall gelang – dann „eingefaßt“ werden in die bestehenden, auf Dauer angelegten Strukturen. Hier mußte es zu Reibungsverlusten kommen, die – worauf zunächst noch nicht eingegangen werden kann – auch als Reflexions- und Veränderungsimpulse aufgegriffen werden können. Auf der praktischen Ebene der Projektarbeit wurde das Problem insbesondere zu dem Zeitpunkt sichtbar, an dem sich die Frage einer „Beheimatung“ der entstandenen Kurse, Gruppen und Treffs über die Laufzeit der Projektförderung hinaus stellte. Besonders greifbar wird dieses beim DIE-Projekt, das im Rahmen der üblichen VHS-Strukturen vor besonderen Schwierigkeiten stand, die konzeptionell und theoretisch als notwendig erkannte Verstetigung der Gruppen zu ermöglichen. Die vielerorts in Volkshochschulen vertretene Position, über längere Zeiträume bestehende Gruppen seien in Gefahr, „Betonkurse“ zu werden, die es zu verhindern gilt, steht in eklatantem Widerspruch zu den sozialintegrativen Anliegen der Projektarbeit. Kursgebühren, die wenig zu „Beheimatung“ einladenden Lernorte, auf die Kursform ausgerichteten Temporalformen und andere Reglements repräsentieren eine auch normativ wirksame Realität, die die mit den „Werkstätten“ beabsichtigten Wirkungen unterläuft. Aber selbst bei den kirchlichen Erwachsenenbildungsträgern konnte nicht in jedem Fall sichergestellt werden, daß die prinzipiell mögliche Einbindung in Gemeindestrukturen erfolgte, sofern sie 30 überhaupt von den Teilnehmerinnen gewünscht wurde. Gerade bei erfolgreicher Projektarbeit waren die 30 Das KBE-Projekt wies unter dem Gesichtspunkt einer ursprünglich gegebenen Bindung der Teilnehmer an Kirchengemeinden große Unterschiede auf. Einige Gruppen konstituierten sich dadurch, daß bereits bestehende Kontakte im Kontext der Kirchengemeinde aufgegriffen wurden, andere konstituierten sich erst durch das Bildungsangebot und waren wesentlich heterogener zusammengesetzt: “Aufgrund des relativ offen gestalteten Zugangsprozesses arbeiten in den Gruppen Kursteilnehmer, die konfessionell in der katholischen Kirche (aber auch in der evangelischen Kirche) gebunden sind. Daneben gibt es aber auch konfessionslose Kursteilnehmer und Teilnehmer, die eine ausgesprochene Distanz zu den Kirchen haben, die z.B. im Staatsapparat der DDR in zentralen Positionen tätig waren. Die Konstituierung einer Gruppe mit gemeinsamen Zielsetzungen gestaltet sich im letzteren Fall wesentlich schwieriger als an den Projektstandorten, in denen sich die Teilnehmer bereits seit längerem kennen und eine gewisse Homogenität im Hinblick auf die Zugehörigkeit zum katholischen Milieu und daraus resultierende zentrale Sinnressourcen gegeben ist.” (Jakob, G./Olk, T./Opielka, M. unter Mitarbeit von F. Hiss: Engagement durch Bildung – Bildung durch Engagement. Abschlußbericht der wissenschaftlichen Begleitforschung des Projektes (Kurzfassung). In: Nacke, B./Grossmann, D./Toonen, R. (Hrsg.): Bildungsinitiative für eine ungewöhnliche Zielgruppe. Würzburg 1996, S. 141-168, hier: S. 145 54 Teilnehmer gestärkt worden in ihrer Fähigkeit, eigenen Wünschen und Bedürfnissen gemäß über Ausmaß und Form von „Einbindung“ zu entscheiden. Über den hier berührten quasi sozialpädagogischen Gesichtspunkt, nämlich den der Inszenierung von Gemeinschaften und der Anregung zur Selbstorganisation der Teilnehmerinnen hinaus müssen die Institutionalisierungsformen allerdings auch an dem Maßstab gemessen werden, ob sie „lernförderliche Strukturen“ darstellen. Diese können bei Teilnehmern Entwicklungen anstoßen, die zieloffen oder nur diffus zielgerichtet sind. Auch wenn der Wunsch nach Zugehörigkeit und Gemeinschaft zu den durchgängig von Teilnehmern geäußerten gehört, kann Gemeinschaftsbildung nicht per se zum Bildungsziel erhoben werden. Erst recht muß ein Lernprozeß, der – wie zum Beispiel das DIE-Projekt intendierte – auf Sozialbildung zielt, nicht in bereits vorgegebene Vergemeinschaftungsformen einmünden, sondern kann sehr wohl selbst „gefundene“ oder auch höchst individuell akzentuierte Begegnungsformen hervorbringen. Es ist deshalb – auch mit Blick auf die Projektförderung – unbedingt zu bedenken, daß die angestoßenen Lernprozesse und die Generierung von Gesellungs- und Vergemeinschaftungsformen nicht durch organisatorische Vorgaben – die sich womöglich aus der Regelhaftigkeit bestimmter Förderformen ergeben – zu eng geführt werden. Im Gegenteil käme es darauf an, durch die Teilnehmerinnen angeeignete Strukturen und sich daraus entwickelnde Gemeinschaften als Ergebnis lernender Auseinandersetzung gerade in ihrer Vielfalt und ihrer jeweiligen Eignung als Erprobungsfeld wertzuschätzen. 2.4. Konzeptionelle Schwerpunktsetzungen Die geförderten Modellprojekte haben unterschiedliche konzeptionelle Schwerpunkte gesetzt, dabei allerdings Probleme aufgegriffen, die in der einen oder anderen Form auch bei anderen Projekten auftauchten. Die jetzt anschließenden Ausführungen greifen deshalb charakteristische Problemstellungen einzelner Projekte auf, verweisen aber in der Regel zumindest indirekt auch auf solche anderer. 2.4.1. „Engagement durch Bildung – Bildung durch Engagement“ – Handlungsorientierung im KBE-Projekt Stärker als die anderen geförderten Projekte hat das des KBE eine Entwicklungslinie für die Bildungsarbeit mit den Vorruheständlerinnen vorbestimmt: „Die Projektteilnehmer und –teilnehmerinnen sollten durch Engagement für die eigene Gruppe und darüber hinaus für soziale Aufgaben sich selbst 31 Der Langtitel des Projekts hatte bereits zum Ausdruck ein neues Handlungsfeld erschließen.“ gebracht, daß die Leitidee „die Übertragung von individueller und beruflicher Erfahrung in neue Tätigkeiten und Sozialkontakte“ sein sollte, was für eine konzeptionelle Nähe zu Ansätzen der 32 33 „Handlungsorientierten Seniorenbildung“ und des „Kompetenztransfer“ spricht. Den Teilnehmern werden nicht nur Bildungs-, sondern auch Handlungsziele angesonnen, Lernen und Aktionsorientierung sollen sich wechselseitig ergänzen. Kompetenzen, die im Beruf und im Alltagsleben erworben wurden, 31 32 33 Nacke, B./Grossmann, D.: Engagementförderung durch Bildung. Eine Einleitung. In: Nacke/Grossmann/Toonen 1996, S. 1 Becker, S./Rudoph, W.: Handlungsorientierte Seniorenbildung. Modellprojekte: Konzeptionelle Überlegungen - praktische Beispiele, Opladen 1994 Stehr, I.: Kompetenztransfer. Zur theoretischen Begründung einer Freizeitpädagogik mit älteren Erwachsenen. Hohengehren 1992 55 können – so die Überzeugung der Initiatoren – dadurch einen neuen Verausgabungsrahmen finden. Es ist wichtig zu betonen, daß es sich dabei einerseits um ein „ehrenamtliches Engagement“, um „neue Aktivitäten“, zudem vorrangig um solche handeln sollte, die sich auf „gesellschaftlich relevante Aufgaben konzentriert.“ Damit war ein Rahmen abgesteckt, der das Projekt in die Nähe anderer Formen der Engagementförderung für ältere Menschen rückte. Im Selbstverständnis der Projektinitiatoren war der wesentliche Unterschied zu Projekten wie ZWAR darin zu sehen, daß die Förderung über die Konstituierung von Gruppennetzwerken hinaus die Zielrichtung „Engagement in relevanten Aufgabenfeldern“ angab, andererseits der Bildungsarbeit eine Schlüsselrolle bei der Engagementförderung 34 zugesprochen wurde. Damit wollte sich das KBE-Projekt absetzen von wichtigen altenpolitisch motivierten Initiativen wie zum Beispiel dem Modellprojekt „Seniorenbüros“, zudem aber der Bildungsarbeit ein Terrain im sich entfaltenden Handlungsfeld Engagementförderung sichern – mit genuin erwachsenenbildnerischem Akzent. Dabei ist der innovative Charakter des Projektes hervorzuheben, denn die „Möglichkeiten einer gezielten Förderung von Engagementbereitschaft und Engagementressourcen durch Maßnahmen der Erwachsenenbildung werden in der einschlägigen Literatur erstaunlich selten 35 thematisiert.“ Das Projekt zielte also darauf, ehrenamtliches Sozialengagement zu fördern. Ausdrücklich wurde darauf gesetzt, daß „neue Aktivitäten“ gefunden werden sollten, eine bloße Zuordnung zu bestehenden Möglichkeiten, sich ehrenamtlich zu engagieren, war mithin nicht gemeint. Vermutlich wurde mit der Kennzeichnung der Aktivitätsfelder als „neu“ auch versucht, die Notwendigkeit zu unterstreichen, die Teilnehmer bei der Selbstwahl und Selbsterschließung von Handlungsmöglichkeiten zu unterstützen. Damit war die Erwartung verbunden, den Vorruheständlern gewisse Orientierungshilfen für den Übergang in das nachberufliche Leben zu geben. Berufliche Aufgaben – so läßt sich der Ansatz verkürzt zusammenfassen – werden substituiert durch selbstgewähltes Engagement in außerberuflichen Feldern. Der Bildungsarbeit fällt die Aufgabe zu, die mentalen Voraussetzungen dafür zu schaffen, damit Teilnehmerinnen diesen Schritt gehen können. Dadurch engt sich die Zielgruppendefinition insoweit ein, als bereits Engagierte nicht zu denen gehören, auf die die „Maßnahme“ gerichtet ist. Es ist damit impliziert, daß die zu adressierenden Vorruheständlerinnen bis dato in irgendeiner Weise – durch äußere Bedingungen oder innere Dispositionen - davon abgehalten werden, sich in der gewünschten und ihnen angesonnenen Form zu engagieren. Wiederum verkürzt formuliert zielt das Projekt als Bildungsansatz auf die Überwindung beider „Hindernisse“: Durch die Konstituierung von Gruppen und neuen Gemeinschaften im Kontext eines Bildungsprogrammes – der Bericht der Begleitforscher spricht von 36 – sollen einerseits die subjektiven „Engagementförderung im Rahmen eines Langzeitkurses“ Bedingungen für das Entstehen von Engagementbereitschaft, gleichzeitig aber auch soziale Rahmungen für die Kontaktnahme mit Umwelten, in denen Möglichkeiten des Sozialengagements erschlossen werden können, geschaffen werden. 34 35 36 Mit Blick auf das “neue Ehrenamt” wird der Bildungsarbeit eine förderliche und ergänzende Funktion zugesprochen: “Neben der Forderung nach gesellschaftlicher Anerkennung und einer angemessenen Aufwandsentschädigung wird in diesem Zusammenhang immer häufiger der Wunsch nach Qualifizierungsmaßnahmen, nach Weiterbildung, Begleitung und Supervision für ehrenamtlich Tätige geäußert. So gesehen haben es auch und gerade die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Erwachsenenbildungsinstitutionen in ihrer Hand, mit einem speziellen Angebot für (potentiell) ehrenamtlich Tätige die Rahmenbedingungen für soziales Engagement zu verbessern und solchermaßen das ‚neue‘ Ehrenamt mit neuer Attraktivität zu versehen.” Mörchen, A.: Einleitung. In: Nacke, B./Grossmann, D./Mörchen, A. (Hrsg.): Methodische Vielfalt und didaktische Stringenz. Würzburg 1996, S. 7. Jakob/Olk/Opielka/Hiss 1996 (Fußnote 30), S. 144 Jakob/Olk/Opielka/Hiss 1996 (Fußnote 30), S. 145 56 Im Hinblick auf die subjektiven Bedingungen sind es vor allem die in der ursprünglichen Konzeption genannten Phasen der „Selbstfindung (Erwachsenenbildung als Lebenshilfe)“ und der „Orientierung (Erwachsenenbildung als motivationale Bildung)“, die auf die Phase der Werbung folgen. Zum Inhalt der erstgenannten Phase wird ausgeführt: „Sie umfaßt das auch im ZWAR-Projekt realisierte Bemühen, die eigene Situation, Betroffenheit und Interessenlage wahrzunehmen, zu thematisieren, zu gestalten und dies bewußt in einer Gruppe von Teilnehmern mit ähnlichen Erfahrungen zu praktizieren. Schon allein 37 dieser Bewußtmachungsprozeß wurde von den Teilnehmern als Lebenshilfe erfahren.“ Eng damit verknüpft wird in dieser Phase der „Selbstfindung“ das Anliegen, durch Gruppenarbeit vorhandene Fähigkeiten und Fertigkeiten, Wissen und Erfahrung der einzelnen Teilnehmer bewußt und sichtbar zu 38 Dem Selbstverständnis und der Wahrnehmung der Projektmitarbeiterinnen folgend wird in machen. 39 dieser Phase eine „Stabilisierung der Persönlichkeit“ erreicht. Stellt bis hier die Gruppe den relevanten Bezugsrahmen für die Projektarbeit dar, in der mit verschie40 , sollen die Teilnehmerinnen densten Methoden psycho-sozialer Ansätze gearbeitet wird „Orientierung“ dadurch finden, daß sie „vor dem Hintergrund des Handlungsbedarfs in ihrem lokalen resp. regionalen Umfeld sich als einzelne wie als Gruppe(n) klar werden, wo und wie sie sich künftig mit wem gesellschaftlich engagieren wollen. D.h. es gilt in einem Prozeß der Sammlung und Strukturierung herauszufinden, • wo sich die TN Betätigungsfelder vorstellen könnten (ggf. Brainstorming), • was die TN davon jeweils selbst gern mit anderen zusammen tun würden und wofür sie bereits Kompetenzen mitbringen, • wo – im weitesten Sinne – gesellschaftlicher Handlungsbedarf besteht und – als conclusio – • wo sich dieses deckt resp. inwieweit sich dieses zur Deckung bringen läßt.“ 41 Die Gruppe stellt in dieser Phase einen „Resonanzboden“ für die Versuche der Gruppenmitglieder dar, sich mit ihren Fähigkeiten und gewünschten Aktivitäten probeweise hineinzuprojezieren in ein soziales Umfeld. Das Umfeld existiert hier – virtuell – wesentlich als Raum der Ermöglichung und Begrenzung, zugleich aber auch als ein Feld, in dem Relevanzen (Handlungsbedarf ) vorgefunden werden können und die nun berücksichtigt und bewertet werden müssen. Im Rahmen der Gruppe findet also ein Klärungsprozeß statt, der wesentlich davon lebt, immer wieder den Standpunkt eines „generalisierten Anderen“ einzunehmen, die eigenen Kompetenzen und Wünsche sozusagen durch einen Perspek42 tivwechsel „von außen“ zu sehen. Der darauf folgende Aufbau der „Aktionsgruppen“, in der die viel- 37 38 39 40 41 42 Nacke, B.: Durch Bildung zur gemeinschaftlichen Aktion auch über den Bildungsvorgang hinaus? In: Nacke/Grossmann/Toonen 1996 (Fußnote 30), S. 175ff. Vgl. die ausführlichen Kommentare in Nacke/Grossmann/Mörchen 1996 (Fußnote 34), S. 12ff. Ebd. Eine Liste der eingesetzten Methoden und Übungen enthält die “Arbeitshilfe”. Nacke/Grossmann/Mörchen 1996 (Fußnote 34), Kap. 8, dort insbesondere die “Bausteine” “Abschied von der Erwerbsarbeit”, “Biographiearbeit” und “Kommunikation” Ebd. (Fußnote 34), S. 13 In dieser Hinsicht ähnelt die Situation der Teilnehmer derjenigen, vor der die älteren Menschen, die sich im Berliner Programm “Erfahrungswissen älterer Menschen nutzen” engagiert haben, standen: Das Erfahrungswissen-Konzept ist transgenerativ und interaktiv angelegt. Es konfrontiert die Älteren mit der Frage, welche eigenen Kompetenzen und Befähigungen in Gebrauch zu nehmen wären, für wen diese möglicherweise interessant und nützlich sein könnten. Damit wird das in der Gerontologie kritisierte Mißverhältnis zwischen den gewachsenen Potentialen der älteren Menschen und den gesellschaftlichen Strukturen, die diese aufgreifen und in Anspruch nehmen, indirekt und in subjektbezogener Perspektive zum Thema gemacht. 57 fältigen Handlungsentwürfe auf ihre Realisierbarkeit hin überprüft werden können, stellt die Teilnehmer vor die Aufgabe, ihre Pläne zu konkretisieren und gezielt umzusetzen. Dies geschieht ohne unmittelbare Beteiligung oder Unterstützung durch die „Kursleiter“. Für die Reflexion der dabei gemachten Erfahrungen steht die „Kursebene“ der Projektes, also das regelmäßige Treffen im Gruppenplenum, zur Verfügung. Thematische Überschneidungen und in mehreren Aktionsgruppen gleichzeitig auftretende Probleme können dort bearbeitet werden. In der Praxis des Projektes scheint dieser idealtypisch geglättete Verlaufsplan, dessen „didaktische Stringenz“ immer wieder betont wird, natürlich nicht in der suggestiven Zielgerichtetheit realisierbar gewesen zu sein. Zur Erläuterung läßt sich gut eine Unterscheidung heranziehen, die die Begleitforschergruppe zur Differenzierung des Engagementbegriffs vorschlägt: • „Selbstengagement“: das Engagement bezieht sich auf den Handelnden selbst; es erhält Kompetenzen, vermeidet resignative Rückzugstendenzen und die Entwicklung biographischer Optionen jenseits aktiver Familienphase und Beruf; • „Gruppenengagement“: das Engagement zielt auf gemeinschaftsbezogene Aktivität in Selbsthilfeund anderen Gruppen, in Sport und anderen Vereinen und es kombiniert selbst- und fremdbezogene Handlungen; • „Fremdengagement“: das Engagement richtet sich gezielt auf Dritte, zum Beispiel in einem – auch – 43 altruistisch motivierten sozialen Ehrenamt. Nach einer Laufzeit von zwei Jahren kann – so die Begleitforschung – konstatiert werden, daß „alle Teilnehmer des Projektes (...) die Stufe 1 und 2 (erreichten), indem sie an diesem spezifischen Projekt teilnahmen, sei es als Mitglieder der Kurs- oder der Aktionsgruppen. Sie demonstrierten ihre Bereitschaft zur Selbstaktivität und zur Kooperation in einer Gruppe. Bemerkenswert ist, daß ein Teil der Teilnehmer auch 44 Stufe 3, das Fremdengagement, erreichten und sehr viele auf dem Weg dorthin waren.“ Ob die ursprüngliche Intention des Projektes, einen Transfer beruflicher und sonstiger Handlungserfahrungen in einen nachberuflichen Kontext zu ermöglichen, realisiert werden konnte, vermögen die Begleitforscher „nicht so eindeutig zu beurteilen. Offensichtlich gelang es durch die Projektanlage, die bisherigen, auf die Arbeitswelt bezogenen Handlungsorientierungen so zu übersetzen, daß sie in einer von äußeren Zwängen erst einmal relativ befreiten biographischen Situation als Qualitäten sichtbar werden konnten: Organisationstalent, Kommunikationsfähigkeit oder Hilfsbereitschaft. Dazu trug die Tatsache der Kursgruppen und das ihr innewohnende Anregungspotential 45 ebenso bei wie die spezifische Schulung der Kursleiter, die gezielte Inputs geben konnten.“ Es ist schwer zu beurteilen, ob und inwieweit das als Wirkungen der Kursarbeit und der „Projektanlage“ verbuchte Verhalten der Teilnehmerinnen unter den Bedingungen einer weniger „stringent“ angelegten pädagogischen Steuerung des Projektes nicht in ähnlicher Weise zu beobachten gewesen wäre. Dafür spricht, daß das KBE-Projekt – so lassen sich auch Äußerungen und Beobachtungen ehemaliger „Kursleiter“ des Projekts verstehen – zwar weniger in seiner Außendarstellung, aber durchaus im Zuge der internen Projektentwicklung, immer wieder mit der Frage konfrontiert war, wie es – auf den verschiedenen Ebenen der Projektorganisation – den „Druck“ abschwächen konnte, der – vermittelt über 43 44 45 Jakob/Olk/Opielka/Hiss 1996 (Fußnote 30), S. 19f. Ebd., S. 95 Ebd., S. 100 58 die Projektleiter, Kursleiter oder die ursprüngliche, vor der Verlängerung der Projektlaufzeit gegebene Zeitstruktur – auf die Teilnehmer ausgeübt wurde, sich den „höheren Stufen“ des Engagements zu 46 nähern. In diesem Sinne lassen sich mehrere Formulierungen in verschiedenen Berichten verstehen: Es wird – die eigene Arbeit evaluierend – dafür plädiert, ohne Zeitdruck zu arbeiten, Raum zu lassen für die Aufarbeitung der Lebenssituation, für die Suche der Teilnehmer nach neuen Quellen ihres Selbstwertgefühls, für Bedürfnisse nach Gemeinschaftserlebnissen in der Gruppe: „Die lange und intensive Form der Zusammenarbeit schmiedet zusammen. An allen Standorten ist von Teilnehmerseite die Entwicklung eines besonderen Vertrauensverhältnisses, eines starken Gemeinschaftsgefühls sowie eines engen, z.T. 47 Auch die wissenfamilienähnlichen Zusammenhalts als besonders positiv herausgestellt worden.“ schaftliche Begleitung kommt zu dem Fazit, daß das „auffälligste, hervorstechendste und vielleicht auch bedeutendste Ergebnis“ der Untersuchung die Wertschätzung von „Gemeinschaft“ ist, die dominierende 48 Teilnahmemotivation und das hochbewertete Ergebnis der Projektarbeit aus der Sicht der Teilnehmer. Von den Teilnehmern wird das allmähliche Entstehen von Gemeinschaften durchaus in Zusammenhang mit Herausforderungen gesehen, die sich in der „Kursarbeit“ und in der Auseinandersetzung mit den Hindernissen und Schwierigkeiten dort stellen, wo im sozialen Umfeld selbstgewählte Tätigkeiten realisiert werden sollen. In Gesprächen äußerten sie, daß basale Kompetenzen zurückgewonnen werden konnten, die in der oftmals desolaten Situation, die sich an das unfreiwillige Ausscheiden aus der Erwerbsarbeit anschloß, verloren gegangen waren: „In den ‚neuen Gemeinschaften‘ – wie die Kurse rückblickend bezeichnet wurden – gab es offenbar ein intensives ‚Lernen von anderen‘. Als wesentlich wurde von einigen Teilnehmer(inne)n die wiedergewonnene Fähigkeit herausgestellt, sich auf (neue) Aufgaben zu konzentrieren – einhergehend mit der willkommenen Möglichkeit, von Alltagsproblemen, die in dieser Lebensphase gehäuft auftreten können, auch einmal Abstand zu nehmen. Diese Fähigkeit, sich auf wieder aufgegriffene oder neu gefundene Themen und Problemstellungen zu konzentrieren, stellt eine wichtige 49 Voraussetzung dafür dar, überhaupt das Private überschreitende Relevanzen aufbauen zu können.“ Es ist zu vermuten, daß entgegen der stringenten Programmatik des Projektes, die – bei aller Betonung von Selbstbestimmung und Selbstorganisation – ein hohes Maß an Plan- und Steuerbarkeit suggeriert, die Projektpraxis vielfältigste Abstufungen von Zielorientierung aufweist und krisenhafte Entwicklungen nicht zuletzt dann zu bearbeiten hatte, wenn die Aufforderung zum Engagement (für Dritte) als drängend erlebt wurde. In diesem Sinne konstatiert die Begleitforschung, daß die Kursleiter „eine ausdrückliche Thematisierung von Engagement und noch mehr ein entsprechendes Anschlußhandeln dann zu vermei- 46 47 48 49 Der Abschlußbericht des Standortes Dessau (Bitterfeld)/Halle zum Beispiel spricht von einem “gewissen Zeit- und Leistungsdruck” vor der Bewilligung der Verlängerung der Projektlaufzeit. “Die Wichtigkeit des Zeitfaktors machte sich im hiesigen Kurs besonders deutlich, als bei der zweiten Blockveranstaltung (April 1994) mit Blick auf die bevorstehende Sommersaison von Beginn an stark auf die Bildung der auf spezielle Inhalte ausgerichteten Aktionsgruppen (AG) gedrängt wurde. Daraus entstand eine brisante Situation im Kurs.” (Schmidt, M./Freckmann, H.: Kursstandort Dessau (Bitterfeld)/Halle – Abschlußbericht. In: Nacke/Grossmann/Toonen 1996 (Fußnote 30), S. 57 Nacke/Grossmann/Mörchen 1996 (Fußnote 34), S. 22f. Jakob/Olk/Opielka/Hiss 1996 (Fußnote 30), S. 43. Eigene Befragungen anläßlich eines Vernetzungstreffens der verschiedenen Gruppen kamen zu dem Ergebnis, daß die in der Kursarbeit entstandenen “neuen Gemeinschaften” besonders wertgeschätzt wurden. Knopf, D.: Aktivierung von Vorruheständler(inne)n durch Bildungsprojekte – einige vergleichende Überlegungen. In: Nacke/Grossmann/Toonen 1996 (Fußnote 30), S. 132-140, hier: S. 135 59 den (scheinen), wenn ihnen ausschließlich ein konfrontativer Weg als Handlungsoption zur Verfügung steht. Sie befürchten dann (zurecht!), die Teilnehmer zu überfordern und die – bei freiwilligen Bildungsangeboten inhärente – ‚Abstimmung mit den Füßen‘ zu verlieren. Mit einem erweiterten Engagementkonzept (...) entstehen jedoch ganz neue anerkannte Optionen für Kursleiter und Teilnehmer. Das Stufenmodell (Selbstengagement – Gruppenengagement – Fremdengagement) erlaubt für die Teilnehmer einen gleitenden Übergang zwischen den Engagementformen; es ermöglicht aber auch den Kursleitern einen gelasseneren Umgang mit dem Projektziel der Engagementförderung, da methodisch ein breites Spektrum von Aktivierungsformen möglich wird. (...) Anstatt die Kursteilnehmer mit ihnen äußerlich erscheinenden Anforderungen und Vorschlägen für ein soziales Engagement zu konfrontieren, kommt es darauf an, die Teilnehmer durch biographische Reflexion für sich selbst erarbeiten zu lassen, welche Form und welches Betätigungsfeld von Engagement für sie sinnvoll und biographisch 50 ‚passend‘ erscheint.“ Dieser Empfehlung läßt sich zweifelsfrei entnehmen, daß der Instrumentalisierbarkeit von Bildung für Zwecke der Engagementförderung Grenzen gesetzt sind, daß ohne die (relative) Autonomie pädagogischer Arbeit ihre Wirkung im Hinblick auf die angestrebten Ziele schwach oder gar kontraproduktiv sein kann: „Die implizite Fokussierung auf ‚ehrenamtliches‘ Engagement trug dazu bei, daß Personen, die 51 daran nicht interessiert sind, entmutigt bzw. aus den Gruppen gedrängt werden konnten.“ Instruktiv ist in diesem Zusammenhang die Einschätzung, zu der der Abschlußbericht des DEAEProjektes kommt: „In einem idealtypischen Verlaufsmodell hatten wir eine Abfolge von ‚Motivations-‘, ‚Orientierungs-‘ und auf Tätigkeitsbereiche bezogene ‚Qualifikationsseminare‘ angenommen. Im realen Verlauf waren diese strukturbestimmten Veranstaltungsformen selbst nur Momente eines sehr viel komplizierteren und in den Handlungsverläufen komplexeren Organisationsprozesses sozialer 52 Beziehungen.