5. Handlungsfeld Verwandtschaft: Frauen
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5. Handlungsfeld Verwandtschaft: Frauen
125 5. Handlungsfeld Verwandtschaft: Frauen-Netzwerke innerhalb verwandtschaftlicher Austauschformen Das Handlungsfeld Verwandtschaft dehnt sich über das unmittelbare tägliche Umfeld des Haushalts hinaus aus. Es umfasst sowohl die Beziehungen innerhalb der Herkunftsfamilie von Frauen als auch ihre affinalen Beziehungen zu der Familie, in die sie einheiraten. Die folgende Darstellung des Handlungsfeldes Verwandtschaft versucht, die Handlungsspielräume, die Frauen als Akteurinnen in einer patrilinear strukturierten Verwandtschaft für sich in Anspruch nehmen, auszuleuchten.1 Verwandtschaft sind die sozialen Beziehungen, in die Frauen am unmittelbarsten eingebunden sind und die sie am leichtesten für ihr ökonomisches Handeln nutzen können. Zentral für die Betrachtung der verwandtschaftlichen Beziehungen sind für mich die Formen und Inhalte von Austausch, seien es Güter, Arbeitsleistungen oder andere Formen gegenseitiger Bereitstellung von Hilfe und Sicherheit, und zwar insbesondere auf Seiten der Frauen, die als Akteurinnen in einem patrilinearen Handlungsfeld Austauschbeziehungen herstellen. Von meinen Interviewpartnerinnen kamen Hinweise darauf, dass sie selbst als Akteurinnen an den Brautgutverhandlungen und am Brautgut beteiligt waren. Darüber hinaus thematisierten sie auch in ganz anderen Zusammenhängen, z.B. in Bezug auf ihre Haus- und Familienarbeit, ihre Subsistenzproduktion und ihr Kleingewerbe, verwandtschaftliche Beziehungen der Kooperation und des Austauschs. In diesen Beziehungen spielen Frauen, neben den eigenen Schwestern insbesondere Frauen von Brüdern, eine bedeutende Rolle. Aber auch Brüder sind Teil dieser Beziehungen, was auf Zusammenhänge mit der sozialen Institution des Brautguts hinweist. Im nächsten Abschnitt gebe ich zunächst einen Einblick in die zentrale Bedeutung der Verwandtschaftsbeziehungen auch in der städtischen Umgebung, gefolgt von einer Beschreibung der Verortung von Frauen in agnaten und affinalen Familienbeziehungen. In den weiteren Unterkapiteln geht es um die Handlungsmöglichkeiten von Frauen im Kontext der Praktiken um Brautgut, genannt lobola, und um ihre Strategien beim Aufbau von verwandtschaftlichen Beziehungen, die auf Allianzen zwischen Frauen basieren, aber teilweise auch durch Männer vermittelt sind. Daran anschließend werden Konflikte und Kooperationsformen von Frauen innerhalb der patrilinaren Familienstruktur dargestellt. 1 Ich schließe mich in der Wahl des Begriffs „patrilinear„ gegenüber „patriarchal„ Schäfer an, die betont, dass simbabwesche Frauen auch innerhalb dieser Verwandtschaftsstrukturen patrilineare Bindungen strategisch nutzen und in den familiär-verwandtschaftlichen Beziehungen eigene Handlungsspielräume entfalten (Schäfer 1998:185). Diese Aktionsmöglichkeiten sind meines Erachtens in dem z.B. von Folbre gebrauchten Begriff der „patriarchalen„ Struktur nicht enthalten: Sie argumentiert, dass die weitgehende Herrschaft der älteren Männer heute, gegenüber der präkolonialen und kolonialen Zeit, zwar geschwächt, aber immer noch weitgehend erhalten sei (Folbre 1988:63, 74). 126 5.1 Chidawo - Mutorwa: Der Clan und die Fremden Die Milllionenstadt Harare besteht aus einem dichten Netzwerk familialer Beziehungen; die scheinbare Anonymität der Großstadt löst sich in überschaubare nachbarschaftliche und verwandtschaftliche Beziehungen auf. Beim Gang durch die township ebenso wie im zentralen Geschäftsviertel erlebte ich oft, wie meine jeweilige Begleiterin Verwandte begrüßte und zu einem kurzen Gespräch stehen blieb. Zur Begrüßung gehört die Erkundigung „Kumba kwakadiko, vana wakadiko?„ „Wie geht´s zuhause, was machen die Kinder?„ Oft wurden bei einem zufälligen Treffen auf der Straße, nachdem die Situation zuhause abgeklärt worden war, Verabredungen über Besuche getätigt. Im Nachhinein versuchte die Begleiterin, mir ihre verwandtschaftlichen Beziehungen zu erklären. Manchmal war das ganz einfach: „Das ist mein Sohn„ - wenn ich zweifelte, weil ich wusste, dass die Frau keinen Sohn hatte, präzisierte sie: „Das ist der Sohn der Frau meines Bruders„. Tanten zählen als Mütter, und die ältere Schwester des Vaters hat als tete eine herausragende Funktion in der Erziehung; Onkel werden wie Väter respektiert, und der älteste Bruder hat weitreichende Rechte, aber auch Pflichten gegenüber seinen Geschwistern und deren Kindern. Ähnlich werden Geschwister, Halbgeschwister aus polygynen Beziehungen, und Cousinen/Cousins als Geschwister klassifiziert, d.h. die Verwandtschaft ersten bis vierten Grades wird kaum differenziert.2 Schwieriger wurde es beim Treffen von entfernten Verwandten oft auch für die Frau selbst, wenn sie zwar einen gemeinsamen Chidawo-Namen, also das Totem feststellte, aber sich lange darüber verständigen musste, wie sie mit dem Clan-Mitglied verwandt war. Für sie war diese Frage bedeutungsvoll, weil dieser junge Mann bei der Suche nach einem Heiratskandidaten für sie selbst oder für eine Tochter dann nicht in Frage kam. Da die Shona strikt exogam heiraten, ist es für junge Leute, v.a. im Schmelztiegel der Stadt, unbedingt notwendig, vor dem ersten Flirt einen möglichen Verwandtschaftsstatus festzustellen, der weitere Avancen von vornherein ausschließt. Diese Alltagsbeobachtungen zeigen, dass der Begriff der Verwandtschaft auch in der städtischen Shona-Gesellschaft die erweiterte Herkunftsfamilie und die vielfachen affinalen Verbindungen von Mitgliedern auf verschiedenen Ebenen umfasst. Die immer noch bestehende Virilokalität wirkt sich heute so aus, dass Schwestern durch exogame Heirat weit verstreut im Lande leben: Sie müssen ihren Ehemännern entweder ku musha (an seinen ländlichen Wohnsitz, Heimatdorf) oder an seinen sonstigen Arbeitsort folgen. Die Söhne haben zwar immer noch ihr ku musha als Heimat, wo sie evt. ihre Frauen ansiedeln, aber aufgrund ihrer Erwerbstätigkeit sind sie und ihre Frauen auch oft nur zu den Feiertagen zuhause auf dem Lande. Die engere Verwandtschaft chizwarwa umfasst de facto den Vater und seine Töchter und Söhne und deren Söhne, zumindest auf dem Land, wo dieser Personenkreis im musha zusammenlebt (WLSA 1997a:56)3. Auch in der Stadt leben 2 Es deutet auf Systeme des Nicht-Wissens hin, wenn zwischen Einheimischen und EntwicklungshelferInnen oder ExpertInnen typischerweise Konflikte darüber entstehen, wenn ArbeitnehmerInnen und ProjektmitarbeiterInnen sich zum wiederholten Mal für die Beerdigung eines „Vaters„ abmelden. 3 Eine aktuelle Untersuchung von Kontinuität und Wandel des Familienrechts und der Lage der Frauen in Simbabwe präsentiert WLSA, einer Forschungsgemeinschaft von JuristInnen und SozialwissenschaftlerInnen 127 unverheiratete Kinder oft noch bis zur Heirat bei den Eltern, dazu oft noch andere Verwandte, z.B. Nichten und Neffen, die in der Stadt zur Schule gehen, oder pflegebedürftige Eltern. Die Ehefrau und Mutter ist im Begriff des chizwarwa nicht enthalten, weil sie, da nicht zum selben Totem gehörig, in gewisser Weise als Fremde (mutorwa) in der affinalen Familie betrachtet wird. Das heißt nicht, dass sie ausgeschlossen ist, aber sie hat durchaus einen anderen und oft schwierigeren Status als die endogamen Familienmitglieder ihres affinalen Heimes. Dies ist in Bezug auf ihre Kontakte mit Schwiegermutter und Schwägerinnen, in diesem Fall Schwestern ihres Mannes, wichtig. Auf der anderen Seite ist fast jede Frau in der glücklichen Lage, Schwiegermutter oder Schwägerin angeheirateter Frauen zu sein, und jede lässt dort, je nach ihren Erfahrungen und Präferenzen, Hierarchie oder Solidarität walten. Das traditionelle varamu-System erleichtert den Aufbau weiblicher Kooperationsstrukturen: Frauen in polygynen Beziehungen können die Wahl der nächsten Frau ihres Mannes so beeinflussen, dass er eine ihrer Schwestern oder Cousinen heiratet, was allerdings auch dem Mann und seiner Familie zur Stärkung der verwandtschaftlichen Beziehungen meist recht ist (WLSA 1997a:56). Das Verwandtschaftssystem scheint auch für die städtische Familie heute immer noch sehr breit und tief angelegt zu sein. Die affinalen und die agnaten Verwandtschaftsnetzwerke in ihren Verästelungen sind Handlungsfeld der Frau, in das sie durch den Austausch des Brautguts eingebunden ist, das sie aber auch selbst als potentielles Frauennetzwerk nutzen kann. Diese Verwandtschaftsbeziehungen scheinen noch stark geprägt zu sein von dem traditionellen System des Austausches und der Redistribution (Polanyi) des Brautgutes lobola oder roora4. In der Bezeichnung für verheiratete Frauen muroora, pl. varoora ist der Begriff für Brautgut enthalten. 5.2 „Lobola, good or bad? Judge for yourself“ Diese Überschrift war der Titel eines Artikels in Woman Plus, der Frauenzeitschrift des Zimbabwe Women´s Resource Centres. Eine m.E. typische Sichtweise auf lobola wird darin als Aussage eines Lehrers zitiert: „If I do not pay lobola for a woman, it means she can challenge me at any time and say `After all you never paid any lobola for me´„ (ZWRCN 1996:10). Auch in anderen populären Zeitschriften erscheinen immer wieder Artikel zu dem Thema, und auf einer der beliebten Ratgeberseiten mit dem Titel „Ask Auntie Rhoda„ wird darüber innerhalb der regionalen NRO Women and Law in Southern Africa mit Abteilungen in Simbabwe, Sambia, Swaziland, Mosambik, Lesotho und Botswana. In einer zweiten Forschungsphase untersuchte die Gruppe Zugangsrechte und Ressourcenkontrolle von Frauen in Simbabwe. In ihrer handlungstheoretisch begründeten Forschungsperspektive untersuchen sie das Zusammenspiel der pluralen Gesetzessysteme und der sozialen, ökonomischen und kulturellen Milieus, in denen die Menschen leben und Entscheidungen treffen. Sie verwenden qualitative Forschungsmethoden, die sie auf der Basis der gegenstandsbegründeten Theoriebildung (Glaser/Strauss) entwickeln und modifizieren (WLSA 1997a:23 ff). Wie meine Literaturrecherche ergab, ist dies die erste von lokalen ForscherInnen durchgeführte landesweite Untersuchung mit qualitativen Forschungsmethoden. 4 Der Begriff lobola stammt eigentlich aus der Sprache der Ndebele, der zweiten großen Ethnie in Simbabwe, während der Begriff roora dem Shona entstammt. Trotzdem wird auch von Shona-Sprechenden im Alltag der Begriff lobola verwendet. 128 diskutiert. Die in den Zeitschriften dargestellten Positionen überspitzen und vereinfachen die in der Gesellschaft kursierenden konträren Sichtweisen vielleicht; aber auch nach Aussage meiner Informantinnen legitimieren insbesondere viele Männer mit der Übergabe von lobola ein weitreichendes Verfügungsrecht über die Arbeitskraft der Frau. Frauen wird von Männern oft eine Rolle als `Bewahrerinnen von Kultur´ zugewiesen (ZWRCN 1997:4); Frauen dagegen werfen Männern vor, den kulturellen Regeln, die Verantwortlichkeiten gegenüber der Frau und den Kindern beinhalten, nicht mehr zu folgen und damit einen einseitigen Wandel kultureller Werte zu forcieren. Die häufigen Fälle von ´property grabbing´, d.h. der Enteignung von Witwen durch die Verwandtschaft des verstorbenen Mannes, zeigen als Spitze des Eisbergs an, welche sozialen Konflikte um die Neudefinition von kulturellen Institutionen sich alltäglich in Familie und Verwandtschaft abspielen. Der gesellschaftliche Diskurs, der sich im Streit um die Bedeutung von lobola kristallisiert, weist auf einen fortlaufenden Prozeß ihrer Konstruktion und Dekonstruktion hin. Frauenorganisationen beziehen in diesem Diskurs Position und versuchen, eine frauenfreundlichere Interpretation der lobola aus den Traditionen zu begründen. Es geht ihnen nicht um eine grundsätzliche Ablehnung von lobola, sondern um eine Neudefinition als eine, auch aus Traditionselementen begründete, Betrachtung von lobola als Zeichen der Wertschätzung von Frauen und als eine Form sozialer Absicherung. Dabei erhalten sie Argumentationshilfe von WLSA, der regionalen NRO Women and Law in Southern Africa, und ihrer Forschungsabteilung. Sie kritisieren am populären wie auch am wissenschaftlichen Diskurs die Verwendung nichtemischer Begrifflichkeiten wie `brideprice´, und anderer Formulierungen aus dem Wortfeld `bezahlen´ und argumentieren, dass darin ein Missverständnis der tatsächlichen Transaktion als Brautkauf transportiert werde (WLSA 1997 a:61). Im emischen Begriff der lobola sei das Konzept von Kauf nicht enthalten - es erscheine erst in den fremdsprachlichen Elementen. Dabei werde, oft in einer auf den ökonomischen Aspekt eingeschränkten Perspektive, von einem Austausch von „brideprice„ gegen Frauen gesprochen, und sie würden als bloße Objekte eines Handels betrachtet. Die in Kulturanthropologie und Ethnologie entwickelten Theorien zur Bedeutung des Brautguts in verschiedenen Ethnien Afrikas betrachten als zentralen Gehalt des Brautguts die Entschädigung des Herkunftsclans für die Übergabe der reproduktiven und produktiven Kapazitäten der Frau an einen fremden Clan (Aschwanden 1982:133 ff) 5. Diese und ähnliche Definitionen sind stark von juristischen Sichtweisen geprägt, indem sie sich auf das Recht in personam, d.h. die Nutzung der Arbeitskraft der Frau, und das Recht in rem, d.h. der Sexualität und biologischen Reproduktionsleistung konzentrieren (Moore 1990:127). Im Rahmen der marxistischen Ansätzen verpflichteten Anthropologie ist dagegen ein ökonomisch orientiertes Konzept von Verwandtschaftsverhältnissen als Reproduktionsverhältnissen entwickelt worden, in denen Frauen, neben Nahrung und Saatgut, als Reproduktionsmittel gelten. Im 5 Dabei gibt es m.E. durchaus erhebliche Unterschiede zwischen den Praktiken einzelner Ethnien, die in dieser Darstellung aber vernachlässigt werden müssen. Wieweit die Praktiken in dem starken sozialen Wandel der letzten Jahrzehnte Veränderungen erfahren haben, kann nicht ermessen werden. Das viel grundsätzlichere Problem der Konstruktion von Bedeutung durch die Einnahme einer bestimmten Forschungsperspektive wird im weiteren Verlauf angesprochen. 