“ Die fruchtbare und aufschlußreiche Diskrepanz zwischen konstruierter Verlaufsplanung und wechselhafter, teilweise irritierender Realentwicklung des Projekts läßt sich auch im KBE-Projekt finden. Die angestrebte „Stringenz“ der Projektarbeit bricht und korrigiert sich • an dem Eigensinn der Teilnehmerinnen, die durch Widerstände, durch Defensive oder durch drohenden Rückzug, aber auch durch Eigeninitiative dem Projekt ihren Stempel aufdrücken; • an der Eigendynamik von Gruppenprozessen, die interne und externe Anstöße ihrer eigenen Entwicklungstendenz gemäß entweder aufgreift, abwehrt oder ignoriert; • an den inneren und äußeren Potentialen der im Projekt tätigen Pädagoginnen, die aufgrund höchst unterschiedlicher Möglichkeiten zur Identifikation mit oder zur Distanz von Teilnehmerbefindlichkeiten oder Projektzielen Prozesse entweder befördern oder blockieren können und • an den Möglichkeiten und Grenzen des institutionellen Gesamtzusammenhanges, der keineswegs durch klare Vorgaben der Projektleitung, sondern durch vielfältige teils damit konformer, teils gegenläufiger Tendenzen charakterisiert ist. 50 51 52 Jakob/Olk/Opielka/Hiss 1996 (Fußnote 30), S. 101f. Jakob/Olk/Opielka/Hiss 1996 (Fußnote 30), S. 102 Seiverth, A.: Ausgangspunkt und Kontext. In: Ders./Köllner, I.-M. (Hrsg.): Leben und Lernen im Transformationsprozeß der Arbeitsgesellschaft. Karlsruhe 1997, S. 8-12, hier: S. 11 60 Das KBE-Projekt hat – so ließe sich zusammenfassen – hocheffektive Möglichkeiten für eine handlungsorientierte Bildungsarbeit mit Vorruheständlern erschlossen, es belegt zugleich, daß Engagementförderung durch Bildungsarbeit gelingen kann, wenn eine sorgsame Beförderung pädagogischen Eigenrechts und relativer Autonomie der Bildungspraxis der immanenten Tendenz zur Selbstinstrumentalisierung für sozialpolitische Zwecke Einhalt gebietet. 2.4.2. „Ermöglichungsräume“ als Leitkonzept des DEAE-Projektes – pädagogische Praxis und ein sie überschreitender normativer Gehalt Das DEAE-Projekt hat sich nicht exklusiv bildungstheoretisch verstanden: Im Ausschreibungstext des Bildungsministeriums hat man eine Aufgabenstellung und eine Herausforderung gesehen, auf die nicht allein mit den Mitteln der Bildungsarbeit oder gar mit gezielt entworfenen didaktischen Arrangements geantwortet werden kann, sondern nur durch eine kombinierte soziale, politische und pädagogische Intervention. Als ein solches Mischungs- und Spannungsverhältnis ist das Anliegen auch inhaltlich bestimmt und für die Projektsteuerung relevant worden: Das Handeln mit Hilfe des Projektes sollte diese Intervention darstellen und ihm zugleich einen Rahmen geben. Konzeptionell konnte das verbunden werden mit einem vorgängig entwickelten Selbstverständnis, das tief in der Tradition evangelischer 53 Erwachsenenbildung wurzelt und seine Aufgabe darin sieht, „Ermöglichungsräume“ zu schaffen. Damit sind „gesellschaftlich gewährleistete Hohlräume“ gemeint, in denen Menschen, vorübergehend aus sozialer Alltagspraxis herausgestellt und von ihr entlastet, Gelegenheit finden können, eine neue 54 soziale Praxis zu entwerfen. In diesem Sinne könnten die Projekte im gelungenen Fall „Werkstätten“ sein, in denen - auf die Gruppe der Vorruheständler bezogen – dazu beigetragen werden kann, „soziale Beziehungen und Zusammenhänge zu ermöglichen, in denen individuelle Sinnerfüllung des Lebens und selbstverantwortliche Gestaltung der Biographie unterstützt werden können, ohne den konstitutiven und legitimierenden Bezug zur Erwerbsarbeit vorauszusetzen und/oder als Realperspektive in Aussicht 55 zu stellen“ Es wird schon in der langen Fassung des Projekttitels deutlich, daß sich die evangelische Erwachsenenbildung zumindest mittelbar mit zentralen und hier sehr spezifischen Fragen konfrontiert sieht, die in historischer Perspektive als in genuin protestantischer Tradition stehend wahrnehmbar werden. Bekanntlich ist die europäische Moderne gekennzeichnet durch die Verallgemeinerung eines protestantischen Berufsethos, das bis heute in säkularisierter Form weiterwirkt als Leistungsprinzip und Streben nach wirtschaftlichem Erfolg. Wenn das Projekt – so der lange Titel – eine „handlungsorientier- 53 54 55 Im Zusammenhang der Diskussion über selbstorganisiertes Lernen ist vielfach auf historische Vorläufer verwiesen worden, die nicht zufällig auch dem Umfeld protestantischer Erwachsenenbildung zugerechnet werden: vgl. zum Beispiel: Zeuner, C.: Die Arbeitsgemeinschaft als historischer Vorläufer einer Erwachsenendidaktik der Selbstorganisation. In: Derichs-Kunstmann, K. u.a. (Hrsg.): Selbstorganisiertes Lernen als Problem der Erwachsenenbildung. Frankfurt/M. 1998, S. 106-117 Der Verfasser bedankt sich herzlich bei Andreas Seiverth für seinen mündlichen Beitrag “Stabilisierung und Irritation” zu einem Workshop, der am 19./20.11.1998 zum Thema “Weiterbildung und Vorruhestand” in Potsdam stattfand. Auf diesen Beitrag und dort formulierte Überlegungen greifen meine Ausführungen teilweise zurück. Für mögliche Mißverständnisse und Fehlinterpretationen übernimmt der Verfasser selbstverständlich jede Verantwortung. Seiverth 1997 (Fußnote 52); S. 9 61 te und gemeinwesenbezogene Weiterbildung für Frauen und Männer in den neuen Bundesländern als Hilfe zur Neuorientierung und sinnerfüllten Gestaltung der nachberuflichen Lebensphase“ sein will, muß 56 anregen. Für die evangelische Erwachsenenbildung stellt die in den es „Sinnstiftung ohne Arbeit“ neuen Ländern so dramatisch manifest werdende Krise der industriellen Arbeitsgesellschaft eine Konfrontation mit sich selbst dar: „Es geht nämlich letztlich auch um die Frage, inwieweit ein protestantisch bestimmtes ‚Berufsethos‘, das durch alle gesellschaftlichen Schichten hindurch orientierend und prägend wurde, sozusagen von der evangelischen Erwachsenenbildung ‚überwunden‘ werden kann. Es geht um die Frage, wie jenseits dieses historisch so wirkungsvoll ausgeprägten Arbeitsethos die 57 Sinnerfüllung des Lebens und die individuelle Biographie gestaltet werden können.“ Es wäre möglich gewesen, einer verbreiteten Tendenz nachzugeben, als Substitution der aus Erwerbsarbeit bezogenen Sinnstiftung ehrenamtliches Engagement anzubieten und dafür Stimuli zu set58 zen. Genau das sieht die Konzeption nicht vor: „Weder als offen proklamiertes noch als impliziertes Ziel oder Erwartungsbestimmung sollte die Orientierung auf ‚Wiedererlangen einer Arbeitsstelle‘ oder auf ‚freiwilliges soziales Engagement‘ suggeriert werden. Selbstreflexive Erfahrungs- und Lernprozesse 59 sollten nicht durch ‚aktivistische’ Entlastungs- und Krisenbewältigungsangebote sistiert werden.“ Als richtungsweisend für das Selbstverständnis der evangelischen Erwachsenenbildung zieht die 60 Konzeption einen Text der Evangelischen Kirche Deutschlands (EKD) aus dem Jahre 1991 heran , der postuliert: „Die Sinnbestimmung durch Verwertbarkeit wird sich mehr und mehr auf Sinnfindung auf dem Weg der Bildung verlagern. In neuer Zuordnung zur Erwerbsarbeit muß auf dem Weg der Bildung die gewonnene freie Zeit und Selbständigkeit im Sinn einer Kultur der Muße gestaltet werden, in der der Mensch seine noch verborgenen und in der Arbeitswelt unterdrückten oder nicht gefragten Kräfte entfaltet“ (S. 48). Gegen dieses Bildungsverständnis lassen sich vor dem Hintergrund gerade der „Freisetzungsprozesse“ im Osten Deutschlands durchaus Einwände erheben - und sie sind in den sozialen und politischen Auseinandersetzungen auch erhoben worden: Der „Weg der Bildung“ erfährt erkennbar eine Bedeutungszuschreibung, die ihren Akzent gerade aus der Abgrenzung zum „Diktat von Arbeit und Beruf“(!) bezieht. Ein so profiliertes Bildungsverständnis setzt sich dem Verdacht aus, Menschen für die Hervorbringung einer „Kultur der Muße“ gewinnen zu wollen, deren „Wurzeln“ (S. 49) für Selbstwertgefühl und Anerkennung, die aus Arbeit und Leistung bezogen wurden, unlängst im Interesse ökonomischer „nachholender Modernisierung“ durchtrennt worden waren. Es ist nicht zu übersehen, daß damit rückblickend eine Erfahrungswelt abgewertet wird, von der die Betroffenen erzwungenermaßen Abschied zu nehmen hatten. Bildungsarbeit gemäß dem konzeptionell entwickelten Verständnis würde in die problematische Situation kommen, ökonomisch diktierte, von den Subjekten zumeist nicht gewollte Entwicklungen zu ratifizieren und ihnen gerade das als Aufgabe auf dem „Weg der Bildung“ aufzuerlegen, wozu völlig unsentimental Freisetzungsprozesse sie ohnehin zwingen, nämlich sich neue Quellen 56 57 58 59 60 Seiverth, A.: “Sinnstiftung” ohne Arbeit? Probleme evangelischer Erwachsenenbildung aus der Sicht der neuen Bundesländer. In: KBE/Driekant – Opleiding en Advies (Hrsg.): Vorruhestand und Weiterbildung. Bonn 1995, S. 45-50 Ebd., S. 47 In der Projektpraxis wurde keineswegs immer dieser konzeptionellen Linie entsprochen: Explizit wurde beispielsweise für ein ehrenamtliches Engagement in der Altenhilfe geworben und auf dieses Ziel hin “qualifiziert” (vgl. Kap. 2.2.3.) Seiverth 1995 (Fußnote 56), S. 50 Kirchenamt der Evangelischen Kirche in Deutschland (Hrsg.): Evangelisches Bildungsverständnis in einer sich wandelnden Arbeitsgesellschaft. Hannover 1991, zit. nach Seiverth 1995 (Fußnote 56) 62 des Selbstwertgefühls zu suchen. Zudem ist die Gefahr nicht gering zu veranschlagen, daß die Hervorbringung einer „Kultur der Muße“ mit ähnlich arbeitsförmigem Ernst aufgeladen wird, der manche anderen Formen der Bildungsarbeit charakterisiert. Das DEAE-Projekt antwortet auf diese – wie auch immer wahrgenommenen und bewerteten – Gefahren mit einer für die protestantische Tradition prägenden Tendenz zur „institutionalisierten Dauerreflexion“, d.h. dem Versuch, die sich entwickelnde, hinsichtlich der Ziele prinzipiell offengehaltene Praxis als Lernanlaß zu nutzen. Durch den permanent gestellten Selbstreflexions- und Rechtfertigungsanspruch wird die Praxis, die kein vorab festgelegtes Handlungsziel verfolgt, unter normative Standards gestellt, die Kritik, Bewertung und Weiterentwicklung, mithin Rationalisierung ermöglichen. Durchaus im Wissen darum, daß in der Moderne eine „autonome Lebensführung“ systematisch unmöglich ist, stellt sich die Erwachsenenbildung unter diesen Anspruch. Sich an der Norm auszurichten, „autonome Lebensführung“ zu befördern, geht mit einer tiefen Skepsis gegenüber Vorstellungen einher, die einem naiven pädagogischen Reduktionismus anheimfallen, der solche Vorstellungen durch die Organisation von Lern/Lehr-Prozessen realisieren zu können meint. Gerade weil die pädagogische Aufgabe, „individuelle und gesellschaftliche Handlungskompetenz wiederzugewinnen, zu erweitern und zu stärken“ an der weitergehenden Zielsetzung gemessen wird, „autonome Lebensführung“ zu ermöglichen, transzendiert das Projekt tendenziell den pädagogischen Bezugsrahmen. Die notwendige Offenheit der zu gestaltenden „Ermöglichungsräume“ legt es zwingend nahe, die Projektpraxis nicht von vornherein als pädagogische auszulegen. Es wurden keine zu erreichenden Ziele vorgegeben, die am Projekt Beteiligten wurden nicht als „Lerner“ oder „Teilnehmer“ in ein vorab definier61 tes Bild eingepaßt, man lud nicht zu „Kursen“, sondern zu „Treffen“ oder „Begegnungen“ ein. Bezeichnenderweise rekrutierte das Projekt als Mitarbeiter(innen) durchweg auch Personen, die keine ausgebildeten Erwachsenenbildner sein mußten, sondern zumeist den eigenen Zusammenhängen entstammten und oftmals eine besonders hohe „alltagsdidaktische“ Kompetenz in anderen Feldern erworben und bewiesen hatten. Dabei ist es wichtig zu wiederholen, daß die Projektarbeit in einem engen Bezug zu der Neukonstituierung evangelischer Erwachsenenbildung in den östlichen Bundesländern stand. Die Träger, die oftmals nicht mehr als eine oder zwei Personen fest angestellt beschäftigen konnten, waren ihrerseits darum bemüht, ein eigenes Profil als Erwachsenenbildungseinrichtungen zu entwickeln. Es war deshalb unvermeidlich, daß die Projektarbeit, die durch ihre Orientierung auf Gemeinwesen und Gemeinde besondere Akzente setzte, gelegentlich in ein Spannungsverhältnis zu den Trägereinrichtungen geraten konnte. Die offene Konzeption der „Ermöglichungsräume“ stellt gegenüber der naturwüchsig eingespielten Lebenspraxis einen gewollten Bruch her. Sie sieht das Subjekt in einen lebenslangen Lernprozeß hineingestellt, in eine Bewährungssituation, der es sich letztlich nur unter den Bedingungen der autonomen Lebensführung verantwortlich stellen kann. Erst die – womöglich in Konflikten zu erstreitenden – Freiheitsspielräume erlauben selbstverantwortetes Leben, das sich vor sich und anderen rechtfertigen läßt. In diesem Verständnis wirkt eine säkularisierte religiöse Praxis fort, die Selbstvergewisserung als 61 Es ist möglich, daß diese Frontstellung “autonomes Subjekt” versus “pädagogische Einflußnahme” zurückgeht auf die “alteuropäische Dualität von Autonomie versus Fremdbestimmung”, die schließlich “in die klassische Antinomien emanzipatorischer Einwirkung führt. Man gerät in die Paradoxien einer pädagogischen Aufforderung zur Selbsttätigkeit.” (Schäffter, O.: Münchhausens Zopf als pädagogische Innovation. Zur Aktualität selbstorganisierten Lernens in der Weiterbildung. In: Derichs-Kunstmann, K. u.a. (Hrsg.): Selbstorganisiertes Lernen als Problem der Erwachsenenbildung. Frankfurt/M. 1998, S. 30-34, hier: S. 31 63 Daueraufgabe entwirft, und die dafür geeignete spezielle Orte und Räume jenseits der Alltagspraxis benötigt. Im Falle der evangelischen Einrichtungen findet diese säkularisierte religiöse Praxis innerhalb eines (kirchlichen) Bezugsrahmens statt, der sich notwendigerweise gegen Säkularisierung sperren muß und dadurch Spannungen und Widersprüche erzeugt, die vielleicht als solche zwischen Verkündigung und Lernen interpretiert werden können. In jedem Fall verbietet der normative Verpflichtungsanspruch eine 62 Verkürzung der angestrebten Problemlösungen auf Prozesse des Helfens , sondern legt es nahe, Anstöße für eigenständige Entwicklungen zu geben, die nur handelnd und lernend gefunden werden können. Der Tatsache, daß die Konzeption der „Ermöglichungsräume“ unter starke normative Ansprüche gestellt ist, erlaubt es, nicht nur die Ebene der pädagogischen Interaktion in einem mikro-didaktischen Bezugsrahmen als Lernprozeß zu betrachten, sondern „institutionalisierte Dauerreflexion“ als Bestimmung für den gesamten Kontext anzunehmen. Wichtig wäre allerdings, dieses nicht als normativistische Überhöhung, sondern als Fundierung der gesamten Projektanlage zu verstehen. Der geschaffene Kontext muß als lernförderliche Struktur expliziert werden. Eine Bedingung dafür ist, daß er nach und nach auch für die Teilnehmer transparent, beeinflußbar und für Lernen verfügbar wird. Gerade von der evangelischen Erwachsenenbildung können wichtige Impulse ausgehen, wenn sie sich der Profanisierung und Banalisierung der (vermeintlichen) Problembewältigung durch funktional didaktisierte Lehr-Lern-Arrangements entgegenstellt, die häufig für die existentiellen, sich im Alltag stellenden Aufgaben kaum Wertschätzung aufbringen können. Die konzeptionelle Bezugnahme auf Martin Buber und die Tradition der sogenannten religiösen Sozialisten zeigt, daß die pädagogische Praxis überall dort an ihre Grenzen stoßen muß und zu Glaubwürdigkeitsverlusten führt, wo sie sich als Vehikel für politisch und ökonomisch erzwungene Veränderungsprozesse selbst anbietet. Das Nachwirken religiös-protestantischer Traditionen zeigt sich auch in anderen Projekten: zum Beispiel wurden im Projekt der ZeitZeugenBörse die protestantischen Wurzeln des Konzepts des „Zeitzeugnisses“ im Sinne einer Confession durchaus erkennbar und reflektiert. Auch im ZWAR-Projekt werden Prozesse transformativen 63 Lernens intendiert, die eher im Sinne einer „Wiederverzauberung der Welt“ verstanden werden können. Dem DEAE-Projekt ist es schwer gefallen, seine Wirksamkeitsgrenzen zu bestimmen. Der hohe Selbstanspruch, durch eine pädagogische, soziale und politische „Intervention“ nicht nur Menschen bei der Bewältigung einer schwierigen Lebenssituation zu „helfen“ (s. Projekttitel), sondern Strukturen des Gemeinwesens in dem Sinne zu erreichen und zu verändern, daß Räume der Begegnung, der selbstbestimmten Aktivität eröffnet werden, birgt Risiken der Überforderung. Die Vorruheständler sollten gewonnen werden für offene Formen lebensbegleitenden, alltagsnahen Lernens, wobei – zurecht – auf Zielvorgaben verzichtet, aber problematischerweise sein Charakter als „Bildungsangebot“ zu wenig expliziert 64 wurde. Eine offensivere Profilierung als Bildungsprojekt hätte nicht dazu gezwungen, die grundlegen- 62 63 64 Wieder muß betont werden, daß die Projektberichte allemal unübersehbare Hinweise darauf enthalten, daß fürsorgliche und helfende Interventionen zumindest zeitweise die Arbeit dominierten. Durchweg ist eine - manchmal brisante – Mischung zwischen Lernen, Helfen und Motivieren anzutreffen. vgl. Fuhr, R./Gremmler-Fuhr, M. (Hrsg.): Faszination Lernen. Transformative Lernprozesse im Grenzbereich von Pädagogik und Psychotherapie. Köln 1988 Schäffters Kritik an der Verkopplung von Bildungsprozessen mit Helfen setzt hier an: “Seriöse Lernangebote können und dürfen nicht garantieren, daß sie bei der Lösung von hochkomplexen Alltagsproblemen hilfreich wirken können. (...) So wird gerade die Reflexion auf alltägliche, ‚normale‘ Erfahrungen als ‚Problematisierung‘, als Herausforderung und Blockierung gewohnter Bahnungen erlebt und zunächst keineswegs notwendigerweise als ‚Zurüstung‘. Möglicherweise nimmt der Anspruch, daß Erwachsenenbildung ‚hilfreich‘ zu sein habe, die Menschen nicht ernst genug und mutet ihnen zu wenig konfrontative Auseinandersetzung und anregende Herausforderung zu.” Schäffter, O.: Wieso nennt Ihr Euch eigentlich ‚Bildungsprojekt‘?. Offene Formen des Lernens unter Begründungsdruck. In: Seiverth, A./Köllner, I.-M. 1997 (Fußnote 11), S. 229-237, hier: S.237 64 de Ausrichtung des Projekts zu korrigieren, aber andere, vermutlich produktive Konfliktlinien provoziert, an denen sich das erweiterte Verständnis von alltagsnahem Lernen im Dialog mit den Teilnehmerinnen und Trägern bewähren kann. Die „Konstruktion sozialer Erfahrungs- und Handlungsräume“ durch das Projekt sollte insbesondere durch die Mitwirkung und das eigene Engagement der Beteiligten erfolgen – und zwar in einer Weise, die die „Selbstreproduktionsfähigkeit“ jener „Erfahrungsräume“ nach Projektende sicherstellen sollte. Es war das Ziel der Projektarbeit, einen durch dieses Engagement mitkonstituierten „Handlungs- und Sinnzusammenhang einer veränderten sozialen Lern- und Lebenswelt“ hervor65 In dieser Formulierung deutet sich an, daß zwischen Lernwelt und Lebenswelt – ganz in zubringen. protestantischer Tradition, in der das „ganze Leben zum Lernen wird“ – nicht mehr unterschieden werden kann, damit aber auch der „Strukturbruch“ zwischen alltagsgebundenem und institutionalisiertem Lernen mit den jeweils gegebenen Stärken und Begrenzungen nicht mehr anerkannt und berücksichtigt 66 wird. Dabei sollten doch die „Ermöglichungsräume“ ein Heraustreten aus den eingefahrenen Bahnen des Alltags erst ermöglichen. Die offene Dokumentation der Projektarbeit erlaubt es nun, auf dieses schwierige Problem jedes alltagsnahen Bildungsansatzes, dessen Bearbeitung in der Erwachsenenbildungswissenschaft derzeit noch in den Anfängen steht, an konkreten Beispielen aufmerksam zu werden. Dies ist ein Verdienst des DEAE-Projekts. 2.4.3. Die Hervorbringung von „Orten der Bildung“ – das DIE-Projekt Die Werkstatt-Konzeption des DIE-Projektes reagierte zunächst auf die in den östlichen Bundesländern umfassend anzutreffende „Spurenbeseitigung im Alltagsleben“, die nicht nur die Dinge, sondern auch 67 Damit wurde die Symbole der DDR-Geschichte mehr und mehr aus der Erfahrungswelt entfernte. Tendenz zur sozialen Desintegration der Vorruheständler noch verstärkt, die nicht nur, aber entscheidend durch die Freisetzung aus dem Arbeitsleben eingeleitet worden war. Das Werkstattmodell wollte darauf mit einer „sozialintegrativen Bildungspraxis“, mit einem Ansatz der „Sozialbildung“ antworten. Die entscheidende Vorannahme - gewonnen aus intensiver Beschäftigung mit den vielfältigen Formen 68 der Altersbildung – war die Vorstellung, daß es der Entwicklung von Lernmodellen bedürfe, die „den Gruppenbildungsprozeß in einem selbstorganisierten Lerngeschehen, ein in gemeinsamer Praxis entwickeltes Produkt und dessen öffentliche Präsentation in das Zentrum der Bildungsarbeit“ stellen (S. 13). Diese Elemente – gemeinsamer Prozeß, gemeinsames Thema und gemeinsames Produkt – stellten eine Vorgabe für die Projektarbeit dar, die zudem verbunden war mit einer weiteren Vorentscheidung: Das Thema sollte die kollektive Rekonstruktion von „sozialen Welten“ sein, die in der DDR von großer Relevanz gewesen waren. Die „neue Stadt“ (Schreibwerkstatt in Berlin-Marzahn), die „neue Frau“ (Geschichtswerkstatt in Wismar – im Dialog mit Bremen) und der „neue Betrieb“ (Erinnerungswerkstatt SKET Magdeburg) waren solche Bezugspunkte. Einerseits sollte die gemeinsame Arbeit an einem Thema, das durch geteilte Erinnerung zu verbinden vermochte, und die gemeinsame Arbeit an einem Produkt Identifikation mit dem „Werk“ und der Gruppe ermöglichen und dadurch sozialintegrativ wirken, andererseits war die Produktivität der Gruppen von vorneherein auf Themen und soziale Welten bezogen, die öffentliche Resonanz und Interesse versprachen. 65 66 67 68 Seiverth 1997 (Fußnote 52), S. 11 vgl. dazu Schäffter, O.: Weiterbildung in der Transformationsgesellschaft. Zur Grundlegung einer Theorie der Institutionalisierung. Berlin 1998, insbesondere Kap. 6. Kade, S.: Die andere Geschichte. Spurensicherung im Vorruhestand. Frankfurt/M. 1997, hier: S. 7 vgl. Kade, S.: Altersbildung. 2 Bände. Frankfurt/M. 1994 65 Damit reagierte die Konzeption auf das schon seit langem beobachtete Phänomen, daß die große Bereitschaft vieler älterer Menschen, produktiv tätig zu sein, auf eine kaum resonante und aufnahmebereite Umwelt stößt: „Die ‚Überproduktion‘ Älterer von Kerzenleuchtern, Seidenmalereien und Keramikvasen findet keine Entsprechung in einer Nachfrage oder einem Bedarf, keine soziale Anerkennung und Resonanz. Sie wird zum Selbstzweck, zur Privatsache“ (S. 14). Gruppenbezug, Erfahrungsbezug, Praxisbezug und Öffentlichkeitsbezug waren also die Eckpunkte der Konzeption. Die Welt außerhalb der Gruppe war von Beginn an thematisch präsent: • als früher gegebene soziale Welt, die mit Menschen innerhalb und außerhalb der Gruppe geteilt worden war und die nun durch Erinnerungsarbeit und gemeinsame Rekonstruktion dem Vergessen entrissen werden sollte und deren Spuren man sichern wollte; • als ein (phantasierter und imaginierter) Resonanzraum für die internen Prozesse, aus dem Zustimmung und Ablehnung, Interesse oder Kritik zu erwarten waren, was stimulierend oder entmutigend wirken konnte; • als soziales Feld, in dem das zu erarbeiteten Produkt in angemessener Weise zu positionieren sein würde. Die Konzeption und der Projektbericht akzentuieren zugleich theoretisch fundiert und erfahrungsgesättigt Prozesse der erinnernden Identitätsvergewisserung durch Erzählen, der Rekonstruktion von Geschichte durch Geschichten, des Nachvollzugs von Lebensspuren durch Schreiben. Es zeigt sich, daß die Vorruheständler in eigenwilliger und selbstbewußter Weise bestimmte konzeptionell angesonnene Zugänge zurückwiesen, für einen sorgsamen Umgang mit ihrer oft durch Entwertungs- und Enteignungserfahrungen verletzten Subjektivität dadurch sorgten, daß sie (vermeintliche) Repräsentanten des „Westens“ oder des „Staates“, der Öffentlichkeit etc. solange von ihren internen Selbstverständigungsprozessen ausschlossen, bis der Schritt nach außen gewagt werden konnte. Die in der Konzeption der Werkstätten vorgesehene Rekonstruktion der Alltagsgeschichte „von den Rändern her“, über Gegenstände und Fundstücke, wurde nur zögerlich akzeptiert (S. 94); über das didaktische Konzept der Erinnerungswerkstätten wurde ausgiebig verhandelt (S. 150ff.), die geplante Wanderausstellung wurde zu einer speziell für den Zweck der Begegnung zwischen ost- und westdeutschen Frauen entwickelten „erzählenden Ausstellung“ (S. 156f.). Es läßt sich also feststellen, daß die Anlage des Projektes eine Selbstaneignung durch die Teilnehmerinnen ermöglichte und auslöste. Offenkundig war dies gerade bei einem Projektansatz, der auf Erinnerungsarbeit und Erfahrungslernen setzte, von entscheidender Bedeutung und nicht etwa eine unerwünschte Abweichung von einer als ideal gedachten Verlaufsplanung (S. 25). Es ist konstitutiv für die Werkstattkonzeption, daß „Sozialbildung“ dadurch gelingen kann, daß durch die erinnernde Rekonstruktion Wissen über soziale Welten generiert und latente Milieus revitalisiert werden können. Zunächst sind diese sozialen Welten als reale Erfahrungsräume nicht mehr verfügbar, aber durch geteilte und mitgeteilte Erinnerung werden sie zu Gelegenheiten, sich eigener Geschichte zu vergewissern und sie gemeinsam mit anderen zu „Orten der Bildung“ zu machen. Die Frage, was „Orte der Bildung“ sein könnten, ist durch das DIE-Projekt besonders eindringlich gestellt worden. Daß es sich dabei auf „soziale Welten“ bezieht – einen von Anselm Strauß entliehenen Begriff, der diese als Ergebnis dauerhafter Bemühungen von mehreren Menschen versteht, ihre jeweiligen Perspektiven auf Handlungsprobleme zu koordinieren und gemeinschaftlich zu handeln, zu erleben und 69 vgl. Kade, J./Wittpoth, J.: Selbstorganisiertes Lernen in sozialen Welten. In: Derichs-Kunstmann, K. u.a. (Hrsg.): Selbstorganisiertes Lernen als Problem der Erwachsenenbildung. Frankfurt/M. 1998, S. 121f. 66 69 zu erfahren – ist vor dem Hintergrund der vielfach beschriebenen Gefahr sozialer Desintegration von Vorruheständlern sinnvoll. Die Generierung von Lern- und Handlungsgemeinschaften durch die Rekonstruktion untergehender und vom Untergang bedrohter sozialer Welten kann ihrerseits nur unter Bedingungen erfolgen, die überhaupt Gelegenheit bieten, sich in irgendeiner Form zu „beheimaten“. Dafür sind Erwachsenenbildungseinrichtungen und Projekte nicht in jedem Fall geeignet. Die im Umfeld von Volkshochschulen oft zu hörende Klage über „Betonkurse“, die sich nicht auflösen wollen, zeigt deutlich, daß ein seminaristisches Verständnis von Bildung vorherrscht, das die Chancen der älteren Menschen einschränkt, im Kontext der Erwachsenenbildungseinrichtung Gemeinschaften von einiger Dauer zu entwickeln. Insbesondere in den östlichen Bundesländern trifft man zudem häufig noch auf ein Selbstverständnis der Volkshochschulen als „Schulen für Erwachsene“, das verkennt, welche Beiträge zur Entwicklung der Region, der Vernetzung und Kooperation die Erwachsenenbildung – auch im 70 Interesse der Selbsterhaltung – leisten muß. Die vom DIE-Projekt angestrebte Sozialbildung kommt – wie auch andere Projekte – ohne sozialräumliche Arrangements nicht aus, die nicht einfach nur vorgegeben sein können, sondern erst durch Vermittlung und Aneignung durch die Teilnehmenden als „Orte der Bildung“ hervorgebracht werden. Die Projekterfahrungen zeigen deutlich den schwierigen Balanceakt zwischen der Notwendigkeit, einerseits gruppeninterne Entwicklung zu ermöglichen und den Teilnehmenden Gelegenheiten zu sichern, sich vorstrukturierte „Räume“ eigenen Bedürfnissen gemäß anzueignen und Identifikation mit dem gemeinschaftlichen Projekt zu entwickeln und andererseits – gegebenenfalls durch pädagogische Gegensteuerung – externe Öffnung zu befördern. Das DIE-Projekt hat sich zum Beispiel damit arrangieren müssen, daß die in der Erinnerungswerkstatt tätigen ehemaligen SKET-Mitarbeiter strikt getrennt haben zwischen- einerseits – interner Verständigung und teilweise brisanter und konfliktreicher Aufarbeitung der Betriebsgeschichte, die mehrere Lesarten der Betriebsgeschichte durch Personen, die durch unterschiedliche Positionen in der Betriebshierarchie, zur Partei etc. eingenommen hatten, hervorbrachte und -andererseits - externer Präsentation in Form der Ausstellung, die von solchen Momenten subjektiver Auseinandersetzung weithin „gereinigt“ war. Die Schreibwerkstatt in Berlin-Marzahn hat sich mit der Aufarbeitung von Lebenserfahrungen in der DDR überaus schwer getan und sich bevorzugt der „Wende“Zeit zugewandt. Wiederum aber waren interne Auseinandersetzungen, die wachsende Tolerierung unterschiedlicher Sichtweisen und die Würdigung von Lebensverläufen, die offiziell in der DDR nicht anerkannt waren, wichtige Ergebnisse der Projektarbeit, die in der Darstellung nach außen eine viel geringere Rolle spielten. 70 Auch die anderen Modellprojekte hatten sich dem Problem zu stellen, daß Projektverwaltungsstrukturen auf Vorannahmen über bestimmte Normalformen von Erwachsenenbildung - nämlich seminaristische “Schulungsveranstaltungen” in Kursform mit einer vorab kalkulierten Zahl von “Unterrichtsstunden” etc. - beruhten, die den realen Entwicklungsprozessen und Erfordernissen der Projektpraxis teilweise diametral gegenüber standen. Während das KBE-Projekt zwar die Terminologie (Kurse, Kursleiter etc.) beibehielt, aber de facto flexibel und kreativ – wenn nicht subversiv - mit diesen akzeptierten Vorgaben umging, konnten das DEAE-Projekt als auch das DIE-Projekt die terminologischen und organisatorischen Implikationen und Auswirkungen der Förderpraxis nur mit großen Mühen an die sich nach ganz anderen Logiken entfaltende Projektpraxis anpassen. “Daß aber beispielsweise situationsgebundene Lernanlässe, lebensweltliche Krisenerfahrungen, Selbstaufklärungsbedürfnisse und Problemlösungsinterventionen nicht in arbeitsförmig und zielorientiert organisierten Lernprozessen möglich sind, sondern andere, vor allem ‚locker‘ strukturierte Veranstaltungssettings brauchen und auf Begegnungs- und Austauschformen, lokale Treffpunkte und Selbstinszenierungsgelegenheiten der Beteiligten angewiesen sind, war in diese ‚traditionelle‘ Projektlogik nicht ohne Reibungen integrierbar.” Seiverth 1997 (Fußnote 52), S. 11. Auch das klassische Kurssystem der Volkshochschulen mit den üblichen Mindestteilnehmerzahlen und Kursgebühren entspricht noch nicht einmal ansatzweise den Erfordernissen innovativer und experimenteller Projektarbeit. Es ist dringend erforderlich, Formen der Projektverwaltung zu entwickeln, die nicht länger auf eine letztlich am Schulungs- und Qualifizierungsmodell orientierten Normalform des Erwachsenenlernens zielen, sondern auf veränderte personelle, temporale und räumliche Bedingungen alltagsbezogener Erwachsenenbildung angemessen reagieren. 67 Es können – wie problematische Entwicklungen in nahezu allen Projekten zeigen – sehr wohl eigene Interessen des Trägers oder der Organisation so bestimmend werden, daß die oben erwähnte schwierige Balance gefährdet wird; sie ist auch nicht durch institutionelle Arrangements dauerhaft zu gewährleisten: „Aus der Institutionalisierung einer selbstorganisierten Projektstruktur geht keineswegs automatisch die innere Erneuerungsfähigkeit hervor: Diese bleibt eine Bildungsaufgabe, die nur selbstorga71 nisiert in Bewegung gehalten werden kann.“ Es lassen sich auf der Grundlage der Erfahrungen der Modellprojekte sozialräumliche Muster identifizieren, die selbstorganisiertes Lernen bzw. Selbstorganisation befördern oder verhindern können. Sylvia Kade stellt nach einer Durchsicht der vorliegenden Erfahrungsberichte folgende Muster heraus, die zum Gelingen beitragen: • Bisher unorganisierte „latente Milieus“ oder Angehöriger sozialer Welten treffen zusammen, die ein gemeinsamer Themen- und Interessenfokus im Alltag verbindet, der zum Ausgangspunkt einer Aktionsgruppe oder Werkstatt wird, die in das Nahumfeld interveniert: Beispiele wären Frauen-, Betriebs-, Stadtteil- oder Ökogruppen; • Anknüpfungen an verbindende Generationskontexte aufgrund eines gemeinsamen Erfahrungshorizontes unter Gleichaltrigen gelingen, selbstvergewissernd werden Erfahrungsräume der Erinnerung reaktiviert und diese Vergangenheitskonstruktionen werden auch anderen zugänglich gemacht: Beispiele aus den Projekten sind Gruppen zur Stadt-, Regional- und Stadtteilgeschichte, Kirchen- und Stadtteilführungen, Schreibwerkstätten im Kiez oder die Ausstellung zur SKETBetriebsgeschichte; • in Eigeninitiative etabliert eine Gruppe Gleichgesinnter einen dauerhaften Treffpunkt, der vielfältige Nutzungen und wiederkehrenden Anschluß ermöglicht und Spielräume für Eigenaktivitäten schafft: Beispiele sind Cafes und Begegnungszentren, die von den Vorruheständlern eingerichtet worden sind und für andere offen stehen; • eine Kontaktstelle wird institutionalisiert, die eine Serie anschlußfähiger Ereignisse initiiert und koordiniert: Beispiele sind das durch Vorruheständlerinnen gegründete Seniorenbüro (in Bonn), das sonntägliche Klönfrühstück, die Kompetenzbörse, Handwerker-Selbsthilfe u.a., die es ermöglichen, daß sich von Fall zu Fall Aktionsgruppen, Arbeitsgruppen, Seminare oder engagierte Einzelne – ohne dauerhafte Verpflichtung – ankoppeln; • die Eigenlogik einer Organisation stößt, weil sie über ausreichende soziale Bindungskräfte verfügt, die Selbstorganisation von Mitgliedergruppen an und erlaubt deren „dezentrale Verselbständigung“: als Beispiele wären hier ehrenamtliche Besuchsdienste oder Gemeindegruppen zu nennen; • die Ausdifferenzierung von Teilgruppen folgt einer internen Interessenlogik und führt zu Erweiterungen, indem sie bereits bestehende Anschlußgelegenheiten als Betätigungsfeld nutzt oder neue Felder erschließt: beispielhaft sind wiederum Besuchsdienste im Krankenhaus, Hospizwachen, Ökoführungen für Schulen u.a.; 71 Kade, S.: Orte der Bildung – Sozialräumliche Integrations- und Desintegrationsmuster von Bildungsinitiativen im Vorruhestand. Papier vorgelegt anläßlich des Workshops “Vorruhestand und Weiterbildung” am 19./20.11.98 in Potsdam. Der Verfasser dankt sehr herzlich für die Überlassung des Thesenpapiers, das wegen seiner thematischen Relevanz ausgiebig referiert wird. 68 • externe Entwicklungen und Widerstand gegen die Eigeninitiative führen zu einem internen Solidarisierungseffekt, der die Mobilisierung der Gruppe beschleunigt und die Identifikation mit der gewählten Aufgabe erhöht: ein Beispiel für dieses Muster, das bei Wegfall des äußeren „Gegners“ oder auch bei erfolgreicher Realisierung des Projekts recht schnell destabilisiert werden kann, ist das Ausstellungsprojekt über SKET in Magdeburg; • virtuelle Vernetzungen lokaler bzw. überregionaler Gruppen durch Medien gelingen und ermöglichen die Integration von Teilgruppen, dienen der Selbstdarstellung der Gruppe nach außen und erschließen Zugänge zum öffentlichen Raum: Rundbriefe, Radio-, Zeitungs-, Internetgruppen wären hier als Beispiele zu nennen. Nicht weniger aufschlußreich sind jene sozialräumlichen Muster, die letztlich zum Scheitern geführt haben: • Der Gruppenstandort kann nicht in einer Kerngruppe stabilisiert werden, weil die Teilnehmenden durch zu große soziale Distanzen getrennt bleiben oder zu weit entfernt wohnen: die Gruppe bleibt dann ohne Ort und Zentrum und kann keine Bindungskräfte entfalten; • die Überversorgung oder der Protektionismus durch die Organisation verhindern, daß die Gruppe sich das Projekt zueigen macht bzw. eine überzogene Planung erlaubt die Verselbständigung der Gruppe 72 nicht; • die Abschließungstendenz der Gruppe totalisiert sich und verleibt sich die pädagogische Leitung ein und läßt Differenz nicht mehr zu; • Fremdorganisation dominiert aufgrund einer zentralistischen Logik der externen Dachorganisation bzw. Projektstruktur die lokale Gruppe, die kein Eigenleben entfalten kann, sondern von dem Auftrag (der Mission) der Zentrale abhängig bleibt; • Teilgruppen separieren sich (Privatisierung) oder spalten sich ab (Polarisierung) bzw. verselbständigen sich, weil Konflikte nicht bearbeitet wurden oder der Gesamtgruppe Integrations- und Bindungskräfte fehlen; • einige Protagonisten oder Teilgruppen usurpieren die Macht, weil sich die Mehrheitsgruppe nicht gegen sie durchsetzen kann und die demokratische Eigenlogik zu schwach ist bzw. weil sich macht73 volle informelle Hierarchien ausbilden. Diese durch vorsichtige Induktion gewonnenen Einsichten in sozialräumliche Muster der Projektarbeit sind zunächst Beschreibungen aus einer reflektierten Praktikerperspektive. Sie können deutlich machen, wie wenig Vertrauen gesetzt wird in herkömmliche Formen seminaristischer Erwachsenenbildung. Die Suche nach neuen „Orten der Bildung“ ist allerdings nicht nur als Ausdruck von De-Institutionalisierung 72 73 Für aggressiv “liebevolle” Versorgungshaltungen seitens der Gruppenleiter(innen) gibt es in mehreren Projekten Hinweise. Sie müssen vielleicht teilweise dadurch erklärt werden, daß oft unsichere und instabile Rahmenbedingungen durch Fürsorglichkeit kompensiert und die Gruppe überhaupt zusammengehalten werden sollte. In manchen Fällen waren die Leiter(innen) auch dadurch strukturell überfordert, daß sie nicht nur für die unmittelbare, interaktive Ausgestaltung der pädagogischen Praxis verantwortlich waren, sondern halbwegs sichernde Rahmenbedingungen selbst immer wieder herstellen und Unzulänglichkeiten gegenüber den Teilnehmerinnen zu rechtfertigen hatten. Die vorstehenden Ausführungen stützen sich sehr weitgehend auf das in der vorstehenden Fußnote genannte Thesenpapier von Sylvia Kade, bei der sich der Verfasser für die gründliche Durchsicht der vorliegenden Projektberichte, die Systematisierung von dort wahrnehmbaren Tendenzen und die kollegiale Unterstützung ausdrücklich bedankt. 69 der Erwachsenenbildung oder gar ihrer Auflösung in lebensweltliche Zusammenhänge zu sehen. Vielmehr vollzieht die Projektarbeit Entwicklungen nach, die als „Ausdifferenzierung intermediärer 74 Grenzflächen“ bezeichnet worden sind. Im dargestellten Fall wird in den beschriebenen Mustern die Scharnierstelle zwischen institutionalisiertem Lernen und den Lebenswelten der Adressaten angesprochen. Sie verweisen darauf, daß „sich im Vorfeld des Funktionssystems – oder genauer gesagt auf einer sich intermediär öffnenden Grenzfläche zwischen Weiterbildungseinrichtung und Alltagswelt – weitge75 hend autonome Sinnkontexte der Aneignung herausbilden“ (S. 17). In diesen „Aneignungsverhältnissen“ wird in empirischen Studien eine gewachsene Autonomie biographisch gesteuerter Aneignung gegenüber pädagogischen Vermittlungsstrategien konstatiert, die die Erwachsenenbildungsorganisationen zur 76 Anerkennung ihrer Selbstbegrenzung zwingt : „Die Erwachsenenbildung verliert ihren Einfluß auf die Aneignungsprozesse der Teilnehmer. Sie wird zum Angebot mit geringem Verpflichtungscharakter, das beliebig zu werden droht. Die individuelle Aneignung und Nutzung der Erwachsenenbildung ist mehr von 77 den Lebenslagen der Teilnehmenden bestimmt als von pädagogischen Strategien der Professionellen.“ Die beschriebenen – gelungenen und gescheiterten – Versuche, Teilnehmerinnen in einem gewissen Maße „Beheimatung“ zu ermöglichen, können auch gesehen werden als Ausdruck eines Funktionswandels der Erwachsenenbildung, die zu einem „privilegierten Ort (avanciert), an dem neue sozio-kulturelle Milieus und Vergemeinschaftungsformen hergestellt und erfahrbar werden“. In diesem Sinne ist sie „nicht nur Mittel bei der Suche nach neuen Orientierungen und Lebensformen, ein Ort, an dem Individuen Unterstützung bei der Suche nach neuen Lebensformen erfahren können. Sie wird vielmehr zunehmend selber zu einer neuen – nunmehr institutionenbezogenen – Lebensform, in der individuelles Leben (zeitweise) verläuft. Erwachsenenbildung entwickelt sich zu einem neuen Typus von Lebensform, der in der Zone zwischen privatem und öffentlichen Leben angesiedelt ist. Sie wird zum Ort, an dem neue 78 Lebensformen institutionell konstituiert werden.“ Für einige der Projekte mag diese Charakterisierung zutreffend sein, aber letztlich muß unentschieden bleiben, ob sie für die Teilnehmenden wirklich zur „Infrastruktur subjektiver Lebensführung“ (S. 311) geworden sind. Gewiß ist, daß der auch durch die geförderten Projekte geschaffene intermediäre Überschneidungsbereich zwischen den Erwachsenenbildungsorganisationen und den lebensweltlich verankerten Orientierungsbemühungen der Vorruheständlerinnen künftig größte Aufmerksamkeit verdient. Hier wird unter anderem entschieden, ob das alltagsgebundene Lernen der Teilnehmenden unterstützt und begleitet wird oder funktional didaktisch überformt und womöglich pädagogisiert. 74 75 76 77 Schäffter, O.: Entgrenzung des pädagogischen Handelns – eine “optische Täuschung”. Gesellschaftliche Institutionalisierung von Lernkontexten aus Ausdifferenzierung intermediärer Grenzflächen. (Manuskript) Berlin 1998. Der Verfasser bedankt sich für die Überlassung des für den Druck vorbereiteten Textes. Kade, J.: Aneignungsverhältnisse diesseits und jenseits der Erwachsenenbildung. In: Zeitschrift für Pädagogik, 39 Jg. (1993), 3, S. 391-408 Vgl. Kade, J./Seitter, W.: Erwachsenenbildung und Biographieforschung. Metamorphosen einer Beziehung. In: Bohnsack, R./Marotzki, W. (Hrsg.): Biographieforschung und Kulturanalyse. Transdisziplinäre Zugänge qualitativer Forschung. Opladen 1998, S. 167-182 Kade, J.: Von einer Bildungsinstitution zur Infrastruktur subjektiver Lebensführung – Teilnehmer- und aneignungstheoretische Sichten der Erwachsenenbildung. In: Brödel, R. (Hrsg.): Erwachsenenbildung in der Moderne. Opladen 1997, S. 300-316, hier: S. 312 78 Ebd., S. 311 70 2.4.4. Didaktik und Lehren im Kontext eines altenpolitisch geprägten Projekts – „Gegensteuerung“ als pädagogische Praxis in der ZeitZeugenBörse und anderen Projekten Die vielfach beschriebene und in unmittelbaren Begegnungen auch spürbare Vulnerabilität der 79 Vorruheständler hat in vielen Projekten Reaktionen gefördert, die von Zurückhaltung und Vorsicht bis 80 zu „Betulichkeit“ reichten. Dabei wurden die Unterschiede zwischen „Kontexten des Helfens, Heilens und Stabilisierens (Sicherheitgeben) einerseits und Ansätzen grenzüberschreitender Bildungsarbeit“ 81 (ebd.) andererseits vielfach verwischt . Aus dieser Beobachtung zieht Schäffter die Konsequenz, die Erwachsenenbildung habe folgende Aufgaben: Sie • „ ‚inszeniert‘ Irritationen, d.h. sie greift bestehende Irritationserlebnisse bewußt und gezielt auf und beteiligt sich nicht daran, sie ‚wegzuerklären‘; • bietet didaktische Kontexte, in denen Irritationserfahrungen nicht als Fehler oder Defizite gedeutet werden müssen, sondern als Ausgangspunkt für Suchbewegungen gemacht werden können. • bietet hierdurch explizite Gegensteuerung gegenüber subkulturellen und generationsspezifi82 schen Selbstverständlichkeiten.“ Der letztgenannte Punkt spielt bei der Zusammenarbeit zwischen den Erwachsenenbildnerinnen, den angestellten Mitarbeitern und den altenpolitisch motivierten Initiatorinnen und Nutzern der Berliner ZeitZeugenBörse dadurch eine zentrale Rolle, daß er als Widerspruch und Spannung im Projekt selbst präsent war. Die im Begriff der „Börse“ transportierte Idee, man könne durch einen (formalen) Vermittlungsakt Erinnerungsträger als Zeitzeugen beispielsweise an Journalisten „weiterreichen“ oder Schulklassen beziehungsweise Weiterbildungseinrichtungen antragen, kommt in gewisser Hinsicht 83 bestimmten Vorstellungen entgegen, die in Teilen der älteren Generation gehegt und unter Rückgriff auf die gängige altenpolitische Aktivitäts- und Kompetenzrhetorik bestärkt werden. Dem steht die nicht nur im privaten Raum von älteren Menschen oft gemachte Erfahrung gegenüber, daß sie - wenn sie Erinnerungen mitteilen oder erzählen wollen - auf wenig Interesse stoßen. Manche Geschichten werden deshalb nicht mehr vorgetragen. In normalen Lebenszusammenhängen ist es schwer der Frage nachzugehen, wer sich unter welchen Bedingungen für welche Erinnerungen und Erfahrungen interessiert. 79 80 81 82 83 Als Beispiel für viele siehe: Stoll, A./Kozerski, L.: Bildungsarbeit in der nachberuflichen Lebensphase. In: Seiverth/Köllner 1997 (Fußnote 11), S. 121-158, hier: S. 128 oder Köllner, I.-M.: Knotenpunkte. Die Vernetzungstreffen der Beteiligten. In: a.a.O., S. 191 Schäffter, O.: Perspektiven selbstbestimmter Produktivität im nachberuflichen Leben. Wider den Trend zu einem kurativen Bildungsverständnis. (Manuskript), erscheint 1999, S. 29 Vgl. dazu Knopf, D.: Bildungskonzepte zur Vorbereitung auf das Leben nach der Erwerbsarbeit. (Manuskript), erscheint 1999 Schäffter 1999 (Fußnote 80), S. 29 Der Abschlußbericht der ZeitZeugenBörse dokumentiert zum Beispiel den Brief eines begeisterten Nutzers, der in Tagesfrist an einen Fernsehsender vermittelt wurde, weil er Kindheitserinnerungen an einen Märchenbrunnen präsentieren konnte. (ZeitZeugenBörse (Hrsg.). o.J., S. 4f.) 71 Überbetont man den formalen Vermittlungsaspekt, dominiert in der Wahrnehmung der Aufgabe die einzelne Person, die eine Möglichkeit sucht, öffentlich aufzutreten. In einem erweiterten Verständnis von Zeitzeugenarbeit kommen – wie schon in Kapitel 2.2.4. beschrieben – Gesichtspunkte hinzu, die als pädagogische betrachtet werden können: Menschen sollen dazu angeregt werden, sich damit auseinanderzusetzen, inwiefern ihre Erinnerungen auch als Zeitzeugnisse Bedeutung haben könnten, inwieweit, wann und für wen sie mit welcher Art von Erinnerung Zeitzeuge werden könnten und wollen. Anders als in einer selbstgenügsam und nach außen abgeschlossen operierenden Erinnerungsarbeits- oder auch Oral-history-Gruppe war in der Zeitzeugenarbeit diesem erweiterten Verständnis gemäß die Frage enthalten, wie über die Abklärung der Erinnerungen hinaus Artikulationsfähigkeit und die Kompetenz, Erinnertes nach außen hin zu präsentieren, ausgebildet werden können. Diese Konzeption ermöglicht organisationsintern, daß die Verschränkung der skizzierten Tätigkeitsfelder (Erfahrungsbereiche/Themen der Erinnerungsarbeit; Methoden/Konzepte; Vermittlung von Zeitzeugen; Öffentlichkeitsarbeit/Verbreiten des Konzepts) zu einer Vielzahl von Betätigungsmöglichkeiten und Rollen führen kann: die Älteren im Trägerverein zum Beispiel gerade nicht nur als Zeitzeugen tätig werden müssen. Zeitzeugen zu gewinnen oder die Entwicklung von Zeitzeugen-Kompetenz zu unterstützen wären Aufgaben, die nicht notwendigerweise von Pädagoginnen übernommen werden müssen. Die Projektpraxis hat nun gezeigt, daß es zu solchen status- und altersinhomogenen Mischungen nicht gekommen ist und mit der unterschiedlichen Gewichtung von Aufgaben gegebene Zielkonflikte nicht ausgeräumt werden konnten. Besonders relevant war dies mit Blick auf die von der Forschung kaum bearbeiteten Frage, wie jemand mit seiner Erinnerung umgeht, sie verarbeitet, um sie einer bestimmten Personengruppe, die Interesse an der Erinnerung äußert, zu präsentieren. Es war nicht selten der Fall, daß die in der ZeitZeugenBörse Engagierten die Teilnehmerinnen an bestimmten Stellen damit konfrontieren mußten, daß es nicht sinnvoll ist, eine Geschichte in einem naiven Sinne authentisch (immer wieder gleich) wiederzugeben, sondern daß das Authentische eines Erzählprozesses auch bedeuten kann (und oft bedeutet), nur das zu erzählen, was dem Erzählenden selbst zumutbar ist. Dies impliziert eine hohe interkulturelle und kommunikative Kompetenz, die sich auch auf die Entscheidung bezieht, welches Medium für die Präsentation gewählt wird: Lasse ich mich als Zeitzeuge zum Beispiel auf eine Situation ein, wo die anderen, die Zuhörerinnen, Teil des Entwicklungsprozesses, was jetzt zum Zeitzeugnis wird, sind oder wähle ich eher Formen, die eine größere (auch Selbst-)Distanzierung vom Erzählten ermöglichen. Im ersten Fall hat der Zeitzeuge in der Situation selbst eine enorme hermeneutische Leistung zu erbringen und zugleich kommunikativ zu bewältigen. Diese Beispiele mögen genügen, um die Relevanz der sich erst bei einem erweiterten Verständnis von Zeitzeugenarbeit stellenden pädagogischen Fragen zu belegen. Die vor allem von der Gruppe der Erwachsenenbildner in der ZeitZeugenBörse entwickelten Seminarbausteine stellen methodisch und didaktisch reflektierte Schritte dar, mit denen auf in allen vier Tätigkeitsfeldern enthaltenen pädagogischen Herausforderungen reagiert werden sollte. In Projektberichten kommt an vielen Stellen zum Ausdruck, daß in konkreten Interaktionssituationen immer wieder „gegensteuernde“, beschränkende, ja disziplinierende Interventionen als notwendig angesehen wurden. Zum Beispiel werden die methodischen Interventionen, die dem Lernziel dienen sollten, die Wahrnehmung dessen zu vergrößern und zu verbreitern, wofür der Einzelne Zeitzeuge sein kann, in ihrer Wirkung folgendermaßen eingeschätzt: „Die Vorgehensweise sollte die Teilnehmer auch dazu befähigen, ihren engen Rahmen - z.B. Krieg – zu verlassen und zu erkennen, wie vielfältig und breit ihre Erinnerungen im einzelnen sind. Dies gelang nur teilweise. Die Menschen hängen an dem Fluß ihrer Erinnerungen, wahrscheinlich waren sie auch schon oftmals in bestimmten Abfolgen erzählt worden. Bei diesem Strukturierungsversuch mußten sie sich von der gewohnten eingefahrenen Erzählfolge lösen, 72 diese gewissermaßen aus den emotionalen Bezügen lösen, sie distanzierter betrachten und die Anstrengung unternehmen, sie zu bewerten in dem Sinne: das gehört zu meiner Biographie (...) Wir 84 haben also schon sehr früh relativ große Verarbeitungsanstrengungen von den Teilnehmern verlangt.