129 Tausch zwischen agnatem und affinalen Clan wird das Brautgut zum Tauschwert, zum Gegenwert für die reproduktiven und produktiven Leistungen der Frau (Meillassoux 1983: 87). In weiteren Transaktionen fungiert das Brautgut als Kapital, das die Brüder der Braut in eigene Heiraten investieren. In diesen Konzepten spielt die Frau nur als Tauschobjekt in einem Handel eine Rolle, bei dem Rechte an Eigentum und Personen von einem Clan auf den anderen übertragen werden. An beiden Ansätzen wird kritisiert, dass sie das Ergebnis über den Aushandlungsprozess stellen, dass sie nur Männern einen Subjektstatus zubilligen und dass sie in ökonomistischer Weise Tauschobjekte über die handelnden Subjekte stellen (Moore 1994:127, im Anschluss an Strathern 1984, Whitehead 1984). Methodische und theoretische Verzerrungen führen zu der Tendenz, sich nur auf Männer und ihre Verhältnisse zueinander zu konzentrieren und die Arbeitsbereiche der Frauen, die doch mit den Austauschverhältnissen der Männer offensichtlich verknüpft sind, zu ignorieren (Arbeitsgruppe Ethnologie Wien 1989:15). Damit verbunden ist ein Eurozentrismus, der westliche Konzepte von Eigentum und die damit zusammenhängende Dichotomie zwischen Subjekt und Objekt auf nicht-westliche Gesellschaften überträgt, so dass im Falle des Brautgutes die Annahme entsteht, Frauen würden als Objekte des Austausches behandelt. Dagegen zeigen ethnographische Analysen der endogenen Bedeutungen von Brautgut, dass Personen (Frauen) und Gegenstände, die im Prozess der Heirat zwischen Verwandtschaftsgruppen hin und her wandern, dadurch eine Beziehung zwischen diesen herstellen, sozusagen eine Straße, auf der in Zukunft weiterer Austausch stattfinden wird.6 Gleichzeitig repräsentieren sie Aspekte von Personen und Personengruppen: "The woman is a source of nourishment and stands for the productive relationship between her clan and her husband´s" (Strathern 1984:169). Auch wenn Frauen Wohlstand repräsentieren, sind sie damit nicht mit Objekten im westlichen Verständnis gleichzusetzen. Es fällt auf, dass die Argumentationslinien zumindest in der älteren wissenschaftlichen Diskussion ähnlich wie in Teilen des populären Diskurses verlaufen. In der soziologischen und anthropologischen Literatur wurden Frauen lange Zeit primär funktional, etwa als Sozialisationsfaktor oder als Austausch- oder Allianzfaktor, und nicht als Akteurinnen dargestellt. Die ökonomische Perspektive ignorierte völlig die Beziehungen innerhalb und zwischen Haushalten und Familien, insbesondere solche, die von Frauen gestaltet werden (Folbre 1988:63). Es fehlt in ihnen eine Analyse aus der Sicht der Frauen (Moore 1990:138). Die wachsende Basis der internationalen Frauenforschung stellt inzwischen diese Darstellung von Frauen als (Tausch)objekte als verkürzte Sichtweise in Frage und trägt durch den Perspektivenwandel in Richtung auf die Analyse von Handlungsorientierungen zu einer komplexeren Betrachtung bei.7 Im Sinne des Konzepts der gesellschaftlichen Einbettung 6 Zwar basieren diese Aussagen auf Forschungen in Papua-Neuguinea, aber die dortigen sozialen Institutionen und ihre Bedeutungen sind mit denen in Simbabwe eher vergleichbar als die Konzepte von Eigentum und Subjekt-Objekt-Verhältnissen in westlichen Marktgesellschaften. 7 Die Literatur zu dieser Thematik ist fast unüberschaubar - einen Überblick der theoretischen Auseinandersetzung aus feministischer Perspektive bietet Moore 1988 (deutsch 1990). Eine detaillierte 130 wirtschaftlichen Handelns muss der soziale Charakter von Eigentum analysiert werden: "Property is not primarily a relation between people and things, but a relation between people and people - a social relation, or a set of social relations" (Whitehead 1984:176). Nutzungsrechte an Land, Feldfrüchten, Arbeitskraft etc. sind je nach dem Status in der Hierarchie der Verwandtschaftsgruppe geordnet, wobei Geschlecht und Geschlechterkonzepte, aber auch Lebensalter und genealogischer Status mitwirken (Whitehead 1984:185 f). Immerhin finden sich auch in der älteren anthropologischen Literatur einzelne Studien, die Hinweise auf weitreichende Handlungsmöglichkeiten von Frauen im verwandtschaftlichen Kontext bieten. Ein Beispiel liefert Kuper, der in seiner speziell auf den Raum des südlichen Afrika bezogenen Analyse das Brautgut als "chain of transactions" wahrnimmt, in die viele verschiedene Verwandtschaftsgrade und selbst Nicht-Verwandte einbezogen werden können (Kuper 1982:27). In einem Kapitel mit dem Titel "The Sister´s Claim" finden sich Hinweise auf die besondere Bedeutung der Beziehung zwischen Schwester und Bruder, die durch die Verwendung des schwesterlichen Brautguts für die Heirat des Bruders entsteht (Kuper 1982:33). Dadurch erwirbt sie ein hohes Maß an Autorität im Haushalt ihres Bruders, z.B. Ansprüche auf Haushaltsgegenstände und auf die Arbeitskraft ihrer Schwägerin. Einen weiteren Ausgleich für ihr Brautgut erhält sie in der nächsten Generation, wenn eine matrilaterale Heirat zwischen Cousine und Cousin, also der Tochter ihres Bruders mit ihrem Sohn, arrangiert wird. Ebenso kann die Frau aufgrund des von ihr eingeworbenen Brautguts ihre Schwester zur weiteren Frau ihres Mannes bestimmen (Kuper 1982:34). In Simbabwe wird dies auch heute noch im ländlichen Raum praktiziert (WLSA 1997a :56). Allerdings scheint die Polygynie in der Stadt mehr und mehr informalisiert zu werden: Immer häufiger kursieren Berichte über informelle Zweitfrauen, die erst bei der Beerdigung des Mannes in Erscheinung treten, um Rechte am Erbe einzufordern. In einer breit angelegten qualitativ orientierten Studie liegen neue Ergebnisse der simbabweschen ForscherInnengemeinschaft Women and Law in Southern Africa (WLSA) zu aktuellen Wandlungsprozessen der Geschlechterverhältnisse vor. Ausgehend von einer handlungstheoretisch orientierten Perspektive stellen die AutorInnen die Frage nach dem Zusammenspiel zwischen `traditionellen´ und `modernen´ Gesetzessystemen und dem sozialen, ökonomischen und kulturellen Milieu, und verfolgen die Handlungsorientierungen der Geschlechter anhand ihrer alltagspraktischen Entscheidungen in ihren Handlungsfeldern (WLSA 1997 a:24). Sie stellen fest, dass die Institution der lobola immer noch eine zentrale Stellung in der Konstitution von Verwandtschaftsbeziehungen in Simbabwe innehat. Ihre soziale Bedeutung sei jedoch umstritten: Sie reiche von einer Interpretation als "giving extra dignity and respect to the woman" bis zur Einschätzung als "oppression of women" (WLSA 1997a: 63). Im Laufe des historischen Wandels, insbesondere der Land-Stadt-Migration, habe Auseinandersetzung mit der Diskussion um das Brautgut und seine Bedeutung im Kontext der Viehhaltergesellschaft der Turkana in Nordkenia leistet Schultz 1996: 51-60. Unterschiedlich akzentuierte Berichte über den historisch-kulturellen Wandel der Geschlechterbeziehungen in Simbabwe geben Folbre 1988 und Schäfer 1998. 131 sich eine Vielfalt von neuen Familienarrangements gebildet, die von Konflikten und großer Flexibilität und Dynamik gekennzeichnet sind, aber auch Handlungsmöglichkeiten für Frauen bieten. Auf einige Ergebnisse wird im weiteren Verlauf Bezug genommen. In Bezug auf die lobola fassen die AutorInnen zusammen: „The empirical research in this WLSA study on the family also shows that women within families exercise power and personal capacity in a wide variety of ways and that the element of roora (lobola) in the marriage is not in itself an indication that a woman is lacking in power and personal capacity„ (WLSA 1997 a: 61). Diese Einschätzung zeigt einen neuen Trend der urbanen Frauenbewegung weg von einer pauschalen Ablehnung der Brautgutpraktiken hin zu einer Orientierung auf die Handlungsspielräume von Frauen innerhalb der Verwandtschaftsbeziehungen, in denen sie auch im Prozeß des Brautgutaustausches eine aktive Rolle spielen. In den Berichten meiner Informantinnen deckt sich die Erscheinungsform der lobola in vielem noch mit der Darstellung in älteren anthropologischen Untersuchungen, aber weist auch einige Abweichungen auf. Dabei ist allerdings auch zu bedenken, dass die Gesprächspartnerinnen über die sie betreffenden lobola-Verhandlungen als länger zurückliegende Ereignisse berichten. Vor der Geldübergabe findet eine von einem Vertreter des Bräutigams durchgeführte zeremonielle Verhandlung genannt kukumbira - „Fragen, Bitten„ über die Heirat statt, bei deren einzelnen Schritten Geldzahlungen zu leisten sind. Empfänger sind nicht nur der Brautvater, sondern auch die Frauen der Familie, d.h. die Brautmutter, die paternale Tante der Braut, und die Braut selbst. Die tete oder auch die Großmutter (ambuya) hatten die Aufgabe, über die Jungfräulichkeit der Mädchen zu wachen und sie regelmäßig zu überprüfen. Diese Kontrolle lief nach Angaben einer Interviewpartnerin so ab: The time we grew up, the elderly ladies, the ambuyas especially, they took us to a very private place, where there are no men. They took an egg, for a virgin - an egg does not enter (Naz/Nya 1:23). In der folgenden Erzählung wird auch offensichtlich, dass die Brautwerbung der vorläufige Höhepunkt einer Vielzahl von Kontakten zwischen den Heiratskandidaten und ihren Familien ist, bei denen sie sich kennenlernen. Eine Brautwerbung ohne Kenntnis der Familie der Braut, speziell der paternalen Tante tete, ist zum Scheitern verurteilt - ebenso wenig sollte die Braut so tun, als kenne sie den Bräutigam nicht, wenn sie an einer Heirat interessiert ist, da sonst an ihrer Ernsthaftigkeit gezweifelt wird. Die Zeremonie wird im Heim der Brauteltern abgehalten, und die Brautwerber werden für jeden Schritt „zur Kasse„8 gebeten: 8 In der alltagssprachlichen (englischen) Wortwahl erscheinen die Verhandlungen tatsächlich als Zahlungen, doch daraus kann nicht geschlossen werden, dass die endogene Bedeutung der lobola völlig von einer westlichen Sichtweise als einem Tausch von Objekten überlagert worden ist. Nicht zuletzt muss gerade hier berücksichtigt werden, dass die Berichterstatterin ihre Darstellungsweise auf die europäische Zuhörerin ausrichtet. 132 For matekenya ndebvu, for kupinda mumusha (Eintritt in das Gehöft). Ah that time 1978... It was about ten dollars, and kugara pasi (Platz nehmen) about five dollars, and to ask him, to ask about life "Makadiniko?" (Wie geht es Ihnen?). "To talk together" I can say. You put on money, it was about ten dollars again. Then he (der Brautvater) started "Makandinzwa naani? -To whom did you hear that I have got a daughter?" - Ten dollars, and after that he said "Matekenya ndebvu" that is "playing with the father", using anything ....ten dollars. And we use something to put the money, when you are paying the lobola. A wooden dish. You pay for that because you didn´t... this is not your home - you pay for that. Ya. You paid for that. I say now this the rutsambo, the main , that is the money that you say "You are going to take my daughter." So I want this money they say "rutsambo". So they said about sixty dollars. But before everything, before he talk about that rutsambo, he asks the daughter: "Do you know this man, do you really love him, have you ever visited to his home? Whether he stays in the tree, did you see where he lives?" They also ask that. And you say "yes". If you said "No" you will be chased away. "Come on, you rubbish go away! Can you be married with a man without knowing where he comes from? You go back together with your `husband´!" So they asked me, they asked me, and they asked my aunt and said "What about you, aunt?" My aunt, that aunt of mine. He said "Did you ever visit your daughter´s boyfriend" and she said "Yes, together with the... yes!" They said now it´s the... the... Esther´s (die Braut) turn to charge how much she wants. You charge how much I can get that day. I said "Seventy dollars".- (Bridegroom asks:) "What about you, aunt?" My aunt... He said "What about you, aunt?" She said "Ah! Only twenty dollars." Then we take the amount and it´s now it´s our father´s time to charge how much he wants. He said "I want sixty dollars for rutsambo", and that, you see, they paid, and then that stage was over (Mud 1:7). Bemerkenswert ist, dass die Braut selbst mitverhandelt und eine Geldsumme für sich selbst verlangt, in diesem Fall sogar eine höhere als der Brautvater, und auch die anderen Frauen verlangen Anteile am Brautgut. Das Brautgut bestand und besteht teilweise auch heute noch aus mehreren Teilen, die verschiedenen Personen innerhalb der Brautfamilie zustehen. Ihre Höhe wird in einem schrittweisen Aushandlungsprozess zwischen den beteiligten Familien abgesprochen und innerhalb derselben anteilig aufgebracht. Rutsambo, die Gabe an den Brautvater, wird traditionell vom Bräutigam selbst präsentiert, und früher waren auch noch jahrelange Arbeitsleistungen auf den Feldern der Schwiegereltern üblich.9 Rutsambo wurde früher in Kupferarmreifen ausgedrückt, heute wird es in Geld präsentiert. Besondere Brautgeschenke 9 Dieser Brauch wurde zuerst von der Kolonialverwaltung verboten und ist mit der Migration der Männer wohl weitgehend zum Erliegen gekommen. Nach Fiedler-Conradi hatte die Kolonialregierung ein Interesse an einer Monetarisierung der lobola, da dadurch der Druck auf die jungen Männer, sich der Kolonialwirtschaft als Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen, erhöht wurde (1996:184). 133 für die Brautmutter sind mapfukudza10 dundu raamai - „für den Bauch der Mutter„ als Dank für ihre mütterliche Leistung, und die mombe yeumai, die Kuh der Brautmutter. Diese Kuh bleibt immer im Besitz der Brautmutter, obwohl diese sie oft einem Bruder zur Nutzung überlässt, und darf erst, nachdem sie ein weibliches Kalb geboren hat, geschlachtet werden ( ZWRCN 1996:8). In einigen Ethnien Simbabwe´s erhält die Brautmutter bei jeder Geburt eines Kindes ihrer Töchter eine Ziege (Schäfer 1998:188). Dies ist ein weiterer Beitrag zur sozialen Absicherung der Generation der älteren Frauen. Zu den Gaben für die Brauteltern kommt Heiratsgut in Form von Kühen für den Clan hinzu (Aschwanden 1982:154, Kuper 1982). Die Kühe werden aus dem Fundus des Clans, der z.T. aus erhaltenen Brautgaben für schon verheiratete Töchter besteht, beigesteuert. In der bäuerlichen Tradition waren die heiratsfähigen Mädchen als „kunobva n´ombe„ - „wo die Kühe herkommen„ von hoher Bedeutung für den Clan (Aschwanden 1982:160). Diese Bedeutung zeigt sich auch heute noch daran, dass Informantinnen häufig von einem engen und schützenden Verhältnis von Bruder zu Schwester berichten. Auch die Obhut und Nutzung der mombe yeumai durch Brüder der Brautmutter ist dabei ein Band der Verpflichtung und Sicherung weiblichen Besitzstandes in ihrer Herkunftsfamilie. Es wird deutlich, dass die lobola aus mehreren Teilen besteht, die auf der Seite der gebenden Familie von verschiedenen Familienmitgliedern aufgebracht wird, also vom Bräutigam selbst, aber mittelbar auch von seinen verheirateten Schwestern in Form von Kühen, die die Familie bei ihrer Verheiratung erhalten hat. Auf der Seite der empfangenden Familie erfolgt die Verteilung der lobola wiederum an verschiedene EmpfängerInnen, an den Brautvater und die Brautmutter, aber auch an die tete, und in jedem neuen Heiratsfall auch an die Brüder der Braut zum erneuten Einsatz als lobola. Das System der lobola beinhaltet also Austausch und Redistribution (Polanyi) gleichermaßen - Austausch zwischen den Herkunftsfamilien von Braut und Bräutigam, Redistribution innerhalb ihrer Herkunftsfamilien. Damit wird ein fein verästeltes Netz sozialer Beziehungen zwischen den Familien und innerhalb der Herkunftsfamilien konstituiert, in dem auch die weiblichen Linien ein wichtige Rolle spielen. Die Erscheinungsform der lobola-Verhandlungen erscheint heute deutlich monetarisiert. In Erzählungen von Interviewpartnerinnen fand ich viele Hinweise auf Veränderungen oder mindestens konflikthafte Interpretationen der lobola-Regeln im Kontext gesellschaftlichen Wandels. In zwei Fällen berichteten Frauen von Konflikten zwischen ihren Eltern um die Rechte an der lobola für die Tochter. In dem einen Fall waren die Eltern geschieden, die Tochter wuchs bei der Mutter und ihrem Stiefvater auf; im anderen Fall war die Mutter gestorben und die Kinder von der Großmutter aufgezogen worden. In beiden Fällen beanspruchten die Väter die gesamte lobola, stellten sich damit aber offenbar in Gegensatz zu den Rechtsvorstellungen ihrer Verwandtschaft. Diese betrachtete die lobola-Zahlung als Entgelt für die geleistete Reproduktionsarbeit bei der Erziehung der Tochter, die den Personen (Mutter, Großmutter, Schwester der Mutter) zustehen sollte, die diese Arbeit 10 Pfukudza ist gleichbedeutend mit Geschenk. 134 geleistet hatten. Der Vater dagegen betrachtete nicht nur die rutsambo als seinen Anteil, sondern bemühte sich unter Zuhilfenahme seiner Autoritätsposition, auch vormals mütterliche Anteile zu beanspruchen: A: After my mother died, our father just disappeared - we didn´t know where he was staying. So my grandmother, the one who.... who... she is the one who was looking after us.... (Später übernahm eine Schwester der Mutter die fünf Kinder)....Then after that we grew up very well and she was struggling to look after us. When I was eighteen, our father wrote a letter. Claiming us from our grandfather... So when we are paying lobola your father should be there and your mother - so instead of my mother my mother´s sister was there. So - my father...my father was very cruel. He didn´t want to meet even, not even one of my mother´s relatives. So he had decided to change the date of the lobola. So that we can go to his place. So my mother´s sister just said "It doesn´t matter, you just go and pay lobola to him". We went there and we paid lobola to him. ...And we have got a cattle which we call "mombe yeumai". For my mother. So these things were charged by my mother´s sister, and she is the one who is supposed to be given those ah, those stuff. My father charged them for himself and he was given money. He did not go and give my ...my mother´s sister those stuff he just do his own thing. Then after that we realised that in shona if you do not pay those things, there is a wish that you may feel something bad or not stay....ah I... I can´t explain, I can´t explain it. So we went back to my mother´s sister. And we gave her her own things. Now I am living with my husband, we are living a smooth life. Q: So your husband gave her a second mombe yeumai? A: Ah no - a mombe we didn´t give it to my father, we gave him money. He said I will buy that mombe and I will send it to your aunt. So he didn´t, for seven years I asked him and he didn´t give me a satisfactory answer. So we just left him and started again and gave the mombe yeumai to her... Q: So what do you think about it, was it wrong? A: It was wrong, it was wrong, he should give her, because he didn´t do anything while.... while we were growing up. He was just ignoring us, he didn´t pay any... attention to us. We went to school by my grandpa´s help, and my grandma´s help, he did not pay, not even a cent to us, but he charged a lot of money on our lobola (Naz 1:1-4). Sehr deutlich wird an diesem Bericht der Widerstreit alter und neuer Interpretationen der lobola-Regeln: Der Vater setzt sowohl eine Monetarisierung der lobola durch, als auch ihre alleinige Inanspruchnahme, die den alten Regeln widerspricht.11 Die Affinalfamilie fühlt sich der Bedrohung durch Geister der Verstorbenen ausgesetzt, wenn sie gegen die Tradition verstößt, und beugt dem durch eine weitere Gabe an die Pflegemutter vor. Die Erzählung birgt auch einen Hinweis auf eine Verlagerung der Sorgepflicht für Waisen vom Vater auf die 11 Die Monetarisierung des Brautguts scheint in Simbabwe sehr weit fortgeschritten zu sein; eine Berechnung von Brautgut-Kühen in Geld wäre z.B. in Nordkenia undenkbar (Schultz 1996:259). 135 Familie der Mutter. Diese Erscheinung zeigt sich heute immer mehr bei Aids-Waisen, aber auch bei Scheidungswaisen und nichtehelichen Kindern. Traditionell verblieben Kinder bei der Auflösung der Ehe durch Tod oder Scheidung bei ihrem Vater. Heutzutage wird ein nichteheliches Kind oft weitgehend allein von seiner Mutter aufgezogen, weil der Kindsvater es nicht als seines anerkennt. Viele nichteheliche Kinder werden auch bei den Eltern mütterlicherseits untergebracht, insbesondere wenn die Mutter eine neue Beziehung eingeht als Clan-Fremde werden diese Kinder nicht von einer neuen affinalen Familie der Frau akzeptiert (WLSA 1996 a:168 f). Hier wirken sich `traditionelle´ und `moderne´ Handlungsorientierungen gleichermaßen aus. In einem anderen Fall war der Bräutigam der Ansicht, der geschiedene Vater müsse die lobola erhalten, seine Braut war dagegen, mit der Begründung, dass sie von ihrer Mutter aufgezogen worden war. Der Bräutigam setzte sich durch und übergab die gesamte lobola an den Brautvater. Nachdem dieser der Aufforderung, die mombe yeumai an die Brautmutter zu übergeben, nicht nachkam, brach die weibliche Verwandtschaft der Herkunftsfamilie sämtliche Kontakte mit der jungverheirateten Frau ab. Jahre später, nachdem ihre Mutter nicht einmal zur Beerdigung des ersten Kindes der jungen Frau erschienen war, forderte diese ihren Mann auf, die entsprechende Brautgabe noch einmal an ihre Mutter zu übergeben: A: And I, and I and I, I, I, I told him " Do you know that now I have no relative, because of you. Nobody, nobody, nobody even loves me ...likes me to see me, nobody.... Even to suffer - I´ll suffer until I die, staying here - because the way happened to me was very very bad. I have nowhere to go to say `I have got so many problems....