“ Es wird hier sehr deutlich, daß die Erwachsenenbildnerinnen anstreben, eine klar profilierte „Lehrtätigkeit“ auszuüben. Ausdrücklich wird hier „generationsspezifischen und subkulturellen Selbstverständlichkeiten“ (s.o.) gegengesteuert, wofür gute – nicht nur pädagogische – Gründe sprechen. Erweitert man aber die „Lehrfunktion“ über die personengebundene Lehrtätigkeit hinaus auf den weiteren Kontext der ZeitZeugenBörse insgesamt, so ergibt sich ein diffuseres Bild. Wie oben – in Kapitel 2.2.4. – 85 angedeutet, bestanden erhebliche Zielkonflikte und „voneinander abweichende Sichtweisen“. Damit verbunden war ein uneinheitliches Verständnis dessen, was die Tätigkeit der ZeitZeugenBörse ausmachen soll. Die deutliche und im gegebenen Fall mikro-didaktisch und methodisch auf hohem Niveau ausgeführte pädagogische Akzentuierung des gesamten Projektes und damit auch seiner „Dienstleistung“ ist offenbar nur schwer zu vereinbaren gewesen mit der stärker altenpolitischen Profilbildung durch die anderen Beteiligten, die damit zugleich auf Zustimmung der eher „produktorientierten“ Nutzer der ZeitZeugenBörse bauen konnten. Das Beispiel ist instruktiv, weil es eine wichtige Frage aufwirft: Wird – und gegebenenfalls wie – in Vorruhestandsprojekten „gelehrt“? Ortfried Schäffter hat zur Beantwortung dieser Frage einen ersten 86 wichtigen Beitrag geleistet, der hier nur in gebotener Kürze referiert werden kann. Er schlägt vor, zwischen alltagsgebundenem Lernen und funktional-didaktisierten Kontexten zu unterscheiden. Beide Kontextuierungen institutionalisieren Lernmöglichkeiten, wobei gegenwärtig vor allem das Eigenrecht alltagsdidaktischer Strukturen erkannt werden müsse, um sie vor „Pädagogisierung“ zu schützen. „Lehren“ wird konzipiert als eine „kontextspezifische Funktion“ und geht – entgegen der weitverbreiteten Vorstellung – nicht auf in der personengebundenen Lehrtätigkeit. In diesem ersten „Operationskreis“ finden konstitutive Entscheidungen mit Blick auf das Rollenprofil, die Interaktionssituation, die Intentionalität (in bezug auf Lernen, statt auf Helfen, Heilen etc.), die Wahl eines Musters von Lehrtätigkeit (nach Aeblis Grundformen des Lehrens) statt; die Perspektive des Lernenden muß übernommen werden und ein „impliziter Teilnehmer/Lernender“ muß erfolgreich unterstellt werden. Der zweite Operationskreis beschreibt Lehre als Aneignungskompetenz: Lehrtätigkeit wird (mit)konstituiert durch die Lernenden, sie schreiben (einer Person, einem Medium, einer Gruppe, womöglich auch anderen Teilnehmern) eine Lehrfunktion zu. Diese Zuschreibung kann unter Umständen der Intention der betreffenden Person entgegenstehen, d.h. Lehren wird durch die Teilnehmenden „gemacht“. Es ist nicht immer so, daß Lehrfunktionen im Sinne dieser Attributierung an formalisierte Rollen gebunden sind: Vorbildern, Mitspielern etc. können Lehrfunktionen zugeschrieben werden. 84 85 86 Doering, D./Geffers, E./Perbandt-Brun, H./Schäffter, O.: Die ZeitZeugenBörse. Konzeption und Realisierungsansätze aus der Sicht der Erwachsenenpädagogen. In: ZeitZeugenBörse (Hrsg.): Abschlußbericht über die Modellprojektphase. Berlin o.J., S. 53-121, hier: S. 94 Seldte, I./Reuter, K.-E.: Vorbemerkung. In: ZeitZeugenBörse (Hrsg.) (s. vorstehende Fußnote) Schäffter, O.: “Didaktische Herausforderungen” – Wird in Vorruhestandsprojekten “gelehrt”? Papier vorgelegt beim Workshop “Vorruhestand und Weiterbildung” am 19./20.11.98 in Potsdam. Der Verfasser bedankt sich herzlich für diesen Beitrag. Grundsätzliche Ausführungen zum Thema finden sich in Schäffter 1998 (Fußnote 66). 73 Unter der Aneignungsperspektive ist es wichtig, daß Menschen – in Übereinstimmung mit bisherigen Lernerfahrungen, Kontextwissen, Lernkulturen, Sozialisation von speziellen Teilnahmerollen – auf unterschiedliche Weise in der Lage sind, Personen oder Medien in ihrer sozialen Umgebung als Ressourcen 87 zur Lernförderung wahrzunehmen und zu nutzen. Teilnahmekompetenzen werden im Lebenslauf erworben, Lerngelegenheiten und Lernkulturen müssen unterschieden werden können und die Fähigkeit bzw. Bereitschaft zum Kontextwechsel entwickelt. Der dritte Operationskreis meint Lehre als organisatorisches Arrangement. Damit sind sozial-ökologische Strukturierungen gemeint, die durch die ausgestalteten zeitlichen, räumlichen, sachlichen und sozialen Rahmenbedingungen eine Art „basales Lernprogramm“ darstellen und damit pädagogische Intentionalität zum Ausdruck bringen. Pädagogische Intentionen sind durch jene Umstände vergegenständlicht und sozusagen in sie „eingelassen“: sie begünstigen oder behindern Handlungen, um pädagogische Wirkungen zu erzielen. Von großer Bedeutung ist nun, daß die drei genannten Dimensionen im Sinne einer Kontextsteuerung auf einer Meta-Ebene konzeptionell verknüpft werden müssen. In dieser Verknüpfung zu einem lernförderlichen Profil liegt die didaktische Herausforderung der Vorruhestandsprojekte. Zwischen Lehrtätigkeit und Kontextsteuerung ergeben sich in der Praxis oft ungünstige Vermischungen, die zu Überforderungen da führen, wo zum Beispiel „Gruppenleiter“ im Zuge ihrer Lehrtätigkeit zugleich auch den Kontext selbst mit hervorbringen und verantworten müssen. Hier sind klarere Rollentrennungen und Zuständigkeiten notwendig. Und es ist zu fragen, inwieweit Teilnehmende an der Kontextsteuerung beteiligt werden und Einfluß nehmen können bzw. ob sie in die Lage versetzt werden, dazu notwendige Kompetenzen zu erwerben und bestimmte Steuerungsaufgaben gemeinsam mit anderen zu übernehmen. Der hier nur knapp skizzierte Entwurf von Schäffter verdeutlicht, daß in der Praxis der Vorruhestandsprojekte zumeist vorrangig die Lehrtätigkeit auf der Ebene des ersten Operationskreises in den Blick kommt, während die anderen Dimensionen tendenziell vernachlässigt werden. Alle Berichte zeigen aber gerade, daß diese Reduktion dem innovativen Charakter der Projekte nicht mehr gerecht wird. Eine knappe Analyse des KBE-Projektes, das viel Aufmerksamkeit auf die Entwicklung methodischer Instrumente gerichtet hat, kann dieser These vielleicht mehr Gewicht verleihen. Das KBE-Projekt „Aktiver Vorruhestand“ hatte bekanntlich für die Projektarbeit eine konzeptionell-strategische Vor-Entscheidung getroffen, die den Teilnehmerinnen sowohl in der Werbungsphase, während der sogenannten Kursarbeit wie auch - womöglich eher indirekt wirkend - durch den Aufbau der Projekts und die zeitliche Strukturierung das Entwicklungsziel vorgab: Tätigkeiten zu finden, die - in Anlehnung 88 – Eigensinn an Hans Peter Tews’ Formel: „Ich für mich mit anderen zusammen für mich und andere“ und Gemeinsinn zu verbinden versprechen. Das Projekt grenzte sich damit ab von „Modellen, bei denen die Handlungsfelder vorgegeben werden“, es wollte „von unten“, bei den Teilnehmerinnen, ansetzen: „in 87 88 In diesem Zusammenhang sind Forschungen über Lernmilieus und –kulturen relevant. Vgl. z.B. Barz, H./Tippelt, R.: Lebenswelt, Lebenslage, Lebensstil und Erwachsenenbildung. In: Tippel, R. (Hrsg.): Handbuch Erwachsenenbildung/Weiterbildung. Opladen 1994, S. 123-146 Tews, Hans Peter: Alter zwischen Entpflichtung, Belastung und Verpflichtung. In: Verheugen, G. (Hrsg.): 60 plus - Die wachsende Macht der Älteren. Bonn 1994, S. 51-60 74 einem Bildungsangebot wurden Vorruheständler zusammengeführt, Fähigkeiten aufgespürt und 89 Möglichkeiten für Kleingruppenaktivitäten sondiert, die dann in eigener Initiative realisiert wurden.“ Es charakterisierte diesen Ansatz auch in didaktischer Hinsicht, daß er immer wieder in der Spannung zwischen Selbstorganisation und Anleitung, zwischen Vorgabe und Selbstwahl stand: Er zielte „im Gegensatz zu vielen anderen Initiativen mit stärker sozialtherapeutischem Anspruch auf Personen, die sich noch nicht (!) auf ein konkretes Handlungsfeld festgelegt haben, die aber bereit sind, sich über einen Bildungsweg für Tätigkeitsfelder interessieren zu lassen (!), die ihren Interessen, Fähigkeiten oder 90 Neigungen entgegen kamen.“ Unter Rückgriff auf Interpretationsangebote von Experten aus der katholischen Bildungsarbeit, die über intensive Erfahrungen und methodische Expertise mit dem „Lernkonzept der sich selbstorganisierenden Gruppe“, das in Weiterbildungsangeboten für ehrenamtliche und hauptamtlich arbeitende Personen im 91 Bereich der Gemeindepastoral und Katechese erprobt wurde, verfügten, wurden solche als Paradoxien anmutende, als Spannung zu ertragende Herausforderungen im Kursleiterteam bearbeitet. Auffällig ist die Formulierung, daß den Teilnehmern „Selbstorganisation“ „zugemutet“ werden kann, weil das professionelle Handlungsziel klar umrissen und erreichbar erscheint: Durch die „Geburtshilfe der Erwachsenenbildung“ sind in der gemeindlichen Arbeit der Kirchen „viele Gesprächskreise und Aktionsgruppen entstanden, die nach einer Phase der Gruppenbildung und Gruppenstabilisierung das erwachsenenpädagogische Nest verlassen haben und eigenständig ihre Interessen und Bedürfnisse weiterverfolgt haben. Erwachsenenbildung, die teilnehmer- und prozeßorientiert ansetzt, die Wissensvermittlung und Erfahrungsaustausch in einen dynamischen Bildungsprozeß umsetzt, stärkt die 92 Selbstorganisationskräfte ihrer TeilnehmerInnen quasi automatisch“. Diese Vorstellung einer Erwachsenenbildung als „Geburtshelferin“ findet sich in unterschiedlicher Akzentuierung sicherlich auch in anderen Projekten und Handlungsfeldern. Interessant und beeindruckend ist allerdings, daß sowohl das sozial-ökologische Milieu, in dem die Gelassenheit und Verhaltenssicherheit stiftenden Erfahrungen gemacht worden sind, nämlich die kirchliche Gemeindearbeit und in einem weiteren Sinn die Kirchen als gesellschaftlich einflußreiche Wertegemeinschaften, als auch der Druck auf die Teilnehmer, die Gruppen als Rahmen für das Einüben biographischer Selbststeuerung zu benutzen, kaum in ihren didaktischen Konsequenzen wahrgenommen werden. Diese Ausblendung der Strukturen des Feldes wird erleichtert durch das - mit Verweisen auf bekannte gruppendynamische Phasenmodelle versehene - Deutungsangebot, Abhängigkeit (von der Leitung) und Gegenabhängigkeit seien erwartbare und notwendige Entwicklungsphasen und durch sensibles Einsetzen und Zur-Verfügung-Stellen von „Selbststeuerungsinstrumenten“ zugunsten „wechselseitiger Bezogenheit“ zu überwinden. Den methodischen Instrumenten, die sich die Teilnehmenden allmählich aneignen und dadurch zur Selbststeuerung befähigen, kommt in diesem didaktischen Kontext 89 90 91 92 Toonen, R.: Pädagogisches Konzept. In: Nacke, B./Grossmann, D./Toonen, R. (Hrsg.): Bildungsinitiative für eine ungewöhnliche Zielgruppe. Materialien zum Projekt “Aktiver Vorruhestand”. Gesamtbericht und Perspektive. Würzburg 1996, S. 7-12, hier: S. 10 a.a.O., S. 8 vgl. Bahrenberg, A./Faßnacht, M.: Zur Arbeit mit sich-selbst-organisierenden Gruppen in der kirchlichen Erwachsenenbildung: In: EB 4 (1994), S. 195-199; Faßnacht, M.: Das Lernkonzept der sich selbstorganisierenden Gruppe als pädagogische Hilfestellung im Projekt “Aktiver Vorruhestand”. In: Nacke/Grossmann/Toonen 1996 (Fußnote 89), S. 118-131 Faßnacht (s.o.): S. 120 75 eine überragende Bedeutung zu. An ihre Vermittlung ist sozusagen die Hoffnung und Erwartung gebunden, die Teilnehmenden könnten sich nicht nur die Projektintentionen zu eigen machen, sondern zugleich auch die notwendigen Kompetenzen erwerben, die für deren Umsetzung erforderlich sind. 93 In der im Rahmen des Projektes erarbeiteten und veröffentlichten „Arbeitshilfe“ werden deshalb vielfältige und anregende „Methoden“ zusammengestellt, deren Verwendung allerdings, so wird in der Einleitung ausdrücklich betont, nur dann sinnvoll sei, wenn die „didaktische Ebene“, hier verstanden als „Zielgerichtetheit der Bildungsarbeit“, „gleichrangig, gleichgewichtig und kontinuierlich“ Berücksichtigung finde. Das vorweg bestimmte „anfängliche Bildungsziel“ wird inhaltlich nicht beschrieben, soll aber „kritischer Maßstab“ für die Gestaltung der pädagogischen Arbeit auf methodischer und didaktischer Ebene sein: „didaktische Stringenz“ sei notwendig, um „im fortschreitenden Entwicklungs- und 94 Bildungsprozeß die Kräfte der Selbstorganisaton zu wecken und zu stärken.“ Der Verselbständigung der Gruppen gehen von Beginn an Bemühungen voraus, prospektive und für die Beteiligung an der „Kursarbeit“ gewonnene Vorruheständler im Sinne der Projektziele zu beeinflussen. Schon die Definition der Zielgruppe enthält mit Blick auf das Erreichen der Projektziele begünstigende Einschränkungen: Man wollte Vorruheständlerinnen zusammenführen und weiterbilden, „bei denen prinzipielle Bereitschaft zum Engagement bereits vorhanden war, ein entsprechendes Handlungsfeld aber noch nicht gefunden wurde und ein Handlungsimpuls noch fehlte. Es wurden also Menschen angesprochen, die in einer gewissen Mittelposition anzusiedeln waren zwischen nicht- oder nur schwer aktivierbaren Personen einerseits und solchen, die völlig eigenständig aktiv werden. Darüber hinaus mußte der Personenkreis offen sein für ein Bildungsangebot, das dem klassischen Bildungsverständnis der älteren Generation eher entgegenläuft. Eine gewisse Experimentierfreudigkeit und Bereitschaft zur per95 sönlichen Weiterentwicklung wurden vorausgesetzt.“ Wie jeweils mittels der gewählten Anspracheformen jener Personenkreis ausgewählt und die gewünschten „Voraussetzungen“ bestätigt wurden, kommt in den Veröffentlichungen nicht immer klar zum Ausdruck. Wie ist man verfahren mit Personen, die den formulierten Kriterien nicht entsprachen oder wo erst im Verlauf der Gruppenarbeit deutlich wurde, daß die anfängliche Diagnose falsch war? Ein wichtiger Hinweis findet sich in den „Arbeitshilfen“, wo schon in der Darstellung der Kurskonzeption herausgestellt wird, daß „es für die Teilnehmergewinnung vor sehr großer Bedeutung (ist), daß es bereits im Vorfeld (!) gelingt, die Zielgruppe von der Zweckhaftigkeit und damit auch von den Vorteilen einer offe96 nen Kurskonzeption für sie selbst zu überzeugen (!).“ Während also beim KBE-Projekt schon im Vorfeld Überzeugungsarbeit für die entwickelte Konzeption geleistet wurde und es sich ausdrücklich auf jene Personengruppen ausgerichtet hat, die „in das 93 94 95 96 Nacke, B./Grossmann, D./Mörchen, A. (Hrsg.): Methodische Vielfalt und didaktische Stringenz. Materialien zum Projekt “Aktiver Vorruhestand”. Arbeitshilfe für Bildungseinrichtungen und Kursleiter. Würzburg 1996 Alle Zitate aus dem Vorwort der in der vorstehenden Fußnote genannten “Arbeitshilfe”: S. 5 vgl. Toonen (Fußnote 88), S. 7f. Nacke/Grossmann/Mörchen 1996 (Fußnote 93), S. 12 76 97 Konzept“ paßten, hat das DIE-Projekt eine selektive Aneignung der Werkstatt-Konzeption und die Mitbestimmung des methodischen Vorgehens durch die Teilnehmenden ausdrücklich zugelassen und gewünscht. Das KBE-Projekt hat – und damit ist die Ebene der Kontextsteuerung angesprochen – durch eine bewußte Passung von Teilnehmermilieu und Projektanlage die Wege zur - konzeptionell verbindlich vorgesehenen - Selbstorganisation der Teilnehmerinnen durch methodische Intervention und Projektsteuerung gebahnt, während zum Beispiel das DEAE-Projekt seine Irritationsbereitschaft dadurch immer wieder unter Beweis stellen mußte, daß es sich selbst unter die Notwendigkeit gestellt hat, flexibel darauf zu reagieren, wie die Teilnehmenden die eröffneten „Ermöglichungsräume“ füllen. Die in der ZeitZeugenBörse engagierten Erwachsenenbildner, die theoretisch wesentlich zur Aufklärung des Problems der Kontextsteuerung beigetragen haben, waren offenbar genötigt, konzeptionell und institutionell eine (Macht)Balance zu akzeptieren, die eine befriedigende Bearbeitung des pädagogischen Handlungsproblems nicht zugelassen hat. Diese hier nur angedeuteten Gemeinsamkeiten und Differenzen sprechen dafür, daß im Sinne Schäffters die didaktische Herausforderung der Projektarbeit nicht nur auf der Ebene der personengebundenen Lehrtätigkeit und des organisatorischen Arrangements gesehen werden, sondern gleichgewichtig die „Kontextsteuerung“ als Gestaltungsebene und –aufgabe reflektiert wird. Den Blick dafür geöffnet zu haben, ist eine wichtige Leistung der Modellprojekte. 2.4.5. Alltagsbezogene Bildungsarbeit mit Vorruheständlern– Kompetenzprofile für die Begleitung zieloffener Entwicklungsprozesse am Beispiel des ZWARProjektes Das ZWAR-Projekt hat im Kontext der geförderten Projekte insoweit eine Sonderstellung eingenommen, als es – über die unmittelbare Arbeit mit Vorruheständlern hinaus – auch das Ziel verfolgt hat, (ehrenamtliche und hauptamtliche) Mitarbeiterinnen für die an verschiedenen Stellen eigenständig entwickelte Projekt- und Gruppenarbeit prozeßbegleitend zu qualifizieren. Ganz zweifelsfrei handelt es bei dieser Aufgabe um eine zentrale Herausforderung, da Erfolge und Mißerfolge der Projektarbeit in einem nicht geringen Maße von der Fähigkeit der Mitarbeiter abhängen, sich in der gegebenen Zeit die erforderlichen Kompetenzen anzueignen. Einhellig ist in den Projektberichten und Beratungen zum Ausdruck gebracht worden, daß dies in den Projekten zu einer Schlüsselfrage avanciert ist. Die spezifischen Kompetenzen für die prozeßorientierte Begleitung der Projektarbeit und der Gruppen konnten nicht als gegeben vorausgesetzt werden und ließen sich in der vorgegebenen Zeit oft nicht beiläufig erwerben. Die Projekte haben verschiedene Wege beschritten, dem Qualifizierungsbedarf der Mitarbeiter tätigkeitsbegleitend zu entsprechen: zentrale „Schulungen“, Zusammenkünfte, Fortbildungen etc. Dennoch ist mit einigem Recht kritisiert worden, daß nicht nur die Zeiträume für die Qualifizierung und Beratung zu eng bemessen waren, sondern daß der Aufbau einer geeigneten Infrastruktur selbst nur in Ansätzen gelungen ist. 97 Die Begleitforschung stellt dazu fest, daß – passend zum konzeptionellen Ansatz des Projektes – “in der Tat (...) nur diejenigen AdressatInnen für die Teilnahme gewonnen (werden), bei denen diese Grundvoraussetzung bereits vorhanden ist. Das Projekt erreicht also zunächst nicht direkt die Gruppe der am meisten unter dem Vorruhestand im weitesten Sinn Leidenden und am stärksten davon Betroffenen. (...) Die aktuell eher stabile materielle Lebenslage der meisten Teilnehmer ist durchaus mit einer Bereitschaft zu sozialem Engagement verknüpft.” Nacke, B. (Hrsg.): Engagement durch Bildung – Bildung durch Engagement. Abschlußbericht der wissenschaftlichen Begleitforschung. Würzburg 1996, S. 39. Die Begleitforscher mutmaßen, daß eine “milieuspezifische Didaktik” exklusiv gewirkt haben könnte, die “Personen aus anderen Milieus den Zugang zu den Angeboten kaum ermöglicht” habe (S. 100). 77 Die materielle Ausstattung und die institutionelle Förderung wurden im Hinblick auf diesen Punkt im Rückblick als mangelhaft und unbefriedigend eingeschätzt. Das Fehlen einer Infrastruktur prozeßbegleitenden Lernens der Mitarbeiterinnen machte sich projektübergreifend bemerkbar. In allen Projekten wurde konstatiert, daß eine Besonderheit darin bestand, daß angesichts der offenen Entwicklungsorientierung der Projekte die Qualifizierung nicht vorab, sondern im Prozeß selbst erfolgen mußte. Es ist in einigen Projekten nicht sonderlich gut gelungen, eine der Aufgabe angemessene institutionelle Infrastruktur aufzubauen: Sie mußten ohne eine Außeninstanz auskommen, die interne Entwicklungen und Konflikte einschließlich derer auf der Leitungsebene wahrnahm und bearbeitbar machte. Die Projekte waren dadurch zu Selbstmoderation gezwungen, die dann zu tendenziellen Überforderungen führen mußte, wenn Leitungsaufgaben, die Unterstützung von Selbstreflexionsprozessen auf der personalen Ebene und gar noch die Ausübung einer Vorgesetztenfunktion zusammenfielen. Projektbezogene Selbstreflexionsprozesse benötigen einen anderen Kontraktrahmen, dessen Fehlen nicht kompensiert werden kann durch die Einrichtungen von Beiräten u.ä.. Gerade bei Projekten wie ZWAR oder dem der DEAE, die konzeptionell offene Rahmenbedingungen vorsahen - der ja auch dezentral kreativ genutzt wurde - und die ausreichend Raum lassen wollten für regionale Suchprozesse bestand ein großer Strukturierungsbedarf, der sich unter anderem daraus ergab, daß es den Akteuren vor Ort notwendigerweise schwer fallen mußte, aus eigenem Tun heraus und bei unklaren Rollen das übergeordnete Gesamtprojekt als Reflexionsebene zur Verfügung zu haben. Reflexionsgegenstände könnten hier beispielsweise sein: die Projektphilosophie einschließlich eines gemeinsam zu erarbeitenden Verständnisses des sozialen Wandels, innerhalb dessen die Projektarbeit verstanden werden kann oder sich legitimieren muß, und eine übergreifende Theorie und Ethik der Intervention. Ein Reflexionsbedarf läßt sich auf drei Ebenen beschreiben: • Prozeßreflexion als pädagogische Kompetenz: Welche Prozesse werden wahrgenommen, worauf wird reagiert, welche Alternativen stehen zur Verfügung etc.? • Biographische Reflexion: Wo stehe ich selbst als Pädagoge gerade im Hinblick auf durch die Projektarbeit angestoßene Entwicklungen? Wo liegen meine Grenzen, was kann, will ich mir zumuten? Welche Verletzlichkeiten kann ich an mir und anderen wahrnehmen? • Reflexion der Projektentwicklung: Wo stehen wir in Bezug auf unsere Intentionen, Visionen, Möglichkeiten? Wie verorten wir uns in der „Welt“? Woran erkennen wir unsere Leistungen und wie bewerten wir sie? Einige dieser hier nur beispielhaft angerissenen Reflexionsaufgaben lassen sich in Form von kollegialer Beratung und Erfahrungsaustausch bearbeiten, andere nur durch Supervision und gegebenenfalls prozeßbegleitende und tätigkeitsbezogene Selbsterfahrung. Für einige wird eine externe fachliche Beratung und Begleitung - weniger eine wissenschaftliche Evaluation! - erforderlich sein, um den Kompetenzaufbau auf persönlicher und organisatorischer Ebene zu befördern. Allerdings ist nicht zu übersehen, daß es basale Kompetenzen gibt, die nicht prozeßbegleitend erworben werden können, sondern die ausdrücklich vorgängig in externen Aus- und Fortbildungen angeeignet werden müssen 98 (Zusatzqualifikationen). 98 Diese Position vertritt nachdrücklich Wolf-R. Klehm, der bei Mitarbeiterinnen des ZWAR-Projektes Aus- und Weiterbildungen in prozeßorientierten Ansätzen therapeutischer und psycho-sozialer Arbeit (insbesondere Gestalttherapie) für unverzichtbar hält. 78 Dabei muß bedacht werden, daß personale Qualifizierung nur einen - allerdings sehr wichtigen Teilbereich darstellt, um den Unterstützungsbedarf zu beschreiben, der aus den Anforderungen resultiert, lebensbegleitendes Lernen zu unterstützen. Es ist sinnvoll, sich vor Augen zu führen, daß die Erwachsenenbildungsprojekte es im Hinblick auf den Vorruhestand mit Prozessen gesellschaftlichen Wandels zu tun haben, die nur noch selten als „lineare Transformation“ oder „zielbestimmte 99 Transformation“ zu beschreiben sind. Während bei diesen Modellen der angestrebte Zustand, auf den hin qualifiziert oder orientiert wird, bekannt ist, steht die Erwachsenenbildung im Falle der Unterstützung lebensbegleitenden Lernens im Vorruhestand vor der Situation, daß der gesuchte Zustand nicht extern gesetzt, sondern von subjektiver Entscheidung der Bildungsadressaten abhängig ist und endogen hervorgebracht werden muß: „Erlebt werden zieloffene Transformationen von den Betroffenen meist als Aufbruch, Ausbruch oder als verwirrende Umbruchsituationen hinein in einen verunsichernden Schwebezustand, bei dem zwar klar ist, welche Ordnung man verlassen oder verloren hat, nicht aber wie die zukünftige aussehen wird. Eine Gefahr besteht in diesem Zusammenhang, daß Pädagogen die Unbestimmtheit des ‚Zustands B‘ (...) als mangelndes Wissen der Bildungsadressaten deuten und aus ihrer professionellen Expertenrolle heraus den Soll-Zustand stellvertretend für die Teilnehmer definie100 Die Erwachsenenbildung kann nicht umhin, bei der Organisation von Lernprozessen zu konstaren.“ tieren, daß das angestrebte Ergebnis nicht im Bildungsangebot vorweggenommen werden, sondern „nur im Rahmen eines persönlichen Klärungs- und Entscheidungsprozesses durch Eigenbewegung der 101 Die Lernenden innerhalb eines subjektabhängigen Möglichkeitsraums“ erschlossen werden kann. Pädagoginnen stehen vor der Aufgabe anzuerkennen, daß „selbst durch gut gemeinte curriculare Vorgaben die Lernenden geradezu daran gehindert werden zu tun, was als Problembewältigung eigentlich ansteht: sich auf die subjektzentrierte Bewegung eines suchenden Klärungsprozesses einzulassen. Qualifizierungsmaßnahmen bewirken in diesem Fall das Gegenteil dessen, was beabsichtigt ist: sie ver102 hindern Lernen. Dies kann als strukturelle ‚Wirkungsumkehr‘ bezeichnet werden.“ Schäffter führt neben dem soeben beschriebenen Modell der zieloffenen Transformation ein weiteres ein, das er „reflexive Transformation“ nennt, das „Lernen als permanente Selbstvergewisserung“ und „selbstreflexive Orientierung“, in dem der „Zustand B“ sich selbst bereits im Strukturwandel befindet oder sich gerade dadurch verändert, daß er durch lernende Aneignung eine neue Qualität erhält. Charakteristisch für dieses Modell ist es, daß die Ausgangssituation (A) zwar als „irgendwie“ defizient erlebt wird, aber erst in einer persönlichen Standortbestimmung die Situation geklärt werden kann. Daraus „erschließt sich ein sozialer Möglichkeitsraum, innerhalb dessen (...) die Suchbewegung in Richtung auf einen erstrebenswerten Zustand B organisierbar wird. (...) Das strukturell Neuartige und Befremdliche dieses Transformationsmusters kommt nun in den nachfolgenden Schritten zum Ausdruck: jedesmal wenn ein Zustand Bx im Zuge von Suchbewegungen, Klärungsbemühungen und Entscheidungen erreicht zu sein scheint und eine Festigung der neuen Ordnung ansteht, wird die erreichte Ordnung durch neue Veränderungen in Frage gestellt und ruft Bedarf nach einer abermaligen 103 Dieses Modell von Transformation gerät auf der Selbstvergewisserung und Neuorientierung hervor“. 99 100 101 102 103 Vgl. dazu: Schäffter, O.: Weiterbildung in der Transformationsgesellschaft (Manuskript), Berlin 1998 a.a.O. (Fußnote 99), S. 25 ebd. Schäffter 1999 (Fußnote 80), S. 13f. Schäffter 1999 (Fußnote 80), S. 15 79 Ebene der Lernorganisation „in eine unabschließbare Iteration permanenter Veränderungen, an denen sie selbst beteiligt ist und auf die sie wiederum nur durch Organisation von reflexiver Selbstvergewisserung reagieren kann“ (ebd.). Auf das Feld der Bildungsarbeit mit Vorruheständlerinnen bezogen leitet sich aus diesen theoretischen Überlegungen „ein Aufgabenverständnis von Erwachsenenbildung (...) ab, das nicht mehr unmittelbar Verantwortung übernehmen kann für die persönlichen Lernziele und Inhaltsbereiche der Teilnehmer, sondern das sich als Förderung von Selbstlernprozessen und als ‚Entwicklungsbegleitendes Lernen‘ versteht. Es reicht nicht mehr aus, Lernorganisation ausschließlich nach der ‚Instruktionslogik‘ von Qualifikationsprozessen (‚wie kommt man effizient von A nach B?‘) zu arrangieren oder als Orientierung an vorbildhaften Problemlösungen (Schau es Dir an: so macht man es richtig!) zu strukturieren. Statt dessen geht es zunehmend mehr um ein Initiieren – Aufbauen – Ausgestalten und Unterstützen von offe104 nen, selbstgesteuerten Entwicklungsverläufen.“ Folgt man dieser Beschreibung des Aufgabenprofils einer Erwachsenenbildung, die zieloffene und reflexive Transformationsprozesse begleitet, ergeben sich Ansprüche an die Kompetenz von Erwachsenenbildnerinnen, die über die traditionelle Planung und Realisierung von Lehrveranstaltungen u.ä. deutlich hinausgehen. Beispielhaft kann das Kompetenzprofil herangezogen werden, das Wolf-R. Klehm vor dem Hintergrund der Projektarbeit von ZWAR skizziert hat. Es fokussiert vorwiegend auf personengebundene 105 beschreiben lassen: Qualifikationen, die sich als „Interaktionskompetenz“ Entsprechend dem Ansatz der „existenziellen Animation“ zielt die prozeßorientierte Arbeit der Teamer(innen) von ZWAR darauf, Gruppenteilnehmende dabei zu unterstützen, durch die vielfältigen Schichten ritualisierter und klischeehafter Verhaltensweisen und Einstellungen hindurch zu authentischen Handlungsimpulsen zu kommen, die bei der Selbstveränderung und Neuorientierung im 106 Vorruhestand tragend werden können. Klehm greift dabei zurück auf das ursprünglich von Fritz Perls 107 108 entwickelte und seinem Schüler Leland Johnson verbreitete Schichtenmodell der Neurose , das die Ebenen „Rollen und Spiele“, „phobisches Verhalten/Angst“, „Engpaß“, „Implosion“ und „Explosion“ unterscheidet. Die Perspektive der Bildungsarbeit geht über dieses ursprünglich für therapeutische Arbeit entwickelte „Zwiebel-Modell“ weit hinaus: sie möchte „Menschen zu sich selbst“ bringen oder „bei sich selbst ankommen lassen“. Ausdrücklich betont Klehm, daß zwar angestrebt ist, daß Mitarbeiterinnen des Projekts über therapeutische Ausbildungen u.a. verfügen und - wenn möglich auch Praxiserfahrungen aus diesem Bereich mitbringen sollten, daß aber in keinem Fall die Bildungsarbeit therapeutischen Charakter habe dürfe. 104 105 106 107 108 Schäffter 1999 (Fußnote 80), S. 18 Die folgenden Ausführungen stützen sich auf einen Vortrag, den W.-R. Klehm anläßlich des Workshops “Vorruhestand und Weiterbildung” am 19.11.98 in Potsdam gehalten hat. Der Verfasser bedankt sich herzlich für diesen Beitrag. Perls, F.S.: Vier Vorträge. In: Ders.: Gestalt, Integration, Wachstum. Hrsg. v. H. Petzold. Paderborn 1980, S. 89-117 Johnson, L.E.: Der körperorientierte Therapieansatz bei W. Reich und F.S. Perls. In: Petzold, H. (Hrsg.): Die neuen Körpertherapien. Paderborn 1977, S. 194-206 Vgl. auch Staemmler, F.-M./Bock, W.: Neuentwurf der Gestalttherapie. München 1987, besonders Kap. 2 und 3 80 Als Qualifikationsmerkmale auf der Ebene persongebundener Kompetenzen unterscheidet er • Interaktionskompetenz; • Planungskompetenz sowie • Vermittlungskompetenz. Die letztgenannte Kompetenz meint die Fähigkeit zur Vermittlung von Inhalten, zum Informieren und Beraten von Teilnehmern. Planungskompetenz bezieht sich auf die Fähigkeit zur systematischen Selbstevaluation und Theoriearbeit. Dazu zählt die Bereitschaft, sich aus den unmittelbar praktischen Bezügen der Arbeit auf der Interaktionsebene zurückzuziehen, für die distanzierte und analysierende Betrachtung und Bewertung der eigenen Arbeit Zeit, Kraft, Energie und Motivation aufzubringen. Von entscheidender Bedeutung ist die „Interaktionskompetenz“, die im wesentlichen die Fähigkeit beschreibt, prozeßbegleitend zu arbeiten. Sie läßt sich in sechs Dimensionen untergliedern: soziale Strukturbildung befördern: in erster Linie gehört dazu die Stimulierung und Unterstützung von Selbstorganisationsprozessen der Teilnehmenden und das Wecken von sozialen Bindungskräften. Die Moderation des Gruppenprozesses und Leitungsaufgaben sind so wahrzunehmen, daß die Teilnehmenden von Beginn an dazu angeregt werden, ihre Geschicke in die eigenen Hände zu nehmen. Dieses gilt bezogen auf das Individuum gleichermaßen wie auf die Gruppe, Gruppennetze und überregionale Strukturen. Der Blick des Pädagogen soll geschult werden für die Wahrnehmung von prozeßhaften Entwicklungen; er verfolgt, welche „Produkte“ diese Prozesse hervorbringen und nimmt die Beobachtungen zum Anlaß für (erneute) Interventionen, die lernförderlich ausgerichtet sind und den Prozeß befördern sollen, ohne daß unmittelbare pädagogische Einwirkungen notwendig sind; Interagieren: hierzu zählt die Bereitschaft und Fähigkeit, Gefühle wahrzunehmen, zu zeigen und zu ihrem Ausdruck einzuladen; die Fähigkeit, mit „Ordnungen“ spielerisch umzugehen, um neue Strukturbildungen anzuregen und Verhärtungen aufzuweichen; die Teilnehmenden sollen dabei lernen, mit Ressourcen, biographischen Erfahrungen u.a. selbst unbefangener und „spielerischer“ umzugehen; die Fähigkeit, ein positives, akzeptierendes Klima zu schaffen, was die Menschen ermutigt, sich als Person zu zeigen und Neues zu erproben (wenn das Klima „stimmt“ können sich in den Gruppen durchaus auch „therapeutische“ Effekte zeigen); die Fähigkeit, (auch mit fremden) Menschen ein „warming up“ zu erreichen, ihre Präsenz und Gegenwärtigkeit zu steigern; die Fähigkeit, situative und (Handlungs-)Gestalten abzuschließen; Kommunizieren: dazu zählen die Fähigkeit, Feed-back-Prozesse anzuregen und sichtbar zu machen; Prozesse und Abläufe, Inhaltsbilder etc. zu visualisieren; Zuhören und Fragestellen so zu handhaben, daß Klarheit und Bewußtheit gefördert werden; Gestalten: in dieser Dimension geht es um die Fähigkeit, virtuelle soziale Räume zu schaffen, Rituale und Rhythmen, die gruppen- und lernförderlich sind, einzuführen; mit den Räumen und ihren Möglichkeiten spielerisch umzugehen; Prozesse zu befördern, damit sich die Gruppen identifizieren können; Rollenspiele und andere Möglichkeiten zu finden, sich neu zu erproben; Hintergrundarbeit leisten: die Arbeit bleibt im wesentlichen unsichtbar, ihr Fehlen macht sich aber unmittelbar bemerkbar; dazu zählen Vorbereitung, Zeitmanagement, Planung, Organisieren, Archivieren, Materialien auswählen und aufbereiten; über spirituelle Erfahrungen verfügen: damit ist die Fähigkeit gemeint, sich selbst und seine Anliegen in größere Zusammenhänge eingebettet zu wissen; mit existenziellen Belastungen und Krisen in der Gruppe umgehen zu können. Die oben beschriebenen Fähigkeiten sind keineswegs solche, die stets zum aktiven Handeln auffordern: die Förderung selbstorganisierender Prozesse setzt auch die Fähigkeit voraus, Dinge geschehen zu las- 81 sen, nicht zu intervenieren. In einem erweiterten Sinn kann davon gesprochen werden, daß die Pädagoginnen in einem hohen Maße über die Fähigkeit verfügen müssen, ambivalente und offene Situationen auszuhalten: „Die Bewältigung von Transformationsprozessen erfordert neben Engagement und zupackender Aktivität auch die Fähigkeit zum Disengagement, zur Kontemplation und zur produkti109 ven Distanzierung“. Diese Kompetenz des „Lassen-Könnens“ und zugleich engagierten Umgangs mit Irritation und Ambivalenz findet sich in durchaus verwandten Formulierungen in der Literatur zum „postheroischen Management“: „Management ist in seinen besten Momenten nichts anderes als die Fähigkeit, Irritationen in Ordnungen und Verfahren umzusetzen, die für weitere Irritationen empfänglich und empfindlich bleiben. Management ist die Fähigkeit, mit Ungewißheit auf eine Art und Weise umzugehen, die diese bearbeitbar macht, ohne das Ergebnis mit Gewißheit zu verwechseln. Postheroische Elemente des Managements setzen sich nur langsam in unseren Organisationen durch. Sie arbeiten gegenläufig zu 110 deren Prinzip der Absorption von Ungewißheit, des Wegarbeitens des Zweifels.“ Damit ist indirekt angedeutet, daß der interaktiven, persongebundenen Kompetenz zwar ein hoher Stellenwert zukommt, im Sinne des von Schäffter vorgeschlagenen erweiterten Verständnisses von „Lehre“ (siehe Kap. 2.4.4.) aber ergänzt werden muß um die Fähigkeit, Prozesse und Verfahren der „Kontextsteuerung“ in die Reflexion aufzunehmen und die eigene Tätigkeit in umfassenderer Weise zu „verorten“. Dazu sind „Kontextwissen“, d.h. das Wissen um den eigenen Wirkungshorizont, um das eigene Profil, und „Relationsbewußtsein“, nämlich das Bewußtsein von der Verschränkung der eigenen Tätigkeit mit den Leistungsanteilen der anderen, eine explizite Bezugnahme auf übergeordnete 111 Sinnzusammenhänge der pädagogischen Organisation, notwendig. Es ist zweifelhaft, ob die Annahme realistisch ist, daß den hier recht weitgehend formulierten Ansprüchen an das Qualifikationsprofil von Pädagogen unter den Bedingungen praktischer Projektarbeit entsprochen werden kann. Die Modellprojekte haben aber verdeutlicht, daß die Begleitung zieloffener Entwicklungsprozesse – und darum handelt es sich bei der Projektarbeit! – die pädagogisch Tätigen mit sehr hohen, teilweise auch neuen Herausforderungen konfrontiert, die zu bestehen bislang in den gängigen Ausbildungen kaum gelernt und trainiert werden kann. Das spricht dafür, Modellprojekte künftig so zu konzipieren, daß eine praxisbezogene Infrastruktur prozeßbegleitenden Lernens mit aufgebaut wird, die in verschiedenen Phasen der Projektarbeit Beratung und Unterstützung gewährleisten kann. 109 110 111 Vgl. Schäffter 1998 (Fußnote 99), S. 13 Baecker, D.: Postheroisches Management. Ein Vademecum. Berlin 1994, S. 9 (Vorwort) Schäffter 1998 (Fußnote 99), S. 90-94 82 3. Einige zusammenfassende Betrachtungen Die folgenden Bemerkungen heben einige Ergebnisse der bisherigen Darstellung hervor, die bei der rückblickenden Bewertung und im Hinblick auf künftige Förderungspolitik besonders relevant erscheinen. Es geht dabei nicht vorrangig um Vollständigkeit, sondern um eine bewußte Akzentuierung unter pädagogischen Gesichtspunkten. 3.1. Die Ausschreibung durch das BMBF hat ein bildungspolitisches Anliegen mit einem sozialen und politischen verknüpft: Durch Bildungsarbeit sollte ein Beitrag zur sozialen Integration einer Personengruppe geleistet werden, die in Gefahr stand, in eine „Vergesellschaftungslücke“ zu fallen. Damit wurde implizit ein Bildungsverständnis vertreten, das der Bildungsarbeit soziale Inklusionskraft zutraut und zumutet. Die Projekte haben darauf insofern reagiert, als sie Sozialbildung, Selbstorganisation oder die Förderung von Netzwerkbildungen als Projektziele herausgestellt haben. Damit einher gingen Vorstellungen und Visionen gelungener Sozialintegration, die durch die Bildungsarbeit befördert werden sollten: Vorruheständlerinnen wählen selbstbestimmt Formen ehrenamtlichen Engagements, präsentieren öffentlich in Gestalt von Ausstellungen die Ergebnisse gemeinsamer Erinnerungsarbeit, übernehmen selbstbewußt Verantwortung in Gemeindestrukturen, treten als Erinnerungsträger mit bewußt reflektierten und für diesen Zweck vorbereiteten und ausgewählten Zeitzeugnissen hervor u.a. Die Konvergenz von bildungspolitischen und sozialen Anliegen führte zu einem unvermeidlichen Folgeproblem: der Zusammenhang zwischen Angeboten, die Lernen fördern sollen, und anderen Reaktionsweisen auf die Problemsituation des Vorruhestandes stellte sich als besonders klärungsbedürftig heraus. Zeitweise standen in mehreren Projekten Handlungsimpulse, die darauf zielten zu helfen, Sicherheit, Lebenshilfe oder Orientierung zu geben, gleichrangig neben solchen, die Lernprozesse unterstützen sollten. Die Projekterfahrungen können als eindrückliche Hinweise darauf verstanden werden, daß sich Projekte künftig um klare Unterscheidungen zwischen den genannten Handlungsformen möglichst schon auf der konzeptionellen Ebene bemühen sollten. Durch eine bloße Ausweitung des Bildungsbegriffes, die auf Abgrenzungen zu Helfen oder Therapieren meint verzichten zu können, ist 1 wenig gewonnen. 3.2. In der Praxis sahen sich die Projekte alsbald mit der Einsicht in die Unmöglichkeit konfrontiert, Bildungsprozesse nach einem Qualifizierungsmodell mit vorab definierbaren und definierten Zielvorgaben anzulegen. Der Lernbedarf ließ sich extern nur höchst vage bestimmen, Inhalte und Ziele mußten unter aktiver Beteiligung der Adressatinnen und Teilnehmenden hervorgebracht werden. Die Projektarbeit hatte vorrangig mit der Begleitung zieloffener und reflexiver Transformationsprozesse zu tun. Dafür gab es in diesem Handlungsfeld so gut wie keine erprobten Modelle; theoretisch und konzeptionell betraten die Projekte weitgehend Neuland. Erst im Zuge der Projektpraxis sind - nicht zuletzt auch aus dem Kreise der Akteure – wichtige theoretische Beiträge geleistet worden, die dazu beigetragen haben, die besonderen Herausforderungen der Begleitung zieloffener Entwicklungsprozesse zu klären. Diese Erfahrungen drängen zu der Einsicht, daß bei künftigen Projektförderungen die Bereitstellung einer praxisbezogenen Infrastruktur für prozeßbegleitende Unterstützung und Beratung mitbedacht sein sollte. 1 Vgl. die frühen Diskussionsbeiträge von Mader, W.: Lernen oder Heilen? Zur Problematik offener und verdeckter Therapieangebote in der Erwachsenenbildung. In: Schultz, E. (Hrsg.): Erwachsenenbildung zwischen Schule und sozialer Arbeit. Bad Heilbrunn/Obb. 1983, S. 184-198, und Schmitz, E.: Zur Struktur therapeutischen, beratenden und erwachsenenpädagogischen Handelns. In: a.a.O., S. 60-78 83 3.3. Bei den prospektiven Adressatinnen und Teilhabenden waren einigermaßen klare Erwartungsstrukturen und vorab identifizierbare milieuspezifische Lernkulturen nicht zu ermitteln. Die Projektpraxis selbst mußte Aufschluß darüber geben, welche (spezifischen?) Aneignungsformen überhaupt anzutreffen waren. Recht häufig fand sie Anknüpfungspunkte im Milieu der früheren technischen Intelligenz und in den dort ausgebildeten Haltungen und Deutungsmustern. Den Projekten ist es vorwiegend nicht gelungen, sogenannten „bildungsfernen“ und weniger artikulationsfähigen Gruppen einen mehr als punktuellen Zugang zu eröffnen. Nicht nur im KBE-Projekt, dessen Begleitforschung diese Aussage durch eigene Untersuchungsergebnisse belegt, sondern auch in den mündlichen und schriftlichen Berichten finden sich nur wenige Hinweise darauf, daß ehemalige Arbeiterinnen oder minderqualifizierte Arbeitslose in nennenswerter Zahl erreicht werden konnten. Einige Beschreibungen legen die Vermutung nahe, daß aus 2 DDR-Zeiten nachwirkende soziale Distinktionsprozesse eine Rolle gespielt haben könnten. Es wird erkennbar, daß Projekte wie „Selbst-Hilfe im Vor-Ruhestand“, die einen stadtteil- oder gemeinwesenbezogenen Ansatz nach dem ZWAR-Modell verfolgen, in weit aus stärkerem Maße in der Lage sind, von sozialer Deprivation bedrohten Personenkreisen (z.B. dauerhaft Arbeitslosen) Zugänge zu eröffnen. In diesen Projekten lassen sich – entgegen einer häufig geäußerten Ansicht – keine Hinweise darauf finden, daß an der prinzipiellen Ausrichtung der Arbeit, nämlich zieloffene Entwicklungsprozesse zu begleiten, irgendwelche Abstriche gemacht werden müssen. Die Notwendigkeit einer pädagogischen „Gegen3 steuerung“ angesichts der unter Teilnehmenden recht verbreiteten Tendenz, Verantwortung möglichst an die „Kursleiter“ zu delegieren, ist in diesen Projekten nicht anders gegeben als bei jenen, die vorwiegend mit sogenannten „bildungsgewohnten“ Teilnehmerinnen arbeiten. 3.4. Durch die Vergabepolitik des BMBF sind vorrangig größere und etablierte Träger (aus dem Westen) in dem Förderprogramm vertreten gewesen. Dies hat es ermöglicht, einem dort vorhandenen Entwicklungsbedarf im Hinblick auf die neuen Bundesländern zu entsprechen und den Ausbau von trägerinternen und -externen Kooperationsbeziehungen zu fördern. Tendenziell ist dieser Vorzug allerdings mit dem Nachteil verbunden, daß kleinere Initiativen, die häufig im regionalen Umfeld aktiv sind, nicht vergleichend herangezogen und in bestehende oder sich entwickelnde überregionale Arbeitszusammenhänge einbezogen werden können. Es ist kein Zufall, daß gerade mit Bezug auf lebensbegleitende Bildung „Kulturen alltagsgebundenen Lernens“ (Schäffter) vermehrt Aufmerksamkeit auf sich ziehen: Vereinen, Selbsthilfegruppen, Gemeinwesen- und Dorferneuerungsinitiativen u.ä. werden als „intermediären“ Organisationen Potentiale zugeschrieben, die „Lernen im sozialen Umfeld“ zu beför4 5 dern vermögen. Es ist sinnvoll – und im Zuge der Vorbereitung dieser Studie auch geschehen – in den Diskurs über Bildungsarbeit im Vorruhestand auch Erfahrungen und Einsichten aus diesem Bereich der Bildungsförderung mit einzubeziehen. 2 3 4 5 “Anders als erwartet kommt nur ein Arbeiter aus der Produktion, der beim zweiten Treffen wieder wegbleibt. Er fühlt sich unter den ‚Höhergestellten’ und Akademikern nicht wohl.” Kade, S.: Die andere Geschichte. Frankfurt/M. 1997, S. 94. Ganz ähnlich äußerten sich auch vom Verfasser interviewte ehemalige Gruppenleiterinnen, im Vorruhestandsbereich engagierte Ältere und Teilnehmer in Sachsen-Anhalt, die über große Schwierigkeiten berichteten, frühere Produktionsarbeiter für eine aktive Mitwirkung zu gewinnen. Vgl. zu diesem von Hans Tietgens in die Erwachsenenbildung eingeführten Begriff: Siebert, H.: Gegensteuerung - ein didaktischer Schlüsselbegriff. In: Nuissl, E. (Hrsg.): Person und Sache. Zum 70. Geburtstag von Hans Tietgens. Bad Heilbrunn/Obb. 1992, S. 123-129 Vgl. Bootz, I.: Berufliche Bildung - Kompetenzentwicklung - Lernen im sozialen Umfeld. In: QUEM Bulletin 1996, Heft 7, S. 6-8; Hartmann, T./Wölfing, S.: Entwicklungsbegleitende und projektgebundene Qualifizierung - ein Beitrag zur Entwicklung neuer Methoden im Transformationsprozeß. In: QUEM-Materialien Nr. 10, Berlin 1995; Bauer, R. (Hrsg.): Intermediäre Nonprofit-Organisationen in einem neuen Europa. Rheinfelden/Berlin 1993 Der Verfasser dankt den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des LisU-Projektes (QUEM) herzlich für ihre Unterstützung und die Bereitschaft, sich an der Diskussion über die Modellprojekte aktiv zu beteiligen. 84 3.5. Die Arbeit der Projekte hat zu verdeutlichen vermocht, daß es zu ganz unzulässigen Schlußfolgerungen führt, wenn die Reflexion der Bildungsarbeit ausschließlich oder auch nur vorwiegend auf das unmittelbare Interaktionsgeschehen zwischen den Teilnehmenden und den „Teamern“, „Kursleiterinnen“, Gruppenleitern etc. ausgerichtet wird. Diese Selbsteinschränkung, die dazu tendiert, „Organisatorisches“ als der pädagogischen Arbeit Äußerliches mißzuverstehen, verleitet dazu, die Lernund Verhaltensaufforderungen, die aus den institutionellen Kontexten und Strukturierungen hervorgehen, zu übersehen. Mit Verweis auf die Notwendigkeit, durch intelligente „Kontextsteuerungen“ insgesamt lernförderliche Strukturen zu generieren, ist eine weit über die Modellprojektphase hinaus gültige Verantwortung pädagogischer Praxis umrissen. Auf diesem Feld haben die Modellprojekte Pionierarbeit geleistet, die unbedingt für weitere Vorhaben fruchtbar gemacht werden sollte. 3.6. Die Projektarbeit weist eine Tendenz dazu auf, „fluide“ Strukturen hervorzubringen, die sich mit den traditionellen Mustern der Organisation und Planung von Erwachsenenlernen nicht zur Deckung bringen lassen. Ohne Zweifel macht sich hier bemerkbar, daß die lebensweltlichen Vorstrukturierungen des institutionalisierten Lernens anerkannt und berücksichtigt, daß organisatorische, zeitliche und räumliche Rahmungen gefunden werden mußten, durch die zusammen mit den Teilnehmerinnen „Orte der Bildung“ überhaupt erst entstehen konnten. Diese Prozesse verdienen sowohl auf der Ebene der Einrichtungspolitik, der Veranstaltungsorganisation, der Programmplanung und der Didaktik als auch auf der 6 Ebene des ordnungspolitischen Entscheidungsrahmens größere Aufmerksamkeit. Es ist schwer abzuschätzen, ob die Projektarbeit nachhaltige Rückwirkungen auf die Politik der Träger zeigen wird: die prinzipielle Notwendigkeit aber, institutionelle Strukturierungen so zu verändern, daß Kopplungen mit lebensweltgebundenen Lernbewegungen möglich werden, ist unabweisbar. 3.7. Die Projektarbeit hat gezeigt, daß es ein großes Bedürfnis der überwältigenden Mehrheit der Vorruheständlerinnen ist, gemeinschaftliche (Lern-)Erfahrungen zu machen. Entgegen einem weitverbreiteten Trend, der selbstgesteuertes Lernen unterschwellig als individualisiertes und privatisiertes Lernen entwirft, hat sich die Projektarbeit mit großer Berechtigung als Inszenierung, Anregung und Stützung von Gemeinschaften verstanden. Diese Gemeinschaftsbildungen sind aus pädagogischer Sicht kein Selbstzweck, auch wenn stets darauf zu achten war, daß die Eigendynamik und die selbstorganisierenden Kräfte der aufgebauten Gruppen nicht durch pädagogische Absichten überformt und deformiert werden. Besonders die Projekte der beiden den Kirchen nahestehenden Träger verdeutlichen, daß eine gewisse Nähe zur Selbsthilfeförderung und sozialpädagogischer Gruppenarbeit besteht, die konzeptionell in ihren Konsequenzen für den Aufbau lernförderlicher Strukturen bedacht werden muß. Die Suche der Teilnehmer nach Zugehörigkeit sollte mit diesem Ziel aufgegriffen und zur Geltung gebracht werden. Bildungsaktivitäten der Teilnehmerinnen scheinen der Verstärkung und Ermutigung durch Gruppenerfahrungen zu bedürfen: „Das Gelingen und Scheitern von Vorruhestandsprojekten (...) hängt (...) von fragilen Balancen zwischen einer gruppeninternen Selbstveränderung und einer Veränderung 7 der externen Handlungs- und Verwirklichungsbedingungen aufgrund eigener Interventionen ab.“ Zu diesen Verwirklichungsbedingungen gehören auch das sozio-ökologische Arrangement und institutionelle Strukturierungen, innerhalb derer die Gruppenarbeit realisiert wird. 6 7 Die hier aufgegriffene Unterscheidungen folgen der systemtheoretischen Analyse von Organisationsstrukturen der Weiterbildung von Schäffter, O.: Weiterbildung in der Transformationsgesellschaft. Berlin 1998, Kap. 2 Kade, S.: Orte der Bildung. Sozialräumliche Integrations- und Desintegrationsmuster von Bildungsinitiativen im Vorruhestand. Thesenpapier vorgelegt anläßlich des Workshops “Vorruhestand und Weiterbildung” am 19./20.11.98 in Potsdam, S. 2 85 3.8. Die Steuerung zieloffener Lern- und Entwicklungsprozesse stellt die pädagogisch Tätigen vor teilweise neuartige, in jedem Fall aber schwierige Aufgaben, die mit den vertrauten methodisch-didaktischen Instrumentarien und einem Selbstverständnis, das sich vorwiegend auf seminaristische Lehrerfahrungen stützt, kaum zu bewältigen sind. Zwar sind hochentwickelte methodische Kompetenzen offenbar unverzichtbar, aber der Zusammenhang zwischen methodischer Intervention und didaktischem Kontext ist bei der Begleitung zieloffener Entwicklungsprozesse weit weniger „sicher“ als in den vertrauteren Formen erwachsenenpädagogischer „Kursarbeit“. Der Reflexionsbedarf steigt bei zieloffener Entwicklungsbegleitung gegenüber instrumentellen Konzepten deutlich. Allerdings läßt sich die reflexive Kompetenz weder durch „Schulung“ noch durch „Training“ – klassische instrumentelle Konzepte – aufbauen. Reflexive „Prozeßarbeit“ setzt die Fähigkeit voraus, sich von den unmittelbaren Zusammen8 hängen, in denen man handelt, zu distanzieren und sich zu sich selbst in Beziehung zu setzen. Fast scheint es so, daß die gewünschte Nähe zu alltagsbezogenen Lernbewegungen der Teilnehmenden die Selbstklärung eigener Interessen, biographischer Prägungen, gesellschaftlicher Perspektiven auf der Seite der pädagogisch Tätigen unverzichtbar macht. Die in vielen Projekten vollzogene Lockerung der Bindung an die Verfahrensweisen der Trägerorganisation zieht unabweisbar die Konsequenz nach sich, das Verhältnis zwischen dem Aktionskontext und der Trägerorganisation zu klären und für die Teilnehmenden transparent zu machen. Womöglich stellt sich das Problem der Identifikation mit oder Distanz zu der Trägerorganisation als dauerhaft zu lösendes – insbesondere dann, wenn der Pädagoge den Eigenbewegungen der Teilnehmenden zu folgen hat. Es ist schwer vorstellbar, daß dabei nicht Spannungen und Konflikte auftreten, mit denen umzugehen die Pädagoginnen gelernt haben müssen. Projektarbeit muß deshalb institutionell und organisatorisch Zeit, Energie und Mittel zur Unterstützung solcher Selbstklärungsprozesse ihrer Akteure „einplanen“ und bereitstellen. In jedem Fall benötigt eine zieloffene Projektarbeit Infrastrukturen interner Reflexion und Entwicklungsbegleitung zur Unterstützung der pädagogisch Handelnden. 