´ No-one!" | Q: Because your family was all angry with you? A:... was all angry with me. Ah? Just like an animal - so it hurt me, and I said "No, I won´t, I am no longer going anywhere! Even if this husband is going to beat me, I´ll die here, until I die!" And he said "Ah, it doesn´t matter. Later they will come. I know - they will come back later. I will pay the lobola and everything what they want, your mother - I am going to pay. I shall pay whatever she say - if she says: `I want how much money, I will fight and pay´" (Mud 1:11). Hier zeigt sich die große Bedeutung der lobola für die Wertschätzung der Frau in ihrer Herkunftsfamilie. Wenn die Ansprüche der Mutter nicht erfüllt werden, kann sie ihrer Tochter das weibliche Unterstützungsnetz in der Herkunftsfamilie entziehen, mit Folgen, die die Tochter drastisch als Abgleiten auf das Dasein eines Tieres, d.h. Ausschluss aus der menschlichen Gemeinschaft, beschreibt. Darin zeigt sich, dass die lobola neben ihrer Funktion der Verbindung zweier Familien für die Frau selbst eine zentrale Bedeutung als Statussicherung in der agnaten Familie und Neuversicherung von Status in der affinalen Familie hat. 136 In diesem wie auch im nächsten Fall deuten sich Tendenzen der Individualisierung der Verantwortlichkeit für die lobola an, indem letztlich das Brautpaar die ehemals verwandtschaftlichen Verpflichtungen übernimmt und dadurch in seiner Handlungsfreiheit behindert wird. Konkret war im folgenden Fall besonders die Frau von dieser Regelung belastet: Für ihre voreheliche Schwangerschaft war eine Entschädigung (damage) an die Brauteltern zu leisten, und die Schwangerschaft selbst verhinderte ihre Berufsausbildung: You see it was difficult for him to pay all these damages and what and still paying for my fees. Because when I was doing this corresponding (Kurs) I was paying for myself. Working and earning the little money I had I was paying for myself. So when I get pregnant I stopped working. Now I was relying on him and now he had two burdens, to look after the pregnancy and to pay for my parents´ lobola. ...I think it´s only existing from culture, but when the damages are paid at least I was the one who was spoiled now. I couldn´t do my education and all that. I think they should consider that and think about this child, the one who has been spoiled, my future. Usually it gives you a bad start because your husband will be in tight bills for something which you all contributed. They really won´t understand what you are saying. They said "We looked after this child and all that". But the boy was looked after and may be he was looking after his parents and now he has this girl she is pregnant, he also stops looking after his parents as well. And to make life easier the parents should say "Okay now you two you have started your life, you start your life and tell us when you are better" and then it may give us a better start. But if they don´t do that I think it all results in flopping. Usually sometimes these men they think of leaving you because he will say "well I can´t marry her, I better excuse myself". So I think these are the reasons but when there is love you just struggle the two of you, you struggle until you break through (Mur 1:2). In Fällen wie diesem wird die Tendenz einer Individualisierung der lobola und einer Einschränkung der Bedeutung der Heirat als Verbindung zweier Familien deutlich, die zu einer Überlastung der Einzelnen und zu dem Zusammenbruch der sozialen Sicherheit führen kann. Die Fälle von verlassenen ledigen Müttern, deren männliche Partner sich der Verantwortung entziehen, sind zahlreich: An fast jedem Gemeindezentrum existieren Gruppen von jungen ledigen Müttern mit bis zu zwanzig Teilnehmerinnen, und dies ist sicher nur die Spitze des Eisbergs. Ein weiterer Grund für den möglichen Zusammenbruch des lobola-Systems ist die Tendenz zur Venalität (Elwert 1987) i.S. von Bereicherung der Brauteltern, unter Umständen auch auf Kosten der Tochter: Mai Nyasha: And you find some mothers, even I can blame mothers as well because you find she has got Annie here. Mai Annie: My daughter. Mai Nyasha: She can encourage Annie to go and buy contraceptives, which is very bad. 137 Mai Annie: To prevent what? And tell her that such and such sugar daddy is better than Mr. Nhingi, you see. Mai Nyasha: Which is very bad - a mother should not discuss such things with her daughter in our culture. But nowadays it´s common. I can talk to Nyasha „I want you to be loved by that man„ myself. Because of business. They want money. Mai Annie: Some are paying colour TVs for lobola these days, do you know that? But long back there wasn´t anything like that, but these days some parents can even charge fifteen, sixteen, seventeen thousand, to marry a daughter. Mai Nyasha: Ya ya eh what if that man is poor but he is a loving man? Mai Annie: And if I was a president I was going to change this system of lobola. More stuff to the mother because the mother is the one who carries more work on the child (Nya/Naz 1:23). Wahrscheinlich haben Eltern immer darauf geachtet, dass ihre Töchter eine `gute Partie´ machten, und traditionell hatten sie großen Einfluss auf die Heiratswahl ihrer Kinder. In der Schilderung der Gesprächspartnerinnen wird neben dem strategischen Einsatz vorehelicher Sexualität auch die Höhe der lobola als Traditionsverstoß bewertet. Heutzutage wird lobola bis zu einer Höhe von Z $ 20.000 verlangt (ZWRCN 1996:8). Solch hohe Forderungen werden oft mit den Ausgaben für eine höhere Bildung der Tochter begründet. Die Forderung nach einer Gesetzesänderung zur Erhöhung des Anteils der lobola für die Mutter wird aber auch mit der Arbeitsleistung der Frau in der Erziehung begründet. Auch darin verbirgt sich letztlich eine gedankliche Monetarisierung des Konzepts von lobola. Die lobola und ihr Wandel hat erhebliche Folgen für die Erwartungen, denen sich die Braut in der affinalen Familie, aber auch in ihrer Herkunftsfamilie gegenübersieht, wie im folgenden gezeigt wird. Die damit verbundenen Bedeutungen, Rechte und Pflichten werden in der Gesellschaft heftig und kontrovers diskutiert. Obwohl Frauen die Interpretation der lobola als Brautpreis i. S. von `Kauf´ aller Rechte an einer Person/Frau und ihrer daraus abgeleiteten Unterordnung in einer hierarchischen Geschlechterbeziehung meist ablehnen, betrachten auch sie die lobola als notwendiges Unterpfand einer Verbindung. Neben der darin manifestierten Anerkennung und Wertschätzung der Frau durch die affinale Familie wird die lobola von Frauen als Versicherung affinaler Ressourcenzugänge und als Schutz gegen allzu leichtfertige Aufkündigung der Beziehung betrachtet. Im Hinblick auf die Herkunftsfamilie sichert die lobola die Wertschätzung der Tochter und ihre schützende Einbindung in weibliche Netzwerke, die nicht nur in Krisenzeiten wichtig sind. Auf der anderen Seite wird durch die lobola die Frau dazu verpflichtet, ihre biologische Reproduktionsleistung ausschließlich in den Dienst der affinalen Familie zu stellen. Reproduktive Entscheidungsfreiheit in Bezug auf Familienplanung ist damit eingeschränkt. Zur Sicherung ihres Verbleibs in der Familie kann die Frau im Falle der Unfruchtbarkeit des Mannes mit seinem Bruder Kinder zeugen. Außereheliche sexuelle Beziehungen sind der Frau, im Gegensatz zum Mann, untersagt. 138 Sexuelle Verfügbarkeit und sexuelle Gewalt werden von Männern mit dem durch die lobola `erkauften Recht´12 legitimiert (Armstrong 1997:80). Über die Arbeitsverpflichtung der Frau in der affinalen Familie wurde schon im vorigen Kapitel ausführlich berichtet. In ihr dokumentiert sich ihr Status als angeheiratetes Familienmitglied. Aus der Sichtweise traditionell denkender Familien kann diese Arbeitsverpflichtung nicht durch geldliche Unterstützung aus Arbeitseinkommen der Frau ersetzt werden, denn eine Erwerbstätigkeit der Frau gilt vielen als nicht akzeptabel. In 1984, when I get back from this first born of mine, named Sekai, I couldn´t get back to work, because she is a ...... Well, I couldn´t leave her alone - she was not normal born - I had to be put on a cesarian section - then after that I couldn´t recover quickly so fast. It had taken me for six months, so that they (ihre Arbeitgeber) said "When you are better you can come and work" - but you know in our African custom, my relatives - my husband´s relatives they didn´t want me to work any longer. They said "She must come home and stay in the rural area to show us that she is a married woman." So I had to go to Goromonzi where my husband lives. I stayed there for two years (Ton 1:1 f). In diesem Fall dient die lobola als Argument dafür, der Frau eine eigene Erwerbstätigkeit fortan zu verweigern. Ganz im Gegensatz dazu kann die Gabe von Heiratsgut aber auch als Legitimitation für die zunehmende Verpflichtung von Frauen zur Erwerbsarbeit dienen, wie Frey-Nakonz aus Benin berichtet (1982:204). Daran zeigt sich, dass je nach wirtschaftlichen Umständen und familiären Interessen die Bedeutung einer kulturellen Praxis wie des Brautguts unterschiedlich konstruiert werden kann. In Simbabwe ist die Erwartung an Frauen, in der Landwirtschaft der affinalen Verwandtschaft mitzuarbeiten, nach wie vor weit verbreitet. Frauen, die in der Stadt leben und arbeiten, nutzen Besuche auf dem Lande, um dort mitzuarbeiten und ihre landwirtschaftlichen Kompetenzen unter Beweis zu stellen. Damit versichern sie sich der Wertschätzung der affinalen Verwandtschaft, die oft einem dauernden Aufenthalt der Frau in der Stadt kritisch gegenübersteht. Yes! I have got to help them. If you go home you can just show them that you... you still have power to plough and you should help them. Ya I can plough, even herding goats if I go home I can herd, even cattle - I can herd cattle if I go home (Naz 1:4). 12 Nach Angaben aus der Studie von Armstrong über Gewalt gegen Frauen waren 36 % aus dem Sample von geschlagenen Frauen von Ehemännern zu Sex gezwungen worden. Zur Illustration nur ein Zitat aus einer Reihe anderer: "Yes, he forces me to have sex many times. After quarrelling, while I am swollen, he wants to have intercourse and I say how can I enjoy it when I am like this and he says you forget that I have paid lobola and he forces me." (Armstrong 1997:80) 139 Andere Frauen versuchen, sich solchen Verpflichtungen zu entziehen oder sie auf ein symbolisches Mindestmaß zu beschränken. Allerdings wird das nicht in allen Familien akzeptiert und kann zu Konflikten führen, wie später gezeigt wird. Trotz oder gerade wegen strikter Exogamie gibt es traditionelle Vorkehrungen, die auch heute noch die Sicherheit der verheirateten Frau in ihrer affinalen Familie durch die Kontrolle von Seiten der Herkunftsfamilie garantieren sollen. Dazu gehören die Informationspflichten der affinalen Familie gegenüber der Herkunftsfamilie der Frau im Falle von Krankheit: Even if my mother is ill we have to consult them. Yes even if last year my mother went for an operation we have to consult her relatives first. Tell them that "Your daughter is going for operation". Because you will be in trouble if she goes for an operation and dies. They will blame you: "You just took our daughter for an operation and you never told us". Then it will be a very big problem, so you have to associate with them so that whenever problem comes, you will be in good books with them. You have to tell them everything that is happening to our mother. It´s just like my kids here they have to associate with my brothers and my sisters as well. So that when something goes wrong on me they just go straight and tell them. Yes, they must know, we must be in line with them. So that if something happens they say "No, the kid told us. We know everything, it has been going on for a long time" - so it´s quite nice if you go hand in hand with them (Nya 1:17). Dies zeigt, dass die Frau auch nach der Heirat noch mit ihrer Herkunftsfamilie verbunden bleibt und dass ihre Situation in der affinalen Familie auch der sozialen Kontrolle ihrer Herkunftsfamilie unterliegt. Im Fall von Konflikten zwischen Frau und Mann wendet diese sich allerdings erst um Rat an den älteren Bruder ihres Mannes; ihre Herkunftsfamilie wird zwar informiert, aber mischt sich nur im äußersten Notfall ein. Auch hier fungiert die Institution der lobola als soziales Druckmittel: Theoretisch sind nämlich die Eltern der Frau beim Scheitern einer Ehe zur Rückzahlung der lobola verpflichtet, und um dies zu vermeiden, werden manche ihren Töchtern eher zum Ausharren in einer unglücklichen Beziehung raten.13 Im Todesfall ist es Pflicht der Herkunftsfamilie der Frau, die Beerdigung in ihrem Heimatdorf durchzuführen. Diese Pflicht hat sich im Fall des Konflikts mit der affinalen Familie in ein Druckmittel umgekehrt: Eltern, die dem Schwiegersohn und seiner Familie schlechte Behandlung ihrer Tochter vorwerfen, weigern sich, die Beerdigung durchzuführen. Solange die Bestattung unterbleibt, befürchtet die Familie des Mannes eine Bedrohung durch den Geist der Verstorbenen. 13 "He hits me usually on month-end. I ask about money for food and he hits me - every month.... Why don´t I leave? I am afraid of my parents´ `law. They wouldn´t allow me to go to them saying I no longer love him because they have got the lobola" (Armstrong 1997:46). 