8 Grundlegend dazu: Elias, N.: Engagement und Distanzierung. Arbeiten zur Wissenssoziologie I. Frankfurt/M. 1983 86 4. Konsequenzen und Empfehlungen Die fünf durch das BMBF geförderten Projekte haben eine fruchtbare und voraussichtlich nachhaltige Wirkung auf die Entwicklung der Bildungsarbeit mit Vorruheständlerinnen und Vorruheständlern gezeigt. Es wurden Konzeptionen erarbeitet und realisiert, die auch unter veränderten Rahmenbedingungen umsetzbar erscheinen, die sich hinreichend abgrenzen lassen von sozialpädagogischer Intervention und die zudem belegen können, daß der Weiterbildung ein weit höherer Stellenwert im nachberuflichen Leben zukommt, als gemeinhin angenommen wird. So offenbart der Vergleich mit altenpolitisch orientierten Modellen und solchen, die vorwiegend die Förderung des Sozialengagements älterer Menschen beabsichtigen, daß die Modellprojekte durchaus in der Lage waren, sozialintegrativ zu wirken, Engagement, Partizipationsbereitschaft und soziale Produktivität anzuregen, ohne zugleich aktivistische Vorstellungen „erfolgreichen Alterns“ zu propagieren oder gar normierend vorzuschreiben. Eine wichtige und unverzichtbare Voraussetzung für die Wirksamkeit der Modellprojekte war deshalb das mehr oder weniger erfolgreiche Bemühen, die relative Autonomie pädagogischer Praxis gegenüber – auch immanenten – Versuchen der Inanspruchnahme der Projektarbeit für sozialpolitische Zwecke zu sichern. Gerade der Vergleich mit anderen Modellen zeigt, daß Bildungsarbeit Menschen in der Vorruhestandssituation prinzipiell Möglichkeiten der eigenständigen Wahl, des Erprobens und teilweise auch der Realisierung einer Lebensführung bieten kann, die nicht diktiert wird durch Erwartungsmuster des Erwerbslebens oder des Ruhestandes. Dies gilt aber nur solange wie die Bildungsarbeit sich nicht selbst als Instrument oder Medium zur Durchsetzung bestimmter Leitbilder versteht oder in Anspruch nehmen läßt. Eine künftige Förderpolitik sollte dem Rechnung tragen: Mit den Modellprojekten sind erste, erfolgreiche Versuche einer zieloffenen, lebensbegleitenden Bildungsarbeit gemacht worden. Projekte sollten in der Zukunft explizit Zieloffenheit und Reflexivität der begleiteten Entwicklungsprozesse zum Maßstab erheben. Es ist förderpolitisch nicht vorrangig, weitere Möglichkeiten zielorientierter Qualifizierungsangebote für Vorruheständler zu erproben. Die inhaltliche, didaktische und methodische Kompetenz zur Entwicklung und Einleitung solcher auf lineare Transformation ausgerichteten Lernprozesse ist weit verbreitet. Wo sich Weiterbildungsbedarf objektiv einschließlich der zu erwerbenden Kompetenzen beschreiben läßt – im Projekt „Vorruhestand der Chemieregion“ zum Beispiel geschieht das mit großem Erfolg – finden sich kompetente Träger und ausreichend qualifizierte pädagogische Mitarbeiterinnen. Vorrangig erscheint statt dessen eine Förderung von Projekten und Initiativen, die die vergleichsweise neue Aufgabe zieloffener und reflexiver Entwicklungsbegleitung übernehmen. Förderpolitisch sind hier in erster Linie die Länder und die kommunalen Körperschaften gefragt, denn Bildungsarbeit mit Vorruheständlern weist notwendigerweise – wie die Modellprojekte zeigten – deutliche Bezüge zu regionalen und lokalen Besonderheiten auf. Während die Modellförderung aus dieser Sicht vor allem eine Aufgabe der Länder und Kommunen ist, könnte es als eine genuine Aufgabe des Bundesministeriums angesehen werden, lokal tätige Projekte durch die Bereitstellung einer bundesweit „abrufbaren“ Supportstruktur zu fördern. Damit würde eine Konsequenz gezogen aus der Auswertung bisheriger Modellförderung im Bereich „Bildungsarbeit mit Vorruheständlern“, die einen hohen Bedarf an überregionaler Vernetzung, kollegialem Austausch und externer fachlicher Beratung bzw. Prozeßbegleitung verdeutlichte. Die im Rahmen der Vorbereitung der vorliegenden Studie projektübergreifend durchgeführten Fachgespräche, Gruppendiskussionen und Interviews zeigten in aller Klarheit, daß weniger die Planung und Realisierung methodisch-didaktischer Handlungsschritte auf der Ebene der unmittelbaren Arbeit mit den Vorruheständlerinnen Schwierigkeiten bereiteten, sondern daß in erster Linie die pädagogisch reflektierte Projekt- und Kontextsteuerung jedes einzelne Projekt vor große Herausforderungen stellte. Dabei 87 ging es nicht um Managementprobleme im Sinne der heute dominierenden betriebswirtschaftlichen Perspektive, sondern darum, in der Praxis immer wieder neu lernförderliche Strukturen zu (er)finden, die von den Teilnehmenden genutzt und angeeignet werden können, die aber zugleich auch den pädagogisch Tätigen einen hinreichend stabilen und flexiblen Rahmen für ihre konzeptionelle und praktische Arbeit bieten. Der Vorschlag, Supportstrukturen auf der Bundesebene für eine projektbegleitende Unterstützung zu schaffen, setzt bei diesem Punkt an. Die Bedeutung personaler Qualifizierung der Mitarbeiterinnen, die Auseinandersetzung mit neuen Lern- und Lehrmethoden, Moderationstechniken, Erlebnispädagogik, Möglichkeiten der Förderung explorativen oder biographischen Lernens u.a. wird in keiner Hinsicht gering geschätzt, nicht zuletzt weil sie oft erst die Voraussetzungen dafür schafft, subjekt- und prozeßorientierte Arbeitsansätze mitzutragen. Die in dieser Studie vorgeschlagene Erweiterung des Lehrbegriffs über die Dimension personengebundener Lehrtätigkeit hinaus hat zur Konsequenz, daß sowohl die sozial-ökologischen Strukturierungen bzw. die organisatorischen Arrangements als auch die Aneignungsperspektive der Teilnehmenden gleichberechtigt neben die erstgenannte Dimension treten und unter der Perspektive der Schaffung lernförderlicher Strukturen reflektiert werden müssen. Trägerinterne Qualifizierungen können nur in seltenen Fällen den hier skizzierten Zusammenhang mit der notwendigen kritischen Distanz so zum Thema machen, daß die Projekt- und Kontextsteuerung insgesamt in den Blick kommt. Projektarbeit zur Förderung zieloffener und reflexiver Bildungsprozesse sollte ihrerseits eine Entsprechung finden in der Schaffung einer Infrastruktur projekt- und entwicklungsbegleitender Unterstützung, die den Professionellen in diesem Arbeitsfeld zur Verfügung steht. Diese Entwicklungsbegleitung durch ein auf Bundesebene aufzubauendes Supporterteam könnte sich beziehen auf – abrufbare Serviceleistungen (Beratung, Gutachten, Stellungnahmen, Informationsdienste, didaktisch-methodische „Arbeitshilfen“, Materialsammlungen etc.); – Team- und Projektentwicklung (Unterstützung bei der Konzeptions- und Zielklärung, Angebotsentwicklung, Bearbeitung von Problemen des Beginnens der Projektarbeit, projektbegleitende Teamsupervision, Organisationsberatung, problem- oder konfliktfokussierende Beratung, Prozeßmoderation u.a.); – projektübergreifende Fortbildung (Bearbeitung von exemplarischen „Fällen“ und Problemkonstellationen, Erfahrungsaustausch, kollegiale Fortbildung, gemeinsame Konzeptionsentwicklung, Vernetzungsarbeit, thematisch orientierte Workshops, theoretischkonzeptionelle Klärungshilfe, Qualitätssicherung u.a.). Die Schaffung einer Supportstruktur auf Bundesebene könnte die in den Modellprojekten gebündelten und reflektierten Erfahrungen einer großen Zahl konkreter, einzelner Projekte zugänglich machen. Damit würde die bisherige bildungspolitische Konzentration der Förderpolitik auf eine Trägerförderung sinnvoll ergänzt werden um die Unterstützung auch regional engagierter Initiativen und Vereine, die – wie in der vorliegenden Studie gezeigt wurde – einen bedeutenden Teil der Entwicklungsarbeit mit und für Vorruheständlerinnen geleistet haben. Diese oft kleineren Projekte könnten von den Vernetzungs- und Synergieeffekten besonders profitieren, weil eine tätigkeitsbegleitende Qualifizierung ihnen aus strukturellen Gründen oft schwer fällt. Lokale Bezüge und spezifische Beiträge zur Regionalentwicklung würden gestärkt, Borniertheiten durch überregionale Begegnungen leichter überwunden. Die Unterstützung 1 „kleiner flexibler regionaler Teams“ kann projektbegleitend erfolgen, sie könnten auch dann überre- 1 Klehm, W.-R.: Vorbemerkung. In: Naumann, S./ Klehm, W.-R., Hagemann, I.-M.: „Junge Alte“ im Transformationsprozeß. Dortmund 1997, S. 10 88 gional in fachlich anregende Infrastrukturen eingebunden sein, wenn sie nicht unmittelbar durch das Bundesministerium gefördert werden. Würde der Akzent weniger auf wissenschaftliche Begleitforschung, sondern auf praxisbezogene Begleitung gesetzt, hätten auch kleinere Projekte und Träger direkten Zugang zu solchen Unterstützungsleistungen. Es wäre denkbar, das überregional tätige Supporterteam mit der Entwicklung von Angeboten für die Basisqualifizierung von Projekten zu betrauen: Mindestkompetenzen der Mitarbeiter, Grundlagen der Prozeßarbeit und Gruppenleitung u.a. könnten dazu zählen. In Analogie zur „Existenzgründerberatung“ könnte das Supporterteam bei der Klärung der Ausgangssituation von Projekten behilflich sein, Zielfindung unterstützen und bei der Strukturentwicklung beraten. Entwicklungsbegleitung unterscheidet sich von Service-Angeboten dadurch, daß auftretende Probleme in den verschiedenen Phasen der Projektentwicklung nicht „durch externes Know-how stellvertretend von außen gelöst werden“ können: Statt dessen werden Lerngelegenheiten in Zusammenarbeit mit den betreffenden Akteuren und Institutionen geschaffen. Dies bietet einen geeigneten Rahmen zur gemeinsamen Bestimmung von Problemdefinition, zur Entwicklung von Lösungsstrategien und zur Auswertung 2 von Umsetzungsschritten. Das Supporterteam sollte personell über eine relativ stabile Grundausstattung (z.B. eine Koordinatorin mit zwei Mitarbeitern) und eine entsprechenden materiellen Infrastruktur verfügen können. Wichtig ist, daß – über Honorarmittel oder andere Vertragsformen – die bei den Projektleiter(inne)n und Mitarbeiter(inne)n der geförderten Modellprojekte akkumulierte Kompetenz für punktuelle oder gegebenenfalls auch mittelfristig angelegte gemeinsame Vorhaben „abgerufen“ werden kann. Verläßliche und dauerhafte Supportstrukturen könnten dazu beitragen, daß die in den Modellprojekten selbst, aber insbesondere auch im projekt- und trägerübergreifenden Austausch gewonnenen Einsichten und Erfahrungen weiterhin zur Verfügung stehen. Für klar beschreibbare Service-Leistungen könnte das Supporterteam auch externe Institutionen oder Expertinnen hinzuziehen oder Aufträge vergeben. Durch die Schaffung projektbegleitender Supportstrukturen würde eine förderpolitisch innovative Konsequenz gezogen aus der gerade auch im Bereich der Bildungsarbeit mit Vorruheständlern deutlich werdenden Notwendigkeit, mehr und mehr auf unbestimmte Wandlungsprozesse zu reagieren, die nicht in erster Linie externe Qualifizierung, sondern endogene Kompetenzentwicklung im Rahmen der laufenden Projektarbeit verlangen. 2 Schäffter, O. / Weber, C. / Becher, M.: Entwicklungsbegleitung beim Strukturwandel von Weiterbildung. Ein neuartiges erwachsenenpädagogisches Tätigkeitsprofil. Erscheint in: Klein, R. / Reutter, G. (Hrsg.): Ende des Lehrens? Hochgehren 1998. Vgl. auch: QUEM (Hrsg.): Qualifizierung intermediärer Akteure. Beitrag zur Entwicklung strukturschwacher Regionen. QUEM-Materialien Nr. 16, Berlin 1996 89 90 Kommentierte Literaturliste „Weiterbildung für Vorruheständler(innen) und dauerhaft Arbeitslose im sechsten Lebensjahrzehnt“ Bearbeitet von Ulrike Popp und Susanne Wolgast Titel Adult Education and Long-term Unemployment. (Themenheft). Newsletter. European Bureau of Adult Education, Amersfoort. (1988) 2, S. 1-46 Themenheft zur Langzeitarbeitslosigkeit aus europäischer Perspektive Alt, C.; Dinter, I. (1993): Weiterbildung älterer Menschen – neue Anforderungen an die berufliche Weiterbildung. Berufsbildung in Wissenschaft und Praxis 22/4, S. 23-29. Plädoyer des Bundesinstitutes für Berufsbildung für die Integration älterer Arbeitskräfte in berufliche Weiterbildung Amann, A. (1988a): „Weil, wenn einer 42 Jahre arbeitet, hat er ein Recht, daß er einmal ausspannen kann.“ Eine „Frühpensionierungs“-Fallstudie in der eisenerzeugenden Industrie Österreichs, In: Göckenjan, G.; Kondratowitz, H.-J. v. (Hrsg.): Alter und Alltag, Frankfurt/M., S. 183-199 Amann, A. (1988b): Pensionierung: Hoffnung auf ein paar schöne Jahre?, In: Rosenmayr, L.; Kolland, F. (Hrsg.): Arbeit – Freizeit – Lebenszeit. Opladen, S. 111-130 Amt für Berufs- und Weiterbildung Hamburg (Hrsg.) (1990): Die Alten – eine besondere Zielgruppe für die Weiterbildung? Fachkonferenz am 31. August 1989. Hamburg (Veröffentlichungen zu Weiterbildung 8) Armstrong, A. (1996): New Start for Mature People. Extracts from a report on work with Older Unemployed people, carried out by Hounslow Adult Education and Training Service, supported by West London TEC. Adult Learning, 8/1, S. 13-14. Arnold, J. (1993): Auf der Suche nach neuen Lebenszielen. Unfreiwillig in den vorzeitigen Ruhestand – eine Million Menschen in den neuen Bundesländern beziehen bereits Vorruhestandsoder Altersübergangsgelder. In: Blätter der Wohlfahrtspflege, 140/11 u. 12, S. 336-337 91 Arnold, R. 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Beschäftigungsperspektiven älterer Arbeitnehmer zwischen demographischem Wandel und anhaltender Arbeitslosigkeit, In: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 44/93, Oktober 1993, S. 16-26 Bäcker; G.; Naegele, G. (Hrsg.) (1983): Alternde Gesellschaft und Erwerbstätigkeit. Modelle zum Übergang vom Erwerbsleben in den Ruhestand, Köln Bäcker, G.; Naegele, G. (1989): Wann und wie das Arbeitsleben beenden? Gleitender Ruhestand, Altersteilzeitarbeit und Teilrente – Chancen und Probleme einer alternativen Form des Ausscheidens aus dem Erwerbsleben, Köln Bäcker, G., Naegele, G. (1993a): Alternde Gesellschaft und Erwerbsarbeit im Alter. Anforderungen an Beschäftigungssicherung und -förderung, In: Klose, H.-U. (Hrsg.): Altern der Gesellschaft: Antworten auf den demographischen Wandel, Köln, S. 95-120 92 Bäcker, G.; Naegele, G. (1993b): Geht die Entberuflichung des Alters zu Ende? – Perspektiven einer Neuorganisation der Alterserwerbsarbeit, In: Naegele, G.; Tews, H. P. (Hrsg.): Lebenslagen im Strukturwandel des Alters, Opladen, S. 135-157 Vor dem Hintergrund der Einsicht, daß, solange Massenarbeitslosigkeit und ein deutlicher Arbeitskräfteüberhang vorherrschen, eine Wende der „Entberuflichung des Alters“ nicht zu erwarten ist, entwickeln die Autoren Perspektiven einer Neuorganisation der Lebens- und Altersarbeitszeit und der Berufsaustrittsbedingungen. Zukünftig solle es darum gehen, das Recht auf Arbeit mit dem Prinzip der Wahlfreiheit so miteinander zu verbinden, daß „sozial akzeptable wie gleichermaßen sozialpolitisch abgesicherte Optionen für unterschiedliche Bedarfs- und Lebenslagen älterer Arbeitnehmer möglich werden.“ Die dafür notwendigen Veränderungen auf unterschiedlichen „sozialarbeits- und arbeitsmarktpolitischen Interventionsebenen“ werden von Bäcker und Naegele umrissen. Bäcker, Gerhard; Naegele, Gerhard (1995): Ältere Arbeitnehmer zwischen Langzeitarbeitslosigkeit und Frühverrentung. In: WSI-Mitteilungen, 48/12, S. 777-184 Backes, G.; Krüger, D. (Hrsg.) (1983): „Ausgedient!?“ Lebensperspektiven älterer Frauen, Bielefeld Bansemir, G.; Kuhlmey, A. (1992): Zur Situation älterer Arbeitnehmer und die Aufgabe der Berufstätigkeit: Vorruhestand, In: Schütz, R.-M.; Kuhlmey, A.; Tews, H.P. (Hrsg.): Altern in Deutschland. Berlin, S. 144-150 93 Barkholdt, C.; Frerichs, F.; Naegele, G. (1995): Altersübergreifende Qualifizierung – eine Strategie zur betrieblichen Integration älterer Arbeitnehmer. Mitteilungen aus der Arbeitsmarktund Berufsforschung, 28/3, S. 425-436. Ausgehend von der Notwendigkeit einer umfassenden Eingliederungsstrategie für die Beschäftigungsgruppe der älteren Arbeitnehmer, plädiert der Beitrag für eine altersübergreifende Qualifizierung, deren Ziel es ist, alterstypische Qualifizierungsrisiken zu überwinden und zukünftige ältere Arbeitnehmer zu befähigen, den Qualifikationsanforderungen gerecht zu werden. Betrachtet werden die Gestaltung der Arbeitsorganisation und die Arbeitszeitgestaltung innerhalb der beiden Felder Qualifizierung am Arbeitsplatz und berufliche Weiterbildung. Becker, S.; Rudolph, W. (1994): Handlungsorientierte Seniorenbildung. Modellprojekte: Konzeptionelle Überlegungen – praktische Beispiele, Opladen Die Publikation gibt einen Überblick über innovative Tendenzen und Formen der Weiterbildung für Ältere, versucht aktuelle Bedürfnislagen der Älteren selbst zu ergründen und erörtert mögliche konzeptionelle Probleme bei der praktischen Umsetzung neuartiger Ansätze. Die vorgestellten Projekte wurden nach dem Kriterium ausgewählt, inwiefern sie das Ziel verfolgen, Handlungskompetenzen zu erhalten und weiterzuentwickeln. Becker und Rudolph liefern eine ausführliche Zusammenstellung jüngerer Modellprojekte. Es schließen sich konzeptionelle Überlegungen zu Problemkreisen wie Selbstorganisation versus Bevormundung, dem Problem der Generationen in der Altenbildung sowie Ehrenamtlichkeit und Konkurrenz an. Berger, G.; Gerngross, G. (1994): Die neu gewonnene Freiheit. Vier Modelle für ein erfolgreiches Altern. Zürich Berliner Institut für Sozialwissenschaftliche Studien (Hrsg.) (1993): Vorruheständler – eine neue soziale Realität in Ostdeutschland. Kurzstudie. Berlin (BISS-Forschungshefte 5). 94 Berufliche Fortbildungszentren der Bayerischen Arbeitgeberverbände (Hrsg.) (1996): Berufliche Weiterbildung für ältere Arbeitnehmer. Ein Leitfaden für Bildungsträger. Dokumentation zum Modellversuch „Entwicklung und Erprobung von Qualifizierungskonzepten für ältere Arbeitnehmer aus der Industrie“. Bielefeld Berufsförderungsinstitut. Aufbaulehrgang für ältere Arbeitslose zum Ausbildner. ÖGB-Nachrichtendienst, (1990) 2556, S. 12-13 Biehl, G. (1992): Denmark: The long-term unemployed and the effect of training courses. Newsletter – Faits Nouveaux 1, S. 9-10. Bildungswerk der hessischen Wirtschaft (Hrsg.) (1991): Erfahrungsgestütztes Lernen. Theoretische Aspekte. Frankfurt/M.: Bildungswerk der hessischen Wirtschaft (Weiße Reihe 28) Bildungswerk der hessischen Wirtschaft (Hrsg.) (1993): Qualifizierung mir PEP. Frankfurter Pilotprojekt zur beruflichen Eingliederung von Langzeitarbeitslosen. Frankfurt/M.: Bildungswerk der Hessischen Wirtschaft (Weisse Reihe, 37). Birk, M.-L. (1992): Weiterbildung im Ruhestand. Bausteinsammlung zur Qualifizierung ehrenamtlicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Stuttgart: Eigenverlag Block, S. (1991): Zeit bringt Veränderungen, und Veränderungen brauchen ihre Zeit. Zur Dimension von Zeit in Maßnahmen mit Langzeitarbeitslosen. Facetten, 4, S. 17-23. Bluhm, S. (1995): Personalentwicklung für ältere Mitarbeiter und Führungskräfte. Am Ende der Karriereleiter? In: SOCIAL images, 4/2, S. 6-8 95 Bode, O. F.; Hirschmann, K. (Hrsg.) (1992): Qualifizierungsmaßnahmen. Aktive Weiterbildung als Alternative zur Transformationsarbeitslosigkeit. Marburg „Ein großer Teil der Fertigkeiten und Kenntnisse von Arbeitnehmern in den neuen Ländern bezog seinen Wert aus der alten Wirtschaftsordnung – und ging folglich mit ihr unter. Der ökonomische und soziale Aufschwung in Ostdeutschland ist daher von einer erfolgreichen Qualifizierungsoffensive abhängig. In diesem Band werden einige der vielfältigen Probleme und Aspekte behandelt, die mit der Qualifizierung der Menschen in Ostdeutschland zusammenhängen“, heißt es im Klappentext des Bandes. Das Buch enthält Beiträge aus vorwiegend wirtschaftswissenschaftlicher Perspektive von Jürgen Weiß/Otto F. Bode, Kai Hirschmann, Bernhard Menke/Detlef Sarrazin, Kai Gaertner, Thorolf B. Glumann und Reinhard Kollosche. Bodenmiller, A. (1990): Schlüssel zum Arbeitsplatz. Modellseminare für Arbeitslose über Schlüsselqualifikationen. PAE-Mitteilungen für die Erwachsenenbildung, 37-38, S. 8-10. Bogard, G. (1988): Adult education and social change. Topic Group on the Long-Term Unemployed. (Strasbourg, 13 and 14 October 1988). Introductory report. Strasbourg: Council für Cultural Co-operation. Bogard, G. (1989): Adult education and social change. Current situation and guidelines for 1989. Strasbourg: Council for Cultural Co-operation. Böhle, F. (1985): Die gesellschaftliche Organisation von Arbeit als Problem der Sozialpolitik, In: Lutz, B. (Hrsg.): Soziologie und gesellschaftliche Entwicklung. Frankfurt/M., New York, S. 160-168 Bootz, I. (1994): Langzeitarbeitslosigkeit und Potentialerhalt in den neuen Bundesländern. Ansätze und Zielstellungen eines Projektverbundes. QUEM-Bulletin, 5, S. 7-9. Bretzke-Gadatsch, U.; Richter, I.; Voessing, P. (1992): Anpassungsqualifizierung für ältere Arbeitnehmer im kaufmännischen Bereich mit EDVAnwendung. Zwischenbericht. Frankfurt a.M.: Bildungswerk der hessischen Wirtschaft (Weisse Reihe, 34). 96 Brödel, R. (1988): Vorruhestand als Problem der Erwachsenenbildung. Ergebnisse eines forschungsorientierten Projektseminars. In: Erwachsenenbildung an der Freien Universität Berlin, 16/23, S. 108-164 Eine frühe empirische Untersuchung an der Freien Universität Berlin (1984/85), die zur Diskussion stellt, inwiefern Vorruhestand als Problem der Erwachsenenbildung anzusehen ist. Wie Erwachsenenbildung unterstützend tätig werden kann, wird anhand eines 3-Phasen-Modells biographischer Transition herausgearbeitet. Brödel, R. (1994): Weiterbildung von Arbeitslosen. In: Tippelt, R. (Hrsg.): Handbuch Erwachsenenbildung / Weiterbildung. Opladen, S. 580-597 Darstellung der jüngsten Entwicklung der Weiterbildung von Arbeitslosen unter besonderer Berücksichtigung der Situation in den neuen Bundesländern, die eine Veralltäglichung von Arbeitslosigkeit und die damit einhergehenden Auswirkungen auf das genannte Weiterbildungsfeld beschreibt. Brödel, R. (1995): Bildungsnischen im 20. Jahrhundert. In: Erwachsenenbildung am Ende eines Jahrhunderts – Jahrtausends – Worin liegt ihre Zukunft? Magdeburg: Universität, S. 43-57. Brödel, R. (1997): Reflexivität arbeitsmarktorientierter Bildung. In: Nuissl, E.; Schiersmann, C.; Siebert, H. (Hrsg.): Pluralisierung des Lehrens und Lernens, Festschrift für Johannes Weinberg; Klinkhardt: Bad Heilbrunn, S. 133-144 Ausgehend von Johannes Weinbergs These des interkulturellen und dialogischen Verständigungslernens zwischen Ost und West wird durch den Autor konventionelle Arbeitslosenbildung in Ostdeutschland problematisiert und eine reflexive Kooperation von Arbeitsmarktpolitik und Weiterbildung gefordert. Der Autor bezieht sich dabei auf Diskussionserfahrungen bei den „Billerbecker Gesprächen“, die 1995 im Rahmen des QUEMForschungsprogramms des BMBWFT stattfanden. Buchmüller, R. u.a. (1996): Vor dem Ruhestand. Eine psychologische Untersuchung zum Erleben der Zeit vor der Pensionierung. Freiburg Schweiz / Bern, Göttingen, Toronto, Seattle Buttler, F. (1988): Alter und Erwerbstätigkeit: Ältere Arbeitnehmer – Gewinner oder Verlierer des strukturellen Wandels der Arbeitslandschaft. In: IG Metall (Hrsg.): Für eine solidarische Sozialpolitik. Ältere Menschen im Sozialstaat. Köln, S. 42-54 97 Clemens, W. (1992): Arbeit – Leben – Rente. Biographische Erfahrungen von Frauen bei der Deutschen Bundespost. Bielefeld Cleve, B. van (1990): Bildung und Qualifikation von Arbeitslosen. Thema und Aufgabe von Erwachsenenbildung. Frankfurt /M. u.a. (Europäische Hochschulschriften. Reihe XI. Pädagogik 445). Die Veröffentlichung ist konzipiert als „Begleiter und Wegweiser“ für Menschen nach der Berufsaufgabe, die „unterwegs zu neuen Zielen“ sind und „das Beste aus ihrem Ruhestand machen wollen“. Es ist ein „Lese-, Arbeits- und Nachschlagebuch“. In den vorgestellten Einzelbeispielen setzen sich Einzelpersonen und Ehepaare mit Fragen des Ruhestandes auseinander. Im zweiten Teil der Veröffentlichung werden Möglichkeiten und Aktivitäten vorgestellt, die von Vereinigungen, Gruppen und Einrichtungen initiiert und gefördert werden. Unter anderem werden vorgestellt: ZWAR, Aktive Senioren Leipzig e.V., Seniorendienst Stuttgart, der Senior Experten Service, Seniorengenossenschaften und verschiedene andere bundesweit vertretene Dienste und Gruppenaktivitäten. Die Veröffentlichung spricht sowohl Ruheständler/-innen als auch Multiplikatoren/-innen an. Cremer; M.; Schäfer, H. (1994): Unterwegs zu neuen Zielen. Anregungen zu einem aktiven und sinnvollen Leben nach dem Beruf. Stuttgart , 2. Auflage Dettbarn-Reggentin, J.; Reggentin, H. (Hrsg.) (1992): Neue Wege in der Bildung Älterer. 1. Theoretische Grundlagen und Konzepte. Freiburg i.Br. Dettbarn-Reggentin, J.; Reggentin, H. (Hrsg.) (1992): Neue Wege in der Bildung Älterer. 