140 Die starke Betonung des Fremden-Status der Frau in ihrer affinalen Familie lässt erwarten, dass ihre relative Integration und Akzeptanz mit großem Engagement erarbeitet werden muss. Dies ist insbesondere auch wichtig in Bezug auf ihre Integration in weibliche Verwandtschaftsnetzwerke. Als Angeheiratete steht die Frau in der internen Hierarchie der affinalen Familie zunächst ganz unten gegenüber der Schwiegermutter, aber auch gegenüber den anderen angeheirateten Frauen, z.B. der Brüder des Mannes (ZWRCN 1996:9). Im folgenden erklärt eine Frau, wie sie diese Situation für sich neu definiert und dabei aktiv an einem Aufbau guter verwandtschaftlicher Beziehungen, insbesondere zu iher Schwiegermutter, arbeitet : When I am in Nya´s family (Familie des Mannes) I belong there I have to be engaged to work hand in hand with them. Just as I do to my mother. Who do I think can buy tennis shoes for my mother if I don´t. You see. I have to do something for my motherin-law - she is just as good as my mum. So I have to be in good books with her. Not to blame her on whatsoever, even if she does something wrong I don´t have to provoke and I don´t have to pinpoint her. Yes you don´t have to do that, I have to talk to her nicely. Because like my mother-in-law is very old. Yes, I have to talk to her nicely and I don´t have to be very harsh with her. I have to treat her like my mother. Because like myself I won´t be happy if I find my sister-in-law, my brother´s wife provoking my mother and talking bad words to my mother. Would I be interested ? I won´t be - so I must treat my mother-in-law the same (Nya 1:18). Indem sie ihre Schwiegermutter auf die gleiche Stufe wie ihre Mutter stellt, integriert sie sich selbst in die affinale Familie und verbessert dadurch ihre Akzeptanz dort. Wichtig ist dabei, dass sie der Schwiegermutter gegenüber den gleichen Respekt zeigt wie ihrer eigenen Mutter. Gleiches fordert sie in ihrer Herkunftsfamilie auch von ihren Schwägerinnen, den Frauen ihrer Brüder. Die Unterordnung der Frau in der affinalen Familie wird aufgewogen durch ihre machtvollere Stellung gegenüber anderen angeheirateten Frauen in ihrer Herkunftsfamilie. Die hierarchischen Strukturen, aber auch die Möglichkeiten von Kooperation, die sie aus ihrer Herkunftsfamilie aus der Perspektive der Dazugehörigen kennt, findet sie in der affinalen Familie spiegelbildlich in der Rolle der Fremden wieder. 5.3 Konflikte in der Verwandtschaft: "If you don´t send them some sugar, soap and the like, they just say you are the one who is eating the husband´s money - that is our culture" What they are telling me in our Shona culture is, if I can´t produce anything from here to send home they will say "No, she must move because she gave us nothing". They don´t want a person who has got no money. That is our Shona culture, you have got to look after your mother-in-law, father-in-law. But the husband he is okay, the problem is to the wife. Because you are the one who eats the money you are the one who spends the money. Because if you don´t send them some sugar, soap and the like, they 141 just say you are the one who is eating the husband´s money - that is our culture - but if you send them, ah, there is no problem. But where can I get the money? I am not working and my husband is not working. So where can I get the money? Without any month end for me when I can say I am going to get $ 1000, so $ 200 to $ 300 I must send to mother. We get $ 200, $ 300, rent needs that and some clothes for the children, they will be looking up to you, so how can I get the money to send there? Our culture is so bad. But some of them they are poor you see like mine, they are poor, they deserve something from their sons. And if you don´t have anything to give them so that´s where starts the big hatrage with them. Q:With the wives or the son? A:With the wife, that´s why I was telling you that in our culture they don´t blame their sons, they blame the wives, I don´t know, they blame the wife, even my children they blame the wife. But their sons they don´t blame, they say "Before he married he used to do this and that and when he got married he can´t offer anything" (Ton 3:8). In Shona culture - if you are a married woman like this, I ought to help at my husband´s parents, that´s where I belong to, and that´s where I have to help. But they don´t want you to help your parents any more - they say "You are here forever" - even to go and see your parents, they don´t want that. They say "So you can go there once there is a funeral or something" (Ton 1:10). Konflikte mit der Verwandtschaft entzünden sich an der Frage der Arbeitsverpflichtung gegenüber der affinalen wie auch der agnaten Verwandtschaft. Die Verpflichtungen der Schwiegertochter gegenüber ihrer affinalen Verwandtschaft beziehen sich auf Unterstützung mit Geld und/oder Gütern, d.h. Lebensmitteln, Arbeitsleistungen in der Landwirtschaft ku musha und bei Familienfeierlichkeiten wie z.B. Beerdigungen, und Übernahme von Pflegeund Versorgungsleistungen für Kinder oder ältere Personen. Gleichzeitig beanspruchen Teile ihrer Herkunftsfamilie materielle Unterstützung und Versorgungsleistungen. Die Verpflichtungen der Frau scheinen im gesellschaftlichen Diskurs umstritten zu sein: Die affinale Familie behauptet, die Frau habe ausschließlich oder hauptsächlich Verpflichtungen ihr gegenüber, die durch die Gabe der lobola legitimiert werden, und betrachtet ihre Verpflichtungen gegenüber ihrer Herkunftsfamilie durch die Übergabe der lobola als abgegolten. Dies weist auf eine Verkürzung der Bedeutung von lobola in Richtung `Brautkauf´ in der Gesellschaft hin. Die Herkunftsfamilie sieht ihre Ansprüche an Hilfs- und Versorgungsleistungen durch ihre Tochter als nicht mit der Heirat beendet an. Auch die Töchter haben ein Interesse, sich durch Unterstützungsleistungen an die Herkunftsfamilie den Zugang zu den verwandtschaftlichen Netzwerken und zum heimatlichen Zuhause offenzuhalten, besonders wenn sie als mutorwa (Fremde) in der affinalen Familie noch keine neuen Unterstützungsnetzwerke aufgebaut haben. Der Dissens über die Ansprüche auf die Produktivität der Frauen wird konkret vor allem über ihre Hilfsverpflichtungen ausgetragen.14 14 Möglicherweise ist dieser Eindruck auch meiner geschlechtsspezifischen Auswahl der Interviewpartnerinnen zu schulden - Ich hatte keine Gelegenheit, auch die Sichtweise der Männer zum Thema einzuholen. 142 Die Möglichkeiten zur Abgeltung von Unterstützungsleistungen in monetärer Form sind geschlechtsspezifisch ungleich verteilt. Wenn Frauen erwerbstätig sind, ersetzen sie ihre Arbeitsverpflichtung durch Bezahlung von Ersatzarbeitskräften, um selbst ihr Gewerbe weiter betreiben zu können. Da eine Erwerbstätigkeit der Frau, zumal im Kleingewerbe, aber meist weniger sichtbare Erträge einbringt und gesellschaftlich geringer bewertet wird als die Arbeit des Mannes in einer festen Anstellung, sind ihre Möglichkeiten, sich der persönlichen Arbeitsleistung zu entziehen, geringer. Aber selbst eine feste Anstellung der Frau hindert ihre affinale Verwandtschaft nicht unbedingt, Arbeitsaufenthalte auf dem Lande zu verlangen (vgl. Ton 1:1f, Kap. 5.2). Weigert sie sich, so wird wenigstens monetärer Ersatz erwartet. Diese Ablösung von direkten Arbeitsleistungen durch Geldzahlungen kann als Hinweis auf eine Lockerung der Affinalbeziehungen gewertet werden (Frey-Nakonz 1984:176). Im Alltag deutet sich eine Verschärfung dieser Tendenz darin an, dass Frauen von einer Verringerung ihrer Besuche sowohl bei agnaten als auch bei affinalen Verwandten auf dem Lande berichten, und zwar häufig explizit mit der Begründung, nicht genug Geld für die von der Verwandtschaft erwarteten Gaben aufbringen zu können. Die Regeln, so wie sie mir von Informantinnen dargestellt wurden, deuten auf eine sehr ungleiche Belastung der Geschlechter in Bezug auf die Erwartungen der Verwandtschaft hin: Die Verpflichtungen des Mannes gegenüber der Familie seiner Frau scheinen nicht eindeutig festgelegt, die gegenüber seiner Herkunftsfamilie gering oder gar nicht vorhanden15, während die Frau sich von beiden Verwandtschaftslinien beansprucht sieht. Nach Ergebnissen der Familienstudie von WLSA sind Töchter auch im Vergleich zu ihren Brüdern in der sozialen Sicherung ihrer Eltern stärker engagiert - dass die Männer mehr in die Unterstützung der Familie der Frau als in die eigene Herkunftsfamilie investieren, bestätigt sich in meinen Daten allerdings nicht (WLSA 1997a:159). Einige Interviewpartnerinnen behaupteten, die Verpflichtungen des Mannes hätten sich verringert, andere wiederum meinten, sie seien äquivalent zu den ihren in der Verwandtschaft des Mannes. Der Mann, zumindest wenn er einer der älteren Söhne in seiner Familie ist, hat auch Fürsorgepflichten für seine Eltern und Geschwister zu erfüllen; Arbeits- und Pflegeleistungen außerhalb der finanziellen Verpflichtungen werden allerdings eher von seiner Frau erwartet und geleistet. Even on that money problem you will find them if my ... someone of my family member dies. You find a husband doesn´t go there to make condolence with his inlaws. You have to go and be together with your in-laws. But if someone at his home dies, I will go and work, as I was telling you earlier on. That I will work like a servant at a funeral. But at my place it´s different, you see. He should go, if it is home he should do the wood cutting. Even the cooking he is supposed to help: The sons-in-law should help my family whenever someone in my family passed away. He should (!), he is supposed to help - but nowadays some of them say "I work for a good company I 15 Allerdings berichtet eine Frau in diesem Zusammenhang, dass ihr Mann seinem Bruder regelmäßig mehrere hundert Dollar gibt. Dies widerspricht aber nicht ihrer Wahrnehmung einer einseitigen Belastung, denn sie sieht sich als diejenige, die die Haushaltslücken stopfen muss. 143 have got a lot of money. So I can´t do that" so you see. It´s very unfair, it´s very unfair if you can just think of it. So I - some of the law should be looked at seriously. Because we women are suffering, mostly (Nya 1:24). Männer scheinen ihre Erwerbstätigkeit als Statusaufwertung wahrzunehmen und begründen damit ihr Recht auf Freistellung von Arbeitsleistungen. Selbst wenn sie im informellen Sektor tätig sind, wird ihre Arbeit höher bewertet, und eine Monetarisierung ihrer verwandtschaftlichen Verpflichtungen wird eher toleriert als bei einer Frau. Eine Frau darf nur dann ihre Herkunftsfamilie unterstützen, wenn sie selbst Geld verdient, aber nicht etwa mit dem Geld ihres Mannes. Dies ist einer der Kernpunkte der Auseinandersetzungen über die Verwendung von Haushaltsressourcen. Die Interessen der Verwandtschaft werden stellvertretend von den Ehepartnern ausgehandelt; beide handeln als Vertreter ihrer Familien, die Ansprüche auf Unterstützung anmelden und Ansprüche der Gegenseite versuchen abzuwehren. Ya - you know it was like - when I got married - ha! you could see my siblings coming to me "Oh, we don´t have anything - we don´t have this..." My husband didn´t mind actually - if he had money, he would give me to help my family. Ya - for that I don´t blame him. But my in-laws, if they realised that this child who has come here wants money, she (ihre Schwägerin) started complaining: "You think you need money from her - where do you think she works? Does she work?" (Chik 1:4). Aber auch im Falle einer Erwerbstätigkeit muss eine Frau befürchten, über ihr Einkommen nicht selbst entscheiden zu können bzw. mit einer ausschließlichen Verpflichtung gegenüber der affinalen Familie und Ausgrenzung der Herkunftsfamilie konfrontiert zu werden. Um dies zu vermeiden, schließen manche Frauen eine wirtschaftliche Kooperation mit ihren Männern aus: If I include him in my business, he will next ask me to give money to his mother (Dor, field notes 23.9.97). In anderen Fällen verwenden Frauen die Strategie der heimlichen Umwidmung von Haushaltsgeld, um ihrer Herkunftsfamilie etwas zukommen zu lassen: May be the husband doesn´t get enough money to support two families. His family won´t come out to support two families, may be he will say, if you say "Give me the money, I want to send to my mother"- seeing that I (he) cannot afford to give you the money - he will say "When we get the money we shall send her" - and then she is not satisfied, picks up the money and sends to her mother without the knowledge of the husband. That´s where the trouble starts. But if you come out openly, saying "What can we do - you know, things are very expensive these days... Let´s do this, let´s do this - I am earning 500, you are earning 500 - let´s put the money together and share 144 ideas." If you talk to him nicely, may be - I think you can come up to a good conclusion. But some women don´t want to say it out - they are afraid. You might be afraid of someone who might help you nicely - but most of our African women - they are afraid of our husbands, most of them (Dun 1:20). Auch in dieser Aussage wird deutlich, dass Unterstützungsleistungen der Frau für ihre Herkunftsfamilie durchaus nicht einhellig abgelehnt werden, und dass es Aushandlungsstrategien gibt, die Frauen zur Unterstützung ihrer Herkunftsfamilie nutzen. Bei starkem Druck lösen sie das Dilemma, zwischen den Erwartungen der Verwandtschaft auf beiden Seiten zu stehen, durch eine Strategie der heimlichen Unterstützung ihrer Herkunftsfamilie. Über die Verpflichtung von Frauen, auf dem Land der Schwiegereltern zu arbeiten und/oder die Felder des Mannes zu bestellen, wurde schon im Kapitel zur Subsistenzproduktion berichtet. Dies ist Thema von Aushandlungsprozessen mit dem Ehemann sowie auch mit Schwiegereltern und Schwägerinnen, die auf dem Lande leben. Traditionell steht die jüngste Schwiegertochter in der Hierarchie unter den anderen angeheirateten Frauen und unter den blutsverwandten Frauen der Familie. Dies drückt sich auch in der Arbeitsteilung bei Familienzeremonien wie z.B. Beerdigungen aus, bei denen die Schwiegertöchter der Familie die gesamte Bewirtung der Gäste übernehmen: Oh! We work like servants you know. Ah it´s a terrible thing, you have to work, to cook the food for the people. You know people can gather up to five hundred people at a funeral - so you have to cook for them. May be you will be four to five daughters-inlaw to work. Just imagine to cook for fivehundred people, can you imagine to cook sadza in a big drum like this. Yes, cooking sadza and they kill cattle and you have to cook the meat and find vegetables and do the cooking and find the water, giving them bath. Just imagine - it´s a very big problem in our culture, in that if you are a daughter-in-law you have to work. You can imagine you spend up the whole day working (Nya 1:20). Auch bei landwirtschaftlicher Arbeit ist die Arbeitsbelastung unter den Frauen offenbar ungleich verteilt: May be you wake up at five. You go to the fields, all of you do the weeding and ploughing and whatever is needed in the field. When you come back at twelve you break, all of you break - and the other ones you will find them sleeping at the shade of the tree. Whilst you start going to search for the water making the fire and cooking for them. At two you are going back at the fields and you will end up, that day you will be tired and you can´t even talk because you will be tired you know. For the others - ya fetching the firewood and getting water for them to bath, and ah! You went back in the field and break at four, you start cooking for the supper. You ! the same very person ah! Its a very big labour. It´s hard labours for the daughters-in-law. I don´t know how 145 can they change that thing. It should be changed. So it´s, I don´t know how, why they treat a muroora like that.... So it´s luck because we are working in Harare, so we don´t have most time in the rural areas. We have to spend just two three days and come back to town (Nya 1:20). Ebenso wie Männer, die ihre Arbeitsverpflichtungen zunehmend in geldliche Unterstützung umwandeln, entwickeln Frauen mit Zugang zu eigenem Einkommen Strategien, sich der ungleichen Arbeitsbelastung zu entziehen oder sie umzuverteilen. Einige versuchen, sich Arbeitsaufenthalten auf dem Lande zu verweigern, z.B. mit dem Verweis auf ihre Haus- und Familienarbeit in der Stadt. Frauen, die in der Stadt Marktproduktion betreiben und Geld erwirtschaften, nutzen auch diese Tätigkeiten als Begründung für ihre Unabkömmlichkeit. Darüber hinaus verfügen sie über Finanzmittel, mit denen sie Arbeitskräfte für landwirtschaftliche Tätigkeiten und Versorgung der Schwiegereltern anstellen können: That is how we help them because if I go to ku musha and start weeding, planting and the like, who will be doing the sewing? That´s where I get my money so I don´t have to go and stay three four days at home (Nya 1:19). Die Kosten-Nutzen-Argumentation dieser Frau hat sich offenbar gegen die kulturelle Verpflichtung zum Arbeitseinsatz durchgesetzt; gleichzeitig weist sie auf eine Tendenz zur Monetarisierung sozialer Sicherungsleistungen für die ältere Generation hin. Die Bezahlung von Hilfskräften für die Eltern ist, neben der unbezahlten Arbeit von Schwägerinnen oder unverheirateten Mädchen, eine Form der innerfamiliären Alterssicherung. Die Bezahlung von landwirtschaftlicher Arbeitskraft anstelle von eigener Arbeit kann jedoch auch zu Konflikten mit Schwägerinnen auf dem Lande führen, die diese Verlagerung der Arbeitsteilung neidvoll betrachten, weil sie darin eine ungerechtfertigte Besserstellung der in der Stadt lebenden Frau oder eine Umkehrung der Hierarchie zwischen Schwägerinnen sehen: I know - from the people which I take to work for me - They can tell me that „Your maiguru (Schwägerin) is saying that `No, you don´t have to work for them - where are they - you can´t do the job, while she is sitting - she thinks she is special - she thinks she can sit in town, while you are doing the job for her´“...Jealousy is a difficult thing, (lacht) but I am using my brain, so that if I am here, if I go home and bring these things for the people to work for me it will help me. Then these people don´t like this they say "No, she thinks she is special, that she thinks she can´t come to the rural areas and stay for long, while she is cultivating on her own." No, I say, the problem is, I can go to the rural area and do the job for me - now I am one, I have got several children to do good things, I have to find someone to help me, so that I reap a lumpsum. So even relatives they are jealous - they don´t want to see you making money (Mat 1:11). In diesem Fall geht es nicht um eine Monetarisierung von Unterstützungsleistungen an die Verwandtschaft, sondern um den Einbezug der landwirtschaftlichen Produktion in die Markt- 146 wirtschaft. Die Informantin nutzt, wie viele andere Frauen, die in der Stadt leben, Felder ihres Mannes zur Subsistenz- und Marktproduktion. Mit ihrer marktwirtschaftlichen Handlungsorientierung gerät sie in Gegensatz zu den Interessen der ländlichen Verwandtschaft. Ihre Aussage über den Neid auf sozial und wirtschaftlich aufstrebende Verwandte verweist auf die Verpflichtung zur Umverteilung von akkumuliertem Besitz. Ein Kompromiss durch Integration der Verwandten kommt kaum in Frage, denn auch dann sind Auseinandersetzungen über die Verteilung zu erwarten. Hinter dem Anspruch der Verwandten, besser als üblich bezahlt zu werden oder bei Einkäufen Rabatt zu bekommen, steht das „Händlerdilemma„ (Evers 1994), das in dem Gegensatz zwischen individuellen Geschäftsinteressen und Verpflichtungen gegenüber der Verwandtschaft besteht. Dies führt bei vielen Kleinbetrieben zum Verlust des Geschäftskapitals durch erzwungene Umverteilung an die Verwandtschaft. Ein weiteres Problem ist die mangelnde Kontroll- und Sanktionsmöglichkeit gegenüber Verwandten, die sich im Familienbetrieb unberechtigt bereichern könnten; eine polizeiliche Verfolgung würde in einem solchen Fall den Gesetzen der Familiensolidarität widersprechen. Dies erklärt jedenfalls eine Frau, die mit ihrem Mann einen Lebensmittelladen auf dem Lande betreibt: Um, a relative is a problem ya because here in Zimbabwe if a relative works for you when you get - you get your business get well then the mother or some relatives say "This boy is working hard they are giving him very little money." So what can you decide to those people who is working for you so that they will be some queries. Ah it´s very difficult for a relative ...Ah may be you can get an outsider so that when you get misunderstandings you can say "leave the job" then he goes. May be you can go to the police if there is a special case then he will get arrested - to the relative you can´t do that. Because you will get grudges (L 1:7). Ein weiterer Kristallisationspunkt verwandtschaftlicher Aushandlungsprozesse ist der Erbschaftsfall16, der auch zu Konkurrenz mit Schwägerinnen über die gemeinsam mit dem Mann erwirtschafteten Güter führen kann. Die traditionelle Regelung, nach der ein Bruder des Verstorbenen als Erbschaftsverwalter für die Witwe und ihre Kinder eingesetzt wurde, hat sich in "property grabbing" verkehrt: In der Tageszeitung wird immer wieder von Fällen der völligen Enteignung von Witwen und Kinder durch die affinalen Verwandten berichtet. Dahinter verbirgt sich allerdings auch ein Wandel der Bewertung von Witwen und Kindern: Wurden sie in der bäuerlichen Wirtschaft als zusätzliche Arbeitskräfte positiv bewertet, so zählen sie heute zumindest in der städtischen Gesellschaft als zusätzliche Esser. Ihre Versorgung wird zunehmend der individuellen Verantwortung des übriggebliebenen Elternteils zugeschoben (May 1987:81). Die Ergebnisse einer Erbschaftsstudie von WLSA (1992) wurden und werden in der breiten Öffentlichkeit, insbesondere unter Frauen, diskutiert. WLSA organisierte mit 16 Auch in der deutschen sozialwissenschaftlichen Frauenforschung ist der Erbschaftsfall unter geschlechtsspezifischer Perspektive erforscht worden. Eine Untersuchung konnte eine deutliche Benachteilung von Frauen bis in die jüngste Zeit nachweisen (Kosmann 1997). 147 finanzieller Unterstützung durch Organisationen der Entwicklungshilfe Informationsseminare für Frauen und war an der Entwicklung eines Gesetzentwurfs beteiligt, der teilweise inzwischen Eingang in die Reform des Erbschaftsrechts gefunden hat. Diese Kampagne hat dazu beigetragen, dass einige Firmen und Wohnungsbaugesellschaften inzwischen Vorkehrungen zum Schutz von Witwen getroffen haben. Sie übertragen die Eigentumsrechte am Haus und eventuelle Pensionsansprüche auf die Witwe, wie eine Interviewpartnerin berichtete (Mur 1:8). Problematisch bleibt weiterhin die Erbschaftsregelung im Falle von Polygynie: Hier liegen oft `traditionelle´ und `moderne´ zivile Heiratsformen vor, die juristisch unterschiedlich bewertet werden; das führt unter Umständen zu unauflösbaren Ungerechtigkeiten in der Verteilung der Erbmasse. Vermutlich misstrauen weiterhin viele Frauen einem, zumindest für zivilrechtlich Verheiratete, positiven Wandel der Gesetzgebung und seiner Durchsetzbarkeit, vor allem im Falle des eigenen Todes. Sie leben nach dem Prinzip „Was ich heute habe, kann mir keiner mehr nehmen„ und investieren, was sie haben, in ihr und ihrer Kinder Wohlbefinden: It´s better to eat my money. You know, at our tradional, if I die, my relatives they don´t think about my funeral, they only think about money. "She was doing this and this and this and this, so we want to see the money." I told them I am just eating my money, I am not banking or what, I am eating my money, that´s all. Because at the funeral they will fight saying "We want to know where is the money." They don´t think about the children, no, they think about to eat that money, so it´s better to eat it now. I want to eat my own money (Gruppeninterview Moyo Monyoro 1:13). Überlastungen des verwandtschaftlichen Netzwerkes können also verschiedene Gründe haben: Frauen sind mit Erwartungen sowohl von Seiten der agnaten wie von der affinalen Verwandtschaft konfrontiert, denen sie sich, da sie selbst auch Unterstützung brauchen, kaum entziehen können. Der Wandel der kulturellen Regelungen scheint sich häufig mit einer Erhöhung der Verpflichtungen und Verringerung der Wertschätzung weiblicher Arbeit besonders gegen Frauen zu richten. Das Gefälle im Lebensstandard zwischen Stadt und Land führt zu Unzufriedenheit und Neid bei der ländlichen Bevölkerung. Dazu kommt als Einschränkung der Handlungsmöglichkeiten die zunehmende Abhängigkeit von monetärem Einkommen, das mit der Entwicklung der Lebenshaltungskosten nicht Schritt hält. Am Endpunkt der zunehmenden Überlastung des verwandtschaftlichen Netzwerkes einer solchen Entwicklung kann seine Auflösung stehen: Yes, if you are poor, they don´t want to come close. Like what we are now. Our money is a little, that´s why I decided to go to the retail market (um dort einen Stand zu betreiben). So they just think ah we get nothing from there, so they do not want to come close to me (Cec 1:4). 