2. Praktische Modelle und Projekte. Freiburg i.Br. Deutsche Evangelische Arbeitsgemeinschaft für Erwachsenenbildung e.V. (DEAE) (1988): Leben nach der Erwerbsarbeit. Arbeitshilfen für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Erwachsenenbildung. Karlsruhe 98 Deutscher Bundestag / Referat Öffentlichkeitsarbeit (Hrsg.) (1994): Zwischenbericht der EnqueteKommission „Demographischer Wandel“ – Herausforderung unserer älter werdenden Gesellschaft an den einzelnen und die Politik. Bonn Deutsches Zentrum für Altersfragen (Hrsg.) (1993): Expertisen zum ersten Altenbericht der Bundesregierung – II. Aspekte der Alterssituation im Osten und Westen der Bundesrepublik. Berlin Dieck, M.; Naegele, R.; Schmidt, R. (1985): „Freigesetzte“ Arbeitnehmer im 6. Lebensjahrzehnt – eine neue Ruhestandsgeneration? (DZA, Bd. 60) Berlin Bericht über eine gleichnamige Tagung im November 1984, die sich mit den Folgen der sich drastisch entwickelnden Verjüngung des Rentenzugangsalters und dem wachsenden Problem der Altersarbeitslosigkeit sowie dem dadurch entstehenden Bedarf an Handlungskonzepten und möglichen Bewältigungsstrategien beschäftigt. Der Tagungsband enthält Beiträge zur Lebenssituation der Zielgruppe, zur Frage der Arbeit jenseits der Erwerbsarbeit, zu Auswirkungen der frühzeitigen Verrentung auf die Familien, zur Freizeitproblematik und zum Freizeitverhalten. Es werden erwachsenenpädagogische Erfahrungen und Konzepte vorgestellt sowie Ansatzpunkte und Perspektiven für Altenarbeit und Erwachsenenbildung entwickelt. Im Klappentext heißt es: „Die Veröffentlichung behandelt als erste in der Bundesrepublik Deutschland die Lebenssituationen, Lebensperspektiven, Betätigungsmöglichkeiten und Probleme dieser bereits heute wichtigen – aber weithin unentdeckten – Zielgruppe gesellschaftspolitischen Handelns, die in der Zukunft auch die Alters- und Alternspolitik intensiver beschäftigen muß.“ Dittrich, C. (1997): Prävention und Selbsthilfeorganisation im Alter. Die Analyse einer gemeinwesenorientierten, lebensweltbezogenen Intervention im häuslichen Wohnkontext älterer Menschen. Frankfurt a.M. u.a. 99 Djafari, N.; Schulz-Boeing, M. (Hrsg.) (1992): Arbeitsmarktpolitik im Umbruch. Neue Wege der Beschäftigung, Qualifizierung und Umschulung von Arbeitslosen. Dokumentation einer Veranstaltungsreihe. Frankfurt a.M.: PAS-DVV (Praxishilfen für zielgruppenorientierte Umschulungen). Dobischat, R.; Peschel, J.; Voigt, J. (1990): Probleme und Perspektiven einer beruflichen Weiterbildung von Langzeitarbeitslosen in der Bundesrepublik Deutschland. Dortmund: Sozialforschungsstelle (sfs). Draeger, H.; Guehnter, U.; Thunemeyer, B. (1997): Autonomie und Infrastruktur. Zur Theorie, Organisation und Praxis differentieller Bildung. Frankfurt a.M. u.a.: Europäische Hochschulschriften, Reihe 11. Pädagogik 727). Drury, Elisabeth (1993): Older Workers in the European Community: Pervasive Discrimination, Little Awareness. Buffeted by a persistant recession and high unemployment, unemployd workers over age 50 in Europe have very little chance of finding new jobs. Is this the wave to the future? In. Ageing International, 3, S. 12-16 Eckhardt, C.; Lange, G. (1990): Sozialpädagogische Arbeit in Umschulungen Eine Einführung in das Arbeitsfeld beruflicher Aus- und Weiterbildung für pädagogische Fachkräfte. Weinheim u.a. Eierdanz, J. (1997): Alte. In Bernhard, A.; Rothermel, L. (Hrsg.): Handbuch Kritische Pädagogik. Weinheim, S. 216-231 Ekerdt, D. (1986): The busy ethic: Moral continuity from work to retirement, In: The Gerontologist 26, S. 239-244 Enders, U. (1993); Unfreiwillig in den vorzeitigen Ruhestand – kann Weiterbildung helfen? Werkstattgespräch im Rahmen der Konzertierten Aktion Weiterbildung im PLIB. Infodienst Weiterbildung in Brandenburg, 2, S. 20-21 Ernst, J. (1993a): Der vorzeitige Ruhestand in Ostdeutschland und einige Aspekte der sozialen Lage der Frührentner in den neuen Ländern, In: Sozialer Fortschritt 42/9, S. 211-217 100 Ernst, J. (1993b): Alterserwerbsarbeit und Frühverrentung in den neuen Bundesländern und einige sozialpolitische Konsequenzen, In: Kühnert, S./Naegele, G. (Hrsg.): Perspektiven moderner Altenpolitik und Altenarbeit, Hannover 1993, S. 27-51 Ernst, J. (1995): Frühverrentung in Ostdeutschland. Ergebnisse einer empirischen Erhebung zu den Bedingungen und sozialen Folgen des vorzeitigen Ruhestandes. Frankfurt am Main u.a. Die Studie – durchgeführt zwischen Frühjahr und Herbst 1993 in Leipzig – untersucht anhand von Lebenslageanalysen und auf über 300 Interviews gestützt, die sozialen, sozioökonomischen und gesundheitlichen Folgen und Bedingungen der Frühverrentung in der ehemaligen DDR. Bei der Fragestellung, wie Ältere selbst ihre Lage einschätzen, zeigt sich eine sehr differenzierte Beurteilung der sozialen Situation durch die Betroffenen. Es ist nie zu spät fürs Lernen. Beruf im Alter. IWD, 15(1989)9, S. 7 Faulstich, P. (1985): „Maßnahmen“ gegen Arbeitslosigkeit – eine Aufgabe der Erwachsenenbildung? In: Schlutz, E. (Hrsg.): Krise der Arbeitsgesellschaft – Zukunft der Weiterbildung. Frankfurt, S. 86-97 Faulstich, P.; Ebner, H.G. (Hrsg.) (1985): Erwachsenenbildung und Arbeitslosigkeit. Zur Praxis eines schwierigen Verhältnisses. München Flemming, U. (1994): Politische Bildung in den neuen Bundesländern. Arbeit mit tendenziellen Randgruppen. Nachrichtendienst. Deutsche Evangelische Arbeitsgemeinschaft für Erwachsenenbildung 3, S. 15-18 Flemming, U.; Prahm, U. (1994): Rand-Bildung. Bildungsarbeit mit Modernisierungsverliererinnen zwischen Sozialpädagogik und Erwachsenenbildung. Hessische Blätter für Volksbildung, 44/4, S. 360-369 Frerichs, R.; Stehr, I. (1990): Wann, wenn nicht jetzt? Ziele und Träume für den Ruhestand. Institut für Freizeitwissenschaft und Kulturarbeit e.V., Bielefeld 101 Frerichs, F.; Naegele, G. (1996): Weiterbildung für ältere Mitarbeiter. Arbeitgeber, 48/21, S. 700-703 In diesem Beitrag werden die Ergebnisse der deutschen Teilstudie (bezogen auf den Themenbereich berufliche Qualifizierung) einer von der EU im April 1994 in Auftrag gegebenen und geförderten Vergleichsstudie zum Thema „Überwindung von Altersbarrieren bei der Einstellung und Qualifizierung von Mitarbeitern“ vorgestellt . Der Beitrag stellt positive Ansätze betrieblicher Initiativen vor und bringt Argumente für die Qualifizierung Älterer. Frerichs, F. (Hrsg.) (1996): Älterer Arbeitnehmer im demographischen Wandel – Qualifizierungsmodelle und Eingliederungsstrategien. Münster ausführlicher Ergebnisbericht der oben genannten Teilstudie Freter, H.-J. (1993): Früh in die Rente – spät in den Ruhestand? – Befunde zur Teilzeitarbeit von Rentnern. In: Braun; Klie; Kohnert; Lüders; Veelken (Hrsg.): Altenhilfe in Deutschland. Probleme – Perspektiven – Postulate in Ost und West. Hamburg, S. 120-129 Friedrich-Ebert-Stiftung. Landesbüro Brandenburg (1993): Für den Arbeitsmarkt zu alt? Forum zur Situation der Menschen in der zweiten Lebenshälfte – Probleme und Ansätze. Potsdam Fritsch, S. (1994): Differentielle Personalpolitik. Eignung zielgruppenspezifischer Weiterbildung für ältere Arbeitnehmer. Wiesbaden: Deutscher Universitätsverlag (Zugl.: Mannheim, Univ., Diss., 1993). Individualisierungstendenzen führen zu einem immer unheitlicheren Mitarbeiterbild innerhalb des Personalmanagements in den Unternehmen, die eine Differenzierung personalpolitischer Maßnahmen erfordern. Differentielle Personalpolitik orientiert sich an den besonderen Bedürfnissen und betrieblichen Leistungsbedingungen unterschiedlicher Mitarbeitergruppen. Im ersten Teil der Arbeit werden geeignete Wege betrieblicher Personalarbeit unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten und anhand arbeitsrechtlicher Normen differenziert; der zweite Teil wendet das Konzept diff. Personalpolitik auf betriebliche Bildungsarbeit mit der Gruppe der älteren Mitarbeiter an. 102 Füllgraff, B. (1985): Altenbildung. In : Raapke, H.D.; Schulenberg, W. (Hrsg.): Handbuch der Erwachsenenbildung, Bd. 7: Didaktik der Erwachsenenbildung. Stuttgart u.a., S. 260-276 Fürstenberg, F. (1990): Bildungsprobleme der „jungen Alten“. In: Geisler, E:E. (Hrsg.): Bildung für das Alter – Bildung im Alter. Bonn, S. 41-49 Gehrmann, G. (1994): „55 Aufwärts in Brandenburg“. In: EURAG-Information, 7/ 6-7 Glücklich, F.; Boutez, G. (1990): Integrationsorientierte Arbeitsmarktpolitik. Plädoyer für ein Konzept der Vernetzung arbeitsmarktpolitischer Instrumente. In: Meisel, K. u.a.: Bildungsarbeit mit Langzeitarbeitslosen. Frankfurt a.M.: PAS-DVV, S. 35-44 Golz, L. (1997): Neues Selbstverständnis eines Bildungs- und Beratungsunternehmens im regionalen Netzwerk. In: Arbeitsgemeinschaft QUEM (Hrsg.): Veränderte Anforderungen an berufliche Weiterbildungseinrichtungen in Transformationsprozessen. Berlin: AG QUEM, S. 169-197. Hartge, T. (1994): Alter – (k)ein Thema für die Weiterbildung? Wirtschaft und Weiterbildung, 7/6, S. 26-32. Stellungnahme von Personalchefs Haupt, B. (1989): Bildungsarbeit mit älteren langfristig Arbeitslosen. Ein identitätsorientierter Ansatz. Arbeitshilfen für die Erwachsenenbildung. Ausgabe M, 23, S. 101-120 Ein Pilotprojekt zur Weiterbildung von älteren längerfristig Arbeitslosen der PAE unter dem Titel „Information, Beratung und Begegnung“ wird in diesem Beitrag vorgestellt. Die Bildungsziele wurden zum einen im Bereich Information/Wissen als auch im Bereich Selbstbild/Identität gesetzt. Der Beitrag beschreibt ausführlich Methodik, Didaktik, Programm, Ablauf und Ergebnisse der Veranstaltung. Hirschmann, W. (1997): Beruf und Lebenssinn. Berufspädagogische Handlungsempfehlungen und praktische Lösungsmodelle angesichts existentieller Probleme im Arbeitsleben. Frankfurt a.M. u.a. Holler, A.; Heimgartner, A.; Knauder, C. (1995): Barrieren der Weiterbildung älterer Arbeitnehmer/-innen. Studie mit Literaturteil und Forschungsbericht. Graz: Institut für Erziehungswissenschaften 103 Husmann, G.; Weiher, K. (1995): Analyse von Weiterbildungsangeboten für arbeitslose, langzeitarbeitslose Frauen. Auswertung der Arbeitspläne von Volkshochschulen. Frankfurt a.M.: Deutsches Institut für Erwachsenenbildung. Der Beitrag ist ein wichtiges bildungspolitisches Dokument, das Praktiken im inner- wie außerbetrieblichen Altersmanagement dokumentiert und analysiert, die die Beschäftigungschancen und Arbeitsbedingungen für ältere Arbeitnehmer verbessern sollen. In ältere Arbeitnehmer investieren. Bulletin der Stiftung. Europäische Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen. Nummer 53 (1997), S. 1 und 4 Jacobs, K. Schmähl, W.: Der Übergang in den Ruhestand, Entwicklungen, öffentliche Diskussion und Möglichkeiten seiner Umgestaltung. In: Mitteilungen aus der Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesanstalt für Arbeit, 21(1988)2, S. 194-205 Jeremias, E.-M. (1995): Weiterbildung für Vorruheständlerinnen und Vorruheständler in den neuen Bundesländern. Ein Projekt der DEAE. Nachrichtendienst. Deutsche Evangelische Arbeitsgemeinschaft für Erwachsenenbildung, 4, S.30-33. Kade, J. (1992): Erwachsenenbildung und Identität. Eine empirische Studie zur Aneignung von Bildungsangeboten. Weinheim (2. Auflage) Kade, J. (1997): Von der Bildungsinstitution zur Infrastruktur subjektiver Lebensführung – Teilnehmer- und aneignungstheoretische Sichten der Erwachsenenbildung. In: Brödel, R. (Hrsg.): Erwachsenenbildung in der Moderne. Opladen, S. 300-316 Kade, J.; Seitter, W. (1996): Lebenslanges Lernen. Mögliche Bildungswelten. Opladen Kade, S. (1994b): Altersbildung. 2 Bände. Deutsches Institut für Erwachsenenbildung, Frankfurt/M. Kade, S. (1997a): Älterwerden lernen – eine Bildungsaufgabe in der alternden Gesellschaft. 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(1993): Zur Regulierung des Übergangs in den Ruhestand in Deutschland, Frankreich, den Niederlanden und Österreich, In: Deutsches Zentrum für Altersfragen (Hrsg.): Expertisen zum ersten Altenbericht der Bundesregierung – III. Aspekte der Lebensbedingungen ausgewählter Bevölkerungsgruppen. Berlin, S. 155-280 Kieselbach, T.; Klink, F. (Hrsg.) (1991): Arbeitslosigkeit und soziale Gerechtigkeit. Werden Langzeitarbeitslose vergessen? Bremen: Angestelltenkammer Kieselbach, T.; Wacker, A. (Hrsg.) (1991): Bewältigung von Arbeitslosigkeit im sozialen Kontext. Programme, Initiativen, Evaluationen. Weinheim: Deutscher Studien Verl. (Psychologie sozialer Ungleichheit. 2). Der in der Reihe Psychologie sozialer Ungleichheit erschienene Sammelband enthält Beiträge aus europäischer Perspektive zu folgenden Themenbereichen: Beschäftigungspolitk und -programme, Beschäftigungsprojekte mit speziellen Arbeitslosengruppen, Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen, Beratung von Arbeitslosen – Konzepte, Wissenstransfer und Praxiserfahrungen. Im Dokumentationsanhang sind Dokumente aus der EG, politische Stellungnahmen aus der BRD, kirchliche Stellungnahmen und Dokumente gewerkschaftsnaher und kommunaler Erfahrungen und Ansätze enthalten. 105 Klaehn, M.; Dinter, I. (1994): Umschulung von Langzeitarbeitslosen. Ergebnisse einer Modellversuchsreihe. Bundesinstitut für Berufsbildung (Berlin, Bonn) (Hrsg.); Bielefeld: W. Bertelsmann, (Modellversuche zur beruflichen Bildung. 34). Klehm, W. R. (1985): Industriearbeiter zwischen Arbeit und Ruhestand – Strukturmomente des Projektes „ZWAR“. In: Kühlmann, M.; Pohlhausen, R.; Veelken, L. (Hrsg.): Seniorenstudium – eine neue Aufgabe der Hochschulen. Dortmund Klehm, W. R. ; Schünemann-Flake, U. (1989): Das Projekt „Zwischen Arbeit und Ruhestand (ZWAR)“ – eine Antwort auf psychosoziale Folgeprobleme des (Vor-)Ruhestandes. In: Knopf, D.; Schäffter, O.; Schmidt, R. (Hrsg.): Produktivität des Alters. Berlin (Deutsches Zentrum für Altersfragen), S. 60-77 Die Thyssen Edelstahlwerke führten in Kooperation mit dem Arbeitsamt Dortmund einen Einzelversuch „zur beruflichen Qualifizierung von Erwachsenen, die keine abgeschlossene Berufsausbildung haben und ein besonderes Arbeitsmarktrisiko tragen“ durch, der von der Universität Essen wissenschaftlich begleitet wurde. Der Beitrag entwickelt ausgehend von den Ergebnissen dieses Versuchs Empfehlungen für ein Rahmenmodell für Regelmaßnahmen. Klein, R.; Nieke, W.; Jende, R. (1988): Berufliche Qualifizierung von längerfristig arbeitslosen Erwachsenen. Empfehlungen zu einem Rahmenmodell für Regelmaßnahmen. Berufsbildung in Wissenschaft und Praxis, 17/4, S. 129-131. Klein, R.; Nieke, W.; Peters, S. (1987): Teilnehmergewinnung: Ergebnisse aus dem Modellversuch „Berufliche Qualifizierung von längerfristig Arbeitslosen in Metallberufen“. Berlin, West: Bundesinstitut für Berufsbildung (Modellversuchsreihe zur beruflichen Qualifizierung von Erwachsenen, die keine abgeschlossene Berufsausbildung haben und besonderes Arbeitsmarktrisiko tragen. 3; Modellversuch Lambda. Werkstattbericht 1). Klose, H.-U.: (Hg.) (1993): Altern der Gesellschaft. Antworten auf den demographischen Wandel. Köln 106 Knöchel, W.; Trier, M. (1995): Arbeitslosigkeit und Qualifikationsentwicklung. Perspektiven der beruflichen Weiterbildung in einer Gesellschaft im Übergang. Münster u.a.: edition QUEM. Studien zur beruflichen Weiterbildung im Transformationsprozess 5 Wolfram Knöchel und Matthias Trier legen dar, daß Langzeitarbeitslosigkeit den Verlust von Qualifikationen, von Wissen und Können für den Einzelnen nach sich zieht. Zum Erhalt des Wirtschaftsstandortes Deutschland seien Qualifikationen jedoch unerläßlich. Sie beschreiben die Arbeitsmarktsituation in Ostdeutschland und sind der Ansicht, daß berufliche Tätigkeit qualifikatorisches Potential erhalte, wobei spezifische Sozialisationserfahrungen berücksichtigt werden müßten. Die Autoren diskutieren die Konsequenzen für den Erhalt qualifikatorischen Potentials. Knopf, D. (1982): Bildung zur Vorbereitung auf das Alter und Altenbildung. In: Arbeitsgruppe Fachbericht über Probleme des Alterns: Altwerden in der Bundesrepublik Deutschland. Bd. II., Berlin (DZA), S. 495 - 538 Knopf, D. (1984): Psychosoziale Funktionen der Erwachsenenbildung. In: Schmitz, E.; Tietgens, H. (Hrsg.): Erwachsenenbildung. 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In: Landesinstitut für Schule und Weiterbildung (Hrsg.): Sinnerfülltes Leben im Alter. Beiträge der Erwachsenenbildung. Soest, S. 102 - 106 Knopf, D. (1994): Die soziale Relevanz des Alters Fiktion oder reale Utopie? (unveröffentlichtes Vortragsmanuskript), Potsdam Knopf, D. (1995a): Erwachsenenbildung für einen aktiven Vorruhestand – Beobachtungen und Überlegungen eines Sympathisanten zum Stand des KBE-Projekts. In: Nacke, B.0; Grossmann, D.; Toonen, R. (Hrsg.): Bildungsinitiative für eine ungewöhnliche Zielgruppe. Materialien zum Projekt „Aktiver Vorruhestand“. Gesamtbericht und Perspektive. Würzburg: EB Buch, S. 179-186 (in gekürzter Fassung bereits erschienen in EB, 3/1995) Knopf, D. (1995b): Vorruhestand und Weiterbildung. Anmerkungen aus sozialwissenschaftlicher Perspektive. In: Katholische Bundesarbeitsgemeinschaft für Erwachsenenbildung (Hrsg.): Vorruhestand und Weiterbildung. Deutsch-Niederländische Erfahrungen. Dokumentation der Deutsch-Niederländischen Fachtagungen vom Juni 1994 und Februar 1995. Würzburg, S. 8 - 14 Knopf, D. (1996a): Aktivierung von Vorruheständler(inne)n durch Bildungsprojekte – vergleichende Überlegungen. In: Nacke, B.; Grossmann, D.; Toonen, R. (Hrsg.): Bildungsinitiative für eine ungewöhnliche Zielgruppe. Materialien zum Projekt ‚Aktiver Vorruhestand". Gesamtbericht und Perspektive. Bonn: EB Buch, S. 132-140 Knopf, D. (1996b): Pioniere wider Willen – Projektarbeit mit Vorruheständler(inne)n in den neuen Bundesländern. In: Schweppe, C. (Hrsg.): Soziale Altenarbeit – Pädagogische Arbeitsansätze und die Gestaltung von Lebensentwürfen im Alter. Weinheim/München, S. 207-228 Folgende Projekte in den neuen Bundesländern werden in diesem Beitrag vorgestellt: Jahresringe e.V. – Verband für Vorruhestand und aktives Alter, Akademie 2. Lebenshälfte, Selbsthilfe im Vorruhestand, Handwerkerdienst im Haus der Begegnung in Berlin Köpenick. 108 Knopf, D. (1997): Früh beginnen – Chancen für ein produktives Altern. Studienbrief 12 des Funkkolleg Altern. Wissenschaftliche Leitung: Naegele, G.; Niederfranke, A. (Hrsg.): Westdeutscher Rundfunk Köln; Deutsches Institut für Fernstudienforschung an der Universität Tübingen. Tübingen Knopf, D., Schmidt, R. (1987): Erfahrungswissen älterer Menschen in der High-Tech-Gesellschaft. In: Blätter der Wohlfahrtspflege 1, S. 7 - 10 Knopf, D.; Möller D.; Schmidt, M. (1978): Alltagsorientierung in der Bildungsarbeit mit Erwachsenen. Bensheim Knopf, D.; Schäffter, O.; Schmidt, R. (Hrsg.) (1989): Produktivität des Alters. Berlin (DZA) Knopf, D.; Schmidt, R. (1992): Lernen im Projektkontext. Über die Bildsamkeit der „Ruhestandsgestaltung". In: J. Dettbarn-Reggentin, H. Reggentin (Hrsg.): Neue Wege in der Bildung Älterer. Freiburg, S. 185 - 198 Knopf, W.; Sturm, M. (1992): Bildungsarbeit mit Erwerbslosen. Pädagogische Standards der Organisation und Durchführung von Bildungsveranstaltungen. Wien: Bundesministerium für Arbeit und Soziales (Forschungsberichte aus Sozial- und Arbeitsmarktpolitik 46). Koch, P.-H. (1989): Langzeitarbeitslose als Adressatenkreis beruflicher Bildungsarbeit der Niedersächsischen Volkshochschule e.V. Standortbestimmung, Finanzrahmen, Planungen. VHSKurs- und Lehrgangsdienst, 29, S. 63-66 Koderisch, A. (1993): Werkstattbericht „Vorruhestand". Nachrichtendienst. Deutsche Evangelische Arbeitsgemeinschaft für Erwachsenenbildung, 3, S. 34-38 Koeditz, V. (1990): Ein Synthesebericht zu den Angeboten für Arbeitslose und insbesondere Langzeitarbeitslose in Dänemark, der Bundesrepublik Deutschland, Frankreich, Italien, den Niederlanden, Portugal, Spanien und dem Vereinigten Königreich. Hg. Vom Europäischen Zentrum für die Förderung der Berufsbildung; Berlin: CEDEFOP (CEDEFOP Dokument). 109 Koellner, I.–M. (1996): Leben und Lernen. Bildung in der nachberuflichen Lebensphase. Nachrichtendienst. Deutsche Evangelische Arbeitsgemeinschaft für Erwachsenenbildung, 3-4, S. 35-37 Kohli, M. u.a. (1988): Leben im Vorruhestand. Forschungsbericht des Instituts für Soziologie für die Hans-Böckler-Stiftung. Berlin Kohli, M.; Freter, H.-J.; Langehennig, M.; Roth, S.; Simoneit, G.; Tregel, S. (1993): Engagement im Ruhestand. Rentner zwischen Erwerb, Ehrenamt und Hobby. Opladen Kohli, M.; Wolf, J. (1987): Altersgrenzen im Schnittpunkt von betrieblichen Interessen und individueller Lebensplanung. Soziale Welt 38/1, S. 92-109 Kondratowitz, H.-J. v. (1985): Jenseits der Erwerbszentrierung? Probleme der soziologischen und sozialpolitischen Standortbestimmung von Projekten nachberuflicher Arbeit. In: Dieck, M.; Naegele, M.; Schmidt, R. (Hrsg.): Freigesetzte Arbeitnehmer im 6. Lebensjahrzehnt – eine neue Ruhestandsgeneration? Berlin (Deutsches Zentrum für Altersfragen), S. 270-288 Kondratowitz, H.-J. v. (1994): Die zukünftige Dominanz prekärer „Normalitäten“. Zur gesellschaftlichen Gestaltbarkeit von Lebens- und Altersverläufen. In: Kondartowitz, H.-J. v. (Hrsg.): Die gesellschaftliche Gestaltbarkeit von Altersverläufen. Berlin, S. 1-15 Die Veranstaltung, deren Beiträge und Ergebnisse hier veröffentlicht werden, widmete sich den Folgen des vorzeitigen Ruhestandes für die Betroffenen in den neuen Bundesländern und der Frage, ob und wie Weiterbildung in dieser Situation des Strukturwandels helfen kann. Der Tagungsband enthält Beschreibungen verschiedener Projekte und Initiativen, die Ergebnisse der Arbeitsgruppen und einen Beitrag von O. Schäffter zur Zielgruppenentwicklung. Konzertierte Aktion Weiterbildung (Hrsg.) (1994): Unfreiwillig in den vorzeitigen Ruhestand – kann Weiterbildung helfen? Werkstattgespräch mit Betroffenen und Projektträgern am 9. und 10. Juni 1993 in Ludwigsfelde. Bonn: BMBW. 110 Konzertierte Aktion Weiterbildung (Hrsg.) (1996): Bewältigung des vorzeitigen Ruhestandes. Anforderungen an Rahmenbedingungen, Konzepte und Multiplikatoren in der Weiterbildung. 2. Werkstattgespräch vom 27. bis 28. Juni 1995 im Pädagogischen Landesinstitut Brandenburg in Ludwigsfelde. Bonn: BMBF. Krömmelbein, S.; Schmid, A.; Weinbörner, A. (1995): Integrative Ansätze von Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik. Eine Untersuchung der Arbeit mit Arbeitslosen der Evangelischen Kirche im Rheinland. Soziale Arbeit, 2/95, S. 50-57 Krömmelbein, S.; Weinbörner, A. (1997): Arbeitsmarktpolitische Maßnahmen und Supervision. Soziale Arbeit, 3/97, S. 74-79 Kruse, A. (1994): Bildung im höheren Lebensalter. Ein aufgaben-, kompetenz- und motivationsorientierter Ansatz. In: Tippelt, R. (Hrsg.): Handbuch Erwachsenenbildung / Weiterbildung. Opladen, S. 527-533 Die Erörterung des Themas wird auf dem Hintergrund von drei Fragestellungen bzw. Problemkreisen vorgenommen: Wert der Bildung für ältere Menschen, Bildungsfähigkeit im Alter, Bildungsmotivation älterer Menschen. Kruse, A. (1997): Bildung und Bildungsmotivation im Erwachsenenalter. In: Weinert, Franz u.a. (Hrsg.): Psychologie der Erwachsenenbildung. Göttingen u.a.: Hogrefe, S. 115-178 Kuhlmey, A. (1994): Die Zeit danach – freiwilliges Engagement und Frühverrentung. In: Fooken, I. (Hrsg.) (1994): Alter(n) – Umbruch und Kontinuität: Akzentsetzungen von Wissenschaftlerinnen. Kuhlmey, A.; Bansemir, G. (1992): „Sei froh, daß Du Dich abgesetzt hast.“ – Probleme des Vorruhestands im Osten Deutschlands. In: KurzScherf, I.; Mezger, E.; Winkler, G. (Hrsg.): Sozialunion in Deutschland. Düsseldorf, S. 131-136 Kühn, G.; Breuer, K.-D. R.; Schäuble, I. (1988): Das soziale Umfeld bei Langzeitarbeitslosen als Einflußfaktor in der Umschulung. Berufsbildung in Wissenschaft und Praxis, 17/4, S. 107-111. Kühn, G.; Markert, W. (1988): Berufliche Weiterbildung von Langzeitarbeitslosen. Zwischen-Ergebnisse aus einem Forschungsprojekt beim Bundesinstitut für Berufsbildung. 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Heidelberg Der Beitrag stellt Modellversuche in zwei Großbetrieben und mehreren Mittel- und Kleinbetrieben zur „Nachqualifizierung“ von Langzeitarbeitslosen vor. Diese Modellprojekte wurden innerhalb der 1986 von der Bundesregierung und der Bundesanstalt für Arbeit proklamierten „Qualifizierungsoffensive“ durchgeführt. Das Ziel war in verstärktem Maße Betriebe als Träger von beruflichen Weiterbildungsmaßnahmen zu gewinnen. Eine Auswertung von Befragungen von Betrieben und Weiterbildungswerken der Wirtschaft sowie die ersten Modellversuchsergebnisse sollen aufzeigen, welche Schwierigkeiten Betriebe bei der Beteiligung an Maßnahmen für Langzeitarbeitslose haben. Markert, W. (1988a): Berufliche Bildung von Langzeitarbeitslosen im betrieblichen Rahmen. Konzeptionelle und didaktische Ansätze. Berufsbildung in Wissenschaft und Praxis, 17/4, S. 115-118. Markert, W. (1988b): Berufliche Weiterbildung zwischen Benachteiligungsprogramm und betrieblichem Qualifikationsbedarf. 