148 Diese Äußerung kam von einer aus dem Netzwerk verwandtschaftlicher Hilfe ausgeschlossenen Frau - Positionen der Verweigerung von Hilfe sind eher selten einzufangen, da sie tabuisiert sind. Neben materiellen Gründen kann aber auch mangelnde Anerkennung von Leistungen, und damit die mangelnde Reziprozität von Hilfe, ein Motiv für die Aufkündigung von Unterstützung für die affinale Verwandtschaft bilden. Dies zeigt die folgende Aussage einer Frau, die in dem Interview ihrem Zorn über die versagte Anerkennung freien Lauf ließ, was in der sehr auf Selbstkontrolle und Höflichkeit orientierten Shona-Gesellschaft ungewöhnlich ist: Ah sure I am very angry, very very angry. Because you know in the family when you are doing something good (!) to them, it´s better to say thank you without giving anything, just thank you it´s a big thing. You know, you will be happy, no matter you are suffering what kind of suffering - but you will be happy because you know that, no, I am helping them. Ah they will say to me thank you, I must do this, I must do this - to build them you know to be together with the family. But when you are doing something to them, if they said "It´s not enough we want more, more than this", where can I get it? Where can I get these things, I will get nowhere, I don´t have. I give you which I have. If I don´t have I won´t give you, because I don´t have. Do you think that I can leave my children suffering with hungry and no eating, no putting clothes, no what and giving them? Could that be a good reason? People will laugh at me. Why why she is doing this, she takes all the things and gives to the mother-in-law, she leaves the children with hunger. It´s not good, but these days I must look for my children first. If I have got, I will give her. I don´t say I will not give her, I will give her but if I have got enough I will give her. If I don´t have enough I will not give her (Guf 1:5). Ein Motiv für auch unter großen Belastungen gegebene Hilfe ist die erwartete Anerkennung von Seiten der affinalen Familie. Werden immer neue Erwartungen ausgesprochen, ohne dass auch nur ein Wort des Dankes zurückgegeben wird, dann werden die verwandtschaftlichen Beziehungen nicht mehr als Austauschverhältnis, sondern als Ausbeutung wahrgenommen. 5.4 Familiäre Hilfesysteme zwischen Frauen: "So it´s part of helping me... so I try to help her with that little I have got" Analysen von Brautgut-Austausch tendieren wegen ihrer Fixierung auf die Beziehung zwischen Männern oft dazu, die durch den Austausch von Brautgut entstehenden gegenseitigen Verpflichtungen zwischen Frauen, sowohl in der agnaten wie in der affinalen Familie, zu übersehen. Wenn sozialpolitische Maßnahmen sich an Paarbeziehungen oder dem Haushalt als Primäreinheit orientieren (Brand/Mupedziswa/Gumbo 1995:171 ff; s.a. Kap. 7.1.2), gehen sie von verzerrten Annahmen über die Konstruktion sozialer Sicherheit im afrikanischen Verwandtschaftssystem aus. Die Armutsdiskurse in der internationalen Entwicklungspolitik, angeführt durch die Weltbank, setzen einseitig auf Problemlösungen 149 durch Wachstumsorientierung und Privatisierung der Wirtschaft, Effizienzsteigerung der sozialen Dienste durch Kostenbeteiligung der Bevölkerung, und auf ein minimales Sicherheitsnetz der Nahrungs- und Sozialhilfe für die ganz Armen. Ihre Orientierung auf Haushalte bzw. auf privatwirtschaftlich produzierende Individuen blendet die familialen weiblichen Unterstützungsnetzwerke aus, die gerade durch die Privatisierung von kollektiven Ressourcen zunehmend geschwächt werden. Die Reduzierung der Arbeit von Frauen auf einen Status als mithelfende Familienangehörige in der landwirtschaftlichen Marktproduktion und als Hausfrau in der städtischen Alleinverdienerehe subsummiert ihre reproduktiven und produktiven Tätigkeiten unter einen von einem Mann geleiteten Haushalt und macht sie damit unsichtbar. Durch die einseitige Programmorientierung auch der Entwicklungszusammenarbeit auf Männer als scheinbare Alleinernährer werden die wirtschaftlichen Handlungsfelder von Frauen unterminiert und ihre Kapazitäten der gegenseitigen Hilfe geschwächt. Dies ist eine umso riskantere Entwicklung, als in der zunehmend krisenhaften Wirtschaftsentwicklung auch Männer mit einem ehemals sicheren Einkommen im formalen Sektor ihren familiären Verpflichtungen immer weniger nachkommen können (Lachenmann 1997b:397ff). Die geschilderten Auseinandersetzungen über Hilfe- und Unterstützungserwartungen gegenüber Frauen in ihren affinalen und agnaten Familien weisen darauf hin, dass verwandtschaftliche Unterstützungsbeziehungen zwischen Frauen existieren und von Frauen aufgebaut und erhalten werden, auch wenn das oft zu Streit um Ressourcen und Überlastung führt. Welche Leistungen in diesen Beziehungen in der agnaten und in der affinalen Familie erbracht werden, soll im folgenden gezeigt werden. Unter Bedingungen der strikten Exogamie sind Bindungen zur Herkunftsfamilie wichtig für die Frau, die in ihrer affinalen Familie zunächst nur den Status einer Fremden, mutorwa, hat. In ihrer affinalen Familie darf sie weder ihren agnaten Totems-Namen noch ihren persönlichen Namen führen, sondern wird, allerdings erst nach der Geburt eines Kindes, mit dem Namen des Erstgeborenen z.B. als Mutter von Tendai - „Amai Tendai„ angesprochen. Ihr Status in der affinalen Familie ist erst einmal von Unterordnung geprägt, wie die Beschreibung des landwirtschaftlichen Arbeitsalltags einer Schwiegertochter zeigt. Es kann angenommen werden, dass dieser Status des Nie-ganz-Dazugehörens (bis hin zur eigenen Beerdigung, bei der die Frau ihrer Herkunftsfamilie zurückgegeben wird) auch dazu beiträgt, dass Frauen sich dagegen wehren, ihre Bindungen zur Herkunftsfamilie so weit aufzugeben, wie dies von der affinalen Familie in vielen Fällen gefordert zu werden scheint. Besondere Rückbeziehungen entstehen auch zwischen der Frau und dem Bruder, der ihre lobola für seine eigene Heirat verwendet (Kuper 1982). Nicht zuletzt ist die Herkunftsfamilie das Sicherheitsnetz, in das viele Frauen nach einer gescheiterten Ehe zurückkehren, oder in dem sie Kinder aus einer früheren Ehe unterbringen, die in einer neuen Beziehung nicht akzeptiert würden. 150 Im städtischen Kontext haben sich, unter dem Druck der ökonomischen Transformation und der Verschärfung sozialer Problemlagen durch die Aids-Pandemie, viele Institutionen der familialen Hilfe gewandelt. Schon früher bestand die `traditionelle´ Institution, Kinder eine Zeitlang bei Großmüttern zum beiderseitigen Nutzen in Pflege zu geben: Enkel konnten der Großmutter bei der Haus- und Feldarbeit zur Hand gehen und wurden nebenbei in Kultur und Tradition eingeführt. Mädchen erhielten und erhalten auch heute noch von ihren Großmüttern Kenntnisse in landwirtschaftlichen Techniken, in der Hauswirtschaft und anderen Elementen lokalen Wissens, die Aspekte der Sozialisation sind. Auch Teile der Sexualaufklärung werden den Enkeln von den Großeltern vermittelt. Im Zeichen der Aids-Pandemie nehmen Großmütter heute zentrale Funktionen der sozialen Sicherung von Aids-Waisen ein, deren Zahl in Zeitungsberichten schon 1996 mit 60.000 angegeben wird. Bei einem Besuch auf dem Lande traf ich eine Großmutter, die sechs Enkel von zwei verstorbenen Töchtern aufzog. Aber auch in der Stadt übernehmen Großmütter die Pflege- und Erziehungsarbeit an der jüngsten Generation dort, wo ihre Töchter durch Tod oder Scheidung ausfallen. Die gesellschaftliche Aufgabe der sozialen Absicherung von Waisen scheint sich von der paternalen auf die maternale Familie zu verlagern und wird durch die steigende Zahl von Scheidungswaisen und nichtehelichen Kindern erschwert. Eine staatliche Absicherung durch Witwen- und Waisenrenten steht nur den Familien zu, in denen jemand eine versicherungspflichtige Erwerbstätigkeit im formalen Sektor ausübte, und selbst dann wird den Hinterbliebenen häufig die Rente durch Angehörige des Mannes streitig gemacht. Das einzige Waisenhaus der Stadt Harare und das SOS-Kinderdorf können nur wenige Kinder aufnehmen. Die ansteigende Zahl der Straßenkinder, von denen viele Scheidungswaisen sind, weist darauf hin, dass dort, wo die familialen Sicherheitsnetze versagen, auch die staatliche Sozialpolitik nicht mehr als eine modernistische Fiktion ist.17 Ihre Dankbarkeit gegenüber der Großmutter, die sie und ihre vier Geschwister nach dem Tod ihrer Mutter unter schwierigsten Bedingungen in der Subsistenzlandwirtschaft aufgezogen hatte, formulierte eine Frau so: My grandmother is still alive and I love her very much. If I had money, I want to buy her an aeroplane (Naz 1:3). Die Übernahme von Leistungen in der Erziehung und Fürsorge von Kindern ist zentraler Inhalt der verwandtschaftlichen Netzwerke in der agnaten wie auch in der affinalen Familie. So berichtete eine Frau, dass sie zunächst die Waisen des Bruders ihres Mannes und später die ihres Bruders aufnahm. Ihr Mann ist Hausangestellter und nur ab und zu zuhause. So - after that my husband´s brother passed away and he left four children, two boys and two girls, I was looking after those children - and my brother also, who I told you was the first brother, passed away the same year with my mother, 1983, first my 17 Aus Berichten von Straßenkindern geht hervor, dass sie zusammen mit älteren Obdachlosen neue „Familien„ bilden und sich damit ein eigenes soziales Netz schaffen. Staatlicherseits erhoffen sie keine Hilfe, sondern berichten von Polizei-Razzien im Auftrag des Sozialamtes, bei denen ihre Squatter-Siedlungen zerstört wurden und sie selbst, nach einigen Tagen Haft, auf dem Lande ausgesetzt wurden (Bourdillon 1991: 25, 84 ff). 151 mother, then that guy, my brother. And all those children - I was looking after those children, because some were very very young. Like that girl over there (zeigt ein Foto) - I had a very very hard time because the mother also passed away. Yes, my muroora, the wife of my brother passed away again. And then I was looking after all that family. But by now, fortunately I am lucky - that boy who is standing by himself is married the other boy nearest to that small girl is married by now. So by now I am living with that girl who is wearing a white dress, next to the one who has got a red jersey. And that girl won´t even help herself. She is sick. She can´t even do anything to help herself. I am looking after her. (Cha 1:1) In solchen Fällen geht es nicht um einen unmittelbaren Austausch reziproker Unterstützungsleistungen zwischen Müttern und Töchtern bzw. Schwägerinnen, sondern um die Übernahme der Reproduktionsarbeit an der nächsten Generation. Damit arbeitet die Frau unmittelbar an der Erstellung der Alterssicherung für sich und ihren Mann, der aus seiner Tätigkeit als Hausangestellter in einem informellen Beschäftigungsverhältnis keine Rente zu erwarten hat. Von den Kindern kann sie im Alter finanzielle Unterstützung und Pflege erwarten. Dabei ist die soziale Sicherung einer Witwe allerdings immer noch prekär: Nach traditionellem Recht kann sie von ihrer affinalen Verwandtschaft zurück in ihre Herkunftsfamilie verwiesen werden. Nach moderner Rechtsprechung hat eine Witwe bei städtischem Wohneigentum das Recht, in den Vertrag ihres Mannes einzutreten, und auch in Resettlement Schemes erhalten Witwen neuerdings Land (WLSA 1997 a: 142, 150). Wieweit Witwen diese neuen Rechte für sich in Anspruch nehmen und gegen die Verwandtschaft durchsetzen können, ist allerdings die Frage. Aber auch die Frauen der jüngeren Generation übernehmen Verpflichtungen der sozialen Sicherung gegenüber ihren Eltern. Dazu gehören regelmäßige monatliche Geldsendungen für Arbeitskräfte, finanzielle Unterstützung für die Ausbildung jüngerer Geschwister, die auch als Entlastung der Eltern zu werten ist, und Geschenke bei Besuchen auf dem Lande. Das Standardpaket besteht aus Zucker, Salz, Seife, Speiseöl, Reis, Tee und kostete mindestens $ 60, ein Zehntel des monatlichen Lebensmittelbedarfs für eine vierköpfige Familie (Mundy 1995:61) - dazu kommen noch die Fahrtkosten, die bei großen Entfernungen leicht das Doppelte des Standardpakets betragen können. Unter solchen Kostenrelationen können die Mitbringsel eigentlich nur noch einen symbolischen Wert repräsentieren: Ya - a little bit of groceries, the little bit I could afford, soap, washing soap, sugar, flour to help with the bread, yes - mostly soap, and sugar, and salt - you know our everyday needs - and cooking oil (Chik 1:6). Ob die soziale Sicherung der Alten von der jungen Generation weiterhin aufrechterhalten werden kann, ist unter der Perspektive zunehmender Verarmung der Stadtbevölkerung fraglich. - Umgekehrt revanchieren sich die Eltern mit Subsistenzprodukten, insbesondere regionalen Obst- und Gemüsespezialitäten und mit Fleisch. Dasselbe gilt bei Besuchen in der 152 affinalen Familie, wobei dort für die Schwiegertochter noch die Arbeitsverpflichtung hinzukommt: When I am there at home, she doesn´t want to cook. She doesn´t want to cook. She will just say "Ah now my muroora she is here - so there is your kitchen" (Naz 1:7). Dass in den Berichten über Hilfe an die Eltern oft die Mutter erwähnt wird, ist teilweise in der geringeren Lebenserwartung der Väter begründet. Viele Töchter übernehmen aber auch Fürsorgepflichten ihrer Mutter gegenüber, die der Vater nach seinem Ausscheiden aus dem Arbeitsleben nicht mehr erfüllen kann: So I ....stopping (to pay) for my mother, it would be very complicated