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Anhand von gewählten Beispielen beschreibt er die bisher entwickelte Angebotspalette und fordert selbstkritisch zu überdenken, daß Langzeitarbeitslosigkeit nicht allein ein Problem der Qualifizierung ist und Erwachsenenbildung nur einen Beitrag zu ihrer Lösung leisten kann. Meisel, K. u.a. (1990): Bildungsarbeit mit Langzeitarbeitslosen. Frankfurt a.M.: PAS-DVV Meixner, H.-E. (1989): Perspektiven der beruflichen Weiterbildung und die älteren Mitarbeiter im öffentlichen Dienst. Verwaltung und Fortbildung, 16/1, S. 3-22 Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes NW (Hrsg.) (1989): Ältere Menschen in Nordrhein-Westfalen. Gutachten zur Lage der älteren Menschen und zur Altenpolitik. Düsseldorf Ministerium für Arbeit, Gesundheit, Familie und Sozialordnung des Landes Baden-Württemberg (Hrsg.) (1992): Vorbereitung auf Alter und Ruhestand. Ein Leitfaden für die Durchführung von Veranstaltungen. (Politik für die ältere Generation, Bd. 2) Stuttgart: Eigenverlag Das „Kieler Integrative Modul-System“, eine Weiterbildungskonzeption für Langzeitarbeitslose und Schwervermittelbare, mit dem Ziel der arbeitsmarktbezogenen Qualifizierung und beruflichen Wiedereingliederung wird in diesem Beitrag vorgestellt. Der beruflichen Qualifizierung geht eine Motivations- und Orientierungsphase voraus; während der Bildungsmaßnahme erfolgt psychosoziale Einzelbetreuung und Gruppenarbeit. Möller, M.; Lehmann, F. (1990): Das KIMOSProjekt. Eine arbeitsmarktbezogene Weiterbildungskonzeption zur Wiedereingliederung von Langzeitarbeitslosen und schwervermittelbaren Arbeitlosen. Gewerkschaftliche Bildungspolitik, 10, S. 229-233 Müller, M. (1992): Aspekte der Weiterbildung älterer Arbeitnehmer. Frankfurt a.M.: Bildungswerk der hessischen Wirtschaft. Müller, W. C. (1990): Erfahrungswissen älterer Menschen nutzen, In: Soziale Arbeit 39/6, S. 225-228 114 Münchmeier, A. (1996): Mut zur Unsicherheit. 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Sie kommt zu der Schlußfolgerung, daß „kein Grund dafür besteht, anzunehmen, daß sich das gesellschaftliche Problem Frühverrentung in den nächsten Jahren selbst lösen werde“ und konstatiert ein erhebliches Informationsdefizit und einen deutlichen Nachholbedarf im organisierten Hilfebereich. 115 Naegele, G. (1992): Bildungs- und Freizeitmodelle für Frührentner. In: Karl, F. ; Tokarski, W. (Hrsg.): Bildung und Freizeit im Alter. Bern u.a., S. 139-154 Naegele, G. (1994): Frühverrentete zwischen „neuen Alten“ (West) und „neuen Armen“ (Ost)? Überlegungen zu gerontologischen Distinktionskriterien. In: Kondartowitz, H.-J. v. (Hrsg.): Die gesellschaftliche Gestaltbarkeit von Altersverläufen. Berlin, S. 43-52 Naegele, G. (Hrsg.) (1987): Maßnahmen zur Bewältigung der Frühverrentung. 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In: Bund für die ältere Generation Europas (1994): Das neue Europa – alte Grenzen fallen, neue Grenzen entstehen – Auswirkungen auf das Leben der älteren Menschen. (EURAG-Schriftenreihe), 79/80, S. 13-19 Sachverständigenkommission (o.J.): Bericht der Sachverständigenkommission zur Erstellung des Ersten Altenberichts der Bundesregierung. o.O. Schäuble, G. (1995): Sozialisation und Bildung der jungen Alten vor und nach der Berufsaufgabe. Stuttgart In der Einführung des Autors zu der Veröffentlichung heißt es: „Gegenstand der Arbeit ist die Sozialisation und Bildung der sogenannten 'jungen' Alten vor und nach dem Übergang in das nachberufliche Leben. Dementsprechend werden Zusammenhänge, Wechselwirkungen und Prozesse zwischen Alter(n) – Sozialisation – Bildung entfaltet.“ Der Autor stellt universalistisch angelegte Sozialisierungskonzepte in Frage und analysiert die Sozialisation der 'jungen' Alten aus der Sicht verschiedener Autoren und aus Sicht der Betroffenen. Sowohl makrosoziologische Aspekte als auch mikroanalytische Fragestellungen werden bearbeitet. Schäuble legt Wert darauf, das Thema in seiner Vielfalt, Komplexität und Multidisziplinarität und seinen Möglichkeitsräumen von gesellschaftlichen bis zu individuellen Perspektiven zu bearbeiten. Der Autor entwirft einen „Generationenteppich“ der 'jungen' Alten. In die Darstellung fließen Ergebnisse einer Befragung (1990/91) in Bremen ein. 119 Scheib, H.; Halfar, B. (1996): Engagiertes Leben im Vorruhestand. Endbericht des Bundesmodellprojektes „Treffpunkt Engagiertes Leben“ – ein Projekt für Menschen im Vorruhestand. Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik; hrsg. vom BMFSFJ. Bonn In Trägerschaft des Institutes für Sozialarbeit und Sozialpädagogik in Frankfurt a.M. wurden in den Städten Brandenburg/Havel und Halberstadt Treffpunkte als Begegnungsstätten, Anlauf-, Informations- und Beratungsstellen für Menschen im Vorruhestand aufgebaut. Die Laufzeit des Modellprojektes des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend erstreckte sich von September 1992 bis Dezember 1995. In der Einteilung heißt es: „Der Bericht dokumentiert in komplexer Form die vielfältigen Anstrengungen von Menschen im Vorruhestand, sozialpolitisch Engagierten vor Ort, von lokalen und regionalen Institutionen, von Projektmitarbeitern und-trägern, die Treffpunkte zu dem zu machen, was sie heute sind: nämlich die Hauptanlaufstelle für die Menschen ab 50 Jahren in Brandenburg/Havel und in Halberstadt ... Der Bericht verschweigt zugleich nicht die Schwierigkeiten und Probleme während der Modellaufzeit ... Im Ergebnis verdeutlicht der Bericht, daß zukünftig der Situation der unfreiwillig aus dem Erwerbsleben ausgeschiedenen Menschen nicht mehr mit den herkömmlichen Angeboten der Alten-/Sozialhilfe begegnet werden kann.“ Schlutz, E. (1985): Kultur ohne Arbeit? – Notwendigkeit und Ambivalenz kultur- und freizeitorientierter Bildung, In: Schlutz, E. (Hrsg.): Krise der Arbeitsgesellschaft – Zukunft der Weiterbildung. Frankfurt am Main, Berlin, München, S. 212-227 Schmid, A. (Mitarb.) u.a. (1992): Neue Wege der Arbeitsmarktpolitik für Langzeitarbeitslose. Sonderprogramm und Modellvorhaben. Mitteilungen aus der Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, 25/3, S. 323-332 120 Schmidt, R. (1985): Rentnerarbeit im frühen Ruhestand. Begründungsaspekte, Systematik und Darstellung von Projekten, die Arbeit jenseits der Erwerbsarbeit organisieren. In: Dieck, M.; Naegele, H.; Schmidt, R. (Hrsg.): „Freigesetzte“ Arbeitnehmer im 6. Lebensjahrzehnt – eine neue Ruhestandsgeneration? Berlin (DZA), S. 213-269 Schmidt, R. (1986): Das Erfahrungswissen Älterer gewinnen und nutzen. Vorschläge zur Umsetzung eines Programms. In: Fuchs, M.; Institut für Bildung und Kultur (Hrsg.): Materialien zur Fachtagung „Seniorenkulturarbeit“. Remscheid, S. 98-124 Schmidt, R. (1989): Die Wiedereinbindung des Alters. Kontexte, Selektionen, Widerborstigkeiten. Über aktuelle Versuche, gesellschaftliche Funktionen des Alters neu zu erfassen, In: Knopf, D.; Schäffter, O.; Schmidt, R. (Hrsg.): Produktivität des Alters. Berlin (Deutsches Zentrum für Altersfragen), S. 1-17 Schmidt, R. (1994): Altern zwischen Individualisierung und Abhängigkeit. In: Kade, S. (Hrsg.): Individualisierung und Älterwerden. Bad Heilbrunn, S. 59-71 Schmidt, R.; Zeman, P. (1988): Die Alterskultur der Altenhilfe: Rückzugsnische, Aktivprogramm, neues Alter? In: Göckenjahn, G.; Kondratowitz, H. J. v. (Hrsg.): Alter und Alltag, Frankfurt a.M., S. 270-295 Schulz, R. K. (1991): Sozialpädagogisch flankierte Arbeitsangebote für Langzeitarbeitslose oder: Die Wendung zum Subjekt. Über Tendenzen in der Langzeitarbeitslosigkeit. Sozialmagazin, 16/7-8, S.40-47 Rudolf K. Schulz erörtert die sozialpädagogisch flankierte Reintegration von Langzeitarbeitslosen und Personen mit besonderen sozialen Schwierigkeiten. Für diese Personengruppen ist es erforderlich, sozialpolitisch gestützte Ersatzarbeitsverhältnisse herzustellen, nicht allein eine Erwerbsarbeit bereitzustellen. Schulz erörtert die Akzeptanz solcher Arbeitsverhältnisse durch relevante arbeitsmarktpolitische Akteure. Schweigel, K.; Segert, A.; Zierke, I. (1992): Leben im Umbruch. Erste Ergebnisse einer regionalspezifischen Milieuerkundung. Aus Politik und Zeitgeschichte, B 29-30, 10.7.92, S. 55-61 121 Schwerpunkt Langzeitarbeitslosigkeit. WSI-Mitteilungen, 48(1995)12, S. 741-800 u.a. mit folgenden Beiträgen: Kress/Brinkmann/Wiedemann: Entwicklung und Struktur der Langzeitarbeitslosigkeit Wagner: Langzeitarbeitslosigkeit: Vielfalt der Formen und differenzierte soziale Lage. Bäcker/Naegele: Ältere Arbeitnehmer zwischen Langzeitarbeitslosigkeit und Frühverrentung Scharf/Kieselbach/Klink/Schulz: Wege in die Wiederbeschäftigung – Empirische Ergebnisse über eine Reintegrationsmaßnahme für Langzeitarbeitslose Gaß/Krömmelbein/Schmid: Internationale Maßnahmen zur Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit Das Bundesinstitut für Berufsbildung fordert und fördert die Auseinandersetzung mit dem Thema „Altwerden im Unternehmen“. Diese Ausgabe der Zeitschrift „Trojaner – Forum für Lernen“ enthält Beiträge von Bildungsexperten/-innen, Wissenschaftler/-innen und betrieblichen Vertretern/innen zu Modellprojekten, Qualifizierungskonzepten, Kritik von Vorruhestandsregelungen, computergestützem Lernen und anderem. Schwerpunkt: Alt werden im Unternehmen. Trojaner, 3(1995)7(3), S. 4-37 Schwitzer, K.-P. (1993a): Alte Menschen in den neuen Bundesländern. Das andere deutsche Alter. In: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 44/93, Oktober 1993, S. 39-47 Schwitzer, K.-P. (1993b): Theorie und Praxis des Alters und Alterns in Ostdeutschland. In: Naegele, G.; Tews, H. P. (Hrsg.): Lebenslagen im Strukturwandel des Alters. Opladen, S. 273-285 Seiverth, A.; Köllner, I.-M. (Hrsg.) (1997): Leben und Lernen im Transformationsprozeß der Arbeitsgesellschaft. (entwürfe – Themen der evangelischen Erwachsenenbildung); hrsg. von der Deutschen Evangelischen Arbeitsgemeinschaft für Erwachsenenbildung. Karlsruhe 122 Senioren-Union der CDU (Hrsg.) (1992): Nachberufliche Tätigkeitsfelder. Eine Dokumentation. Schriftenreihe der Senioren-Union der CDU, Bonn Severing, E. (1993): Es fehlen Weiterbildungsangebote für ältere Arbeitnehmer aus der Industrie. Berufsbildung für Wissenschaft und Praxis, 22/4, S. 18-22 Staiger, H. (1989): Lernbedingungen und Lernprobleme älterer Arbeitloser in der beruflichen Weiterbildung. Regensburg Staschen, H. (1991): Gutachten zur berufsbezogenen Weiterbildung für Menschen in der zweiten Hälfte des Berufslebens. Kurzfassung. 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Dauerarbeitslosen.“ (S.1) Auf der Grundlage von Länderberichten, die 1990 erstellt wurden, erarbeitete eine Forschungsgruppe des Instituts für berufliche Bildung, Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik Empfehlungen und Schlußfolgerungen für die Akteure der Berufsbildungs- , Weiterbildungs-, Sozial- und Arbeitsmarktpolitik. Das Heft gibt eine Zusammenfassung der Ergebnisse dieser Studie wieder. Werling, Heinrich (1992): Perspektiven und Probleme der Bildung im 3. Lebensalter in den neuen Bundesländern. In: Braun, H. et al. (Hrsg.): Vernetzung der Altenarbeit und Altenpolitik; Probleme und Perspektiven in der neuen Bundesrepublik. Beiträge der Fachtagung 26. bis 28. September 1991 in der Universität Dortmund. (KDA-Schriftenreihe „FORUM“, Bd. 17) Köln: Kuratorium Deutsche Altershilfe, S. 123-125 Wetzel, P. (o.J.): Vorruhestand der Chemieregion. Ein Verein und seine Projekte (Zwischenbericht). Merseburg Winkler, G. (1994): Das andere deutsche Alter. Lebenslagen und Lebensweisen älterer Menschen in den neuen Bundesländern. In: Verheugen, G. (Hrsg.): 60 plus. Die wachsende Macht der Älteren. Köln, S. 75-88 Wolf, J. (1988): Langeweile und immer Termine. Zeitperspektiven beim Übergang in den Ruhestand, In: Göckenjan, G.; v. Kondratowitz, H.-J. (Hrsg.): Alter und Alltag. Frankfurt a.M., S. 200-218 Wolf, J. (1989): Die Veränderungen der Altersgrenzen. Betriebliche Interessen und biographische Perspektiven. Sozialer Fortschritt, 38(1989)4, S. 96-100 Wolf, J. (1991): Die Vergesellschaftungslücke. Der Vorruhestand in den neuen Bundesländern. In: Zeitschrift für Sozialreform 37(1991)11/12, S. 723-735 125 Wolf, J. (1992): Ältere Arbeitnehmer und der Übergang in den Ruhestand. In: Schütz, R.-M.; Kuhlmey, A.; Tews, H. P. (Hrsg.) (1992): Altern in Deutschland. Berlin, S. 137-143 Die „Entberuflichung“ gilt als ein Kernprozeß des Strukturwandels des Alters, die sich verallgemeinert und lebenszeitlich ausgedehnt hat. In den neuen Bundesländern wurde durch die Arbeitsmarktkrise ein Entberuflichungsniveau erreicht, das jenes der alten Bundesländer bei weitem übertrifft. Diese Situation bezeichnet der Autor als „Kontrastfall“ zu den Erfahrungen in der alten Bundesrepublik. Er beschreibt die Entberuflichung West als Normalisierung des frühen Ruhestandes, die Entberuflichung Ost als Sprung in den frühen Ruhestand und konstatiert eine drohende „Veröstlichung“ der Entberuflichung. Wolf, J. (1994): Die „soziale Logik“ von Entberuflichungsstrategien im Vergleich der alten und neuen Bundesländer. In: Kondratowitz, H.-J. (Hrsg.): Die gesellschaftliche Gestaltbarkeit von Altersverläufen. Berlin, S. 19-41 Wolf, J.; Kohli, M. (1988): Neue Altersgrenzen des Arbeitslebens. Betriebliche Interessen und biographische Perspektiven. In: Rosemmayr, L.; Kolland, F. (Hrsg.): Arbeit – Freizeit – Lebenszeit, Opladen, S. 183-206 Wollert, A. (1997): Intergenerative Kompetenzbilanz. In Albrecht, G. (Mitarb.) u.a. (1997): Kompetenzentwicklung 97, Münster, Westf., S. 317-362 Zeman, P. (1985): Gemeinschaftliche Altenselbsthilfe (DZA Bd. 59). Berlin Zeman, P. (1992): Innovative Seniorenkulturarbeit – Grundlagen und Ziele. In: Glaser, H.; Röbke, T. (Hrsg.): Dem Alter Sinn geben. Heidelberg, S. 30-41 126 Veröffentlichungen der Arbeitsgemeinschaft QUEM Storkower Straße 158, 10402 Berlin Heft 9 Reinhard Sziburies u.a.: Analyse der betrieblichen Weiterbildung in der Chemiebranche der neuen Länder Heft 11 Jürgen Wahse u.a.: Betriebliche Weiterbildung im Kontext der Restrukturierung ostdeutscher Unternehmen Heft 21 Markus Scheuer u.a.: Beruflicher Fortbildungsbedarf von Facharbeitern in den neuen Bundesländern Heft 22 Herbert Berteit u.a.: Betriebsbezogene Vergleiche zur Weiterbildung in ost- und westdeutschen Unternehmen Heft 24 Barbara Haenschke: Transformation und Identität – Aspekte, Erfahrungen, Tendenzen mit neuer Auswahlbibliographie: Identität und Arbeit Heft 25 Strukturwandel und Weiterbildung – Zweite bildungspolitische Zwischenbilanz Heft 35 Werner Hübner/Uwe Betrup: Regionalisierung von Weiterbildungsprozessen Heft 36 Heide-Rose Brückner: Kulturelle Orte und Potentialerhalt Arbeitsloser Heide-Rose Brückner stellt eine Studie vor, die von QUEM an die Stiftung für kulturelle Weiterbildung und Kulturberatung vergeben wurde. Sie untersucht das Verhältnis von Arbeitslosigkeit und Qualifikationen unter den besonderen Bedingungen des Transformationsprozesses in Ostdeutschland. Insbesondere geht es um die Frage, wie Arbeitslose in Ostdeutschland aktiv werden können in der Strategieentwicklung für die Bewältigung des Transformationsprozesses, und wie sie dabei ihre Erfahrungen und Wertesysteme einbringen können. Die Studie betrachtet u.a. die Erfahrungen kultureller Arbeit in den Kulturhäusern der DDR. Heft 37 Dieter Kirchhöfer: Neue Formen des Lehrens und Lernens in der außerbetrieblichen Weiterbildung Heft 38 Susan Prösel: Sozialkompetenz, Produktivität und Regionalentwicklung Heft 39 Management der Humanressourcen – Stand und Perspektiven in europäischer Sicht Heft 40 Von der beruflichen Weiterbildung zur Kompetenzentwicklung Heft 46 Ingrid Drexel/Reinhold Weiß: Nutzung von Qualifikationspotentialen – Zwei Gutachten Heft 48 Hermann Hill: Kompetenzentwicklung in der öffentlichen Verwaltung Heft 50 Lernen für den Wandel – Wandel im Lernen, 2. Zukunftsforum Kompetenzentwicklung Heft 51 Lernen in Tätigkeitsfeldern außerhalb von Erwerbstätigkeit In diesem Heft werden drei Studien, die im Rahmen des Programmes „Lernen im sozialen Umfeld“ durchgeführt wurden, vorgestellt. Dieses Forschungsprogramm widmet sich Lernprozessen, die mit Tätigkeiten außerhalb traditioneller Erwerbsarbeit verknüpft sind. Es handelt sich um folgende Studien: „Lernförderliche Strukturen und gesellschaftliches Engagement in einer ländlichen Region“, „Lernen in ABM-Projekten“ und „Kompetenz bei jugendlichen Arbeitslosen erhalten und erweitern – Vorstellungen und Angebote“. 127 Reihe edition QUEM – wissenschaftstheoretische Studien zur beruflichen Weiterbildung im Transformationsprozeß Band 1 John Erpenbeck/Johannes Weinberg: Menschenbild und Menschenbildung (Bestell-Nr. 389325-199-5) Band 3 Volker Heyse/John Erpenbeck: Management und Wertewandel im Übergang (Bestell-Nr. 389325-214-2) Band 4 Volker Heyse/Helmut Metzler: Die Veränderung managen, das Management verändern (Bestell-Nr. 3-89325-334-3) Band 5 Wolfram Knöchel/Matthias Trier: Arbeitslosigkeit und Qualifikationsentwicklung (BestellNr. 3-89325-354-8) Band 6 Rolf Dobischat und Antonius Lipsmeier, Ingrid Drexel: Der Umbruch des Weiterbildungssystems in den neuen Bundesländern. Zwei Untersuchungen (Bestell-Nr. 389325-395-5) Band 8 Martin Baethge, Gabriele Andretta, Stefan Naevecke, Uwe Roßbach, Matthias Trier: Die berufliche Transformation in den neuen Bundesländern. Ein Forschungsbericht (Bestell-Nr. 3-89325-404-8) Band 9 Aspekte der beruflichen Bildung in der ehemaligen DDR. Anregungen, Chancen und Widersprüche einer gesamtdeutschen Weiterbildungsdiskussion. (Bestell-Nr. 3-89325-462-5) Übersicht: von QUEM initiierte Projekte (Untersuchungen, Studien), die zu inhaltlichen Fragestellungen im Rahmen des Programmes LisU relevant sind: 1. QUEM-report Heft 29: Matthias Pfüller u.a.: Regionalisierung von Strukturen berufsbezogener Weiterbildung. Heft 31 Ralf Dietrich/Lutz Golz: Langzeitarbeitslosigkeit und Bewältigungsstrategien. (VERGRIFFEN) Heft 32 Brigitte Stieler-Lorenz/Erika Grimm: Qualifikation und Langzeitarbeitslosigkeit. (VERGRIFFEN) Heft 33 Margitta Mätzke: Wirkungen arbeitsmarktpolitischer Instrumente. In diesem Heft wird die Entwicklung von Arbeitslosigkeit diskutiert. Neben herkömmlichen arbeitsmarktpolitischen Instrumentarien müssen neue Ansätze und unkonventionelle Wege entwickelt werden. Aktive Arbeitsmarktpolitik soll Qualifizierung, Beschäftigung und Erhaltung der Arbeitsvermögens erzielen. Gesamtgesellschaftlich sollen Infrastruktur, Standort, Investitionsbedingungen und Wertschöpfung verbessert werden. Die Ziele arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen werden von der Bundesanstalt für Arbeit selbst definiert. Sie sind Ausgangspunkt für die Beurteilung von Wirkungen der Instrumente. Auf diesem Hintergrund will dieses Heft herkömmliche Instrumente prüfen und innovative Maßnahmen hertausarbeiten. Heft 35 Werner Hübner/Uwe Bentrup: Regionalisierung von Weiterbildungsprozessen. Heft 36 Heide-Rose Brückner: Kulturelle Orte und Potentialerhalt Arbeitsloser. 128 Heft 37 Dieter Kirchhöfer: Neue Formen des Lehrens und Lernens in der außerbetrieblichen Weiterbildung. Die Studie analysiert Formen des Lehrens und Lernens in der außerbetrieblichen Weiterbildung in den neuen Bundesländern und ordnet sie theroretisch ein. Die Erfahrungen verschiedener Weiterbildungsträger und Lehrkräfte unterschiedlicher Bidlungsbereiche und heterogene Adressatengruppen werden vorgestellt. Mögliche Modell- und Formvarianten des Lehrens und Lernens werden angeboten. Der Autor kommt zum Ergebnis, daß Weiterbildung nicht mehr nur aktuelle und potentielle Bedürfnisse befriedigt, sondern Qualifikationspotentiale hervorbringt, die neue Tätigkeitsfelder und Strukturen erst erzeugen. Heft 38 Susan Prösel: Sozialkompetenz, Produktivität und Regionalentwicklung. Heft 51 Hannelore Iffert: Individuelle Vorstellungen und bestehende Angebote für Kompetenzerhalt und -erweiterung Arbeitsloser am Beispiel einer Region. Heft 51 Doris Eisenschmidt/Siegfried Klarhöfer/Gunter Saupe/Monika Schönherr: (QUASOB e.V.): Arbeit und Lernen in ABM-Projekten. Heft 51 Georg Fransky/Siegrid Wölfing (tamen): Lernende Einrichtungen als Partner und Multiplikatoren in der (eigenständigen) regionalen Entwicklung. 2. QUEM-Materialien 1. Rosemarie Mühlbach: Analyse und Bewertung von Angeboten, Initiativen und Projekten mit Bildungskomponente zur aktiven Bewältigung von Langzeitarbeitslosigkeit 2. Brigitte Stieler-Lorenz u.a.: Chancen und Einflußfaktoren zur Förderung des beruflichen Wiedereinstiegs aus Langzeitarbeitslosigkeit 4. Thomas Hartmann/Sigrid Wölfing (tamen): Entwicklungsbegleitende und projektgebundene Qualifizierung – Beitrag zur Entwicklung neuer Methoden der Erwachsenenbildung im Transformationsprozeß Es wird eine Studie vorgestellt, die sich mit der Wirksamkeit der aktuellen Qualifizierungspolitik beschäftigt, am Beispiel der Maßnahme „Potentialerhalt landwirtschaftlicher Qualifikationen“. Weiterbildung im Transformationsprozeß erfordert einen integrierten Ansatz, der nicht nur fachliche Inhalte berücksichtigt, sondern die berufliche, soziale, politische und kulturelle Weiterbildung zugleich ist. Die Strukturveränderungen in den neuen Bundesländern erfordern eine neue Qualifizierungspolitik und somit auch neue Förderinstrumentarien. 5. K. Walther u.a.: Entwicklung eines Instrumentariums zur Weiterbildung von Projektleitern für/in Projekte(n) des 2. Arbeitsmarktes 13. Wolfram Knöchel/Matthias Trier: Lernen im sozialen Umfeld Die Studie thematisiert den Zusammenhang des sogenannten Booms beruflicher Weiterbildung in Ostdeutschland, meist AFG-finanziert, und die massenhaften erwerbsbiographischen Brüche und sozialstrukturellen Veränderungen, die nicht ausgeglichen werden konnten. Der Erhalt und Erwerb technisch-technologischer Fachkompetenz verlief größtenteils ohne Schwierigkeiten, hingegen bereitete komplexer angelegtes Lernen, das alle Bereiche der Lebensgestaltung einschließt, wesentlich mehr Probleme. Lernen für die Arbeit und in der Arbeit bildet die wesentlichen Anforderungen für Erwachsenenlernen nicht mehr hinreichend ab. 129 16. Georg Fransky/Thomas Hartmann/Sigrid Wölfing: Qualifizierung intermediärer Akteure – Beitrag zur Entwicklung strukturschwacher Regionen Die Studie beschäftigt sich mit der Thematik, daß in strukturschwachen Regionen die Arbeitsmarktpolitik neben der strukturpolitischen auch die sozialpolitische Dimension berücksichtigen muß. Ihre Ausrichtung auf sozialpolitische Aspekte bedeutet, daß sie, entgegen ihrem eigentlichen Ziel, nicht vorrangig auf den ersten Arbeitsmarkt orientieren kann. Tätigkeitsfelder im Rahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik erhalten so ein neues Profil, denn neben der Strukturanpassung soll auch der Wiederaufbau sozialer Beziehungen gefördert werden. Die Studie soll dazu beitragen, diesen sogenannten „intermediären Bereich“ als ein Ziel für Weiterbildung zu identifizieren. 19. Regine Auster/Hermann behrens (IUGR e.V.): „Gesellschaftliche Tätigkeit“ im Wandel – Das Beispiel Natur – und Umweltschutz 1. Kompetenzentwicklung ´97 Rolf Arnold: Von der Weiterbildung zur Kompetenzentwicklung – neue Denkmodelle und Gestaltungsansätze in einem sich verändernden Handlungsfeld. Gutachen für die ABWF e.V. GEBIFO Berlin: (Günter Albrecht/Hans Joachim Buggenhagen/Volker Mirschel): Berufliche Kompetenzentwicklung – Anspruch an neue Kriterien und Instrumentarien zur Leistungsermittlung und –bewertung 2. noch nicht veröffentlichte Studien Stefan Bloesy/Sigrid Busch/Wolfgang Wirsich: Sozio-kulturelles Umfeld als „weicher“ Standortfaktor – Wirkung auf wirtschaftliche Aktivitäten kleiner und mittlerer Unternehmen. (liegt als Kopie vor) Konrad T. Elsdon: Councils of Voluntary Services (CVS) in Großbritannien. (liegt als Kopie vor) Worfram Knöchel: Möglichkeiten der Übertragbarkeit des englischen Modells regionaler Informationsund Beratungsstellen unter Berücksichtigung von Bedingungen in den neuen Bundesländern. (liegt als Kopie vor) 130 Diese Druckschrift wird im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit des Bundesministeriums für Bildung und Forschung unentgeltlich abgegeben. Sie ist nicht zum gewerblichen Vertrieb bestimmt. Sie darf weder von Parteien noch von Wahlbewerbern oder Wahlhelfern während eines Wahlkampfes zum Zwecke der Wahlwerbung verwendet werden. Dies gilt für Bundestags-, Landtags- und Kommunalwahlen sowie für Wahlen zum Europäischen Parlament. Mißbräuchlich ist insbesondere die Verteilung auf Wahlveranstaltungen und an Informationsständen der Parteien sowie das Einlegen, Aufdrucken oder Aufkleben parteipolitischer Informationen oder Werbemittel. Untersagt ist gleichfalls die Weitergabe an Dritte zum Zwecke der Wahlwerbung. Unabhängig davon, wann, auf welchem Weg und in welcher Anzahl diese Schrift dem Empfänger zugegangen ist, darf sie auch ohne zeitlichen Bezug zu einer bevorstehenden Wahl nicht in einer Weise verwendet werden, die als Parteinahme der Bundesregierung zugunsten einzelner politischer Gruppen verstanden werden könnte.