to do that. Sometimes you will find she has no shoes - as a daughter I must do something for my mother, because my father he has retired, he is not working so I have to help my mother in whatever she wants (Nya 1:23). Neben den Großmüttern, und wenn vorhanden, Müttern, spielen als nächste unmittelbare Kontaktpersonen die Schwestern, aber auch die Schwägerinnen einer Frau eine große Rolle. Dazu zählen sowohl die Frauen der eigenen Brüder als auch Frauen der Brüder des Mannes (Kap. 5.2). Dabei gibt es auch Fälle, in denen so etwas wie ein Betreuungs-Verhältnis aufgebaut wird. So berichtete eine Frau über die Frau ihres Bruders, die ihr mit Geld für den Haushalt aushilft, sich aber auch in die Haushaltsbudgetierung einmischt und ihren Bruder kritisiert: You know what she does if she comes here she will say "Have you got sugar?" If I say yes she will say "Let me see the sugar." If you say "Here is the sugar" she will keep quiet and say "Where are the tea leaves?" And she will say "No milk?" And I will tell her and she will say "Brother, where is the money?" And he will say "Ah aah." Sometimes she gives me $ 200 and says "Spend this money on buying the sugar and milk for the kids. Don´t buy your material, I know that you are keen on buying your material (Kleidungsstoff für Schneiderei) so you won´t get that money in time, go and buy what I said." You know she is good indeed. You know what I did this year. It was June but I tried to make a bedspread with patches you know those small small ones. I made a very nice one I put a lining and a frill and I gave to her as a present. Then I said "You are a mother to me I, have got five sisters-in-law. But out of five you are the only one who is thinking about me." She helps me much, that´s why I give her a present (Ton 2:18). Hier manifestiert sich wieder einmal die besondere "cattle-link"-Beziehung zwischen Bruder und seiner Schwester, deren lobola seine Heirat ermöglichte (Kuper 1982:26, 33), die der Schwester das Recht auf Eingriffe in seinen Haushalt ermöglicht. Diese nutzt ihr Recht zur Unterstützung ihrer Schwägerin, und zwar ausdrücklich nicht zur Investition in ihr Schneidereigewerbe, sondern für den täglichen Haushaltsbedarf. Dies weist darauf hin, dass selbst in 153 verwandtschaftliche Unterstützungssysteme Konzepte von Kleingewerbeförderung Einzug gehalten haben: Viele Frauen berichten, dass sie von wohlhabenderen Schwestern mit Kleinkrediten oder mit nichtrückzahlbaren Investitionen gefördert werden. In diesem Fall drang die Schwägerin allerdings darauf, zunächst einmal den Grundbedarf der Familie zu decken. Zum Dank näht die Beschenkte ihr eine Tagesdecke und nimmt damit trotz geringer Ressourcen die Handlungsmacht in Anspruch, als Partnerin in einem reziproken Austausch zu agieren. In solchen Lebenslagen am Rande der Verelendung zeigt sich die Bedeutung der sozialen Sicherung in weiblichen verwandtschaftlichen Netzwerken besonders drastisch. Der „cattle-link„ ist nicht nur Bruder-Schwester-Beziehung, sondern entwickelt sich im praktischen Alltag als besondere Beziehung zwischen der Frau des Bruders und ihrer Schwägerin. Dass diese Beziehungen von Frauen mit Schwägerinnen in verschiedenen Teilen Afrikas weit verbreitet sind, zeigt auch die Studie von Frey-Nakonz in Benin (1982). Insbesondere zwischen Frauen in der affinalen Familie ist allerdings auch dort der Austausch und die Zusammenarbeit, ob erzwungen oder freiwillig, stark. Die im vorherigen Kapitel dargestellte Mitarbeit der Schwägerin aus der Stadt bei der Landwirtschaft in der affinalen Familie gehört dazu. Dass sie in meiner Untersuchung als so problembeladen für die Städterinnen erscheint, lässt sich wahrscheinlich auf deren Perspektive zurückführen: Frauen, die es sozusagen `geschafft´ haben, der erheblichen Arbeitsbelastung auf dem Lande und den im Vergleich zum Stadtleben wenig attraktiven alltäglichen Lebensbedingungen dort zu entkommen, scheinen immer mehr zu versuchen, sich den ländlichen Arbeitsverpflichtungen zu entziehen. Wenn sie dabei statt ihrer eigenen Arbeitskraft auch noch bezahlte, und nicht zur Verwandtschaft gehörende, Arbeitskräfte als Stellvertreter einsetzen, stößt eine solche Monetarisierung und Individualisierung landwirtschaftlicher Zugangsrechte auf Kritik von Seiten der ländlichen Verwandtschaft. Trotz vieler Hinweise auf funktionierende Austausch- und Unterstützungssysteme zwischen Stadt und Land, insbesondere in der weiblich dominierten Subsistenzwirtschaft, scheint dieses System nicht mehr ungebrochen stabil. Wo Frauen aus der Stadt an einer Monetarisierung dieser Strukturen beteiligt sind, sei es durch Bezahlung landwirtschaftlicher Arbeitskraft, sei es durch Tausch gegen Güter wie Altkleider, die sie billig erwerben, fühlen die auf dem Lande lebenden Frauen sich leicht benachteiligt und ausgeschlossen. Die zunehmende Divergenz zwischen Stadt und Land unter dem Stichwort Monetarisierung vs. Subsistenzproduktion setzt hier verwandtschaftliche Netzwerke von Frauen unter erheblichen Druck. Die patriarchal geprägte Hierarchie zwischen Schwägerinnen, Schwiegertöchtern und Schwiegermüttern findet trotz der Versprechungen sozialer Sicherheit, die sie auch bietet, ihre Grenzen dort, wo städtische Verwandte Möglichkeiten des Wirtschaftens jenseits von Verwandtschaftsbeziehungen entdecken. Aber all dies ist nicht eine eindeutige Entwicklung hin zu einer totalen Monetarisierung verwandtschaftlicher Beziehungen - schließlich sind auch wirtschaftlich dominierte Beziehungen in soziale Beziehungen des Austausches zwischen Familienteilen in Stadt und Land, in 154 gemeinsame Formen von Produktion und Reproduktion eingebettet, zu denen auch die Herstellung und die Bewahrung von Institutionen sozialer Sicherheit gehört und in denen soziale Werte von generalisierter Reziprozität und Familiensolidarität in praktisches Handeln umgesetzt werden. Aus praktischen Hilfeleistungen ziehen Frauen auch soziale Anerkennung, und wenn der Anlass des Lobes nur die Bereitstellung von `ein paar Tellern´ für eine Beerdigung ist, die eine Frau durch Teilnahme an einem Sparverein angesammelt hat. Like myself when Mr. Nyabuya´s sister passed away. I had realised that there are no enough plates at home - otherwise we end up stranded. I had to carry my plates from Harare, put them in the car and a big dish, cups and everything. When the funeral is over I just come with my things. Um, and my mother-in-law thanked me very much. Because she thought "What are we going to do, how are they going to serve the people, because the plates are very few here." Even now you see, "What you did that year, it was something very good. How did you do it?" She also asks how, although very young but I have got a lot of plates, about one fifty plastic and one fifty metal. Ya my husband even asked: "What do you want to do with all these plates?" And I just say "I know when will they be used." So it was a very big thing I did (Naz/Nya 1:20). Neben den auf die Hauswirtschaft und Subsistenz bezogenen gegenseitigen Hilfeleistungen kooperieren weibliche Verwandte auch im Handlungsfeld Marktproduktion in unterschiedlicher Weise. Kapitalhilfe wird gegeben, um einer Schwester den Schritt ins Kleingewerbe zu erleichtern. Vermarktungshilfe durch Verkauf von Kleingewerbeprodukten der Verwandten in der Nachbarschaft und am Arbeitsplatz ist eine andere Form der Kooperation. Selbständige Kleingewerbetreibende engagieren auch weibliche Verwandtschaft zur Entlastung von Hausarbeit oder für die Produktion. Kooperation zwischen Schwägerinnen spielt auch hier eine besondere Rolle. Auch in diesem Bereich scheint es ähnliche Kooperationsformen in anderen Teilen Afrikas zu geben: Kooperation zwischen Schwägerinnen in Form von gemeinsamer Arbeit und Austausch von Handelsgeheimnissen wird auch aus Benin berichtet (Frey-Nakonz 1982:196). Darauf werde ich im Kap. 8.2.2 genauer eingehen. Aus der Analyse der Interviews wird ersichtlich, dass Frauen versuchen, mit Frauen in ihrer Herkunftsfamilie und in ihrer affinalen Familie Beziehungen gegenseitiger Hilfe aufzubauen und zu unterhalten. Dies ist auf ihrer Seite zunächst eine Sicherheitsstrategie angesichts ihrer prekären Situation in der affinalen Familie, durch die sie sich ein Rückkehrrecht beim Scheitern der Ehe sichern (Lachenmann 1997b:399). In Bezug auf ihre Brüder und deren Frauen sichert sich aber auch jede Frau die Loyalität und Kooperationsbereitschaft derer, die ihr die lobola verdanken. Die patriarchalen Verhältnisse, die sich in der lobola ausdrücken, wirken sich einerseits als Verpflichtung (Arbeit, Unterstützung für affinale Familie), andererseits als Recht (auf Arbeits- und Unterstützungsleistung in der Herkunftsfamilie) aus. 155 Teilweise haben Unterstützungsleistungen, wie Geschenkpakete bei Besuchen auf dem Lande, oder Hilfe bei der Landarbeit, mehr symbolischen als unmittelbar materiellen Wert, aber sie sind nichtsdestoweniger soziales Kapital in den verwandtschaftlichen Netzwerken. Austausch von Hilfe und Unterstützung wird nicht unbedingt unmittelbar entgolten, sondern kann zeitverschoben stattfinden. Damit erst wird eine soziale Beziehung der Reziprozität hergestellt (Schultz 1996:113). Handlungsmöglichkeiten als Mitglied der Herkunftsfamilie spiegeln sich in denen als einheiratende Fremde in der Affinalfamilie. Die Frau, die sich in ihrer affinalen Verwandtschaft gute Beziehungen zu Schwiegermutter und Schwägerinnen aufbaut, kann dasselbe von den angeheirateten Schwägerinnen in ihrer Familie erwarten.18 Zwar hat nicht jede das Glück oder das Verhandlungsgeschick, in ihrer affinalen Familie mit dem gleichen Respekt behandelt zu werden wie dem, den sie in ihrer Position als Schwägerin den anderen angeheirateten Frauen in ihrer Herkunftsfamilie zukommen lassen mag, doch sie kann sich durch Kooperation Allianzen schaffen. Monetarisierungstendenzen sind, angefangen bei der lobola, in den verwandtschaftlichen Beziehungen zunehmend feststellbar. Darin wird von den Informantinnen selbst die Gefahr einer Kommerzialisierung gesehen. Insbesondere lehnen Frauen die Verzerrung der Bedeutung der lobola i.S. von Venalität (Elwert 1987) ab, weil dies ihren Status in der affinalen Familie und ihre für ihre soziale Sicherheit bedeutsamen Beziehungen zu ihrer Herkunftsfamilie schmälern würde. Auch wehren sie sich gegen Tendenzen der Individualisierung der lobola durch Väter. Auf der Ebene der sozialen Netzwerke in der Verwandtschaft treffen Handlungsrationalitäten aus traditionellen und modernen Wirtschaftsweisen aufeinander, die zwischen Solidarität in Reziprozitätsnetzwerken und Individualisierung liegen (Schultz 1996:168). Frauen sehen sich aufgrund ihrer prekären Situation in der affinalen Verwandtschaft Forderungen an Unterstützung durch Arbeitsleistungen, Konsumartikel und Geld ausgesetzt, die sie nur schwer erfüllen können. Dabei sind sie, schon allein aufgrund ihrer höheren Verantwortlichkeit für Reproduktionsarbeit in der geschlechtlichen Arbeitsteilung, stärker auf verwandtschaftliche Hilfe und Absicherung sowohl in der agnaten als auch in der affinalen Verwandtschaft angewiesen. Beide Verwandtschaftssysteme erheben Ansprüche auf Unterstützung, die zwischen den Ehepartnern ausgehandelt werden muss. Die Ansprüche auf Unterstützung scheinen sich zunehmend mehr auf die Frauen und weniger auf die Männer zu richten. Möglicherweise wird ein individuelles Gewinnstreben eher bei Männern akzeptiert, die schon mehr als die Frauen in die moderne Wirtschaftsweise integriert sind. Weibliche Unterstützungsnetzwerke in der Verwandtschaft werden dann im Kontext der allgemeinen Destabilierung der Lebensverhältnisse immer einseitiger belastet. Die als Solidaritätskapazität (Lachenmann 1997b:401) zu bezeichnende Grundlage der sozialen Sicherheit in einer Gesellschaft kann nur dann wahrgenommen und gefördert werden, wenn erkannt wird, dass ihre Leistungen eben nicht nur im produktiven Sektor entstehen, sondern in der Verflechtung von produktivem und reproduktivem Sektor. Welche neuen, über die 18 Die Handlungsrationalität dieser Interaktion ist die der generalisierten Reziprozität als Gabe oder Dienstleistung, die zwar nicht unmittelbar zwischen zwei Akteuren entgolten wird, aber dem Geber in anderem Zusammenhang wieder zukommen wird (Elwert 1980:684). 156 Verwandtschaftsbeziehungen hinausgehenden bzw. semifamiliären sozialen Netzwerke Frauen aufbauen, um Defizite in der Überlebenssicherung auszugleichen, wird im folgenden Kapitel dargestellt.